TE Bvwg Beschluss 2020/3/30 G313 2188297-1

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Veröffentlicht am 30.03.2020
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Entscheidungsdatum

30.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

G313 2188297-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Serbien, vertreten durch Roland HERMANN, CARITAS der Erzdiözese Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 24.01.2018 wurde der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.), und gemäß § 53 Abs. 1. iVm Abs. 2 Z. 6 FPG gegen die BF ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Dieser Bescheid wurde der BF am 30.01.2018 zugestellt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Beschwerdefrist dauerte vier Wochen bis 27.02.2018. Rechnet man drei Tage Postlauf hinzu, ergibt sich 02. März 2018, das Datum, an welchem die Beschwerde bei der belangten Behörde eingelangt ist. Die Beschwerde wurde somit jedenfalls rechtzeitig zur Post gebracht bzw. eingebracht.

Mit Beschwerde wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, der BF für ein Jahr einen Aufenthaltstitel besonderer Schutz zu erteilen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3. Am 07.03.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

4. Mit Aktenvermerk des BVwG vom 13.03.2018 wurde nach durchgeführter Grobprüfung der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist serbische Staatsangehörige.

1.2. Im Zuge der mit ihrem Sohn gemeinsamen niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 19.10.2017 gab die BF als Mutter bzw. gesetzliche Vertreterin ihres nunmehr bereits volljährigen Sohnes, nachdem dieser bekanntgegeben hatte, seinen Lebensunterhalt vom Einkommen seiner Eltern sichern zu können, an:

"Mein Mann und ich arbeiten unangemeldet und verdienen zusammen etwa

(...)."

Die BF gab des Weiteren an, keinen Aufenthaltstitel für Österreich zu haben, auch nie um einen solchen angesucht zu haben, hätten sie doch die dafür nötigen Schritte von ihrem Arbeitgeber erwartet.

Befragt, warum sie ohne Beschäftigungsbewilligung in Österreich erwerbstätig sei, gab die BF an:

"Weil ich nicht kriminell bin und das die einzige Möglichkeit ist an Geld zu kommen.

(...).

Ich fühle mich nicht schuldig, weil ich hier illegal bin. Ich habe keine andere Möglichkeit."

Im Zuge dieser Einvernahme wurde festgestellt, dass die BF kaum Deutsch spricht und um Beibehaltung des Serbisch-Dolmetschers ersucht hat, um alles verstehen zu können.

Am Schluss der niederschriftlichen Einvernahme wurden die BF und ihr Sohn darüber informiert, dass beabsichtigt sei, gegen sie eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen.

1.3. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wurde der BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Serbien zulässig ist, und gegen sie ein vierjähriges Einreiseverbot erlassen.

Auch gegen den minderjährigen, im Februar 2020 volljährig gewordenen Sohn der BF wurde eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen.

Gegen den Mann der BF besteht ein bereits rechtskräftig gewordenen Einreiseverbot.

1.4. Die BF verwies in der gegenständlichen Beschwerde auf ausbeuterische Arbeitsbedingungen durch ihren Arbeitgeber.

Bereits im Zuge der schriftlichen Stellungnahme ihres Rechtsvertreters von Dezember 2017 - nach Vorhalt des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das BFA - wurde auf eine Ausbeutung durch ihren Arbeitgeber hingewiesen und vorgebracht, die BF sei zusammen mit ihrem Mann im Zeitraum von Ende 2010 bis Mai 2017 Opfer von Ausbeutung und Zeuge von grenzüberschreitendem Prostitutionshandel geworden, eine ausführliche und mit entsprechenden Bescheinigungsmitteln belegte Sachverhaltsdarstellung gegen ihren Arbeitgeber und andere Personen befinde sich in Ausarbeitung und werde auch anlässlich der Asylantragstellung in Vorlage gebracht werden. Der aktuelle unrechtmäßige Aufenthalt werde nicht in Abrede gestellt, sei jedoch auf die im Rahmen des Asylverfahrens noch zu erörternde Bedrohungssituation in Serbien zurückzuführen, und schlussendlich auch auf die durch ihren Arbeitgeber wiederholt vorgetäuschten Bemühungen um eine Legalisierung ihres Aufenthaltes.

In der Beschwerde der BF wurde unter anderem angeführt, die in Kopie beiliegende Sachverhaltsdarstellung gegen ihren Arbeitgeber sei am 29.01.2018 (erg.: noch vor Zustellung bzw. Erlassung des angefochtenen Bescheides am 30.01.2018) per Einschreiben an die Staatsanwaltschaft (...) übermittelt und darin auch erklärt worden, dass sich die BF dem gegen ihren Arbeitgeber und andere Verdächtige einzuleitenden Strafverfahren mit einem vorläufigen symbolischen Schadensbetrag von EUR 50.000,- an vorenthaltenen Netto-Arbeitsentgelten anschließt.

1.5. Die BF stellte am 30.01.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 03.02.2018 erging die Anordnung, dass die BF in einem bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen hat.

Das Asylverfahren ist noch offen.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergaben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung des Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

3.2. Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die BF nahm nach Vorhalt des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das BFA über ihren Rechtsvertreter im Zuge einer Stellungnahme von Dezember 2017 darauf Bezug, dass in ihrem Fall der Tatbestand nach § 57 Abs. 1 Z. 2 FPG erfüllt sei, sei sie doch zusammen mit ihrem Mann von ihrem Arbeitgeber ausgebeutet worden bzw. seien sie beide Opfer von Ausbeutung iSv §§ 104a Abs. 1 StGB, 28c Abs. 2 Z. 1 AuslbG bzw. 116 Abs. 1 FPG sowie im Zuge dessen auch Zeugen von Straftaten, insbesondere auch von grenzüberschreitendem Prostitutionshandel, geworden.

Diesbezügliche Ausführungen zu einer Ausbeutung erfolgten, nachdem die BF nach Parteivorhalt vom 19.10.2017 mit Schreiben vom 28.11.2017 um Erstreckung ihrer Frist zur Stellungnahme um weitere zwei Wochen, "bis zum 12.12.2017 (Postaufgabe)" angesucht hatte. Dieses Ansuchen um eine längere Frist zur Stellungnahme wurde damit begründet, dass es der BF "aufgrund des großen Andrangs bei den Beratungsstellen erst heute gelungen" sei, "eine Rechtsberatung" in ihrer "Muttersprache zu erhalten".

Fest steht jedenfalls, dass die BF bzw. ihr Rechtsvertreter mehr Zeit benötigte, um hinreichend genug untermauern zu können, aus welchen Gründen der BF nunmehr eine Aufenthaltsberechtigung zukommen soll:

Im Zuge der schriftlichen Stellungnahme ihres Rechtsvertreters vom 15.12.2017 wurde unter Punkt 1. auf eine demnächst beabsichtigte Asylantragstellung, unter Punkt 2. auf ihre Betroffenheit wegen Ausbeutung durch ihren Arbeitgeber im Zeitraum von Ende 2010 bis Mai 2017, im Zuge dessen sie auch Zeugen von Straftaten, insbesondere auch von grenzüberschreitenden Prostitutionshandel geworden seien, und unter Punkt 3. ihr unrechtmäßiger Aufenthalt mit einer Bedrohungssituation in Serbien und den durch ihren Arbeitgeber "wiederholt vorgetäuschten Bemühungen um eine Legalisierung ihres Aufenthaltes" zu rechtfertigen versucht. Des Weiteren wurde im Zuge dieses Schreibens ersucht, mit weiteren aufenthaltsbeendenden Schritten gegen die Betroffenen noch bis zum Abschluss der Beweisaufnahme in deren einzuleitenden Asylverfahren zuzuwarten".

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wurde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen festgehalten:

"Ihre in der Stellungnahme behauptete finanzielle Ausbeutung ist komplett an den Haaren herbei gezogen und entstammt vermutlich einer kühnen Feder der Caritas. Sie haben in der Einvernahme keinerlei Angaben hierzu gemacht und haben gesagt, dass Sie das Geld gebraucht haben und keinerlei Fehlverhalten einsehen würden. Auch ist es komplett unglaubhaft, dass Sie nach so vielen Jahren der Illegalität auf einmal jetzt solche Gründe haben sollten. Viel wahrscheinlicher ist es, dass Sie nun versuchen, mit allen Mitteln der Ausreise zu entgehen und scheinen dafür recht kreative Wege einzuschlagen. Auch hat Ihr Ehemann in seinem Verfahren zur Erlassung eines Einreiseverbotes keinerlei Erwähnungen hierzu gemacht. Da Sie komplett uneinsichtig und nicht reuig sind, können diese Behauptungen nur als Schutzbehauptungen gewertet werden, die jeglicher Grundlage entbehren und auch bisher nicht belegt werden konnten."

Die belangte Behörde nahm im Zuge der Begründung ihrer Entscheidung darauf Bezug, dass bei der mit ihrem Sohn gemeinsamen niederschriftlichen Einvernahme der BF am 19.10.2017 erhoben werden habe können, dass die BF sich seit 2010 mehr oder weniger durchgehend mit ihrem Sohn und Mann illegal in Österreich aufhalte und mit ihrem Mann seit 2010 einer illegalen Beschäftigung nachgehe.

Mit dem Vorbringen im Zuge der schriftlichen Stellungnahme vom 15.12.2017, die BF sei zusammen mit ihrem Mann im Zeitraum von Ende 2010 bis Mai 2017 ausbeuterischen Arbeitsbedingungen unterlegen, stets in der Hoffnung, dass ihnen, wie von ihrem Arbeitgeber zugesichert, ein Aufenthaltsrecht erteilt werde, hat sich die belangte Behörde nicht näher auseinandergesetzt. Eine nähere Auseinandersetzung damit wäre jedoch, um hinreichend begründet eine Aufenthaltsberechtigung nach § 57 Abs. 1 Z. 2 AsylG ausschließen oder gegebenenfalls auf eine solche Aufenthaltsberechtigung schließen zu können, jedenfalls nötig gewesen.

Die belangte Behörde ist auch im Zuge der weiteren Begründung nicht hinreichend genug auf die Angaben der BF in ihrer Einvernahme vor dem BFA eingegangen, hat etwa angeführt, dass die BF zuletzt Mittel 2016 in ihrer Heimat gewesen sei und dort noch Angehörige und sicher noch ausgeprägt vorhandene Bindungen habe, ohne berücksichtigt zu haben, dass die BF in ihrer Einvernahme bekanntgab, sie habe zwar 2016 eine Woche lang bei ihren Eltern gewohnt, sei nunmehr jedoch mit ihnen zerstritten und könne nicht mehr bei ihnen wohnen. Dabei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Sohn der BF im Zuge ihrer gemeinsamen Einvernahme vor dem BFA angab, in Serbien noch Großeltern und eine Tante zu haben, bzw. die BF näher zu ihren familiären Verhältnissen befragt werden hätte können, etwa dazu, wie ihr Verhältnis zur Tante ihres Sohnes (Schwester / Schwägerin; in welchem Verhältnis die Tante ihres Sohnes zur BF stehe, geht daraus nicht hervor) sei, warum sie sich mit ihren Eltern zerstritten habe bzw. warum sie nicht mehr bei ihnen wohnen und nach Serbien zurückkehren könne. Auch eine nähere Beleuchtung bzw. Hinterfragen des Vorbringens des Sohnes der BF, befragt danach, warum er nach Österreich gekommen sei, sie hätten in Serbien ihr Haus verkauft, hätten sie dort doch nichts gehabt und in Österreich leben wollen, wäre wichtig gewesen, um die tatsächlichen individuellen Verhältnisse der BF in Serbien und Österreich erkennen, anhand dieser eine ausführliche allumfassende Interessensabwägung durchführen und folglich darauf schließen zu können, ob im gegenständlichen Fall die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gerechtfertigt ist oder nicht.

Im Zuge der Ausführung zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde festgehalten, dass sich weder aus den Länderfeststellungen noch aus dem Vorbringen der BF ein Abschiebungshindernis ergebe. Einer Abschiebung entgegenstehende Gründe seien nicht ersichtlich und von der BF auch nicht behauptet worden. Sie sei in ihrer Heimat geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen und hauptsozialisiert worden. Es sei nichts bekannt, was sie an der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat hindern würde, und kann ihr eine Rückkehr in ihr Heimatland zugemutet werden. Sie werde dort auch weder strafrechtlich noch politisch verfolgt.

Mit zuletzt angeführter Feststellung ist die belangte Behörde offenbar auf die Angabe des Sohnes der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vom 19.10.2017 eingegangen. Nur der zum Zeitpunkt der Einvernahme 15 Jahre alte Sohn, nicht jedoch auch die BF selbst sei laut Niederschrift der Einvernahme nach einer strafrechtlichen oder politischen Verfolgung gefragt worden, unabhängig davon, dass es der BF im Zuge der mit ihrem Sohn gemeinsamen Einvernahme jederzeit freigestanden wäre, Probleme oder Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituationen von sich aus vorzubringen.

Fest steht, dass sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit der aktuellen individuellen Rückkehrsituation der BF vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte auseinandergesetzt hat, um hinreichend begründet ein Abschiebungshindernis ausschließen oder gegebenenfalls auf ein solches schließen zu können.

Zusammengefasst wird festgehalten, dass im gegenständlichen Fall zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen in der schriftlichen Stellungnahme vom 15.12.2017, die BF sei zusammen mit ihrem Mann über den Zeitraum von Ende 2010 bis Mai 2017 Opfer von Ausbeutung und dabei auch Zeuge von Straftaten wie grenzüberschreitendem Prostitutionshandel geworden, fehlt, zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides nähere Ermittlungen zu den aktuellen, individuellen familiären und privaten Verhältnissen bzw. Umständen der BF und eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der BF fehlen, und zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ein näheres Eingehen auf die individuelle familiäre und private Rückkehrsituation der BF vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte unterblieben ist.

Das mangelhafte behördliche Ermittlungsverfahren ist daher zu ergänzen.

Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das BVwG selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.

Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das BVwG selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

Aus den dargelegten Gründen war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2188297.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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