Norm
BDG 1979 §44 Abs1Schlagworte
Weisungsverstoß DienstzeitText
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
N.N. ist schuldig,
er hat sich von seiner Dienststelle entfernt, ohne dass eine Befreiung, Enthebung oder sonstige gerechtfertigte Abwesenheit vorgelegen ist, obwohl er in der Zeit Journaldienst zu versehen hatte,
er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. der Dienstanweisung „Dienstzeiten“ zu GZ P6/241409/2017 sowie § 48 Abs. 1 BDG i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.
Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 2 BDG eine Geldbuße in der Höhe von € 1 .600,- (in Worten eintausendsechshundert) verhängt.
Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.
BEGRÜNDUNG
Der Verdacht, eine Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinarverfügung der Dienstbehörde sowie dem fristgerecht eingebrachten Einspruch der Disziplinaranwaltschaft.
Sachverhalt:
Der Exekutivbeamte war der Bereitschaftseinheit dienstzugeteilt. Laut Dienstplan befand sich der Beschuldigte im Dienst. Bei einer anlassbedingten Standeskontrolle war er nicht mehr an der Dienststelle anwesend, obwohl er in der Zeit von Journaldienst zu versehen hatte.
Es erfolgte durch das Referat Besondere Ermittlungen (PAD/566787) eine Berichterstattung an die StA-Wien.
Laut einer Mitteilung der StA Wien wurde von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 35c StAG abgesehen.
Bei einer niederschriftlichen Befragung gab der Beschuldigte an, dass er aufgrund von Differenzen mit seiner Freundin – diese hatte angekündigt, ihn aus der Wohnung zu werfen - befürchtet hätte, dass diese seine persönlichen Gegenstände auf den Gang stellen würde und dass somit die Gefahr bestand, dass diese in Verlust geraten bzw. gestohlen werden. Aus diesen Gründen hätte er, ohne zu überlegen welche dienstliche Konsequenz seine Handlung nach sich ziehen könnte, den Heimweg angetreten.
Die Dienstbehörde hat erwogen:
Im Sinne des § 47a BDG ist Dienstzeit die Zeit der im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden, einer Dienststellenbereitschaft, eines Journaldienstes und der Mehrdienstleistung.
Gemäß § 48 Abs. 1 BDG hat der Beamte die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend ist.
§ 48 BDG verpflichtet den Beamten – Fälle der Befreiung, Enthebung oder gerechtfertigter Abwesenheit ausgenommen – zur Einhaltung bestimmter Dienststunden im Rahmen eines Dienstplanes (Anwesenheit im Dienst, Anwesenheitspflicht), da primäre „Bemessungsgrundlage“ für die Dienstverrichtung des Beamten dessen nach den geführten Aufzeichnungen tatsächlich erbrachte Dienstzeit ist. Zusammenfassend stehen daher weder der Ort noch – bzw. nur nach Maßgabe eines solchen Dienstplanes – die zeitliche Lagerung der Dienststunden in der Disposition des Beamten (BK vom 05.05.2008, GZ 17/15-BK/08).
Die Dienstbehörde kann gemäß § 131 BDG 1979 ohne weiteres Verfahren schriftlich eine Disziplinarverfügung erlassen, wenn
1) die Beamtin oder der Beamte vor der oder dem Dienstvorgesetzten, der Leiterin oder dem Leiter der Dienststelle oder von der Dienstbehörde eine Dienstpflichtverletzung gestanden hat,
2) eine Dienstpflichtverletzung aufgrund eindeutiger Aktenlage als erwiesen anzunehmen ist oder
3) die Beamtin oder der Beamte wegen des der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegenden Sachverhaltes rechtskräftig durch ein Strafgericht, durch ein Verwaltungsgericht oder durch einen unabhängigen Verwaltungssenat bestraft wurde,
und dies unter Bedachtnahme auf die für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zur Ahndung der Dienstpflichtverletzung ausreichend erscheint.
Seitens der LPD Wien wurde gegen den Beschuldigten eine Disziplinarverfügung mit der Strafe einer Geldbuße erlassen, wogegen die Disziplinaranwaltschaft fristgerecht einen Einspruch eingebracht hat, sodass nunmehr durch die Disziplinarkommission beim BM. I, Senat 2, das ordentliche Verfahren eingeleitet wurde.
Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:
§ 44 (1) BDG: Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und deren Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt, zu befolgen.
§ 48 (1) BDG: Der Beamte hat die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend ist.
Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Dienstpflichtverletzung schuldhaft begangen hat.
Der Vorwurf lautet dahingehend, dass sich der Beamte während seines Journaldienstes von der Dienststelle entfernt hat und heimgefahren ist, ohne vom Dienst befreit, enthoben oder sonst gerechtfertigt abwesend gewesen zu sein.
Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Beamte seinen Dienstpflichten in schwerwiegender Weise schuldhaft verletzt hat.
Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage sowie aus den Ausführungen des Beschuldigten.
Laut Mitteilung der StA Wien wurde von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 35c StAG abgesehen. An eine derartige Entscheidung der StA ist der Senat gemäß § 95 Abs. 2 BDG nicht gebunden und hat die Beweise aus eigenem zu würdigen.
Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG:
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Dies bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbaren Erlässe, sowie die schriftlichen Befehle seiner zuständigen Dienstbehörde und mündliche Befehle seiner Vorgesetzten zu befolgen hat.
Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einer Sicherheitsbehörde Voraussetzung dafür, dass eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben garantiert werden kann. Die Polizei ist ein militärisch organisiertes Konstrukt, das durch das Instrument der Weisung abgesichert ist und nur durch Einhaltung von Weisungen funktioniert. Wenn ein Polizeibeamter, dem kraft Gesetzes und interner Weisungen ein besonders vorschriftengetreues Verhalten vorgeschrieben wird und zu dessen allgemeinen dienstlichen Obliegenheiten die Befolgung interner Weisungen gehört, so ist dieses Verhalten zweifellos geeignet, seine Loyalität und seinen Respekt gegenüber den Vorgesetzten aber auch gegenüber seiner Kollegen, sowie seine Grundeinstellung zum Verwaltungsapparat und sein Pflichtbewusstsein in Frage zu stellen.
Fakt ist, dass der Beamte eine schriftliche Weisung nicht befolgt hat, indem er mehrere Stunden vor dem tatsächlichen Dienstende seinen Arbeitsplatz verlassen hat und damit dem Kernbereich seines engsten Pflichtenkreises zuwidergehandelt und ein disziplinär zu verfolgendes Verhalten gesetzt hat (VwGH 16.12.1997, 94/09/0034).
Die vom Beschuldigten begangene Dienstpflichtverletzung ist grundsätzlich kein Bagatelldelikt. Der VwGH hat § 44 BDG als so „grundsätzliche Bestimmungen des Dienstrechts“ gesehen, dass er bei der „unberechtigten Ablehnung der Befolgung einer Weisung“ eine Disziplinarstrafe für „unbedingt erforderlich“ gehalten hat, was nicht für die Verhängung der geringsten Disziplinarstrafe spricht und die Voraussetzung der „geringen Schuld“ in § 118 Abs. 1 Z 4 BDG als keinesfalls gegeben angenommen hat (VwGH 21.2.1991, 90/09/0180).
Der Beamte rechtfertigte sich damit, dass er zum einen Prüfungsstress nicht nur für das Auswahlverfahren bei der Cobra, sondern auch für sein Studium hatte, und zum anderen Differenzen mit seiner Freundin dazugekommen wären, sodass er aus einer Emotion heraus seine Dienstverrichtung abgebrochen und nach Hause gefahren ist, ohne über die dienstlichen Konsequenzen nachzudenken. Einem ausgebildeten Exekutivbeamten muss es jedoch zumutbar sein, lösungsorientiert zu denken, wie etwa eine Rücksprache mit dem Vorgesetzten.
Wie der Verteidiger angeführt an, handelte es sich um ein einmaliges Fehlverhalten. Dies mag zwar richtig sein, jedoch ist einmaliges Versagen dann gesondert zu werten, wenn es sich um eine vorsätzliche Widersetzlichkeit oder um eine bewusste Gleichgültigkeit gegenüber erteilten Weisungen handelt. Dass sich der Beamte vorsätzlich über die geforderte Anwesenheit während des Dienstes hinweggesetzt hat, steht wohl außer Zweifel.
Seitens des Senates wird auch noch darauf hingewiesen, dass der Beamte in einem provisorischen Dienstverhältnis steht. Das provisorischen Dienstverhältnisses verfolgt den Zweck, den Beamten für seine Eignung auf den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im allgemeinen wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde ,gestellt werden müssen. Es soll also der Beamtennachwuchs nochmals in einer Weise gesiebt werden, dass alle sich nichtvoll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden.
Dienstpflichtverletzung nach § 48 BDG:
Der Beamte hat die im Dienstplan erforderlichen Dienststunden zu erbringen.
Nachweislich war der Beamte vom Dienst weder befreit noch enthoben, auch lag keine gerechtfertigte Abwesenheit vor.
Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung.
Der erkennende Senat hat sich nach der Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist.
Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff; VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).
Der Beamte hat gegen eine interne Weisung verstoßen, indem er während des Journaldienstes die Dienststelle ohne gerechtfertigte Abwesenheit und ohne Befreiung oder Enthebung vom Dienst verlassen hat.
Milderungsgründe:
? das reumütige Geständnis – iSd § 34 Abs. 1 Ziffer 17 StGB
? Disziplinarrechtliche Unbescholtenheit
? Sehr gute Dienstbeschreibung
Erschwerungsgründe:
? keine
Der Senat ist der Meinung, dass die gewählte Strafhöhe den Unrechtsgehalt der Tat ausreichend sühnt, um dem Disziplinarbeschuldigten das Unrecht seiner Tat vor Augen zu führen und auch generalpräventiven Erwägungen insofern gerecht wird, weil es offenbar Schule machte, dass Beamte während des Journaldienstes die Dienststelle verlassen haben. Dem Kommando wurden entsprechende Informationen zugetragen und reagierte dieses im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht, indem Kontrollen durchgeführt wurden.
Mit dem Diensteid und dem Gelöbnis bei Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis unterstellte sich der Disziplinarbeschuldigte freiwillig dem Regelwerk des BDG. Dass er durch sein Verhalten Dienstpflichten verletzte und dieses Verhalten Sanktionen nach sich ziehen würde, musste diesem somit bewusst sein. Sollte es zu einem Wiederholungsfall kommen, muss der Beamte mit einer deutlich strengeren Bestrafung rechnen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
28.05.2020