Norm
BDG 1979 §42 Abs2Schlagworte
KV zivil und außer DienstText
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
N.N. ist schuldig,
er hat zivil und außer Dienst Herrn S. durch die geöffnete Seitenscheibe seines PKWs ins Gesicht geschlagen und weiters versucht, diesen aus seinem PKW zu zerren, wodurch dieser eine Schwellung an der Oberlippe sowie eine Abschürfung am Unterarm erlitt,
er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,
Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 2 BDG eine Geldbuße in der Höhe von € 1.100,- (in Worten: eintausendeinhundert) verhängt.
Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.
BEGRÜNDUNG
Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinarverfügung der Dienstbehörde,den fristgerecht eingebrachten Einspruch der Disziplinaranwaltschaft, sowie den Erhebungen der LPD.
Sachverhalt:
S. war laut eigenen Angaben gerade dabei, einen Parkplatz zu suchen, weshalb er sehr langsam die Kolingasse entlanggefahren ist. Der Beschuldigte fuhr mit seinem PKW hinter S. und hupte, woraufhin S. ihm den Mittelfinger zeigte. Der Beschuldigte hielt daraufhin sein Fahrzeug an und ging zum Fahrzeug des anderen Lenkers. Laut Angaben von Zeugen und des Opfers habe der Beschuldigte Herrn S. durch die geöffnete Seitenscheibe seines PKWs ins Gesicht geschlagen und weiters versucht, Herrn S. aus seinem PKW zu zerren. Die Beifahrerin des Herrn S., Frau G., stieg aus dem PKW, um Herrn S. zu helfen. Dabei wurde Frau G. vom Beschuldigten weggestoßen.
Herr S. erlitt eine Schwellung an der Oberlippe sowie eine Abschürfung am Unterarm. Frau G. wurde nicht verletzt. Nachdem einige Passanten auf den Vorfall aufmerksam wurden und sich in das Handgemenge einmischten, stieg der Beschuldigte wieder in sein Fahrzeug und fuhr davon.
Aufgrund des Kennzeichens konnte der Beschuldigte ausgeforscht werden.
Seitens des RBE wurde N.N. wegen § 83 StGB bei der StA Wien zur Anzeige gebracht.
Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:
§ 43 (2) BDG: Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
§ 2 der Dienstordnung vom 23.01.2013, GZ: P4/444849/1/2012, „Verhalten der Polizeibediensteten“ „………. innerhalb und außerhalb des Dienstes haben sich Polizeibedienstete so zu verhalten, dass sie die Achtung und das Vertrauen der Bevölkerung erwerben und wahren…..“ verstoßen.
Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.
Gem. § 95 Abs. 2 BDG ist die Disziplinarkommission nur an die dem Spruch eines
rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. In allen anderen Fällen – so auch bei der Diversion bzw. außergerichtlichen Tatausgleich, hat der Senat den Sachverhalt eigenständig zu beurteilen.
Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG:
Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beschuldigte eine Autolenker körperlich attackiert hatte und diesen dabei auch verletzte.
Gemäß § 43 Abs. 2 BDG ist der Beamte verpflichtet, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit, aber auch des Dienstgebers in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Diese Pflicht verletzt der Beamte immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten bei Dritten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung immer rechtmäßig vorgehen werde und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 24.11.1997, 95/09/0348; 15.12.1999, 98/09/0212; 18.4.2002, 2000/09/0176); insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (VwGH 28.7.2000, 97/09/0324; 16.10.2001, 2000/09/0012) und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte „in seinem gesamten Verhalten“ den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29.6.1989, Zl. 86/09/0164, sowie vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200 = Slg. N.F. Nr. 13.213/A).
Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen (vgl. dazu z.B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu § 43 BDG, Seite 7 f). Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen.
Ob das dienstliche oder außerdienstliche Verhalten des Beamten an die Öffentlichkeit gedrungen ist oder nicht, spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle.
Der Beschuldigte war geständig, dass er den Autolenker attackiert hatte, er wollte ihn aber nicht vorsätzlich verletzen.
In diesem Zusammenhang hat die Disziplinaroberkommission in einem Judikat festgehalten, dass sich die Dienstbehörde gerade bei einem Exekutivbeamten unter besonderer Beachtung der psychologischen Ausbildungsinhalte darauf verlassen können muss, dass die Reiz- und Hemmschwelle viel höher anzusetzen ist als bei einem Durchschnittsbürger, zumal die Vielfalt des Exekutivdienstes bedingt, dass Exekutivbeamten oftmals Betroffene von verbalen, manchmal auch beleidigenden Äußerungen oder auch physischen Handgreiflichkeiten sind und eine solche Situation niemals soweit eskalieren darf, dass auf Angriffe mit Gewalt seitens des Beamten reagiert wird.
Bei Rechtsverletzungen, die außer Dienst erfolgen, ist grundsätzlich darauf abzustellen, ob der Schutz des betreffenden Rechtsgutes zu den Berufspflichten des Beamten gehört.
Dies liegt im gegenständlichen Fall vor, da gerade ein Exekutivbeamter die Normen des StGB zu schützen und für deren Einhaltung zu sorgen hat. Diese Bereiche gehören zweifelsohne zu den Kernaufgaben eines Polizisten.
Der Beschuldigte hat zivil und außer Dienst eine Körperverletzung begangen und liegt somit eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG vor.
Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Beschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist.
Der Beamte wird von seinem Vorgesetzten als engagiert und kollegial beschrieben, der an dienstlicher Weiterbildung interessiert ist.
Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung weiters grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115). Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
Der erkennende Senat vermeint, dass das Fehlverhalten mit einer Geldbuße in der Höhe von € 1.100,- ausreichend gesühnt ist und die Strafe auch generalpräventiven Erwägungen (Abschreckung) gerecht wird, zumal den Mitarbeitern, insbesondere Kollegen unmissverständlich signalisiert werden muss, dass ihnen aufgrund ihres Berufes eine hohe Verantwortung innerhalb der Polizei zukommt und sie alles daran setzen müssen, Beeinträchtigungen des Ansehens und der Glaubwürdigkeit der Polizei zu vermeiden. Von ihnen muss erwartet werden, dass sie in der Lage sind zwischenmenschliche Konflikte in angemessener und sachlicher Weise zu lösen. Mit dem Diensteid und dem Gelöbnis bei Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis unterstellte sich der Disziplinarbeschuldigte freiwillig dem Regelwerk des BDG. Dass er durch sein Verhalten Dienstpflichten verletzte und dieses Verhalten Sanktionen nach sich ziehen würde, musste diesem somit bewusst sein.
Es wird auch darauf hingewiesen, dass der Beamte lediglich aufgrund seiner Vordienstzeiten in den Definitivstand übernommen wurde. Wäre er noch provisorisch, wäre die Disziplinarstrafe wesentlich höher ausgefallen.
Der erkennende Senat hatte auch einige Milderungsgründe zu berücksichtigen, so etwa die Schuldeinsicht und das Geständnis, sowie die bisher entstandenen Kosten, wenngleich diese vom Beschuldigten selbst verursacht worden sind. Erschwerend war kein Umstand zu werten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
28.05.2020