TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/24 G302 2229816-1

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Veröffentlicht am 24.03.2020
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Entscheidungsdatum

24.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G302 2229816-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Manfred ENZI über die Beschwerde des XXXX, geb.XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX, XXXX, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX, vom 10.02.2020, Zl.XXXX, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von EUR 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 10.02.2020, Zl. XXXX, wurde überXXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan (im Folgenden: BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des BF aus der derzeitigen Haft eintreten würden.

Der BF erhob durch seine rechtliche Vertretung fristgerecht Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 25.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 20.07.2017, Zl. XXXX, abgewiesen. Weiters wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und ausgesprochen, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.09.2019, Zl.XXXX, abgewiesen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.01.2020, Zl. XXXX, wurde die Frist für die freiwillige Ausreise widerrufen.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 11.01.2018 wegen Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach den §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall sowie 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall und Abs. 2 SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat verurteilt, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe für die Dauer einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Weiters wurde der BF mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 17.01.2020 wegen Verbrechen nach den § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG sowie §§ 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG, § 28a Abs. 5. Fall SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Die bedingte Strafnachsicht wurde widerrufen.

Die Freiheitsstrafe wird in der Justizanstalt XXXX vollzogen. Die voraussichtliche Entlassung erfolgt am 25.08.2020.

Der BF wurde mit schriftlichem Parteiengehör der belangten Behörde vom 21.11.2019, zugestellt am 28.11.2019, über das fremdenrechtliche Verfahren und eine mögliche Schubhaft in Kenntnis gesetzt. Eine Stellungnahme langte bei der belangten Behörde am 05.12.2019 ein.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet, wobei ausgesprochen wurde, dass die Rechtsfolgen erst nach der Entlassung aus der Strafhaft eintreten werden.

Am 10.03.2020 stellte der BF einen Asylfolgeantrag. Mit Verfahrensanordnung vom 11.03.2020 wurde dem BF mitgeteilt, dass gem. § 29 Abs. 3 AsylG beabsichtigt ist, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Das Verfahren ist derzeit noch laufend und wurde nicht zugelassen.

Der BF wurde am 28.02.2020 positiv von der afghanischen Botschaft identifiziert und es wurde eine Zustimmung erteilt.

Es finden sowohl Einzelrückführungen als auch Charterrückführungen nach Afghanistan statt, wobei aktuell der Großteil der Rückführungen per Charter erfolgt.

Der BF ist nicht gewillt, nach Afghanistan auszureisen und besteht die Gefahr, dass er sich nach Entlassung aus der Strafhaft den Behörden entzieht, um eine Abschiebung zu verhindern.

Der BF ist haftfähig, verfügt in Österreich über kein familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk und keine finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.

Der Beschwerdeführer hält sich nachweislich seit Juni 2016 in Österreich auf. Im Bundesgebiet verfügt er über keine Familienangehörige, ist ledig und hat keine Kinder. Er unterhält vorwiegend Kontakt mit anderen Afghanen und hat mit Ausnahme von Freunden, mit denen er vor seiner Inhaftierung nicht zusammengelebt hat, keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte. Er gehört keinem Verein an und hat auch keine gemeinnützigen Tätigkeiten verrichtet. Der Beschwerdeführer hat zahlreiche Deutschkurse besucht, eine Deutschprüfung auf A1-Niveau positiv absolviert und verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache. Er nahm am Bildungsangebot XXXX teil und möchte seinen Pflichtschulabschluss nachholen. Er lebte bisher von der Grundversorgung und ist nach wie vor nicht selbsterhaltungsfähig.

Der BF verfügt über kein Reisedokument und kann das Bundesgebiet aus eigenem Entschluss nicht verlassen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang des gegenständlichen Schubhaftverfahrens als auch zum Verfahren auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Identität des BF steht aufgrund der positiven Identifizierung durch die afghanische Botschaft fest.

Die Verurteilungen des BF ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zum Verfahren der Erlangung eines Heimreisezertifikats ergeben sich aus den Informationen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zur Zusammenarbeit mit der Islamischen Republik Afghanistan im Hinblick auf die Beschaffung der notwendigen Reisedokumente für die zwangsweise Außerlandesbringung.

Die mangelnde soziale Verankerung des BF in Österreich ergibt sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.09.2019, Zl.XXXX, sowie aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegisters. Soweit in der Beschwerde eine männliche Person namentlich genannt wird, die bekunden könne, dass der BF über eine enge soziale Verankerung verfüge, ist auszuführen, dass wie oben ausgeführt, der BF mit Personen im Bundesgebiet befreundet ist, eine soziale Verankerung kann jedoch nicht erkannt werden. Darüber hinaus ist diese namentlich genannte Person selbst lediglich vorübergehend zum Aufenthalt in Österreich berechtigt, zumal diese die afghanische Staatsbürgerschaft besitzt und ein Asylverfahren im Beschwerdeverfahren betreibt. Vielmehr ergibt sich daraus, dass sich der BF vorwiegend in Kreisen afghanischer Asylwerber aufhält.

Dass der BF nicht gewillt ist, nach Afghanistan auszureisen und die Gefahr besteht, dass er sich der Abschiebung entzieht, ergibt sich aus dem Umstand, dass er in Österreich über keine sozialen Anknüpfungspunkte verfügt und gegen ihn eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Aufgrund seines massiv strafrechtlichen Auftretens zeigte der BF auch, dass er nicht gewillt ist, sich an die österreichischen Gesetze zu halten und ist deshalb davon auszugehen, dass er die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung nicht akzeptieren wird. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass die bedingte Verurteilung des BG XXXX den BF in keinster Weise davon abgehalten hat, weiterhin Delikte nach dem SMG zu setzen, sodass es zu einer weiteren Verurteilung, nunmehr durch das LG für Strafsachen XXXX, gekommen ist. Dass der BF nicht gewillt ist, freiwillig nach Afghanistan zurückzukehren, ergibt sich auch aus seinen eigenen Ausführungen bei den Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht in seinem Verfahren XXXX sowie aus seiner Stellungnahme vom 05.12.2019.

Ebenso ist die bloße Behauptung, dass der BF bei der in der Beschwerde namentlich genannten Person Unterkunft nehmen könnte und jederzeit für die Behörden greifbar wäre, im Lichte der bereits angeführten Umstände nicht überzeugend, um die beabsichtigte Aufenthaltsbeendigung auch tatsächlich sichern zu können.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Spruchpunkt A)

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lauten:

"§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(...)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(...)

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(...)"

3.2.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138). Schubhaft erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498).

Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH 05.07.2011, Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043). Mit anderen Worten:

Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (VwGH 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.2.3. Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und verfügt über keine Berechtigung zur Einreise in das und zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Gegen den BF besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung.

Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht (vgl. auch VwGH 03.07.2018, Ra 2018/21/0080). Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später ergibt - umgehend zu beenden (VwGH 20.12.2013, Zl. 2013/21/0014).

Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme wurde bereits erlassen und die dagegen erhobene Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen.

Zur tatsächlichen Durchführung der Abschiebung ist auszuführen, dass Abschiebungen nach Afghanistan regelmäßig stattfinden. Der BF wurde von der afghanischen Botschaft positiv identifiziert. Die Durchführung der Abschiebung stellt sich somit als ausreichend wahrscheinlich im Sinne der oben zitierten Judikatur dar.

Wie die belangte Behörde geht im vorliegenden Fall auch das Bundesverwaltungsgericht von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus. So liegt gegen den BF eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor und mit Verfahrensanordnung vom 11.03.2020 wurde dem BF mitgeteilt, dass gem. § 29 Abs. 3 AsylG beabsichtigt ist, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Das Verfahren ist derzeit noch laufend und wurde nicht zugelassen. Weiters verfügt der BF über keine soziale Verankerung in Österreich. Insbesondere liegen kein familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk und keine finanziellen Mittel zur Existenzsicherung vor.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der BF hält sich unrechtmäßig in Österreich auf und liegt insbesondere eine Rückkehrentscheidung vor. Der BF ist in Österreich nicht sozial verankert und wurde mehrmals strafrechtlich verurteilt.

Es ist daher von erheblichem Sicherungsbedarf auszugehen, da das Verfahren nicht ergeben hat, dass sich der BF nach seiner Freilassung aus der Strafhaft an die österreichischen Gesetze halten und sich den Anordnungen österreichischer Behörden unterziehen werde.

Der erste Fall des § 76 Abs. 3 Z 3 FrPolG 2005 (Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme) soll nach der Systematik des Gesetzes "Fluchtgefahr" begründen. Eine bestimmte Verfahrensrechtslage als solche sagt aber für sich betrachtet nichts darüber aus, ob - iSd Art. 3 Z 7 der Rückführungsrichtlinie - anzunehmen ist, "dass sich Drittstaatsangehörige einem Rückkehrverfahren durch Flucht entziehen könnten" (vgl. zu § 76 Abs. 2a Z 1 erster Fall FrPolG 2005 idF vor FrÄG 2015 VwGH 19.05.2015, Ro 2014/21/0065). Von daher vermag das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FrPolG 2005 grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu. In diesem Sinn weisen auch die ErläutRV zum FrÄG 2015 (582 BlgNR 25 GP 22 f) auf Judikatur des VwGH hin, wonach sich bei typisierender Betrachtung mit Fortschreiten des Verfahrens auf internationalen Schutz aus der Sicht des Fremden die Wahrscheinlichkeit verdichten kann, letztlich abgeschoben zu werden, sodass sich dadurch die Fluchtgefahr erhöht (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Da bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, reichen in diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, Zl. 2013/21/0178). Unter Berücksichtigung der Umstände, dass dem BF bewusst ist, dass er endgültig nach Afghanistan rücküberstellt werden wird, ist von einem verstärkten Sicherungsbedarf auszugehen.

Es liegt daher auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 3 und 9 FPG Fluchtgefahr vor und ist auch erheblicher Sicherungsbedarf gegeben.

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF hat keine familiären oder sozialen Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit in Österreich geht er nicht nach. Das Asylverfahren des BF wurde negativ beschieden und wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Hinzu kommt, dass der BF mehrmals wegen Vergehen und Verbrechen nach dem SMG verurteilt wurde und derzeit eine unbedingte Freiheitsstrafe verbüßt. Die massive Delinquenz des BF vergrößert das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich (§ 76 Abs. 2a FPG).

Mit der Suchtgiftkriminalität ist im Allgemeinen eine große Wiederholungsgefahr verbunden. Auch ist das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vor allem unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung strafbarer Handlungen und des Schutzes der Gesundheit anderer) - selbst wenn nur eine diesbezügliche Verurteilung vorliegt - besonders hoch zu bewerten (VwGH 27.03.2007, Zl. 2006/21/0033; VwGH 20.12.2007, Zl. 2007/21/0499).

Die Suchtgiftdelinquenz stellt - auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben - ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und besteht an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse (VwGH 25.04.2013, 2013/18/0053 mwN).

Ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters ist in erster Linie daran zu messen, innerhalb welchen Zeitraumes er sich nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa VwGH 22.11.2013, 2011/23/0505, mwN).

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Die belangte Behörde kommt ihrer Verpflichtung, die - noch nicht in Vollzug gesetzte - Schubhaft so kurz als möglich zu halten nach.

Anhaltspunkte dafür, dass die Schubhaft auf Grund des Gesundheitszustandes des BF unverhältnismäßig wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht somit von der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft aus.

Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel nicht zur Anwendung kommen kann. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft und/oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere seine Delinquenz - nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen. Dies umso mehr, als bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung und eine positive Identifizierung durch die afghanische Botschaft vorliegt. Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher nicht in Betracht.

Zum Umstand, dass sich der BF derzeit in Strafhaft befindet, und der mögliche Entlassungstermin (25.08.2020) in der Zukunft liegt, ist Folgendes auszuführen:

Im gegenständlichen Fall geht es (nur) um die Anordnung der Schubhaft, die aufgrund der derzeitigen Verbüßung der Freiheitsstrafe des BF noch nicht in Vollzug gesetzt ist. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Verwaltungsgerichtshof die Anordnung der Schubhaft "nach Beendigung der Gerichtshaft" bereits für zulässig erachtet und darin keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot gesehen hat (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0086).

Im gegenständlichen Fall handelt sich um eine Beschwerde iSd § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG, die auch die vorliegende Konstellation erfasst, dass die Schubhaft nach deren Anordnung wegen der aufrechten Anhaltung in Gerichtshaft noch nicht in Vollzug gesetzt wurde.

Diesbezüglich wurde mit dem am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen § 82 Abs. 1 FrPolG 2005 in dessen Z 3 die Möglichkeit geschaffen, Beschwerde (damals: an den unabhängigen Verwaltungssenat) mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides zu erheben, wenn gegen den Fremden "die Schubhaft angeordnet wurde". Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung bezog sich die genannte Z 3 damals auf den Fall, dass Anfechtungsobjekt ein (noch) nicht in Vollzug gesetzter Schubhaftbescheid war und der Fremde daher auch (noch) nicht in Schubhaft angehalten wurde. Daran hat sich mit der Übernahme der Vorgängerregelungen des FrPolG 2005 in den § 22a BFA-VG 2014 - abgesehen davon, dass der Anwendungsbereich der Z 3 ungeachtet des gleichgebliebenen Wortlauts der Sache nach erweitert wurde - nichts geändert (VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0086).

Die Fluchtgefahr im konkreten Fall bezieht sich auf die derzeitige Lage. Ist der die Schubhaft anordnende Bescheid im Hinblick auf die noch andauernde Strafhaft im Entscheidungszeitpunkt noch nicht in Vollzug gesetzt worden, so ist nach Beendigung der Gerichtshaft von der Behörde (amtswegig) zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Vollzug der Schubhaft aktuell (noch) gegeben sind (VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0086).

In diesem Zusammenhang sprach der Verwaltungsgerichtshof auch Folgendes aus: Wird ein Schubhaftbescheid aus der Zeit der Untersuchungshaft des Fremden nach der Entlassung des Fremden aus der Gerichtshaft in Vollzug gesetzt, hat bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Schubhaft und des Fortsetzungsausspruchs eine Beurteilung zu erfolgen, ob aktuell die Voraussetzungen für die Schubhaft vorliegen. Diese Überprüfung ist auf Basis der aktuellen Rechtslage vorzunehmen. Im Hinblick auf die so gebotene Neubeurteilung bedarf es auch der Durchführung einer ausdrücklich beantragten Beschwerdeverhandlung (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0347).

Der aufgezeigten grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Erlassung aufschiebend bedingter ordentlicher Schubhaftbescheide sind freilich klare Grenzen gesetzt. Nach § 80 Abs. 1 FPG ist das Bundesamt verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

Dazu sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass Schubhaft stets nur "ultima ratio" sein darf. Dem entspricht nicht nur die in § 80 Abs. 1 FrPolG 2005 ausdrücklich festgehaltene behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauere, vielmehr ist daraus auch abzuleiten, dass die Behörde (das BFA) schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so wäre die Schubhaft unverhältnismäßig. Demzufolge erweist sich die Verhängung von Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung im Anschluss an eine Strafhaft regelmäßig als unverhältnismäßig, wenn die Fremdenpolizeibehörde (das BFA) auch zum absehbaren Ende einer Strafhaft hin mit der (versuchten) Beschaffung eines Heimreisezertifikats untätig bleibt (VwGH 15.10.2015, Ro 2015/21/0026).

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt somit eine "ultima ratio" dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Vollständigkeitshalber wird angemerkt, dass dem Beschwerdevorbringen, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid als Mandatsbescheid zu qualifizieren sei, da ein Ermittlungsverfahren nicht durchgeführt worden sei, nicht gefolgt werden kann. Dies, da dem BF vor Bescheiderlassug ein schriftliches Parteiengehör eingeräumt worden ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Kostenersatz

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:

(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.

§ 35 VwGVG 2014, der in seinem Abs. 1 einen Aufwandersatzanspruch für die obsiegende Partei vorsieht, gilt im Wege des § 22a Abs. 1a BFA-VG 2014 auch in der Konstellation einer Beschwerde gegen einen die Schubhaft anordnenden Bescheid, der im Entscheidungszeitpunkt noch nicht in Vollzug gesetzt wurde (VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0086).

Da die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid abgewiesen wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und der BF die unterlegene Partei.

Die belangte Behörde hat im Zuge der Aktenvorlage beantragt, dem Bund Kostenersatz im Umfang des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes zuzusprechen.

Es war daher spruchgemäß dem BF als unterlegene Partei der zu leistende Aufwandersatz in der Gesamthöhe von EUR 426,20 aufzuerlegen.

Der in der Beschwerde gestellte Antrag des BF auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da der BF (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchpunkt B: Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH jeweils vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021 und Ra 2016/21/0144, insbesondere zur geltenden Rechtslage des § 76 FPG (im Zusammenhalt mit unionsrechtlichen Bestimmungen). Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen ist, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Interessenabwägung, Kostenersatz, öffentliche
Interessen, Schubhaft, Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G302.2229816.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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