TE Bvwg Beschluss 2020/3/30 G313 2195476-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.03.2020
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Entscheidungsdatum

30.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

G313 2195476-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Serbien, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.04.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben

und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 09.04.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 08.11.2017 gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde im Wesentlichen beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG stattzugeben, in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären, oder den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3. Am 16.05.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist serbischer Staatsangehörige.

1.2. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.02.2018 gab der BF an, in Serbien mit seiner Frau und seinem Sohn Familienangehörige zu haben. Das mit seiner Frau in Serbien gemeinsame Unternehmen, eine lokale Radiostation laufe auf seinen und den Namen seiner Frau, die nunmehr alles allein managt. Der BF habe regelmäßigen, zumindest einmal wöchentlich, Telefonkontakt zu seiner Familie in Serbien.

Er halte sich nunmehr seit seiner Einreise am 28.09.2017 in Österreich auf. Seine Eltern würden bereits seit 40 Jahren in Österreich leben. Sein Vater sei krank, im Rollstuhl und benötige Pflege und Therapien. Der BF habe die Sachwalterschaft für ihn übernommen. Seine Mutter sei auch schon sehr alt und krank und könne die Pflege daher nicht selber übernehmen. Eine Heimhilfe oder 24-Stunden-Betreuung könnten sie sich nicht leisten. Im Krankenhaus sei der BF eingeschult worden, wie er bei seinem Vater, der eine Peg-Sonde habe, den Verband wechseln könne. Seinen Aufenthalt im Bundesgebiet könne der BF mit dem Pflegegeld seines Vaters und dem Pensionseinkommen seiner Eltern bestreiten. Mit diesen wohne er in einer 60 m² - Wohnung in gemeinsamem Haushalt.

Befragt, wie sich der BF seinen Aufenthalt in Österreich vorstelle, gab dieser an:

"Ich würde mich um meinen Vater kümmern. Vielleicht könnte ich arbeiten. Ich könnte zwar nicht Vollzeit arbeiten, da ich ihn heben, baden muss. Wenn er zum Arzt gehen muss, bringe ich ihn hin. Er ist im Rollstuhl. Manchmal erkennt er mich, manchmal nicht."

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 09.04.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 08.11.2017 gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Ab. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Feststellungen waren ebenso kurz gehalten wie die Beweiswürdigung.

Unter Punkt "C) Feststellungen" im angefochtenen Bescheid steht Folgendes:

"Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Zu Ihrer Person:

Sie sind Staatsangehöriger von Serbien. Ihre Person steht fest.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind verheiratet und haben einen Sohn. Ihre Frau sowie Ihr Sohn sind serbische Staatsbürger und leben auch in Serbien. Auch die Mutter und der Bruder Ihrer Frau leben in Serbien. Ihre Mutter und Ihr Vater leben in Österreich.

Sie gehen in Österreich keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Sie geben an, keine Freunde in Österreich zu haben, lediglich Bekannte aus der Nachbarschaft. Sie sind kein Mitglied eines Vereins in Österreich.

Der Punkt "D) Beweiswürdigung" im angefochtenen Bescheid war auf folgende Ausführung beschränkt:

"Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender

Erwägungen:

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Aufgrund Ihres gültigen serbischen Reisepasses:

Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Aufgrund des Akteninhaltes und Ihren eigenen Angaben."

Im Zuge der Rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, dass seinen Angaben nach seine Eltern seit 40 Jahren in Österreich leben und man nicht von einer plötzlichen Trennung der Familie sprechen könne. Der BF habe sich im Zuge seiner Antragstellung auf ein Privat- und Familienleben mit seinen in Österreich lebenden Eltern berufen. Ein solches habe jedoch bis zu seiner Einreise am 28.09.2017 nicht bestanden, sondern habe der BF bis dato sein Leben mit seinen engsten Familienmitgliedern, seine Ehefrau und seinem Sohn, in Serbien verbracht. Auch die in Serbien regionale Radiostation, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau betreibe und seine finanzielle Haupteinnahmequelle darstelle, befinde sich in seiner Heimat. Bis zur Einreise des BF habe zudem die Pflege seines Vaters sichergestellt werden. Mit der Pension und dem Pflegegeld seiner Eltern könne auf jeden Fall eine adäquate Betreuung, in welcher Form auch immer, gewährleistet werden. Soweit der BF angegeben habe, in Österreich vom Pflegegeld und der Pension seines Vaters zu leben, sei zu erwähnen, dass das Pflegegeld eines pflegebedürftigen Menschen nicht den Zweck erfüllen soll, mittellose Angehörige zu finanzieren. Es bestehe zudem die Gefahr, dass der BF durch die zeitintensive 24-stündige Pflege seines Vaters keiner Erwerbstätigkeit nachgehen wird können und dadurch zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft werde. Die Aufgabe der Sachwalterschaft könne außerdem auch die Mutter des BF übernehmen, lebe diese doch mit dem Vater des BF ohnehin im gemeinsamen Haushalt. Etwas Gegenteiliges sei auch im Zuge der Einvernahme beim Bundesamt nicht erwähnt worden. Es gebe keine Gründe dafür, warum der Kontakt des BF zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen nicht wie bereits vor seiner Einreise über Telefon bzw. Besuche aufrecht gehalten werden könne.

2. Beweiswürdigung:

Der Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergaben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

3.2. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde keine näheren Ermittlungen zum Familienleben des BF angestellt, sondern im Zuge der Rechtlichen Beurteilung kurzgehalten ausgeführt, dass man im Falle einer Rückkehr des BF nach Serbien von keiner plötzlichen Trennung von seinen Eltern sprechen könne, würden diese doch bereits seit 40 Jahren in Österreich leben, habe bis zur Einreise des BF in Österreich am 28.09.2017 jedoch kein Familienleben mit seinen Eltern, sondern vielmehr eines mit seinen engsten Familienmitgliedern, seiner Ehefrau und seinem Sohn, in Serbien bestanden.

Mit ihrem Pensionseinkommen und Pflegegeld könnten sich seine Eltern zudem entsprechende Betreuung für den pflegebedürftigen Vater des BF. Die Aufgabe der Sachwalterschaft könne zudem die mit seinem Vater in gemeinsamem Haushalt lebende Mutter des BF übernehmen.

Dabei hat die belangte Behörde völlig außer Acht gelassen, dass der BF, wie aus vorgelegter Urkunde ersichtlich, bereits am 26.02.2017, demnach sieben Monate vor seiner Einreise am 28.09.2017 für seinen Vater in allen Angelegenheiten zum Sachwalter bestellt wurde.

Das BFA habe außerdem, ohne die altersmäßige und gesundheitliche Situation der Mutter des BF berücksichtigt zu haben, festgehalten, dass auch die Mutter des BF die Sachwalterschaft für den Vater des BF übernehmen könne, wohne sie doch mit ihm in gemeinsamem Haushalt zusammen. Die Behörde fügte hinzu, etwas Gegenteiliges sei auch im Zuge der behördlichen Einvernahme des BF nicht erwähnt worden.

Dass der BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA angegeben hat, seine Mutter sei auch schon sehr alt und krank, hat die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen. Der BF brachte vor dem BFA vor, dass seine Mutter - gesundheitlich bzw. altersbedingt - die Pflege seines Vaters nicht selbst übernehmen könne und sie sich Heimhilfe oder 24-Stunden-Betreuung nicht leisten könnten. Der BF sei im Krankenhaus eingeschult worden, wie er bei seinem Vater, der eine Peg-Sonde habe, den Verband wechseln könne und wolle sich um seinen Vater, der im Rollstuhl sei, kümmern, ihn heben, baden und zum Arzt begleiten.

Im Zuge seiner Antragstellung hat der BF zudem vorgebracht, sein Vater sei seit 2016 schwer krank, leide an Demenz und Parkinson und habe eine Peg-Sonde. Vorgelegt wurde außerdem ein Pflegegeldbescheid über Pflegegeldstufe 6 seines Vaters.

Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des BF im Zuge seiner Antragstellung und seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.02.2018 bzw. seiner Beziehung zu seinen in Österreich lebenden Eltern ist unterblieben, wäre jedoch unbedingt nötig gewesen, ebenso wie die Prüfung, inwiefern ein gesundheitlich bedingtes Abhängigkeitsverhältnis der Eltern und dabei vor allem seines pflegebedürftigen, kranken Vaters vom BF bestehe.

Nur aus der kurzen Aufenthaltsdauer seit letzter Einreise am 28.09.2017 zu schließen, es könne kein berücksichtigungswürdiges Familienleben des BF mit seinen Eltern, die bereits seit 40 Jahren in Österreich seien, vorliegen, sondern bestehe vielmehr ein Familienleben mit seiner Ehefrau und seinem Sohn in Serbien, habe er doch bis dato sein Leben mit ihnen verbracht, greift eindeutig zu kurz.

Auf einem dem Verwaltungsakt einliegenden Zentralmelderegisterauszug scheinen Hauptwohnsitzmeldungen des BF bei seinen Eltern ab 2010 auf - zunächst im Zeitraum von Juni 2010 bis Juli 2010, dann ab 23.11.2011 durchgehend. Auf vorgelegten Reisepasskopien scheinen zudem Ein- und Ausreisestempeln auf, darunter auch ein mit 28.09.2017 datierter Einreisestempel.

Diese aktenmäßigen Unterlagen sind zusammen mit dem Vorbringen des BF jedenfalls berücksichtigungswürdig, ebenso die vorgelegte Urkunde vom Februar 2017 über die Bestellung des BF zum Sachwalter für seinen Vater in allen Angelegenheiten, und die vom BF in der Einvernahme vor dem BFA bekanntgegebene Absicht, er wolle sich nunmehr um seinen kranken, pflegebedürftigen Vater kümmern, ihn pflegen und zum Arzt begleiten.

Die belangte Behörde konnte zudem nicht ohne Anhaltspunkt dafür davon ausgehen, dass vom BF, der laut seinen Angaben vom Pflegegeld und Pensionseinkommen seiner Eltern lebe, eine Vollzeitbetreuung seines Vaters übernehmen möchte und demnach keine Zeit für eigene Erwerbstätigkeit haben werde, die Gefahr der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft ausgehe, war doch nie von einem finanziellen Engpass der Familie die Rede - der BF gab im Zuge der Antragstellung ein monatliches Netto-Einkommen seiner Eltern von insgesamt EUR 3.000,- bekannt, sondern nur davon, sie könnten sich eine Heimhilfe bzw. 24-Stunden-Betreuung seines Vaters nicht leisten. Der BF gab zudem an, soweit die Zeit es zulasse, möchte er in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Außerdem hätte die belangte Behörde den BF in seiner Einvernahme fragen können, ob er bei Bedarf auch von seiner Ehefrau in Serbien, die ihr gemeinsames Unternehmen nunmehr allein weiterführe, finanzielle Unterstützung erwarten kann.

Ein näheres Ermittlungsverfahren und eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des BF ist daher noch notwendig, um eine ausführliche, allumfassende Interessensabwägung durchführen zu können.

Im Zuge der Interessensabwägung werden dann die familiären Interessen des BF an einem weiteren Bleiberecht zur Fortführung seines Familienlebens mit seinen Eltern unter Mitberücksichtigung der Interessen der unterstützungsbedürftigen Eltern, besonders des pflege-, und hilfsbedürftigen Vaters des BF gegenüber den öffentlichen Interessen dementsprechend zu gewichten sein.

Soweit die belangten Behörde im angefochtenen Bescheid darauf Bezug nahm, der BF habe von der Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme zur bekanntgegebenen, behördlich beabsichtigten Vorgehensweise, seinen Antrag abzuweisen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, nicht Gebrauch gemacht, ist darauf hinzuweisen, dass mit der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 07.03.2018 dem BF nur die behördlich beabsichtigte weitere Vorgehensweise, nicht jedoch auch weitere Punkte bzw. bestimmte Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen zur Stellungnahme vorgehalten wurde.

Der BF, der bereits davor in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.02.2018 zu seinen persönlichen Verhältnissen einvernommen wurde und auch im Zuge seiner Antragstellung auf diese eingegangen war, sah offenbar keine Notwendigkeit mehr, von sich aus weitere Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen zu machen, und könne dies ihm daher auch nicht angelastet werden.

Auf eine dem BF mögliche Antragstellung bei einer NAG-Behörde zu verweisen, wie die belangte Behörde es getan hat, mit der Begründung, dass keine Umstände hervorgekommen seien, weshalb es dem Antragsteller nicht möglich sein sollte, zum Zweck eines beabsichtigten längerfristigen Aufenthaltes in Österreich einen Antrag auf Erteilung eines Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu stellen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein solcher Antrag grundsätzlich auch im Falle einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung gestellt werden könne, nachdem der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen sei, greift ebenso zu kurz, und bezweckt doch gerade der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK eine Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens bzw. das Recht, das Privat- und Familienleben in Österreich dauerhaft fortsetzen zu können.

Bezüglich des Privatlebens des BF in Österreich wird auch das kurze Zeit nach Antragstellung vom 08.11.2017 vorgelegte ÖSD Zertifikat A1 vom 20.11.2017 über eine vom BF am 16.11.2017 "sehr gut bestandene "Deutsch A1-Prüfung" mit zu berücksichtigen sein.

3.3. Zu Spruchpunkt III. hinsichtlich der Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Serbien wurde im angefochtenen Bescheid vorwiegend auf allgemeine Textklauseln verwiesen, und im Wege des Ausschlussverfahrens nach dem Absatz, gemäß § 50 Abs. 2 FPG sei eine Abschiebung auch dann unzulässig, wenn dem Fremden die Flüchtlingseigenschaft zukommen sollte, angeführt, dass der BF keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, derartige Gründe auch nicht ersichtlich seien, nach dem Absatz, gemäß § 50 Abs. 3 FPG sei eine Abschiebung unzulässig, wenn die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihr entgegenstehe, angeführt, eine solche vorläufige Maßnahme sei in seinem Fall nicht empfohlen worden, und schlussfolgernd ausgesprochen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z. 1 und 4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei.

Eine konkrete Ausführung dazu, inwiefern im gegenständlichen Fall nach § 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 3 EMRK kein Abschiebungshindernis vorliegt, ist unterblieben.

3.4. Aus den dargelegten Gründen - aufgrund nicht hinreichender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des BF und seinen vor dem BFA vorgelegten Unterlagen, fehlender Ermittlungen bzw. Feststellungen und nicht hinreichender Begründung des angefochtenen Bescheides - war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2195476.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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