TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/26 I408 2184881-1

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Veröffentlicht am 26.11.2019
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Entscheidungsdatum

26.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §13 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch

I408 2184881-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. ÄGYPTEN, vertreten durch: DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gegen den Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien vom 28.12.2017, Zl. 1090641300-160748811, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Das Beschwerdeverfahren hinsichtlich Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird wegen Zurückziehung der Beschwerde eingestellt.

II. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid in diesem Umfang ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste im November 2015 legal in Österreich ein und stellte am 30.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 28.12.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Unter einem wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidungen erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise beträgt 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Am 30.01.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde.

Am 25.09.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an der der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung zog der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. zurück.

Am 21.10.2019 übermittelte der Beschwerdeführer auftragsgemäß seine Heiratsurkunde, aus der hervorgeht, dass er am 16.10.2019 eine ungarische Staatsangehörige, mit der er einen gemeinsamen Wohnsitz verfügt, geehelicht hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch genannte Identität, ist ägyptischer Staatsangehöriger und bekennt sich zum islamischen Glauben sunnitischer Ausrichtung. Er reiste legal in Österreich ein und stellte am 30.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 16.10.2019 heiratete der Beschwerdeführer eine ungarische Staatsangehörige, die seit 11 Jahren in Österreich lebt und als Physiotherapeutin arbeitet. Aufgrund dieser Ehe ist der Beschwerdeführer begünstigter Drittstaatsangehöriger. Er verfügt damit über ein Aufenthaltsrecht als begünstigter Drittstaatsangehöriger.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

In der mündlichen Verhandlung zog der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurück.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers und seiner Verehelichung mit einer ungarischen Staatsbürgerin ergeben sich zweifelsfrei aus den, dem Gericht vorliegenden Dokumenten. Der gemeinsame Wohnsitz der Ehepartner ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde und einer vorgenommenen ZMR-Abfrage.

Der Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 25.09.2019 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist.

Dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurückgezogen hat, ergibt sich aus dem Verhandlungsprotokoll vom 25.09.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 7 Abs 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6).

In welchen Fällen "das Verfahren einzustellen" ist (§ 28 Abs 1 VwGVG), regelt das VwGVG nicht ausdrücklich. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm 5).

Der Beschwerdeführer erklärte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 25.09.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich und zweifelsfrei, seine Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. zurückzuziehen. Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid hinsichtlich dieser zwei Spruchpunkte rechtskräftig. Einer Sachentscheidung ist damit jede Grundlage entzogen, weshalb mit Beschluss die Einstellung des gegenständlichen Verfahrens bezüglich Spruchpunkte I. und II. auszusprechen war.

3.2. Zu den Spruchpunkten III. bis VI. des angefochtenen Bescheides und deren Behebung:

Die belangte Behörde erteilte dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht und erließ in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. In Spruchpunkt V. wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten gemäß § 46 FPG zulässig sei und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0115-7; VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0014; VwGH 31.08.2017, Ra 2017/21/0133). Das ordnet das Gesetz zwar ausdrücklich nur für die Konstellation des § 52 Abs. 2 FPG an, die generelle Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gegen begünstigte Drittstaatsangehörige ergibt sich aber schon daraus, dass die mit § 52 FPG umgesetzte Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) auf begünstigte Drittstaatsangehörige nach ihrem Art. 2 Abs. 3 nicht anzuwenden ist (siehe auch VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0179).

Der Status des begünstigten Drittstaatenangehörigen kommt jedoch nur Ehegatten von EWR-Bürgern zu, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, also von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349; VwGH 14.04.2016, Ro 2016/21/0005).

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer am 21.10.2016 die mit 16.10.2019 datierte Heiratsurkunde vorgelegt, aus der hervorgeht, dass er die Ehe mit einer ungarischen Staatsangehörigen geschlossen hat. Das Bestehen einer Ehe wurde somit formell nachgewiesen und ist der Beschwerdeführer als Ehegatte zu behandeln.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist seit 11 Jahren in Österreich und arbeitet als Physiotherapeutin. Seit diesem Zeitpunkt ist sie aufrecht im Bundesgebiet gemeldet, weshalb sie von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch macht und über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt. Dass der Beschwerdeführer als Asylwerber unabhängig von seiner Ehefrau ins Bundesgebiet gelangt ist und erst nach seiner Einreise die Angehörigeneigenschaft erworben hat, steht nach der Auslegung der Freizügigkeitsrichtlinie durch den EuGH seiner Familienangehörigeneigenschaft nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer ist, genauso wie seine Ehefrau, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt, und kommt ihm der Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen zu. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung erweist sich sohin als unzulässig, und sind die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides aus diesem Grund zu beheben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR zu Fragen des Asyls, zur Überschreitung der Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK und zu Fragen des Art. 8 EMRK und der Verhängung eines Einreiseverbotes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich bei allen erheblichen Rechtsfragen an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR orientiert und hat diese - soweit erforderlich - auch zitiert.

Schlagworte

Abschiebung, Asylantragstellung, Asylverfahren, Aufenthalt im
Bundesgebiet, Aufenthaltsrecht, begünstigte Drittstaatsangehörige,
Behebung der Entscheidung, Beschwerdeverzicht,
Beschwerdezurückziehung, Ehe, Einstellung, ersatzlose Teilbehebung,
freiwillige Ausreise, Kassation, mündliche Verhandlung,
Rückkehrentscheidung, Spruchpunktbehebung, subsidiärer Schutz,
Verfahrenseinstellung, Zurückziehung, Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2184881.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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