TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/1 G307 2227787-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2020
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Entscheidungsdatum

01.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1

Spruch

G307 2227787-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA.: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die Diakonie, gemeinnützige Flüchtlingsgesellschaft GmbH - ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2019, Zahl XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides zu lauten hat:

"Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen".

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am 20.03.2018, 10.09.2018 und 06.03.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), beim ersten Mal in XXXX, die anderen beiden Male in der Regionaldirektion Wien einvernommen, wobei die jüngste Befragung der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes sowie der Erörterung der persönlichen wie finanziellen Verhältnisse des BF gewidmet war.

2. Am 10.09.2018 wurde die Lebensgefährtin des BF (LG; siehe unten) als Zeugin zum vorliegenden Sachverhalt einvernommen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.11.2019, dem BF persönlich zugestellt am 19.12.2019, wurde gegen diesen gemäß § 52 Abs. 5 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bosnien-Herzegowina zulässig sei (Spruchpunkt II.), gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

4. Mit Schreiben vom 16.01.2020, beim BFA eingebracht am selben Tag, erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen diesen Bescheid.

Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) möge eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF und der beantragten Zeugin durchführen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, in eventu das Einreiseverbot ersatzlos beheben, in eventu die Dauer des Einreiseverbotes herabsetzen, in eventu den Bescheid im Umfang der Spruchpunkte IV. und V. beheben und feststellen, dass dem BF eine Frist zur freiwilligen Ausreise hätte eingeräumt werden müssen.

5. Die gegenständliche Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt wurde dem BVwG vom BFA 20.01.2020 am vorgelegt und langte dort am 23.01.2020 ein.

6. Am 28.01.2020 übermittelte das BFA dem BVwG eine Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX (StA XXXX) über die gegen den BF wegen Urkunden-, Eigentums- und Delikten gegen die Rechtspflege erhobene Anklage.

7. Am 26.20.2020, beim BVwG eingelangt am 28.02.2020, setzte die belangte Behörde das erkennende Gericht über die zu I.6. ergangene Verurteilung unter Vorlage einer diesbezüglichen Urteilsausfertigung des Landesgerichts für Strafsachen XXXX (LG XXXX) in Kenntnis.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist Staatsangehöriger Bosnien-Herzegowinas, ledig und Vater zweier Kinder im Alter von 6 und 9 Jahren. Er führt mit der österreichischen Staatsbürgerin XXXX, geb. am XXXX eine Beziehung und wohnte mit dieser wie mit den gemeinsamen Kindern vor dem aktuellen Haftantritt wie den Zeiten zwischen den vorhergehenden Haftaufenthalten im gemeinsamen Haushalt. Dass auch dem BF - und nicht nur der Kindesmutter - ein Sorgerecht für die beiden Kinder zukommt, konnte nicht festgestellt werden.

1.2. Der BF besuchte in Jugoslawien die Pflichtschule und absolvierte eine Ausbildung zum Kellner. 1992 begab er sich nach Deutschland und reiste im Jahr 2006 nach Österreich ein. Er ist seit 10.04.2006 im Bundesgebiet gemeldet und hält sich seitdem hier durchgehend auf.

1.3. Am 26.05.2006 stellte der BF einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Dieser wurde - nach einem Rechtsgang bis zum VwGH - mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates in zweiter Instanz in allen Spruchpunkten abgewiesen und erwuchs am 10.08.2006 in Rechtskraft.

Am 03.08.2007 stellte der BF seinen zweiten Asylantrag. Auch dieses Verfahren wurde - nunmehr wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG - mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (AGH) endgültig abgewiesen und erwuchs am 29.04.2008 in Rechtskraft.

Am 13.10.2017 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen.

Mit Schreiben vom 22.11.2017 forderte das BFA den BF im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme auf, im Rahmen des Parteiengehörs zur beabsichtigten Abweisung seines Antrages binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens Stellung zu nehmen. Gleichzeitig informierte die belangte Behörde den BF, dass gegen ihn die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot geplant sei.

Hierauf antwortete der BF mit undatiertem Schreiben, welches am 07.12.2017 beim BFA einlangte.

Mit Schreiben vom 19.01.2018 setzte das BFA den BF neuerlich in Kenntnis, dass beabsichtigt sei, seinem gemäß § 55 AsylG gestellten Antrag nicht stattzugeben und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung wie ein Einreiseverbot zu erlassen.

Am 05.11.2018, 27.11.2018, 30.11.2018, 17.12.2018 sowie 16.01.2019 wurde seitens der belangten Behörde die Ausstellung eines Heimreisezertifikats beantragt, wobei die beiden jüngsten Anträge zum Erfolg führten. Aktuell liegt eine Zustimmung Bosnien-Herzegowinas vom 11.12.2018 vor, wonach die bosnische Staatsangehörigkeit des BF bestätigt wurde.

Am 13.12.2018 zog der BF seinen Antrag (§ 55 AsylG) zurück und stellte zugleich einen solchen auf Duldung iSd § 46a FPG. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 19.12.2019, Zahl XXXX wurde dieser Antrag gemäß § 46a Abs. 5 iVm Abs. 1 Z 3 FPG abgewiesen. Er besaß somit bis dato - abgesehen von seinem Aufenthalt während des Asylverfahrens (für dessen Dauer) - noch nie einen Aufenthaltstitel.

1.4. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF an irgendwelchen Krankheiten leidet oder arbeitsunfähig ist. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus besitzt. Abgesehen von seiner Lebensgefährtin (LG) und seinen beiden Kindern konnten keine weiteren - wie auch immer gearteten - Bindungen zu Österreich in gesellschaftlicher, familiärer, beruflicher, sprachlicher oder sonstiger Hinsicht festgestellt werden.

1.5. Der BF ging im Bundesgebiet bis dato keiner Beschäftigung nach. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über Einkommen oder eigenes Vermögen verfügt.

1.6. Die LG des BF leidet an einer Agoraphobie mit Panikstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung mit gegenwärtig leichter Episode und ist wegen eines Gehirntumors in Behandlung. Dass deswegen die Anwesenheit und Betreuung des BF unabdingbar notwendig wäre, ist nicht aufgekommen.

1.7. Der BF weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen in Österreich auf:

1. LG XXXX, zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2006 wegen versuchten Diebstahls und Einbruchsdiebstahls gemäß §§ 17, 15, 129 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, davon 8 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren,

2. LG XXXX zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2006, wegen Einbruchsdiebstahls, Urkundenunterdrückung, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und schweren Diebstahls gemäß §§ 127, 129 Abs. 1, 229 Abs. 1, 241 E/3 sowie § 130 4 Fall 1. Satz StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren,

3. LG XXXX zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2009, wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß §§ 269 Abs. 1,

3. und 4. Fall, 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren,

4. LG XXXX zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2010, wegen schweren Einbruchsdiebstahls gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten,

5. LG XXXX zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2013, wegen dauernder Sachentziehung, Urkundenunterdrückung, Einbruchsdiebstahls und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel gemäß §§ 135 Abs. 1, 229 Abs. 1, 127, 129 Z 1 241 e Abs. 3 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren,

6. LG XXXX zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2014, wegen teils versuchten schweren und gewerbsmäßigen Betruges gemäß §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 3. Fall, 147 Abs. 2, 148 2. Fall, 15 StGB,

7. LG XXXX zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.201,5 wegen versuchten Einbruchsdiebstahls gemäß §§ 15, 127, 129 Z 3 StGB.

8. LG XXXX zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2020, wegen gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls, Urkundenunterdrückung, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung sowie dauernder Sachentziehung gemäß §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 2, 15, 229 Abs. 1, 241e Abs. 3, 298 Abs. 1 und § 135 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren.

Im Rahmen der zuletzt erwähnten Verurteilung wurde der BF für schuldig befunden, er habe in Wien gewerbsmäßig in mehrfachen Angriffen in 7 Fällen fremde bewegliche Sachen durch Einbruch in Transportmittel, nämlich in Pkw mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung zu bereichern, weggenommen, wobei er die Taten am XXXX.2019, XXXX.2019, XXXX.2019, XXXX.2019 (2x), XXXX.2019 und XXXX.2019 begangen hat. Er hat dabei eine Handtasche im Wert von € 20,00 samt Geldbörse im Wert von € 60,00 und darin befindliches Bargeld idH von € 120,00 (1) eine Geldbörse und ein Mobiltelefon von nicht mehr feststellbarem Wert (2), Bargeld in der Höhe von € 140,00, zwei Mobiltelefone und einen Pfefferspray (3), eine Tasche im Wert von € 150,00, eine Geldbörse im Wert von €

200,00, Bargeld im Wert von € 1.100,00 (4), eine Handtasche im Wert von € 450,00 und Bargeld in der Höhe von € 250,00 (5), ein Mobiltelefon von nicht mehr feststellbarem Wert (6) eine Handtasche im Wert von € 100,00, Bargeld im Wert von € 100,00, Schmuck im Wert von € 25,00 sowie Kosmetik- und Toilettenartikel im Wert von €

100,00 weggenommen (7).

Des Weiteren hat der BF versucht, anderen fremde bewegliche Sachen wegzunehmen, nämlich am XXXX.2019 dem Geschädigten eine Handtasche mit darin befindlichen Wertgegenständen, indem er die Fensterscheibe eines Pkw eingeschlagen und die darin befindliche Handtasche samt Geldbörse an sich genommen habe, wobei es beim Versuch geblieben sei, weil er von einer anderen Person auf frischer Tat betreten worden sei und er deshalb von seinem Vorhaben abgelassen habe. Zudem habe er am XXXX.2019 versucht, einer weiteren Geschädigten Wertgegenstände wegzunehmen, indem er die Fensterscheibe des Opfer-Pkw eingeschlagen und die darin befindliche Handtasche samt Geldbörse an sich genommen habe, wobei es beim Versuch geblieben sei, weil sich darin keine Wertgegenstände befunden hätten.

Außerdem wurde dem BF darin angelastet, er habe in 7 Fällen am XXXX.2019 (1 und 2), XXXX.2019 (3) XXXX.2019 (4 und 5), XXXX.2019

(6) und XXXX.2019 (7) Urkunden, über welche er nicht habe verfügen dürfen, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsachen gebraucht werden, nämlich:

diverse Kundenkarten, einen Führerschein, einen Zulassungsschein und eine E-Card (1), einen Führerschein, einen Zulassungsschein, eine Invalidenausweis und eine E-Card (2), einen Führerschein, einen Zulassungsschein und eine E-Card (3), einen Führerschein, einen Zulassungsschein und eine E-Card (4), einen Führerschein, einen Bootsführerschein und eine E-Card (5), einen Führerschein (6) sowie einen Führerschein und eine E-Card (7).

Ferner wurde er in diesem Urteil schuldig gesprochen, er habe am XXXX.2019 eine Bankomatkarte und am selben Tag einem weiteren Geschädigten eine Bankomat- wie eine Kreditkarte, am XXXX.2019 eine Bankomat- und Kreditkarte, am XXXX.2019 eine Bankomat- und Kreditkarte, am selben Tag eine weitere Bankomatkarte und am XXXX.2019 zwei Bankomatkarten entfremdet.

Zudem habe er am XXXX.2019 einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung wissentlich vorgetäuscht, indem er zwecks Verschleierung zu Punkt I./B/1 des erwähnten Urteils bei der PI Quadenstraße Anzeige wegen Diebstahls durch unbekannte Täter erstattet habe.

Schließlich wurde ihm angelastet, er habe am XXXX.2019 eine Handtasche im Wert von € 800,00, am XXXX.2019 eine Handtasche samt darin befindlicher Geldbörse im Wert von € 90,00, am XXXX.2019 eine Geldbörse im Wert von € 80,00 sowie am XXXX.2019 Gutscheine im Wert von € 125,00 wie eine Geldbörse im Wert von € 50,00 dauernd entzogen, indem er diese Gegenstände weggeworfen habe.

Als mildernd wurden dabei das umfassende, reumütige Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, die teilweise Schadensgutmachung durch Auffinden der Sachen, als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen und mehreren Vergehen, drei einschlägige Vorstrafen und das Vorliegen der Voraussetzung des § 39 StGB gewertet.

Es wird festgestellt, dass der BF die genannten Strafdaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.

Der BF wurde am XXXX.2010 in die Justizanstalt XXXX eingeliefert. Der frühest mögliche Entlassungstermin ist der XXXX.2021.

Insgesamt weist der BF 15 Anhaltungen in Justizanstalten und 3 in Polizeianhaltezentren auf.

1.8. Bosnien-Herzegowina gilt als sicherer Herkunftsstaat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Familienstand, Schulbesuch in Jugoslawien Sorgepflichten und Bestand zweier minderjähriger Kinder, Aufenthalt in Österreich und - zuvor - in Deutschland, Erwerbslosigkeit, familiären Anknüpfungspunkten in Österreich, gemeinsamer Haushaltsführung mit der LG und den Kindern außerhalb der Haft, sowie zur fehlenden Feststellbarkeit von sonstigen Integrationssachverhalten auf Seiten des BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem Inhalt der mit dem BF getätigten Einvernahmen wie der Befragung seiner LG vor der belangten Behörde. Zudem finden sich die beiden Geburtsurkunden der Kinder im Akt.

Der BF konnte weder bescheinigen (etwa durch eine standesamtliche Urkunde oder einen Gerichtsbeschluss), dass auch ihm ein Sorgerecht für die beiden Kinder zukommt, noch, dass seine Anwesenheit bei seiner LG unabdingbar notwendig ist und nicht durch andere (medizinische) Hilfe ersetzt werden kann.

Die zu den fremden- wie asylrechtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen samt deren Ausgang sind aus dem Inhalt des auf den BF lautenden Auszuges aus dem zentralen Melderegister (ZFR) wie dem Akteninhalt und den darin enthaltenen Einvernahmen mit dem BF ersichtlich.

Mit Schreiben des bosnischen Sicherheitsministeriums vom 11.12.2018 bestätigte dieses die dahingehende Staatsbürgerschaft des BF. Dass sich der BF dies nicht "erklären" könne, wie vor dem BFA dargelegt, kann dahingestellt bleiben, weil er dem Inhalt dieses Schreibens keine weiteren handfesten Argumente entgegensetzte, die gegen diese Feststellung sprächen. Zudem verlief der Schriftverkehr mit den serbischen, kroatischen und mazedonischen Fremden- bzw. Vertretungsbehörden im Hinblick auf das Vorliegen einer allenfalls dortigen Staatsbürgerschaft negativ.

Der BF hat vor dem Bundesamt vorgebracht, bis dato weder legal noch illegal im Bundesgebiet gearbeitet und von seiner LG gelebt zu haben. Diese Aussage deckt sich mit dem Inhalt des auf seinen Namen lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges.

Die (psychischen) Erkrankungen der LG und Behandlung wegen ihres Gehirntumors folgen dem Inhalt ihrer Einvernahme vor dem BFA am 10.09.2018 und sind mit dem ärztlichen Entlassungsbericht des XXXX in XXXX Wien vom XXXX.2019 in Einklang zu bringen.

Der BF selbst hat zwar von einer Kriegsverletzung gesprochen, Beweise für eine vorliegende Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit konnte er ebenso wenig vorbringen wie für die behauptete Einstellungszusage. Hinweise auf Vermögen, ein regelmäßiges Einkommen (der BF sprach davon, er lebe von den Einnahmen seiner LG) oder Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus (etwa durch Vorlage eines Sprachzertifikats) fanden sich nicht. Er ist der Bosnischen bzw. Serbokroatischen Sprache mächtig, was sich aus seiner ersten Einvernahme ergibt.

Die gemeinsame Haushaltsführung mit seiner LG folgt dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Auszuges aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) und ergibt sich aus den eigenen Angaben des BF.

Die insgesamt 8 Verurteilungen des LG Wien sind dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich und den (teils) im Akt einliegenden Urteilsausfertigungen (insbesondere der jüngsten) zu entnehmen. Zeitpunkt der Einlieferung in die Justizanstalt und jener frühest möglichen der Entlassung sind der Vollzugsdateninformation der JA vom 26.02.2020 und dem ZMR zu entnehmen.

Die zahlreichen Anhaltungen in Haft und in Polizeinahaltezentren ergeben sich ebenso aus dem ZMR.

Dass der BF der bosnischen bzw. serbokroatischen Sprache mächtig ist, ist der Einvernahme vom 20.03.2018 entnehmbar, zu welcher ein dahingehender Dolmetsch hinzugezogen wurde.

Hinweise auf tiefgründe gesellschaftliche, berufliche oder sonstige Bindungen im Bundesgebiet fanden sich nicht.

Die Einstufung Bosnien-Herzegowinas als sicherer Herkunftsstaat folgt § 1 Z 1 HStV.

2.2.2. Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von der belangten Behörde in das Verfahren eingebrachten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Das Bundesamt hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt hat, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

In Bosnien-Herzegowina herrschen keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen und ist der BF den besagten Länderberichten nicht entgegengetreten.

Wenn der BF in der Beschwerde meint, er sei am XXXX.2018 aus der Strafhaft entlassen worden, so entspricht dies zwar den Tatsachen, doch befindet sich der BF aktuell wieder seit dem XXXX.2020 in Haft. Demgemäß verhält er sich auch nicht - wie es im Rechtsmittel heißt - wohl, sondern wurde neuerlich entgegen jeglicher Zusagen, sich von seinem strafbaren Verhalten zu distanzieren, abermals straffällig. Weitere Argumente, welche die Beweiswürdigung erschüttert hätte, wurden in der Beschwerde nicht vorgebracht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Rechtlich folgt:

3.1.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

1. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

4. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG lautet:

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

Der mit "Antragstellung und amtswegiges Verfahren" betitelte § 58 AsylG lautet:

"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

3.2.3. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg cit als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Der BF ist aufgrund seiner bosnischen Staatsbürgerschaft Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

3.2.1. Staatsangehörige der Republik Bosnien-Herzegowina, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerksbefreite Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen. Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).

Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

3.2.2. Der BF war bis dato noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels. Lediglich während seines Asylverfahrens war er vorübergehend aufenthaltslegitimiert.

Die Beschwerde wies zutreffend darauf hin, dass das Bundesamt in seinem Spruch die falsche Rechtsgrundlage nannte, indem es sich auf § 52 Abs. 5 FPG bezog. Diese Bestimmung setzt jedoch das Vorliegen eines Daueraufenthaltstitels EU voraus. Wie aber dem weiteren Inhalt des Bescheides (insbesondere der Seite 4) und dem ZFR-Auszug zu entnehmen ist, ging die belangte Behörde sehr wohl von einem fehlenden Aufenthaltstitel des BF aus und erfolgte die Nennung des § 52 Abs. 5 FPG in Spruchpunkt I. des Bescheides irrtümlich. Auch wenn es sich dabei um einen Fehler handelt, ändert dieser nichts am Bestand des Bescheides als Ganzes, weil die restliche Begründung nicht zu beanstanden und die daraus gezogenen Schlüsse rechtsrichtig war/en. Spruchpunkt I. war daher - wie oben ersichtlich - zu korrigieren, zumal sich der aktuelle Aufenthalt des BF in Österreich als rechtswidrig erweist.

3.2.3. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Das Zusammenleben und die Bindung von Partnern, die auf einer gleichgeschlechtlichen Beziehung beruhen, fallen jedoch nicht unter den Begriff des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK (EGMR 10.05.2001, Mata Estevez, Zl. 56501/00).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

-

die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

-

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

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die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

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den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

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die Bindungen zum Heimatstaat,

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die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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