TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/30 G313 2186653-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.03.2020
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Entscheidungsdatum

30.03.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

G313 2186653-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Nordmazedonien, vertreten durch RA Peter PHILIPP, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 06.02.2018 wurde gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Mazedonien (nunmehr: Nordmazedonien) zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), und gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Dieser Bescheid wurde dem BF am 06.02.2018 zugestellt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, in eventu das erlassene Einreiseverbot angemessen herabzusetzen.

3. Am 21.02.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

Mit Beschwerdevorlage wurde dem BVwG zusammengefasst mitgeteilt, dass die gegen den BF erlassene Entscheidung mit Rückkehrentscheidung und achtjährigem Einreiseverbot seit 06.02.2018 durchsetzbar ist, dem BF mit Verfahrensanordnung vom 06.02.2018 für ein allfälliges Beschwerdeverfahren ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG zur Seite gestellt wurde, die Beschwerde daraufhin fristgerecht am 15.02.2018 beim BFA eingelangt ist, und dem BF am 20.10.2016 das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme übermittelt wurde, der BF dieses nachweislich am 27.10.2016 übernommen hat und in der am 31.10.2016 eingebrachten Stellungnahme der BF angab, keine Familienangehörigen in Österreich zu haben, demzufolge bezüglich eines Familienlebens in Österreich keine weiteren Ermittlungen durchgeführt wurden. Es wurde beantragt, den Bescheid des BFA zu bestätigen.

4. Mit Aktenvermerk des BVwG vom 27.02.2018 wurde der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

5. Mit Schreiben des BVwG vom 17.04.2018 wurde die zuständige Polizeiinspektion im Wege der Amtshilfe ehestmöglich um Erhebung an einer bestimmten Adresse ersucht, ob sich der BF tatsächlich an dieser Meldeadresse aufhält.

6. Am 02.05.2018 langte beim BVwG ein Aktenvermerk der zuständigen Landespolizeidirektion (im Folgenden: LPD) vom 24.04.2018 ein - mit der Mitteilung, dass an der Meldeadresse des BF eine Frau angetroffen werden konnte, die seit Mai 2017 Mieterin der Wohnung und welcher der BF nicht bekannt sei, laut ZMR eine aufrechte Meldung und kein weiterer Wohnsitz des BF im Bundesgebiet bestehe, und eine amtliche Abmeldung vorgenommen werde.

7. Mit Schreiben des BVwG vom 16.05.2018 wurde dem Bewährungshelfer des BF Folgendes mitgeteilt:

"Lt. Auszug aus dem Zentralen Melderegister war der BF seit 24.03.2011 in (...) mit Hauptwohnsitz gemeldet. Das BVwG, Außenstelle Graz, hat aufgrund Ihres Schreibens vom 26.02.2018, welches am 06.03.2018 im BVwG einlangte, um eine Aufenthaltserhebung ersucht. Vom BFA wurde uns am 17.04.2018 mitgeteilt, dass der BF nicht abgeschoben wurde. Am 24.04.2018 wurde uns von der LPD (...) mitgeteilt, dass an der gemeldeten Adresse seit Mai 2017 eine andere Mieterin in der Wohnung lebt. Da lt. Zentralem Melderegister kein weiterer gemeldeter Wohnsitz im Bundesgebiet besteht, wurde eine amtliche Abmeldung vorgenommen."

8. Mit Schreiben des BVwG vom 18.05.2018 wurde der Rechtsvertreter des BF um Bekanntgabe des Aufenthaltsortes bzw. der Adresse de BF ersucht, und ihm mitgeteilt ("BF" statt Name des BF):

"In der Beschwerde ist angeführt, dass der BF in aufrechter Lebensgemeinschaft mit (...) lebt. An der Adresse (...) war der BF aber zu keiner Zeit gemeldet."

9. Mit E-Mail vom 14.06.2018 wurde seitens des Rechtsvertreters des BF dem BVwG Folgendes mitgeteilt ("BF" statt Name des BF):

"Zu Ihrem E-Mail vom 18.05.2018 (...) habe ich nach Rücksprache mit meinem Mandanten wie folgt auszuführen:

Der BF lebt in einer außerehelichen Beziehung mit Fr. (...), mit der auch 2 mj. Kinder hat, und hat auch ständigen Kontakt zu seinen Kindern. Er war deshalb auch nie bei ihr behördlich gemeldet, weil er sich noch in einer aufrechten Ehe befindet."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Nordmazedonien.

1.2. Er hielt sich ab 2009 in Österreich auf.

1.3. Der BF war ab 2010 bei einer Firma in Österreich beschäftigt und konnte folglich selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen.

1.4. Ihm wurde der ihm zunächst von 10.12.2011 bis 15.10.2013 erteilte Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot Karte plus" bis 16.10.2016 verlängert, bis ihm am 16.03.2016 ein Daueraufenthaltstitel-EU erteilt wurde.

1.5. Der BF wurde im Dezember 2016 durch ein inländisches Straflandesgericht wegen des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung und des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren strafrechtlich verurteilt.

1.5.1. Der BF hat im Bundesgebiet

I. am 02.10.2016 (...) mit Gewalt, nämlich indem er sie zunächst auf das Bett drückte, mit seinem Unterarm gegen ihres Brust und Kehle drückte, sodass sie kurzfristig keine Luft bekam, und von ihr forderte (wahrheitswidrig) zu gestehen, dass sie bei ihm eingebrochen sei, wobei er dieses "Geständnis" mit seinem Handy aufnahm, genötigt, vor laufender Handykamera zu sagen, sie sei mit Arbeitskollegen in die Wohnung des Angeklagten eingebrochen und habe den Schlüssel und anschließend das Auto selbst gestohlen, sohin zu einer Handlung genötigt, die besonders wichtige Interessen der Genötigten verletzte;

II./ am 02.10.2016 mit (...) gegen deren Willen und nach vorangegangener Einschüchterung den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vorgenommen, indem er sie nach dem zu I./ geschilderten Vorgang - nach welchem (...) unter dem Eindruck der vorangegangenen Gewalthandlungen Furcht vor weiterer Gewalt hatte - aufforderte, ihn oral zu befriedigen und als (...) dies ablehnte, sie aufforderte, einem vaginalen Geschlechtsverkehr zuzustimmen, was (...) über sich ergehen ließ und keinen Widerstand leistete, weil sie diesen für nutzlos bzw. gefährlich hielt;

III./ in der Zeit von Anfang Jänner 2016 bis Anfang Oktober 2016 gegen (...) längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er in oftmaligen Angriffen auf ihren Körper einschlug, sie mit Füßen trat, wodurch sie Hämatome am Oberkörper, den Oberschenkeln, im Gesicht und Schmerzen am ganzen Körper erlitt, sie zu Boden drückte, würgte und drohte, er werde ihr alle Knochen brechen und sie umbringen, vor allem wenn sie ihn verlasse oder ihn anzeige, diese somit am Körper misshandelte bzw. vorsätzlich mit Strafe bedrohte Handlung gegen Leib und Leben bzw. gegen die Freiheit beging, wobei er durch die Tat eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der (...) herstellte, indem er deren Kontakt zu Freunden und Verwandten beschränkte und ihren Aufenthalt kontrollierte.

Bei der Strafbemessung wurde die Unbescholtenheit des BF und sein teilweises Geständnis mildernd, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen hingegen als erschwerend gewertet.

1.5.2. Mit Gerichtsbeschluss vom 23.11.2017 wurde beschlossen, den BF am 06.02.2018 nach Verbüßung von 16 Monaten einer insgesamt zweijährigen Haftstrafe bedingt auf eine Probezeit von fünf Jahren zu entlassen. Der BF bekam für die Probezeit Bewährungshilfe angeordnet, und ihm wurde die Weisung erteilt, die Psychotherapie bis Dezember 2018 fortzusetzen und dies in viermonatigen Abständen ab Juli 2018 nachzuweisen.

1.5.3. Der BF wurde am 06.02.2018 aus der Strafhaft entlassen.

1.6. Nachdem mit gegenständlich angefochtenem Bescheid gemäß § 52 Abs. 5 FPG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Mazedonien (nunmehr: Nordmazedonien) festgestellt, gegen ihn ein achtjähriges Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, bekam der BF diesen Bescheid ausgehändigt und kam er am 06.02.2018 in ein Polizeianhaltezentrum.

1.7. Nachdem der zuständigen NAG-Behörde vom BFA die mit 06.02.2018 durchsetzbare Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot bekannt gegeben worden war, wurde am 13.03.2018 der Daueraufenthaltstitel des BF widerrufen.

1.8. Fest steht, dass der BF im Bundesgebiet im Zeitraum von Februar 2009 bis März 2011 an einer und anschließend ab März 2011 an einer anderen Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet war.

Eine polizeiliche Wohnsitzerhebung an der letzten Meldeadresse des BF im April 2018 ergab, dass nicht der BF, sondern eine andere Person seit Mai 2017 an dieser wohnhaft ist. Es wurde folglich eine amtliche Abmeldung des BF von dieser Adresse vorgenommen. Ein weiterer Wohnsitz des BF ging aus dem Zentralen Melderegister nicht hervor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zur Person des BF und seinen individuellen Verhältnissen:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2.2. Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen des BF beruhen auf einem Zentralmelderegister- und die Feststellungen zum Aufenthaltsstatus des BF auf einem Fremdenregisterauszug.

2.2.3. Dass der BF im Bundesgebiet ab 2010 einer Beschäftigung nachging und selbsterhaltungsfähig war, ergab sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in der Stellungnahme vom 31.10.2016 (AS 17) in Zusammenschau mit dem ihm laut Fremdenregisterauszug im Jahr 2011 erteilten Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus".

2.2.4. Dass der BF im Dezember 2016 im Bundesgebiet rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, war aus einem Strafregisterauszug ersichtlich. Die dieser Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen ergaben sich aus dem diesbezüglichen Strafrechtsurteil im Akt (AS 51f).

2.2.5. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 20.10.2016 wurde dem BF die behördliche Absicht, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen, zur Stellungnahme vorgehalten. (AS 89)

Mit handschriftlichem Schreiben des BF aus einer österreichischen Haftanstalt vom 31.10.2016 wurde mitgeteilt, der BF werde nicht politisch und strafrechtlich verfolgt, habe in Mazedonien (nunmehr: Nordmazedonien) eine höhere, bildende Schule abgeschlossen, befinde sich seit 2009 in Österreich, habe sich in Österreich ein Leben aufgebaut, verfüge hier über einen Daueraufenthaltstitel, gehe seit 2010 bei einer Firma in Österreich einer Beschäftigung in führender Position nach, sei selbsterhaltungsfähig und habe auch Deutschkurse besucht bzw. möchte weiterhin welche besuchen.

2.2.5.1. Zu Punkt 3 des Parteivorhaltes vom 20.10.2016, unter welchem er zur Bekanntgabe von persönlichen Daten von in Österreich lebenden Familienangehörigen aufgefordert wurde (AS 81), hat der BF in seiner Stellungnahme vom 31.10.2016 jedenfalls nichts angeführt, sondern nach Anführung von Punkt 3 vielmehr einen Strich gemacht (AS 95f), womit deutlich ist, dass er bewusst keine Angaben zu in Österreich vorhandenen Familienangehörigen gemacht hat.

Die belangte Behörde konnte somit der Stellungnahme des BF vom 31.10.2016 folgend im angefochtenen Bescheid keine Familienangehörigen feststellen, ist ihr doch nach Stellungnahme zum Parteivorhalt bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 06.02.2018 nichts Gegenteiliges bekannt geworden.

Dann in der fristgerechten Beschwerde gegen den Bescheid vom 06.02.2018 berichtete der BF plötzlich erstmals davon, er lebe seit 2013 mit einer namentlich angeführten serbischen Staatsbürgerin in aufrechter Lebensgemeinschaft zusammen und habe mit dieser zwei gemeinsame minderjährige - im September 2015 und Oktober 2014 geborene - Kinder:

"Tatsächlich jedoch lebe ich seit 2013 in aufrechter Lebensgemeinschaft mit der serbischen Staatsangehörigen (...) und habe mit dieser 2 minderjährige Kinder (...), die allesamt im österreichischen Bundesgebiet daueraufenthaltsberechtigt sind.

Aufgrund des mangelhaft durchgeführten Ermittlungsverfahrens der Erstbehörde wurden keinerlei Feststellungen zum Familienleben iSd Art. 8 EMRK getätigt." (AS 300).

Dem BVwG wurde, nachdem seitens der Polizei erhoben worden war, dass der BF zumindest seit Mai 2017 nicht mehr an seiner Meldeadresse wohnhaft ist, nachgefragt beim Rechtsvertreter des BF von diesem mit E-Mail vom 14.06.2018, wie im E-Mail angeführt nach Rücksprache mit dem BF, bekanntgegeben, dass der BF in einer außerehelichen Beziehung lebt, mit seiner Lebensgefährtin zwei gemeinsame minderjährige Kinder hat und zu diesen auch ständigen Kontakt hat, bei seiner Lebensgefährtin jedoch nie behördlich gemeldet war, weil er sich noch in einer aufrechten Ehe befindet.

Unabhängig von der aktuellen Beziehungssituation des BF kann bezüglich der erstmals mit Beschwerde angeführten "Lebensgefährtin und zwei minderjährigen Kinder" jedenfalls nicht von für den BF wichtigen Bezugspersonen ausgegangen werden, hätte der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit diese doch ansonsten bereits früher im Zuge seiner aus dem Stand der Haft abgegebenen Stellungnahme vom 31.10.2016 bzw. einmal vor Erlassung des Bescheides vom 06.02.2018, nachdem ihm die behördlich beabsichtigte Vorgehensweise gegen ihn bekannt gegeben worden war, erwähnt, zumal er laut Beschwerdevorbringen mit ihnen während seiner Haft stets Kontakt gehabt haben soll.

Eine berücksichtigungswürdige Beziehung des BF zu ihnen war somit nicht feststellbar.

2.2.5.2. Der BF brachte in seiner Beschwerde vor, sein Recht auf Parteiengehör sei verletzt worden, sei doch mehr als 15 Monate nach Vorhalt des Ergebnisses der Beweisaufnahme mit Schreiben vom 20.10.2016 gegen ihn die Rückkehrentscheidung erlassen worden, ohne ihm zeitnah vor Erlassung des Bescheides nochmals die Möglichkeit gegeben zu haben, zu etwaigen Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse Stellung zu nehmen.

Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass das Recht auf Parteiengehör mit der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde jedenfalls als gewahrt gilt.

Entgegen des Beschwerdevorbringens waren ab Parteivorhalt vom 20.10.2016 bis zur Erlassung des Bescheides am 06.02.2018 nicht mehr als 15, sondern mehr als 13 Monate vergangen.

Der BF hat zwar mit Schreiben vom 31.10.2016 zum Vorhalt des Ergebnisses der Beweisaufnahme Stellung genommen, dann jedoch bis zur Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides am 06.02.2018, mehr als 13 Monate lang keine weitere Stellungnahme abgegeben bzw. nichts mehr vorgebracht, was sich seit seiner letzten Stellungnahme vom 31.10.2016 in seinen persönlichen Verhältnissen geändert hätte bzw. einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegenstehen würde.

Die belangte Behörde, die dem BF nach Bekanntwerden seiner Untersuchungshaft ihre Absicht, im Falle einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des BF gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen, bekannt gegeben hatte, hatte daher, nachdem auf die Stellungnahme des BF zum Parteivorhalt von Oktober 2016 keine weitere Stellungnahme gefolgt war, keinen Grund dafür, an der Richtigkeit und Aktualität der mit Stellungnahme vom 31.10.2016 bekanntgegebenen individuellen Verhältnissen zu zweifeln.

2.2.6. Mit E-Mail des BFA vom 08.02.2018 wurde der zuständigen NAG-Behörde mitgeteilt, dass gegen den BF eine mit 06.02.2018 durchsetzbare Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen, bzw. gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Mazedonien (nunmehr: Nordmazedonien) festgestellt (II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 "Z. !" (wie aus fettgedruckter Ziffer 1 im Bescheid hervorgehend, mit "Z. !" "Z. 1" gemeint) ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (III.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde (IV.). (AS 271).

Der Daueraufenthaltstitel des BF wurde daraufhin am 13.03.2018 widerrufen. Im Fremdenregister ist als Grund dafür die mit 06.02.2018 gegen den BF durchsetzbare Rückkehrentscheidung angeführt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) I.:

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren

binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(...)

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(...)

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(...)."

Bezug nehmend auf den in § 52 Abs. 4 FPG angeführten § 11 Abs. 1 und 2 NAG wird im Folgenden diese mit "Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel" betitelte NAG-Bestimmung wiedergegeben:

"§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder (...) besteht;

(...)

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet.

(...)."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idgF lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei-

und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z. 5, BGBl. I Nr. 56/2018).

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenvesricherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und diese nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, gilt."

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergab sich Folgendes:

Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen.

§ 52 Abs. 5 BFA-VG besagt, dass gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen hat, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

3.1.2.1. Zu überprüfen ist nunmehr zunächst, ob die belangte Behörde gegen den BF überhaupt grundsätzlich zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung befugt war.

Es wird zunächst auf den durch Art. 4 Z. 5, BGBl. I Nr. 56/2018, aufgehobenen § 9 Abs. 4 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, idF BGBl. I Nr. 70/2015, verwiesen:

Gemäß § 9 Abs. 4 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. Ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z. 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 StbG, BGBl. Nr. 311/1985, idF BGBl. I Nr. 136/2013, in welcher Bestimmung zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft bestimmte Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen, darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nach Ziffer 1 nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.

Bereits mangels zehnjährigen Aufenthaltes vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes mit erster Straftat des BF von Jänner 2016 konnte dem BF daher nicht die österreichische Staatsbürgerschaft iSv § 9 Abs. 4 Z. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 verliehen werden.

Da der BF sich seit 2009, somit sei seinem 25. Lebensjahr, und nicht, wie von § 9 Abs. 4 Z. 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 gefordert, von klein auf im Bundesgebiet aufhält, erfüllt er auch nicht die zweite Voraussetzung nach besagtem § 9 Abs. 4 BFA-VG.

Keiner der beiden in § 9 Abs. 4 BFA-VG angeführten Voraussetzungen ist somit erfüllt bzw. steht der Erlassung einer Rückkehrentscheidung entgegen.

3.1.2.2. Im Folgenden wird bezüglich des Zeitpunktes vor "Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts" zunächst auf etwas ältere VwGH-Judikatur verwiesen:

"Unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts" ist der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände zu verstehen, wobei es sich beim "maßgeblichen Sachverhalt" im Fall eines auf strafbare Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbotes nicht um die Verurteilung bzw. Bestrafung, sondern um das zu Grunde liegende Fehlverhalten handelt, weil nur dieses die im § 36 Abs. 1 Z. 1 oder 2 FrG 1997 umschriebene, für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes notwendige Annahme rechtfertigen kann. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 35 Abs. 2 FrG 1997 ist demnach zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstandes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war." (VwGH 18.01.2000, 98/18/0218 mwN).

Der Unabhängige Verwaltungssenat hielt in einer Entscheidung von 2011 Folgendes fest:

"Die Berufung erweist sich als begründet, weil dem Aufenthaltsverbot der Aufenthaltsverfestigungstatbestand des § 64 Abs. 1 Z. 1 FPG entgegensteht. Gemäß dieser Bestimmung darf ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können.

Der maßgebliche Zeitpunkt liegt in der Verwirklichung des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstände, das sind vorliegend die dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegenden Straftaten (vgl VwGH vom 22. Juli 2011, GZ 2009/22/0179).

(...)

Die erste Straftat, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen konnte, wurde lt. Urteil des LG (...) "im Frühjahr 2004" verübt. Es ist daher zu prüfen, ob der Bw am 31. Dezember 2003 die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß der damals geltenden Bestimmung des § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz verliehen hätte werden können. (...)."(UVS 21.12.2011, VwSen-730301/16/Wg/MB/Jo)

In einer Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates von 2012 wurde angeführt:

"Den Denkgesetzen entsprechend stellt der Tatzeitpunkt auch den frühest möglichen Zeitpunkt zur Einleitung eines diese Tat zum Gegenstand habenden Verfahrens dar.

(...) Vor dem Hintergrund des im vorigen Punkt erlangten Ergebnisses reicht es in weiterer Folge daher die Frage zu stellen, ob dem Bw bis zum (Tatzeitpunkt) die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können." (UVS 16.01.2012, VwSen-730385/2/SR/MZ/Jo)

3.1.2.3. Im gegenständlichen Fall wurde dem BF, nachdem ihm sein vom 10.12.2011 bis 15.10.2013 erteilter Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" verlängert worden war, nach über vier Jahren rechtmäßigem Aufenthalt über eine "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" nach Zweckänderungsantragstellung vom 04.03.2016 am 16.03.2016 ein Daueraufenthaltstitel-EU erteilt.

Vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes mit der ersten Straftat des BF von Jänner 2016, am 31.12.2015, und auch später noch bis März 2016 verfügte der BF noch über keinen Daueraufenthaltstitel. Im und vor Jänner 2016 war der BF im Besitz einer "Rot-Weiß-Rot-Karte plus". Demnach hätte gegen den BF - unabhängig davon, ob die weiteren Voraussetzungen für eine zu erlassende Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 5 FPG erfüllt sind - grundsätzlich keine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG, sondern eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 FPG zu ergehen gehabt.

Da § 52 Abs. 4 FPG eine andere Prüfung vorsieht als der von der belangte Behörde herangezogene § 52 Abs. 5 FPG, konnte die Prüfung vor dem BVwG nicht fortgesetzt werden, sondern musste Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides samt den weiteren Spruchpunkten ersatzlos behoben werden.

3.2. Bei der Prüfung nach § 52 Abs. 4 Z. 1 FPG iVm § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG, ob der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet öffentlichen Interessen widerstreitet, werden im Zuge der Interessensabwägung die von der belangten Behörde bereits im angefochtenen Bescheid berücksichtigten strafbaren Handlungen des BF von Jänner 2016 bis 02.10.2016, längere Zeit hindurch fortgesetzte Gewalt ausgeübt und in oftmaligen Angriffen auf den Körper einer Person eingeschlagen zu haben, zweifelsohne schwer zu seinen Ungunsten wiegen, und wird die Tatsache, dass der BF im Zuge seiner Stellungnahme zum Parteivorhalt von Oktober 2016, wie aus dem gezeichneten Strich zu Punkt 3. in der Stellungnahme ersichtlich, bewusst keine Angaben zu Familienangehörigen gemacht hat, obwohl er laut Beschwerdevorbringen während seiner Haft stets Kontakt zu seiner Lebensgefährtin und seinen Kindern gehabt haben soll, auch nicht für besonders berücksichtigungswürdige familiäre bzw. private Interessen des BF sprechen können.

Das Gesamt(fehl-)verhalten des BF und seine strafbaren Handlungen sind zudem bei der Vornahme der Beurteilung der Gefährdungsprognose, etwaige familiäre und private Interessen, wenn auch aufgrund der besonderen Verwerflichkeit der vom BF begangenen Straftaten nicht besonders berücksichtigungswürdig, bei der Bemessung des Einreiseverbotes und alle individuellen Umstände bei der Prüfung, ob eine sofortige Ausreise im öffentlichen Interesse erforderlich ist, zu berücksichtigen.

Anschließend an die Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 FPG wird bei der Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nordmazedonien zudem auf die individuelle Rückkehrsituation des BF vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte zum sicheren Herkunftsstaat Nordmazedonien Bedacht zu nehmen sein.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte nach § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2186653.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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