TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/25 97/12/0349

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Veröffentlicht am 25.03.1998
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Index

65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

PG 1965 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 28. August 1997, Zl. 110647-OS/97, betreffend Zurechnung von Zeiten für die Ruhegenußbemessung gemäß § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1953 geborene Beschwerdeführer steht als Oberoffizial im Ruhestand in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund. Bis zu seiner mit 31. Dezember 1996 erfolgten amtswegigen Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 gehörte er zum Personalstand der Direktion Graz der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft und wurde im Postamt 8020 Graz im Verteildienst für Inlandspostsendungen verwendet.

Der Ruhestandsversetzung lag ein Gutachten des chefärztlichen Dienstes der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (PVAng) vom 4. November 1996 zugrunde, dessen Erstellung die Dienstbehörde I. Instanz bei der PVAng in Auftrag gegeben hatte; vorausgegangen waren ein seit dem 30. Juni 1996 andauernder Krankenstand des Beschwerdeführers sowie Vorkrankenstände im Ausmaß von 127 Tagen seit Jahresbeginn.

Der Chefarzt der PVAng erstellte im wesentlichen auf der Grundlage eines psychiatrisch-neurologischen, eines orthopädischen und eines internen Facharztgutachtens, eingeholt jeweils durch die PVAng, folgende Diagnose:

"Chronischer Genußmittelmißbrauch mit mehrfach durchgeführten, jedoch erfolglosen Entzugsbehandlungen, generalisierte cerebrale Krampfanfälle infolge des Alkoholismus, derzeit unbehandelt.

Fettstoffwechselstörung ohne bekannte Sekundärfolgen, sonst im wesentlichen altersentsprechender Internbefund, insbesondere kein Hinweis auf höhergradigen Leberzellschaden.

Dupuytren"sche Kontraktur beider Hände (4. und 5. Strahl rechts, 4. Strahl links), derzeit ohne wesentliche funktionelle Bedeutung, chronische Lumbalgie bei verstärkter Brustkyphose und statischer, mäßiger Linksskoliose der Lendenwirbelsäule mit nur geringer Bewegungseinschränkung und ohne Wurzelirritationszeichen Senk-Spreizfüße, sonst im wesentlichen altersentsprechend aufgebrauchter Stütz- und Bewegungsapparat."

In dem an die Diagnose anschließenden "Leistungskalkül" erklärte der Chefarzt - jeweils durch Ankreuzen einer von zwei oder mehreren möglichen Varianten - folgende Tätigkeiten bzw. Belastungen für aus medizinischer Sicht zumutbar:

Körperliche Beanspruchung: mittel.

Arbeitshaltung: sitzen, stehen oder gehen.

Geistiges Leistungsvermögen: einfach.

Hebe- und Trageleistung: ständig leicht, überwiegend

mittelschwer, fallweise schwer.

Bejaht wurden Arbeiten über Kopf, in gebeugter Haltung, in sonstiger Zwangshaltung, in geschlossenen Räumen, im Freien, unter starker Lärmentwicklung, Feinarbeiten ebenso wie Grobarbeiten, in Kälte und in Hitze; verneint wurden Arbeiten an höhenexponierten Stellen, an allgemein exponierten Stellen und in Nässe; ebenso verneint wurde das dienstbedingte Lenken eines Kfz. Bejaht wurden Arbeiten mit "durchschnittlichem Zeitdruck" sowie ein bildschirmunterstützter Arbeitsplatz, ebenso ein Anmarschweg von mehr als 500 m und "übliche Arbeitspausen".

Aus einem Vergleich dieses Leistungskalküls mit dem Anforderungsprofil des zu beurteilenden Arbeitsplatzes ergab sich für die belangte Behörde eine Divergenz hinsichtlich des Arbeitsrhythmus, der sich laut Anforderungsprofil als wechselnd mit beträchtlichen Arbeitsspitzen darstelle, während laut Leistungskalkül nur mehr "durchschnittlicher Zeitdruck" zumutbar sei. Um eine diesbezügliche Stellungnahme ersucht, gab die Dienstbehörde I. Instanz an, daß der dem Beschwerdeführer zugewiesene Arbeitsplatz nicht dem Leistungskalkül entspreche und daß in ihrem Wirkungsbereich weder im Postdienst noch im technischen Bereich noch in der Verwaltung ein zumindest gleichwertiger Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, dessen Anforderungen der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der chefärztlichen Vorgaben zu erfüllen imstande wäre.

In der Folge versetzte die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 2. Dezember 1996 in den Ruhestand. Gleichzeitig teilte die Behörde dem Beschwerdeführer mit, daß nach dem Ermittlungsergebnis die Voraussetzungen für eine Zurechnung von Jahren gemäß § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 mangels Erwerbsunfähigkeit nicht gegeben seien.

Der Beschwerdeführer erhob daraufhin mit Schreiben vom 6. Dezember 1996 Einwendungen gegen die Ablehnung der Zurechnung und legte mit Eingabe vom 13. Dezember 1996 einen psychiatrisch-neurologischen sowie eine orthopädischen Befund vom 12. bzw. 11. Dezember 1996 vor. Der Befund des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie lautete wie folgt:

"ANAMNESE:    Beim Patienten besteht derzeit nach eigenen

              Angaben kein Alkoholabusus. Z. n. mehrmaliger

              Alkoholentwöhnungskur im LNKH, insgesamt auch

              8 mal Auftreten eines Grand Mal Anfalles, meist

              im Rahmen einer Entzugssymptomatik. Mehrmals

              bereits Auftreten eines prädeliranten

              Zustandsbildes.

OBJ. NEUR.:   Keine cerebralen Herd- oder Halbseitenzeichen.

PSYCHISCH:    Klar orientiert, unter derzeitiger Therapie keine

              Schlafstörung, jedoch verstärkte Reizbarkeit,

              vegetative Störungen und depressive

              Stimmungslage.

DIAGNOSE:     Alkoholkrankheit, symptomatische Epilepsie,

              depressives Zustandsbild.

THERAPIE:     Seropram 20 mg 1/0/0, Saroten 25 mg 0/0/1,

              Dominal forte 0/0/1 und Trileptal 300 mg 2 x 1

              verordnet.

Derzeit besteht keine Arbeitsfähigkeit. Eine weitere strikte Alkoholkarenz müßte eingehalten werden.

Regelmäßige fachärztliche Kontrollen sind angezeigt."

Der Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie diagnostizierte unter anderem ein chronisches Cervicalsyndrom bei Osteochondrose, Lumbalsyndrom, Senk- und Spreizfuß.

Die Dienstbehörde I. Instanz legte der belangten Behörde sämtliche Unterlagen vor und ersuchte um Entscheidung über die Zurechnung eines Zeitraumes von neun Jahren, sechs Monaten und einem Tag.

Zur ergänzenden Beurteilung der Frage der Erwerbsunfähigkeit holte die belangte Behörde in der Folge ein berufskundliches Gutachten ein, in dem als mögliche Verweisungsberufe die Tätigkeiten eines Torwarts, Portiers, Botengängers, Postbearbeiters, Lichtpausers/Kopisten oder einer Bürohilfskraft angegeben und als "billigerweise sozial zumutbar" bezeichnet wurden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. August 1997 wies die belangte Behörde das Ansuchen um Zurechnung von Jahren ab. Sie führte dazu aus, daß Erwerbsunfähigkeit dann vorliege, wenn die dem dienstunfähigen (und deshalb pensionierten) Beamten verbliebene Arbeitskraft nicht mehr ausreiche, eine Beschäftigung auszuüben, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten und honoriert werde; Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit liege dann vor, wenn die Beschäftigung, die der Beamte - vom medizinischen Standpunkt beurteilt - noch auszuüben vermöge, in ihrer sozialen Geltung der früheren Tätigkeit, der dienstlichen Stellung sowie der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkomme und wenn auch nach den sonstigen persönlichen Lebensumständen die Aufnahme der Tätigkeit vom Beamten billigerweise erwartet werden könne, wobei es nicht darauf ankomme, ob sich eine konkrete Erwerbsgelegenheit tatsächlich biete. Gegen die Mitteilung vom 6. Dezember 1996, daß der Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der überzeugenden Gutachtensausführungen der PVAng die Voraussetzung für eine Zurechnung von Jahren nicht erfülle, habe dieser mit Schreiben vom 6. Dezember 1996 Einwendungen erhoben und nachträglich zwei "Befundberichte" vorgelegt. Die darin enthaltenen ärztlichen Aussagen seien aber mit jenen, welche den Ärzten der PVAng anläßlich der Überprüfung der Dienstfähigkeit vorgelegen seien, nahezu identisch und daher im chefärztlichen Leistungskalkül bereits berücksichtigt worden. Zur ergänzenden Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer mit der aus ärztlicher Sicht verbliebenen Leistungsfähigkeit noch einen zumutbaren Erwerb ausüben könne, sei unter Vorlage der ärztlichen Befunde und der Eingabe des Beschwerdeführers um Erstattung eines berufskundlichen Gutachtens ersucht worden. Diesem Gutachten vom 4. März 1997 zufolge seien dem Beschwerdeführer entsprechend dem medizinischen Leistungskalkül Tätigkeiten wie die eines Torwartes, Portiers, Botengängers, Postbearbeiters, Kopisten oder einer Bürohilfskraft in Vollbeschäftigung zuzumuten. Diese würden am allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten und genössen eine dem zuletzt ausgeübten Tätigkeitsbild gleichwertige Geltung. Mit Schreiben vom 7. April 1997 sei dem Beschwerdeführer der gesamte Sachverhalt zur Kenntnis gebracht und eine Ablichtung des berufskundlichen bzw. arbeitspsychologischen Gutachtens übermittelt worden; von der gebotenen Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, habe der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht. Zusammenfassend stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der vorliegenden schlüssigen ärztlichen Aussagen und des überzeugenden berufskundlichen Gutachtens in der Lage sei, regelmäßige, ihm zumutbare Erwerbstätigkeiten auszuüben. Deshalb sei die Voraussetzung für eine Zurechnung von Jahren nicht erfüllt und spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltendmachende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 in der Fassung der 8. Pensionsgesetznovelle, BGBl. Nr. 426/1985, lautet:

"Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm seine oberste Dienstbehörde aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre zu seiner ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu beispielsweise mit Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/12/0162, unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung ausgeführt:

Die Behörde hat die in einem Verfahren nach der genannten Gesetzesstelle entscheidende Rechtsfrage, ob der Beamte noch "zu einem zumutbaren Erwerb" fähig ist, nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Versetzung des Beamten in den Ruhestand zu lösen; hiebei hat sie zunächst auf der Grundlage eines mängelfreien und schlüssigen ärztlichen Gutachtens die Frage zu beantworten, ob der Beamte überhaupt noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt ist; bejahendenfalls hat sie sodann auf der Grundlage dieses sowie eines mängelfreien und schlüssigen berufskundlichen Gutachtens die Frage zu klären, ob dem Beamten jene Erwerbstätigkeiten, die er nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt aus noch auszuüben vermag, zugemutet werden können. Letzteres ist dann der Fall, wenn diese Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten auch nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann. Ob dem Beamten eine solche Beschäftigung, die an sich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist, tatsächlich vermittelt werden kann, ist für die abstrakt vorzunehmende Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ohne Bedeutung. In einem dem Standpunkt des Beamten nicht vollinhaltlich Rechnung tragenden Bescheid nach § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 hat die Behörde entsprechend den §§ 58 Abs. 2, 60 AVG und § 1 DVG in einer sowohl die Wahrnehmung der Rechte durch den Beamten als auch die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglichenden Art und Weise die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Das im Beschwerdefall durchgeführte Verfahren wird diesen Anforderungen nicht gerecht:

Zunächst ist festzuhalten, daß es rechtswidrig war, im Beschwerdefall die PVAng selbst um Begutachtung zu ersuchen und von der Begründung abzusehen, weshalb - entgegen der grundsätzlichen Verpflichtung nach § 52 Abs. 1 AVG - keine Amtssachverständigen herangezogen wurden; hiezu kann, um Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1997, 96/12/0242, verwiesen werden.

Die von der Behörde bei der PVAng eingeholten medizinischen Gutachten, auf die sich die belangte Behörde stützte, entsprechen aber auch inhaltlich nicht den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß ein solches einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden.

Mit anderen Worten: Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlußfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteils (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsache, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen beschafft wurden, erkennen läßt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrundelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht. Der Sachverständige muß also, damit eine Schlüssigkeitsprüfung seines Gutachtens vorgenommen werden kann, auch darlegen, auf welchem Weg er zu seinen Schlußfolgerungen gekommen ist. Sind andere Gutachten oder Befunde Bestandteile des Sachverständigengutachtens geworden, so müssen sie insoweit den eben dargestellten Anforderungen entsprechen, die an ein Sachverständigengutachten zu stellen sind (vgl. neuerlich Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0242, mit weiteren Judikaturangaben).

Die "Stellungnahme des Chefarztes" im Beschwerdefall enthält eine Diagnose und ein formularmäßiges Leistungskalkül. Die Diagnose stellt eine Zusammenfassung der zugrundegelegten neurologisch-psychiatrischer, orthopädischer und interner Facharztgutachten dar. Wie der Chefarzt zu den - im übrigen bezogen auf den Fall des Beschwerdeführers wenig aussagekräftigen - Schlußfolgerungen im Leistungskalkül gelangt ist, bleibt gänzlich unklar. Gegen dieses Gutachten erhob der Beschwerdeführer Einwendungen, indem er aktuelle Befunde eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie und eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vorlegte. Auch wenn diese Befunde selbst nicht die Voraussetzungen eines Sachverständigengutachtens erfüllten, waren sie doch geeignet, die Aussagen des schon in sich nicht schlüssigen Gutachtens der PVAng weiter in Frage zu stellen und die belangte Behörde zu ergänzenden Ermittlungen zu verpflichten.

In der Beschwerde bestreitet der Beschwerdeführer insbesondere die Feststellung der belangten Behörde, daß die vorgelegten "Befundberichte" in ihren Aussagen "nahezu identisch" mit jenen der Ärzte der PVAng gewesen seien, und legt dar, daß die von do. eingeholten Gutachten im Gegensatz zu dem von ihm vorgelegten aktuellen Befund des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. keine Aussagen über sein depressives Zustandsbild und seine Epilepsie enthielten. In der Gegenschrift weist die belangte Behörde zwar zutreffend darauf hin, daß sowohl das der chefärztlichen Stellungnahme zugrundeliegende Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. als auch die chefärztliche Stellungnahme selbst die Diagnose "generalisierte sekundäre Epilepsie" bzw. "generalisierte cerebrale Krampfanfälle" enthalte. Damit bringt die belangte Behörde allerdings nichts gegen die behauptete Abweichung des vom Beschwerdeführer beigebrachten psychiatrischen Gutachtens hinsichtlich der Depressionen vor. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Depressionen bzw. deren Grad kann aber, wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, von entscheidender Bedeutung für das Leistungskalkül und in der Folge für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit sein.

Folgende Überlegungen sind dabei maßgeblich: Erwerbsfähigkeit nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit ist abstrakt zu beurteilen; es kommt aber darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten vorliegen. Hiebei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) gegeben ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1994, Zl. 94/12/0162). Vor allem die letztgenannten Fähigkeiten können aber bei Depressionen gravierend beeinträchtigt sein oder ganz fehlen. Die belangte Behörde hätte daher Feststellungen zum Bestehen und zum Grad der Depressionen, zu deren konkreten Auswirkungen im Arbeitsleben sowie zu den therapeutischen Möglichkeiten zu treffen gehabt. Da sie dies unterließ, hat sie den angefochtenen Bescheid auch aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Da es im Beschwerdefall schon an der Voraussetzung einer mängelfreien Feststellung des gesundheitlichen Zustandes des Beschwerdeführers im Zeitpunkt seiner Pensionierung fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob das auf dieser Grundlage erstellte berufskundliche Gutachten und die darauf gestützte rechtliche Beurteilung der Behörde den oben genannten Anforderungen entsprechen oder - aus den in der Beschwerde näher ausgeführten Gründen - mangelhaft sind.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997120349.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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