TE Dok 2020/2/21 42131-DK-2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2020
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Norm

BDG 1979 §42 Abs2

Schlagworte

KV zivil und außer Dienst

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

N.N. ist schuldig,

er hat in der Diskothek U4, Herrn S., zivil und außer Dienst, im Zuge einer Rauferei durch mehrere Faustschläge ins Gesicht und auf den Kopf, am Körper verletzt,

 

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,

 

Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 2 BDG eine Geldbuße in der Höhe von € 900,- (in Worten neunhundert) verhängt.

Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

BEGRÜNDUNG

 

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde sowie den Erhebungen der LPD.

Sachverhalt:

In der Personalabteilung langte die Berichterstattung der PI ein, wonach N.N. im Verdacht steht, Herrn S., in der Diskothek U4, im Zuge eines außerdienstlichen Vorfalles verprügelt zu haben.

N.N. habe Herrn S.im Gesicht angefasst, angeschrien und beschimpft. Hr. S. habe dann ein Glas Wasser genommen und den Inhalt des Glases in die Richtung des oa. EB geschüttet. Als Hr. S. den Clubraum verlassen habe, sei ihm N.N. gefolgt, habe Hrn. S. auf den Boden geworfen und ihn mit der rechten Faust ca. 10 Mal auf den Kopf geschlagen. Hr. S. habe dadurch starke Schmerzen sowie Schwellungen über der rechten Augenbraue bis hinauf zur Stirn erlitten.

Weiters habe der oa. EB im Zuge des Vorfalles dem einschreitenden Security offenbar seinen Polizeiausweis vorgezeigt.

Angaben von Zeugen:

Von der Schwester des oa. EB, wird angegeben, Hr. S, habe sie angetanzt. Sie habe Hrn. S. mehrere Male mitteilen müssen, dass sie das nicht will. Nachdem sich Hr. S. vorerst von der Frau entfernt hatte, sei dieser dann doch immer wieder zu ihr gekommen und habe sie teilweise bedrängt. Hr. S. habe auch mehrmals Getränke vom Tisch, an welchen die Schwester des Besch., mit ihm und Freundinnen stand, genommen und daraus getrunken. N.N. habe Hrn. S. gesagt, er soll aufhören, ihre Getränke zu trinken und die Frau in Ruhe lassen. Dann sei wieder ein paar Minuten Ruhe gewesen. Als Hr. S. dann erneut zu seiner Schwester kam, habe er sie von hinten angetanzt und dabei mit den Händen im Hüft-/Po-Bereich berührt. Da ihr das unangenehm gewesen sei, habe N.N. sich an den Barkeeper gewandt und diesen auf das Verhalten des Hrn. S. aufmerksam gemacht. Der Barkeeper habe gemeint, ihm sei das Verhalten des Typen auch schon aufgefallen und er werde jemanden verständigen. Dann sei das mit dem Glas passiert. Sie habe es aber nicht genau gesehen, lediglich, dass das Gesicht ihres Bruders sowie die Haare einer Freundin nass waren.

Von der Zeugin, Frau K., welche im dortigen Lokal in der Garderobe arbeitet, wird angegeben, sie habe gesehen, wie N.N. mit der rechten Faust mehr als 7 Mal auf den rechten Kopfbereich des Hrn. S. geschlagen habe.

Videoaufzeichnung:

Im Zuge der Sichtung der Videoaufzeichnung des Vorfalles konnte wahrgenommen werden, dass sich Hr. S. sichtlich alkoholisiert im Bereich des Stehtisches des N.N. aufhält. Nachdem sich dieser auch dort anhält legt N.N. seinen rechten Arm über dessen Schulter, erfasst infolge mit der rechten Hand das Gesicht des Hrn. S. und geht mit ihm Richtung Bar nach hinten. Hierbei findet offenbar ein Wortgefecht statt. Nachdem N.N. Hrn. S. wieder auslässt, zeigt dieser N.N. den Mittelfinger. N.N. wendet sich an den Barkeeper. Etwa eine halbe Minute später schüttet Hr. S. den Inhalt eines Glases Richtung N.N. Danach ist eine weitere Wurfbewegung durch Hrn. S. ersichtlich. Ob hierbei ein Glas geworfen wurde, konnte von ho. Stelle nicht einwandfrei erkannt werden. Danach geht Hr. S. Richtung Garderobe. N.N. folgt ihm. In der Garderobe ringt N.N. Hrn. S. zu Boden. S. kommt seitlich zu liegen, N.N. setzt sich auf ihn und versetzt Hrn. S. 8 oder 9 Faustschläge auf dessen Kopf. Security-Angestellte schreiten ein und helfen Hrn. S auf. N.N. diskutiert mit den Security-Angestellten und zeigt offenbar seinen Polizeidienstausweis vor.

In der Videosequenz vor dem Lokal ist zu sehen, dass N.N. hier offenbar mit den Security-Angestellten und dem Geschäftsführer des Lokals weiterdiskutiert. N.N erwähnt in weiterer Folge mehrmals, dass es sich um „§ 3 Notwehr“ gehandelt habe. Hr. S. tritt schlussendlich noch mit seinem linken Bein in Richtung rechte Kniekehle des Beschuldigten. In dieser Videosequenz ist der Ausweis, welchen N.N. in seiner Hand hält, eindeutig als Polizeidienstausweis zu erkennen.

Verantwortung:

 

Von N.N. wird angegeben, der Vorfall habe sich grundsätzlich so zugetragen, wie von seiner Schwester geschildert. Ergänzend gibt der oa. EB an, Hr. S. habe ihm nicht nur das Getränk ins Gesicht geschüttet, sondern ihm anschließend noch ein Glas auf den Kopf geschlagen. Durch all dies habe er sich dazu hinreißen lassen, Hrn. S. zu folgen und wie auf dem Video ersichtlich zu handeln.

Er selbst sei von Hrn. S. durch einen Tritt in die Kniekehle ebenfalls verletzt worden und habe Schmerzen verspürt. Arzt habe er keinen aufgesucht. (Das Verfahren gegen Hrn. S. wegen § 83 (1) StGB wurde von der StA Wien gem. § 190 Z. 2 StPO eingestellt.)

Ergänzend wird von N.N. angeführt, er habe sich nicht als Polizeibeamter legitimiert und habe sich auch nicht in den Dienst gestellt.

Weiters wird von N.N. angegeben, er bedauere den Vorfall zutiefst. Er habe auch laut Gutachten einer Psychologin (Fr. Dr. B.), welches er der Einvernahme beilegte, kein erhöhtes Aggressionspotential.

Gerichtsverfahren:

Die StA Wien ist von der Verfolgung gemäß § 200 (5) StPO unter Bezahlung einer Geldbuße in der Höhe von € 800,- zurückgetreten.

Anlastung durch die Dienstbehörde:

N.N. steht im Verdacht, durch die Körperverletzung gem. § 83 (1) StGB sowie das Legitimieren als Polizeibediensteter im Zuge des Vorfalles Dienstpflichtverletzungen gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 begangen zu haben.

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

§ 43 (2) BDG: Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.

Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG

Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beamte in zivil und außer Dienst im Zuge einer Auseinandersetzung einen anderen Gast durch mehrere Schläge verletzt hat.

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Beamte seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat.

Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, den Ausführungen des Beschuldigten sowie den Videoaufzeichnungen.

Gem. § 95 Abs. 2 BDG ist die Disziplinarkommission nur an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. In allen anderen Fällen – so auch bei der Diversion - hat der Senat den Sachverhalt eigenständig zu beurteilen und dieser Umstand ändert nichts an seinem schuldhaften Verhalten im Sinne des BDG.

 

Er hat in zivil und außer Dienst eine andere Person durch Schläge auf den Kopf verletzt.

Das vorliegende Videomaterial zeigt eindeutig, dass der Beamte handgreiflich wird. Der Umstand, dass der Beschuldigte deswegen strafrechtlich nicht verurteilt wurde tut der objektiven Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung keinen Abbruch. Es ist nicht zu tolerieren, dass der Beschuldigte mit derartiger körperlicher Gewalt gegen eine ihm körperlich deutlich unterlegene und noch dazu schwer betrunkene Person vorgeht.

Der Senat ging davon aus, dass bei Setzung eines vom Beschuldigten zu vertretenden Übergriffes gegen die körperliche Integrität anderer jedenfalls eine nicht zu bagatellisierende Dienstpflichtverletzung vorliegt, die den Kernbereich der Dienstpflichten eines Exekutivbeamten betrifft, da gerade ein Exekutivbeamter die Normen des StGB zu schützen und für deren Einhaltung zu sorgen hat.

In diesem Zusammenhang hat die Disziplinaroberkommission in einem Judikat festgehalten, dass sich die Dienstbehörde gerade bei einem Exekutivbeamten unter besonderer Beachtung der psychologischen Ausbildungsinhalte darauf verlassen können muss, dass die Reiz- und Hemmschwelle viel höher anzusetzen ist als bei einem Durchschnittsbürger, zumal die Vielfalt des Exekutivdienstes bedingt, dass Exekutivbeamten oftmals Betroffene von verbalen, manchmal auch beleidigenden Äußerungen oder auch physischen Handgreiflichkeiten sind und eine solche Situation niemals soweit eskalieren darf, dass auf Angriffe mit Gewalt seitens des Beamten reagiert wird.

Ein Dienstbezug wird dann vorliegen, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist, Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben – das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben aber auch solche, die jedem Beamten zukommen, nicht in sachlicher Weise erfüllen, d.h. rechtmäßig, korrekt, unparteiisch und uneigennützig (vgl. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, 2. Auflage, Fußnote 17 zu § 43 Abs. 2 BDG, Seite 7 f).

Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Ob das vorliegende Verhalten an die Öffentlichkeit gelangt ist, ist unerheblich und spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle.

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

 

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Beschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist.

Der Beamte wird von seinem Vorgesetzten als sehr engagiert und kollegial beschrieben, der innerhalb der Dienstgruppe nicht nur eine soziale und fürsorgliche Stellung einnimmt, sondern über großes Fachwissen verfügt und an dienstlicher Weiterbildung interessiert ist.

Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung weiters grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115). Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Der erkennende Senat vermeint, dass das Fehlverhalten mit einer Geldbuße in der Höhe von € 900,- ausreichend gesühnt ist und die Strafe auch generalpräventiven Erwägungen (Abschreckung) gerecht wird, zumal den Mitarbeitern, insbesondere Kollegen unmissverständlich signalisiert werden muss, dass ihnen aufgrund ihres Berufes eine hohe Verantwortung innerhalb der Polizei zukommt und sie alles daran setzen müssen, Beeinträchtigungen des Ansehens und der Glaubwürdigkeit der Polizei zu vermeiden. Von ihnen muss erwartet werden, dass sie in der Lage sind zwischenmenschliche Konflikte in angemessener und sachlicher Weise zu lösen. Dennoch muss dem Beamten auch seine Motivation zugute gehalten werden, denn dieser hatte lediglich den Schutz der jüngeren Schwester im Sinn, zumal die ersten mahnenden Worte dem späteren Opfer gegenüber von diesem ignoriert wurden.

Der erkennende Senat hatte auch einige Milderungsgründe zu berücksichtigen, so etwa die Schuldeinsicht und das reumütige Geständnis, sowie die die sehr gute Dienstbeschreibung.

Erschwerend war kein Umstand zu werten.

Mit dem Diensteid und dem Gelöbnis bei Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis unterstellte sich der Disziplinarbeschuldigte freiwillig dem Regelwerk des BDG. Dass er durch sein Verhalten Dienstpflichten verletzte und dieses Verhalten Sanktionen nach sich ziehen würde, musste diesem somit bewusst sein.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

28.05.2020
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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