Entscheidungsdatum
23.08.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I408 2198060-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. IRAK, vertreten durch RA Mag. Irene Oberschlick gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 07.05.2018, ZI. 1136059406/161594561
A)
I. beschlossen:
Das Verfahren betreffend die Spruchpunkte I., II. und III. wird wegen Zurückziehung der Beschwerde eingestellt.
II. zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV., V. und VI. Folge gegeben und diese behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 24.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und gab als Ausreisemotiv eine angedrohte Entführung durch Milizen an.
Am 25.04.2018 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen und gab als Fluchtgrund neuerlich eine Bedrohung durch Milizen an.
Mit dem Bescheid vom 07.05.2018 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Mit Schreiben vom 06.06.2018 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des BFA vom 07.05.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
Am 09.08.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Schriftsatz des Vertreters des Beschwerdeführers ein, mit dem die Beschwerde betreffend die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheids zurückgezogen wurde. Zudem wurde beantragt Spruchpunkt IV., mit dem gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, ersatzlos aufzuheben, in eventu das Asylverfahren in diesem Spruchpunkt einzustellen sowie in eventu die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig zu erklären.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Verfahrensgang wird wie unter Punkt I. dargelegt festgestellt.
Der Beschwerdeführer zog seine Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des Bescheids vom 07.05.2018 zurück.
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak. Der Beschwerdeführer ist begünstigter Drittstaatsangehöriger, da er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, die von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat. Er ist mit seiner Ehefrau nach Tschechien verzogen und diese geht dort einer Berufstätigkeit nach. Er ist in Besitz eines tschechischen Aufenthaltstitels als Familienangehöriger eines EWR-Bürgers.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem AJ-Web wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Die Zurückziehung der Beschwerde im festgestellten Umfang ergibt sich aus dem Schriftsatz der bevollmächtigten Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers vom 09.08.2019, in der klar und deutlich festgehalten ist, dass die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I., Spruchpunkt II. und Spruchpunkt III. zurückgezogen wird. Zweifel am Zurückziehungswillen des Beschwerdeführers kamen sohin nicht hervor.
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität und Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Der Beschwerdeführer legte zum Beweis seiner Identität irakische Dokumente und eine tschechische Aufenthaltsberechtigungskarte vor.
Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hatte und die Rechtsstellung des Beschwerdeführers als begünstigter Drittstaatsangehöriger, ergibt sich aus der Aktenlage und dem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 09.08.2019 sowie aus der vorgelegten Heiratsurkunde.
Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) I. Einstellung des Verfahrens:
§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheids ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
Eine Zurückziehung der Beschwerde durch die beschwerdeführende Partei ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich. Mit der Zurückziehung ist das Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei weggefallen, womit einer Sachentscheidung die Grundlage entzogen und die Einstellung des betreffenden Verfahrens - in dem von der Zurückziehung betroffenen Umfang - auszusprechen ist (vgl. Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2015, § 7 VwGVG, Rz 20; Eder/Martschin/Schmid,
Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, § 7 VwGVG, K 5 ff.).
Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. zu Berufungen Hengstschläger/Leeb, AVG, § 63, Rz 75 mit zahlreichen Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Eine solche Erklärung liegt im vorliegenden Fall vor, weil der Beschwerdeführer die Zurückziehung seiner Beschwerde im Umfang der Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheids im Schriftsatz vom 09.08.2019 durch seine Vertreterin klar zum Ausdruck gebracht hat; einer Sachentscheidung durch das Gericht ist damit die Grundlage entzogen.
Das Beschwerdeverfahren ist daher im genannten Umfang mit Beschluss einzustellen (vgl. dazu VwGH 29.04.2015, 2014/20/0047, wonach aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG hervorgeht, dass eine bloß formlose Beendigung [etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes] eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt).
Zu A) II. Ersatzlose Behebung:
Gem. § 2 Abs. 4 Z 11 Fremdenpolizeigesetz (FPG) ist begünstigter Drittstaatsangehöriger der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.
Wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich und in den Feststellungen ausgeführt, heiratete der Beschwerdeführer am XXXX2018 die österreichsiche Staatsangehörige V S, welche in Ausübung ihres unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts zuletzt in Tschechien erwerbstätig war. Es ist daher vom Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts des Beschwerdeführers als begünstigtem Drittstaatsangehörigen auszugehen.
Außerdem besitzt der Beschwerdeführer einen tschechischen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger eines EWR-Bürgers. Für aufenthaltsbeendende Maßnahmen sieht das FPG im 4. Abschnitt des 8. Hauptstückes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige die "Ausweisung" (§ 67) und das "Aufenthaltsverbot" (§68) vor.
§ 52 Abs. 2 FPG (jene Bestimmung, nach der das BFA die Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen hat) enthält folgenden letzten Satz: "Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige." Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolgt § 52 Abs. 2 FPG, wonach bei den dort angeführten Entscheidungen nach dem Asylgesetz (AsylG) "unter einem" eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist, den Zweck, dass der rechtskräftige Ausgang des asylrechtlichen Verfahrens nicht abgewartet werden müsse und erst danach ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG wegen des dann unrechtmäßigen Aufenthaltes geführt werden könne. Damit stehe in Einklang, dass eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 FPG nur dann erfolgen solle, wenn - wie es § 52 Abs. 2 FPG anordnet - dem Drittstaatsangehörigen "kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt". Die Anordnung des § 52 Abs. 2 FPG letzter Satz ("Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige") könne nur so verstanden werden, dass gegen begünstigte Drittstaatsangehörige von vornherein die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 FPG nicht in Betracht kommt (vgl VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274). Ebenso sprach der VwGH aus, dass generell die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen begünstigte Drittstaatsangehörige unzulässig sei, da die mit § 52 FPG umgesetzte Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) auf begünstigte Drittstaatsangehörige nach deren Art. 2 Abs. 3 nicht anzuwenden sei (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0014 mwN). Für begünstigte Drittstaatsangehörige seien eigene Regelungen geschaffen worden (Ausweisung gem. § 66 FPG oder Aufenthaltsverbot gem. § 67 FPG), nicht aber sie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung möglich (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274; vgl auch VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349).
Das BFA hat die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung war der Beschwerdeführer noch nicht verheiratet. In einer Konstellation wie der aktuell vorliegenden, ist die Erlassung einer auf § 52 Abs. 2 FPG gestützten Rückkehrentscheidung jedoch nicht mehr zulässig.
Nach der zitierten Rechtslage ist die gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung aufgrund seiner Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger zum Entscheidungszeitpunkt rechtswidrig, weshalb sie ersatzlos zu beheben ist.
Der Beschwerde ist daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid - im Umfang der Spruchpunkte IV. bis VI. gemäß § 28 Abs. 2 iVm Abs. 5 VwGVG zu beheben.
Eine Verhandlung konnte gem. § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besondererEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2198060.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.05.2020