Entscheidungsdatum
26.03.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G301 2229788-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX (auch: XXXX), geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Russische Föderation, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 11.02.2020, Zl. XXXX, betreffend Anordnung der Schubhaft zu Recht:
A) I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem am 20.03.2020 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter eine begründete Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Steiermark.
Auf Grund der entsprechenden Verfügung des BVwG zur Aktenvorlage vom 20.03.2020 wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Steiermark, noch am selben Tag die Bezug habenden Verwaltungsakten elektronisch übermittelt und eine Stellungnahme zur gegenständlichen Beschwerde erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde und der Zuspruch der näher angeführten Kosten beantragt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum), ist Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen und Staatsangehöriger der Russischen Föderation.
Mit dem im Spruch angeführten und gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA, dem in der Justizanstalt XXXXin Strafhaft befindlichen BF zugestellt am 14.02.2020, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet sowie der Eintritt der Rechtsfolgen dieses Bescheides mit Entlassung aus der derzeitigen Haft bestimmt.
Der vom BF am 07.01.2015 nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 11.08.2017 zur Gänze abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat festgestellt sowie eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Die vom BF dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 07.10.2019, W237 2170241-1/19E u.a., rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.
Beim BFA ist ein Verfahren zur Erlassung einer (neuen) Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot anhängig.
Mit Bescheid des BFA vom 10.02.2020 wurde die Frist für die freiwillige Ausreise widerrufen.
Der BF weist in Österreich folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf:
01) LG F. STRAFS. XXXX HV XXXX vom XXXX2015 RK XXXX2015
§§ 127, 129 Z 1, 129 Z 2 StGB § 15 StGB
Datum der (letzten) Tat XXXX2015
Freiheitsstrafe 8 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
Junge(r) Erwachsene(r)
zu LG F. STRAFS. XXXX HV XXXX RK XXXX2015
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG F. STRAFS. XXXX HV XXXX vom XXXX2016
zu LG F. STRAFS.XXXX HV XXXX RK XXXX2015
Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen
LG F. STRAFS. XXXX HV XXXX vom XXXX2019
02) LG F. STRAFS. XXXX HV XXXX vom XXXX2016 RK XXXX2016
§ 107 (1) StGB
Datum der (letzten) Tat XXXX2015
Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Junge(r) Erwachsene(r)
zu LG F. STRAFS. XXXX HV XXXX RK XXXX2016
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG. F. STRAFS. XXXX HV XXXX vom XXXX2019
03) LG F. STRAFS. XXXX HV XXXX vom XXXX2016 RK XXXX2016
§ 223 (1) StGB
§ 282a (2) StGB
§§ 127, 129 (1) Z 1 u 2, 130 (2) 2. Fall StGB
Datum der (letzten) Tat XXXX2016
Freiheitsstrafe 12 Monate
Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf LG F. STRAFS. XXXX HV XXXX RK XXXX2016
Junge(r) Erwachsene(r)
zu LG F. STRAFS. XXXX HV XXXXRK XXXX2016
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am XXXX2016, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
LG F. STRAFS. XXXX BE XXXX vom XXXX2016
zu LG F. STRAFS.XXXX HV XXXX RK XXXX2016
Probezeit der bedingten Entlassung verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG. F. STRAFS. XXXX HV XXXX vom XXXX2019
04) LG F. STRAFS. XXXX HV XXXX vom XXXX2019 RK XXXX2019
§§ 15, 269 (1) 1. Fall StGB
§§ 84 (2), 83 (1) StGB
§§ 27 (1) Z 2, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG
§ 27 (2a) 2. Fall SMG § 15 StGB
Datum der (letzten) Tat XXXX2018
Freiheitsstrafe 16 Monate
Festgestellt wird, dass der BF die mit den oben genannten Urteilen festgestellten strafbaren Handlungen begangen und das in den Urteilen jeweils näher umschriebene strafbare Verhalten gesetzt hat.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX2015 wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Einbruchsdiebstahls nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB iVm § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX2016 wurde der BF wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXXvom XXXX2016 wurde der BF wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten nach § 282a Abs. 2 StGB sowie des Verbrechens des gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 und 2, 130 Abs. 2 zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.
Mit dem zuletzt ergangenen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX2019 wurde der BF wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG iVm § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 2 SMG, des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die mit Urteil vom XXXX2016 (rechtskräftig mit XXXX2016) angeordnete Probezeit der bedingten Entlassung auf insgesamt fünf Jahre verlängert.
Der BF wurde am XXXX2018 festgenommen und befindet sich seitdem in Haft, und zwar zunächst Untersuchungshaft und nunmehr Strafhaft, die derzeit in der Justizanstalt XXXX vollzogen wird.
Der BF verfügt in Österreich über keine familiären oder nennenswerten privaten Bindungen. Nach eigener Angabe in der Beschwerde hat der BF eine in XXXX lebende Freundin. Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer sozialen Verankerung oder umfassenden Integration in Österreich liegen nicht vor. Der BF verfügt über keine zur Sicherung seines Lebensunterhaltes ausreichenden Mittel und über keine eigene Unterkunft. Der BF war seit Beginn seines Aufenthalts in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und ging auch keiner Erwerbstätigkeit nach.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
In der Beschwerde wird den entscheidungswesentlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten und auch sonst kein dem festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet, sondern im Wesentlichen nur die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde bekämpft. Der relevante Sachverhalt steht somit schon auf Grund der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens fest, sodass sich - auch mangels widerstreitender Beweisergebnisse - eine eingehende Beweiswürdigung erübrigt.
Die getroffenen Feststellungen werden somit in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen und zur aufrechten Strafhaft ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt und den Eintragungen im Strafregister der Republik Österreich.
Die Feststellung zum Fehlen maßgeblicher familiärer und nennenswerter privater Bindungen und zum Nichtvorliegen von Anhaltspunkten für die Annahme einer sozialen Verankerung oder umfassenden Integration in Österreich beruht auf den diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid und im abweisenden Erkenntnis des BVwG vom 07.10.2019 sowie auf dem Umstand, dass in der Beschwerde keinerlei konkrete Umstände vorgebracht wurden, die allenfalls eine andere Beurteilung zugelassen hätten. Daran ändert auch die bloße Behauptung in der Beschwerde nichts, dass der BF eine in XXXX lebende und auch namentlich genannte Freundin habe, bei der er auch im Fall der Haftentlassung wohnen könne. Nähere Angaben zur Freundin und zu der Beziehung mit ihr, insbesondere zu deren Dauer und Intensität, wurden nicht dargelegt. Die Behauptung in der Beschwerde, wonach der BF "in Österreich sozial verankert" sei, konnte mangels Darlegung näherer Umstände, aus denen sich eine solche Annahme konkret ableiten ließe, und wegen der wiederholten, teilweise schweren Straffälligkeit des BF nicht nachvollzogen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Abweisung der Beschwerde betreffend Anordnung der Schubhaft (Spruchpunkt A.I.):
Die belangte Behörde hat mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet und gleichzeitig den Eintritt der Rechtsfolgen dieses Bescheides mit Entlassung aus der derzeitigen Haft bestimmt.
Gemäß § 75 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, darf die Schubhaft nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Die belangte Behörde ging auf Grund der von ihr festgestellten Umstände - ab einer künftig zu erfolgenden Entlassung aus der Strafhaft - vom Vorliegen eines Sicherungsbedarfs wegen Fluchtgefahr aus. Der BF sei illegal ins Bundesgebiet eingereist und weise bereits vier rechtskräftige Verurteilungen auf, wobei er derzeit eine Haftstrafe in der Justizanstalt XXXX verbüße. Er verfüge über keine wesentlichen finanziellen Mittel und keinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Er könne sich eine Unterkunft auch nicht leisten. Der BF habe sich aufgrund seines Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen. Es sei davon auszugehen, dass er auch hinkünftig nicht gewillt sein werde, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Aufgrund seines bisherigen Verhaltens könne geschlossen werden, dass bezüglich seiner Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege.
In der Beschwerde wird die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass im gegenständlichen Fall trotz der Bezeichnung als "Bescheid" ein Mandatsbescheid im Sinne des § 57 AVG vorliege, was sich eindeutig aus der Begründung des Bescheides ergebe, zumal an mehreren Stellen offensichtlich von einer - vermeintlich vorliegenden - Gefahr im Verzug ausgegangen werde, und weil ein Ermittlungsverfahren gemäß § 37 AVG nicht durchgeführt worden sei. Dem BF sei zwar schriftlich Parteiengehör eingeräumt worden, diesem habe der BF aber mangels Sprachkenntnis nicht nachkommen können. Andere Ermittlungen seien von der belangten Behörde nicht vorgenommen worden. Weiters liege weder eine Notwendigkeit für die Schubhaftverhängung noch eine Fluchtgefahr vor. Es könne jedenfalls auch ein gelinderes Mittel in Form einer angeordneten Unterkunftnahme oder einer periodischen Meldeverpflichtung in Frage kommen.
Die belangte Behörde führte in ihrer Stellungnahme zur gegenständlichen Beschwerde im Zuge der Aktenvorlage aus, dass es sich beim angefochtenen Bescheid um einen ordentlichen Schubhaftbescheid handle, zumal dem BF zum fremdenrechtlichen Verfahren und zur möglichen Anordnung der Schubhaft mit Zustellung des entsprechenden Schreibens am 28.10.2019 schriftlich Parteiengehör eingeräumt worden sei, wobei der BF eine Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs aber nicht abgegeben habe. Überdies liege ein gültiger russischer Reisepass auf und sei mit Haftentlassung bzw. mit Beendigung der COVID-19-Maßnahmen eine Abschiebung absehbar. Eine voraussichtliche Haftentlassung erfolge am XXXX2020.
Zunächst ist festzuhalten, dass sich der BF derzeit unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, sein Antrag auf internationalen Schutz mittlerweile rechtskräftig abgewiesen und gegen ihn bereits eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation rechtskräftig erlassen wurde. Überdies ist festzuhalten, dass der bereits vierfach strafgerichtlich verurteilte BF derzeit eine unbedingte Freiheitsstrafe verbüßt.
Die Ansicht in der Beschwerde, dass es sich beim angefochtenen Bescheid trotz der Bezeichnung als "Bescheid" tatsächlich um einen Mandatsbescheid im Sinne des § 57 AVG handeln würde, weil der Bescheid ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren erlassen worden wäre, ist unzutreffend. Der gegenständliche Bescheid ist sehr wohl nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 37 AVG unter Einräumung von Parteiengehör an den BF als Verfahrenspartei ergangen. Allein der Umstand, dass die belangte Behörde dem BF das Parteiengehör nicht im Rahmen einer mündlichen Beteiligtenvernehmung (§ 51 AVG), sondern nur schriftlich einräumte, bedeutet nicht, dass ein Ermittlungsverfahren überhaupt nicht durchgeführt worden wäre, zumal ein verwaltungsbehördliches Ermittlungsverfahren eine persönliche Befragung des Betroffenen nicht zwingend erfordert, sofern dies nicht ausnahmsweise gesetzlich ausdrücklich vorgesehen sein sollte, was hier aber nicht der Fall ist. Ein aus § 45 Abs. 3 AVG ableitbarer subjektiver Anspruch, von der Behörde mündlich gehört zu werden, besteht nicht (VwGH 24.02.1988, Zl. 87/18/0126; 17.09.2002, Zl. 2002/18/0170).
Auch dem Einwand in der Beschwerde, wonach der BF dem schriftlichen Parteiengehör mangels Sprachkenntnis nicht nachkommen habe können, kommt keine Berechtigung zu. Im Verwaltungsverfahren besteht im Allgemeinen, d.h. wenn nicht eine weitere Sprache als Amtssprache zugelassen ist oder etwa eine spezielle gesetzliche Regelung existiert, kein Anspruch auf Verwendung einer fremden Sprache im schriftlichen Verkehr mit der Behörde (VwGH 30.09.1998, Zl. 98/02/0281). Eine im vorliegenden Fall allenfalls anzuwendende Vorschrift, wonach das BFA eine Verfahrensanordnung betreffend Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und Einräumung von Parteiengehör im Rahmen des Ermittlungsverfahrens (§ 45 Abs. 3 AVG) in eine dem Fremden verständliche Sprache übersetzt werden müsste, besteht nicht.
Letztlich geht auch die Behauptung in der Beschwerde, wonach - wörtlich wiedergegeben - "an mehreren Stellen offensichtlich von einer - vermeintlich vorliegenden - Gefahr im Verzug ausgegangen" werde, ins Leere, zumal im angefochtenen Bescheid keine derartigen Formulierungen ersichtlich sind, die auch "offensichtlich" auf das Vorliegen einer von der belangten Behörde angenommenen "Gefahr im Verzug" hindeuten würden. So ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass in der Beschwerde überhaupt nicht näher dargelegt wurde, an welchen Stellen des Bescheides davon - mehrfach - ausgegangen worden wäre.
Was die Frage des Vorliegens eines konkreten Sicherungsbedarfs wegen Fluchtgefahr und der Notwendigkeit der Anordnung der Schubhaft nach Beendigung der Strafhaft anbelangt, so schließt sich das erkennende Gericht im Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid an. Der BF weist auf Grund seines bisher gezeigten Gesamtfehlverhaltens, insbesondere aufgrund seiner wiederholten und teilweise als schwerwiegend zu bewertenden Straffälligkeit seit Beginn seines Aufenthalts in Österreich im Jahr 2015, keine objektive Vertrauenswürdigkeit auf. Der BF hat durch sein Verhalten über einen langen Zeitraum unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er nicht gewillt ist, sich an Rechtvorschriften zu halten, und zwar weder an solche des Fremdenwesens noch an solche des Strafrechts.
Der BF befindet sich nach wie vor und nicht bloß kurzfristig in Strafhaft, wo er eine mehrmonatige unbedingte Freiheitsstrafe verbüßt (vgl. § 76 Abs. 4 FPG). Der BF verfügt in Österreich auch über keine familiären oder sonstigen sozialen Bindungen, über keine eigene gesicherte Unterkunft und über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Der BF verfügt auch über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich und das Asylverfahren wurde rechtskräftig negativ abgeschlossen. Vielmehr besteht gegen den BF bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde - wenn auch noch nicht rechtskräftig - widerrufen. Dem BF muss daher bewusst sein, dass vonseiten der belangten Behörde jedenfalls nach Entlassung aus der Strafhaft eine Beendigung seines unrechtmäßigen Aufenthalts durch Rückführung in seinen Herkunftsstaat beabsichtigt ist.
Dem Vorliegen der aufgezeigten Kriterien für eine bestehende Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG wurde in der Beschwerde nicht substanziiert entgegengetreten. Nur die bloße Behauptung, dass der BF bei seiner Freundin Unterkunft nehmen könnte und jederzeit für die Behörden greifbar wäre, vermag im Lichte der bereits angeführten Umstände nicht zu überzeugen, um die beabsichtigte Aufenthaltsbeendigung etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG auch tatsächlich zu sichern.
Überdies liegt ein gültiges Reisedokument des BF vor (russischer Reisepass), weshalb die Ansicht der belangten Behörde, dass eine zeitnahe Abschiebung des BF in die Russische Föderation nach Beendigung der Strafhaft auch tatsächlich möglich und auch sehr wahrscheinlich sei, durchaus begründet ist.
Da die belangte Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch davon ausgehen konnte, dass der BF allenfalls auch vorzeitig - zu einem derzeit noch nicht feststehenden Termin - aus der Strafhaft entlassen werden könnte und dass im Zeitraum zwischen einer möglichen bedingten Entlassung und der tatsächlichen Möglichkeit einer Abschiebung auch mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Untertauchen des BF gerechnet werden könne, um so einer Abschiebung zu entgehen, erweist sich die Anordnung der Schubhaft - hier unter Berücksichtigung einer bereits bestehenden rechtskräftigen Rückkehrentscheidung - vorrangig zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung im Anschluss an eine Strafhaft auch nicht als unverhältnismäßig.
Es kann daher der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausging, dass sich der BF durch Untertauchen oder Flucht der beabsichtigten Rückführung in seinen Herkunftsstaat entziehen oder die Abschiebung dorthin wesentlich erschweren könnte.
Insoweit die belangte Behörde in ihrer Würdigung auch davon ausging, dass ein konkreter Sicherungsbedarf für die Durchführung einer Abschiebung sowie die Erforderlichkeit der Schubhaft als einzige geeignete Sicherungsmaßnahme gegenüber der Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG und auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft gegeben waren, begegnet dies aus den bereits dargelegten Erwägungen keinen Bedenken. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht dargelegt, dass im vorliegenden Fall der erforderliche Sicherungszweck nicht durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG erreicht werden kann. Weder verfügt der BF über ausreichende finanzielle Mittel für die Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit, noch war auf Grund des bisherigen Verhaltens davon auszugehen, dass er sich in irgendeiner Weise den Behörden für die beabsichtigte Abschiebung jedenfalls aus freien Stücken zur Verfügung halten würde.
Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat.
Die belangte Behörde konnte somit unter den gegebenen Umständen zu Recht von einer Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG ausgehen. Die Anordnung der Schubhaft erweist sich bei Abwägung aller betroffenen Interessen, insbesondere auch unter Berücksichtigung des wiederholten strafrechtlichen Fehlverhaltens des BF nach § 76 Abs. 2a FPG, auch als verhältnismäßig.
Dem Vorwurf, dass der Inhalt des Bescheides der belangten Behörde an Rechtswidrigkeit leide, ist nicht zu folgen, zumal im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde keinerlei Anhaltspunkte dahingehend ersichtlich sind, dass die belangte Behörde willkürlich entschieden hätte. Die maßgebenden Erwägungen, von denen sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung leiten ließ, sind im angefochtenen Bescheid in hinreichend bestimmter und übersichtlicher Art dargelegt. Dass in der rechtlichen Beurteilung auch allgemein gehaltene rechtliche Ausführungen getroffen werden und der Inhalt von relevanten Rechtsvorschriften angeführt wird, schadet nicht.
Da die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen war, dass sich der unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige BF der zu sichernden Rückführung (Abschiebung) entziehen könnte, und sie den gegenständlich angefochtenen Bescheid unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgeblichen Rechtslage und Sachlage zutreffend auf die im Spruch angeführten Rechtsvorschriften gestützt hat, war die Beschwerde hinsichtlich des Schubhaftbescheides gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm. § 76 Abs. 2 Z 2, Abs. 3 und 4 FPG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu den Anträgen auf Ersatz der Aufwendungen (Spruchpunkte A.II. und A.III):
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
Den Ersatz von Aufwendungen im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) regelt § 35 VwGVG, wonach die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Als Aufwendungen gelten die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
Die Höhe der in solchen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 idgF, geregelt (zur Zulässigkeit des Kostenzuspruchs siehe auch VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).
Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Da die Beschwerde abgewiesen wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und die beschwerdeführende Partei unterlegene Partei.
Die belangte Behörde hat fristgerecht beantragt, dem Bund Kostenersatz im Umfang des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes zuzusprechen.
Es war daher spruchgemäß der beschwerdeführenden Partei als unterlegener Partei der zu leistende Aufwandersatz (Vorlage- und Schriftsatzaufwand) in der Gesamthöhe von 426,20 Euro aufzuerlegen.
Der in der Beschwerde gestellte Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da sie (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9). Mit der gegenständlichen Beschwerde wurde im Wesentlichen nur die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde bekämpft.
Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Schließlich wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde des -rechtlich vertretenen - BF auch nicht beantragt.
3.4. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH jeweils vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021 und Ra 2016/21/0144, insbesondere zur geltenden Rechtslage des § 76 FPG (im Zusammenhalt mit unionsrechtlichen Bestimmungen) und der Zulässigkeit eines Kostenzuspruchs und eines "Kostenrisikos" nach § 35 VwGVG. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen ist, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Fluchtgefahr, Interessenabwägung, Kostenersatz, öffentlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2229788.1.00Zuletzt aktualisiert am
29.05.2020