TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/19 G311 2215519-4

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Veröffentlicht am 19.03.2020
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Entscheidungsdatum

19.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G311 2215519-4/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft XXXX, geb. XXXX alias XXXX, alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX, Staatsangehörigkeit: ALGERIEN, betreffend die weitere Anhaltung in Schubhaft aufgrund des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.2019, Zahl: XXXX, zu Recht:

A)

Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der betroffene Fremde (BF) reiste erstmals 2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.03.2016 einen Asylantrag.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.09.2016 wurde das Verfahren gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass gemäß 18 Abs. 1 b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Ungarn für das Asylverfahren zuständig ist. Am 05.12.2016 wurde der BF auf dem Luftweg von XXXX nach Budapest abgeschoben. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2017, Zl. W105 2137030-1/7E, als unbegründet abgewiesen wurde.

Der BF stellte am 23.12.2017 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Verfahren wurde in weiterer Folge zugelassen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.02.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. 1. Teil) erteilt und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. 2. Teil) erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III. 3. Teil). Weiters wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.08.2018, Zl. I415 2190849-1/8E, als unbegründet abgewiesen wurde. Das Erkenntnis wurde dem bevollmächtigten Vertreter des BF am 28.08.2018 ordnungsgemäß zugestellt.

Am 30.05.2018 wurde durch die deutschen Behörden ein Konsultationsverfahren zur Rückübernahme des BF gemäß Dublin III -Verordnung eingeleitet, da der BF in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die belangte Behörde stimmte der Rückübernahme des BF zu.

Am 13.11.2018 wurde der BF von Deutschland kommend nach Flughafen XXXX überstellt und im Anschluss zur Einbringung des in Deutschland gestellten Asylantrages an die PI Schwechat Fremdenpolizei AGM überstellt. Bei der niederschriftlichen Erstbefragung am 13.11.2018, um 13:00 Uhr, gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache an, dass er seinen Asylantrag zurückziehen möchte. Das Verfahren wurde infolge gemäß § 25 Abs. 2 AsylG eingestellt.

Am XXXX.2018, um XXXX Uhr, wurde nach Verständigung des BFA durch die PI Schwechat Fremdenpolizei AGM der Auftrag zur Festnahme des BF gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG erlassen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX.2018 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die gegenständliche Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die Entscheidung wurde dabei im Wesentlichen damit begründet, dass der BF sich dem Asylverfahren in Österreich zumindest ab dem 9.5.2018 entzogen habe, da er zu jenem Zeitpunkt Österreich in einen anderen Mitgliedstaat verlassen habe, nämlich Deutschland, und dort unter einer anderen als in Österreich angegebenen Identität einen Antrag gestellt habe. Aus den Asylverfahren in Ungarn habe sich der BF zumindest zweimal entzogen, indem er nach Österreich weitergereist sei. Dabei habe er in Österreich bei seinem ersten Asylantrag behauptet, minderjährig zu sein. Er habe dies im Wissen, dadurch seine Zurückschiebungen nach Ungarn zu verunmöglichen, getan und sich so dem Verfahren in Ungarn zu entziehen. Erst durch ein Altersfeststellungsgutachten in Österreich habe die Volljährigkeit des BF festgestellt und er so seinem Verfahren in Ungarn wieder zugeführt werden können. Er sei bei seinem Asylverfahren in Österreich zur Unterkunftnahme in einer Grundversorgungseinrichtung verpflichtet gewesen. Er habe diese, ohne die Behörden davon in Kenntnis zu setzen, verlassen und habe in weiterer Folge von der Grundversorgung wegen unbekannten Aufenthaltes abgemeldet werden müssen, dies noch bevor ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu seinem Asylverfahren ergangen sei. Diese Umstände ließen erkennen, dass der BF seine Abschiebung umgehen und behindern wolle. Gegen den BF bestehe eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Der Grad seiner sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes, seien nicht gegeben.

Am 22.11.2018 wurde der BF zur Schubhaftanordnung und einer eventuellen Verhängung eines Einreiseverbotes niederschriftlich einvernommen. In der Einvernahme wurde der BF zur mehrfachen Verwendung von Alias-Identitäten befragt. Dabei gestand er die Verwendung verschiedener Identitäten ein. Auf die Frage, wo sich seine persönlichen Dokumente (Reisepass, Personalausweis, Geburtsurkunde usw.) befänden, antwortete der BF, dass er solche Dokumente gehabt hätte, sie jetzt aber nicht mehr habe.

Am 11.12.2018 wurde der BF zwecks Identitätsfeststellung einer Delegation der algerischen Vertretungsbehörde in XXXX vorgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass es sich beim BF wahrscheinlich um einen algerischen Staatsangehörigen handle, eine Identitätsprüfung in Algerien sei jedoch notwendig, diese werde 4-5 Monate in Anspruch nehmen.

Vor Ablauf der gesetzlich vorgesehenen 4- Monatsfrist (§ 22a Abs. 4 BFA-VG) legte das BFA den verfahrensgegenständlichen Akt zur Durchführung der vorgesehenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Verlängerung der aufrechten Schubhaft dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.03.2019, W154 2215519-1, wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Am 04.04.2019 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.04.2019, W140 2215519-2, wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen, und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei.

Am 02.05.2019 erfolgte seitens des BFA die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.05.2019, W154 2215519-3, wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen, und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei.

Seit seiner Entlassung aus der Schubhaft am XXXX.2019 liegt keine behördliche Meldung des Beschwerdeführers vor. Er sprach am XXXX.2019 bei der belangten Behörde vor und wurde dann dort festgenommen.

Wie die belangte Behörde bei der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers am XXXX.2019 festhielt, wurde der Beschwerdeführer am XXXX.2019 aus der Schubhaft aus Gründen der Haftdauer und Nichterlangung eines Heimreisezertifikates entlassen.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.2019, persönlich übernommen durch BF am XXXX.2019, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Identität des BF nicht feststehe. Er gebe an algerischer Staatsangehöriger zu sein, verfüge jedoch über kein Identitätsdokument. Es liege eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor. Er halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und habe er keine familiären und privaten Bindungen zum Bundesgebiet. Er habe sich bisher nicht kooperativ verhalten, da er seit seiner Entlassung aus der Schubhaft am XXXX.2019 untergetaucht sei. Er verfüge nicht über ausreichend Barmittel und sei er nicht behördlich gemeldet. Die Fluchtgefahr wurde auf § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 8 und 9 FPG gestützt. Es bestehe aufgrund seiner familiären und privaten Situation die Gefahr des Untertauchens. Die Schubhaft sei auch verhältnismäßig. Mit einem gelinderen Mittel könne nicht das Auslangen gefunden werden.

Der BF hat keine Familienangehörigen im Bundesgebiet und ist in Österreich weder legal erwerbstätig noch sozialversichert. Er hat keine Anknüpfungspunkte zu Österreich und verfügt über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Er verfügt kaum über Barmittel und brachte keine identitätsbezeugenden Dokumente in Vorlage. Er ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig.

Der BF ist nicht willig zur Kooperation mit den Behörden. Er gab zum Zweck der Verschleierung der Identität verschiedene Namen und Geburtsdaten an. Unter anderem sollte dadurch die Erlangung eines Heimreisezertifikates zumindest verzögert bzw. verhindert werden. Der Beschwerdeführer entzog sich auch durch Untertauchen dem Zugriff der Behörden.

Seitens der belangten Behörde wurde am 17.12.2019, 10.01.2020 und 28.02.2020 behördliche Überprüfungen gemäß § 80 Abs. 6 FPG durchgeführt.

Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde am 26.11.2019, 09.12.2019, 10.01.2020, 30.01.2020 und 10.03.2020 bei der algerischen Botschaft urgiert (siehe dazu die Vorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG durch die belangte Behörde).

Mit Vorlage vom 16.03.2020, eingelangt bei Bundesverwaltungsgericht am 17.03.2020, wurde der gegenständliche Verwaltungsakt zur Überprüfung gemäß § 22a Abs. 4 FPG vorgelegt.

II. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dem vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen W 154 2215519-1, W 140 2215519-2 und W154 2215519-3.

Das Bundesverwaltunsgericht holte einen Zentralmelderegisterauszug, einen Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres sowie des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister ein.

III. Rechtliche Beurteilung:

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

§ 76 FPG lautet:

(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Die "Fluchtgefahr" ist in im § 76 Abs. 3 FPG gesetzlich definiert.

Die Schubhaft ist also weiterhin jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers, dabei sind insbesondere die Verwendung von Alias-Identitäten und das Untertauchen des BF hervorzuheben, mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

Im Gegenstand liegt daher jedenfalls auch im Entscheidungszeitpunkt Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG vor.

§ 80 FPG regelt die Dauer der Schubhaft und lautet auszugsweise:

" (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden."

Gegenständlich ist jedenfalls der Tatbestand der Z.1 verwirklicht.

Auch unter diesem Aspekt, dass immer noch von der Realisierbarkeit der Abschiebung auszugehen ist, zumal der BF schon persönlich der algerischen Botschaft vorgeführt wurde laufend Urgenzen durch die belangte Behörde erfolgen und nach dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes Algerien auch Heimreisezertifikate ausstellt, erweist sich die bisherige Anhaltung am soeben angeführten Maßstab als verhältnismäßig, da sie sich immer noch im unteren Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch weiterhin die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Ausdrücklich ist festzuhalten, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine anderslautende Beurteilung erfolgen kann.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhing, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Weder wich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlte es an einer Rechtsprechung; weiters war die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch lagen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,
Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf, Verhältnismäßigkeit,
Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2215519.4.00

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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