Entscheidungsdatum
18.11.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W195 2147839-1/19E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Kollegiums der Volksanwaltschaft vom XXXX , beschlossen:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX erstmals für drei Jahre als Mitglied einer Kommission der Volksanwaltschaft gemäß § 12 Volksanwaltschaftsgesetz 1982 (VolksanwG) bestellt und am XXXX - nach einer neuerlichen Ausschreibung der Position und ihrer erneuten Bewerbung - für die Dauer von sechs Jahren als Kommissionsmitglied wiederbestellt.
2. Mit Schreiben des Kollegiums der Volksanwaltschaft (im Folgenden: belangte Behörde) vom XXXX wurde die Beschwerdeführerin (vorzeitig) als Kommissionsmitglied gemäß § 12 Abs. 4 Z 3 VolksanwG iVm § 19 Abs. 5 und § 20 der Geschäftsordnung der Volksanwaltschaft, ihrer Kommissionen und des Menschenrechtsbeirates (GeO der VA 2012) abberufen.
3. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin eine Beschwerde, im Rahmen derer sie im Wesentlichen vorbrachte, dass sie sich aufgrund der rechtswidrigen Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere des VolksanwG und des AVG) und aufgrund des mangelhaft durchgeführten behördlichen Verfahrens in ihrem Recht auf Ausübung ihrer Funktion als Mitglied einer Kommission nach Art. 148h Abs. 3 B-VG und §§ 12 und 13 VolksanwG sowie ihrem Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlich normierten Voraussetzungen ihrer Funktion als Mitglied dieser Kommission enthoben zu werden, verletzt erachte. Hinsichtlich der Frage der Bescheidqualität des volksanwaltschaftlichen Schreibens verwies sie auf durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes entwickelte Kriterien, wann Akte der Bestellung in oder Abberufung von Funktionen als Hoheitsakte anzusehen wären. Die Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht Wien mit Beschluss vom XXXX gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 AVG an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet, wo diese schließlich am 17.02.2017 einlangte.
4. Mit Beschluss vom XXXX wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG zurück und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig.
In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass im vorliegenden Fall kein verwaltungsbehördlicher Akt vorliege, da es sich bei der Volksanwaltschaft um keine Verwaltungsbehörde, sondern ein bundesverfassungsgesetzliches Organ der Staatsfunktion Gesetzgebung handeln würde. Wegen ihrer funktionellen und organisatorischen Nahebeziehung zu den Organen der Gesetzgebung sei die Tätigkeit der Volksanwaltschaft nicht als Verwaltung iSd B-VG, sondern als Hilfsfunktion der gesetzgebenden Gewalt anzusehen. Da es sich bei der Volksanwaltschaft um kein Organ der Vollziehung handle, seien ihre Akte - bei denen es sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts um Rechtsakte sui generis handeln würde, für welche kein Fehlerkalkül bestehe - daher nicht als Verwaltungsakte (insbesondere nicht als Verordnungen oder Bescheide) anzusehen und könnten aus diesem Grund auch nicht im Wege eines Rechtsmittels angefochten werden. Nachdem die Abberufung der Beschwerdeführerin als Kommissionsmitglied durch die belangte Behörde keinen tauglichen Anfechtungsgegenstand darstelle, sei die Beschwerde zurückzuweisen. Die Erhebung einer Revision gegen diese Entscheidung sei deshalb für zulässig erachtet worden, da es bislang an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, in welcher Entscheidungsform die Bestellung und Abberufung von Mitgliedern der Kommissionen durch die belangte Behörde zu ergehen hat, fehle.
5. Gegen diese Entscheidung richtete die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mangels Verletzung verfassungsrechtlicher Bestimmungen ab (VfGH vom 24.11.2017, E 1641/2017-9) und trat die Angelegenheit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (VfGH vom 28.12.2017, E 1641/2017-11).
6. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2019, Ro 2018/03/0009, wurde der ergangene Beschluss vom XXXX wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu unter anderem aus, dass im verfahrensgegenständlichen Schreiben der Volksanwaltschaft vom XXXX zweifelsfrei der Wille zum Ausdruck kommen würde, eine rechtsverbindliche Entscheidung betreffend die Abberufung der Beschwerdeführerin von der Funktion eines Kommissionsmitgliedes treffen zu wollen. Es sei deutlich erkennbar, dass die belangte Behörde den Willen hatte, gegenüber der individuell bestimmten Beschwerdeführerin die normative Erledigung einer konkreten Angelegenheit vorzunehmen, weshalb ein normativer Inhalt des Schreibens - nämlich die rechtsverbindliche Abberufung der Beschwerdeführerin als Kommissionsmitglied - klar zu erkennen gewesen sei und das gegenständliche Schreiben der belangten Behörde aus diesem Grund als Bescheid zu werten sei. Darüber hinaus hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass auch wenn die belangte Behörde in ihrem Verfahren zur Abberufung der Beschwerdeführerin in ihrer Funktion als Kommissionsmitglied nicht die §§ 56 ff AVG betreffend Bescheide und deren Gestaltung anzuwenden hatte, sie dennoch etwa auch jene allgemeinen Grundsätze, die sich schon aus dem Wesen des Rechtsstaates ergeben würden, zu beachten gehabt hätte. Unter Bezugnahme auf seine bisherige Judikatur führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass zu den allgemeinen, für jedes rechtsstaatliche Verfahren wichtigen Rechtsgrundsätzen insbesondere die Pflicht zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts in einem Ermittlungsverfahren, die Pflicht zur Entscheidungsbegründung sowie die Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs zählen würden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt, wobei präzisierend und ergänzend dazu festgestellt wird:
Am XXXX wurde die Beschwerdeführerin erstmals für drei Jahre als Mitglied einer Kommission der Volksanwaltschaft im Sinne des § 12 VolksanwG bestellt und am XXXX für die Dauer von sechs weiteren Jahren als Kommissionsmitglied wiederbestellt.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , wurde die Beschwerdeführerin als Kommissionsmitglied vorzeitig, also vor Ablauf ihrer Funktionsperiode, mit sofortiger Wirksamkeit abberufen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin eine Beschwerde, die in weiterer Folge vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom XXXX zurückgewiesen wurde.
Der erhobenen Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.06.2019, Ro 2018/03/0009, stattgegeben und der bekämpfte Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Am XXXX langten die Verfahrensakten am Bundesverwaltungsgericht ein und wurde die Rechtssache gemäß der Geschäftsverteilung der Gerichtsabteilung W195 zur Entscheidung zugewiesen.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte und unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der Verfahrensakten, den im Laufe des (erstinstanzlichen) Verfahrens abgegebenen Schriftsätzen und den im Akt befindlichen höchstgerichtlichen Entscheidungen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Zurückverweisung:
3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts
Gemäß Art. 129 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) besteht für jedes Land ein Verwaltungsgericht des Landes. Für den Bund bestehen ein als Bundesverwaltungsgericht zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes und ein als Bundesfinanzgericht zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht des Bundes erkennt gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG, soweit sich aus Abs. 3 nichts anderes ergibt, über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Da der belangten Behörde als Kollegialorgan im Rahmen der Bestellungs- und Abberufungsbefugnis von Kommissionsmitgliedern gemäß Art. 148h Abs. 3 B-VG iVm § 1 Abs. 2 VolksanwG iVm § 9 Abs. 1 Z 7 der GeO der VA 2012 "angelagerte Verwaltungsfunktionen" zukommen, wird die belangte Behörde diesbezüglich als (oberstes) Verwaltungsorgan tätig und hat somit in Ausübung der Befugnisse nach Art. 148h Abs. 3 B-VG einen Bescheid über die Abberufung eines Kommissionsmitglieds zu erlassen. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gemäß Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG knüpft daran an, dass eine Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung (im Sinne des Art. 102 B-VG) besorgt wird; dies unabhängig davon, ob die betreffende Angelegenheit in Art. 102 Abs. 2 B-VG genannt ist oder sich ihre Besorgung in unmittelbarer Bundesverwaltung aus anderen Bestimmungen ergibt (vgl. EBRV 1618 BlgNR XXIV. GP, Seite 15). Da die belangte Behörde organisatorisch ein Bundesorgan ist und damit im Rahmen ihrer angelagerten Verwaltungstätigkeit gemäß Art. 148h Abs. 3 B-VG in unmittelbarer Bundesverwaltung tätig wird, ist im vorliegenden Fall eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gegeben (vgl. hierzu auch VwGH vom 26.06.2019, Ro 2018/03/0009).
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, weshalb im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.
3.2. Allgemeines zur Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend festgehalten (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, sowie gleichlautend auch VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005):
"Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer ‚Delegierung' der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f)."
Trotz der - insbesondere auch durch die Rechtsprechung entwickelten - restriktiven Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG durch die Verwaltungsgerichte sah der Verwaltungsgerichtshof in der Vergangenheit eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG unter anderem dann für zulässig an, wenn der entscheidungswesentliche Sachverhalt von der belangten Behörde sehr unzureichend festgestellt wurde, indem von ihr keine für die Entscheidung in der Sache brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert wurden (vgl. VwGH vom 28.03.2017, Ro 2016/09/0009).
3.3. Rechtlich folgt daraus
3.3.1. Zum Vorliegen eines Bescheides betreffend das verfahrensgegenständliche Schreiben der belangten Behörde, mit dem die Beschwerdeführerin vorzeitig als Kommissionsmitglied abberufen wurde, sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2019, Ro 2018/03/0009, unter anderem aus: "Im genannten Schreiben der Volksanwaltschaft kommt zweifelsfrei der Wille zum Ausdruck, eine rechtsverbindliche Entscheidung betreffend die Abberufung der revisionswerbenden Partei von der Funktion eines Kommissionsmitgliedes zu treffen. In diesem Zusammenhang verwendet § 12 Abs. 4 leg. cit. (und ihm folgend die in Rede stehende Erledigung) eine auf eine autoritative Entscheidungstätigkeit gerichtete Ausdrucksweise. Es ist deutlich erkennbar, dass die Volksanwaltschaft den Willen hatte, gegenüber der individuell bestimmten revisionswerbenden Partei die normative Erledigung einer konkreten Angelegenheit vorzunehmen (siehe dazu etwa VwGH 26.3.2014, Ro 2014/03/0038, oder VfGH 10.6.2003, B 1415/02, VfSlg. 16.859/2003). Damit ist ein normativer Inhalt des Schreibens - nämlich die rechtsverbindliche Abberufung der Revisionswerberin als Kommissionsmitglied - klar zu erkennen, weshalb das gegenständliche Schreiben des Kollegiums der Volksanwaltschaft auf dem Boden des Gesagten als Bescheid zu werten ist."
3.3.2. Weiters hielt der Verwaltungsgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde Folgendes fest: "Wenn auch die Volksanwaltschaft in ihrem Verfahren zur Abberufung der revisionswerbenden Partei von ihrer Funktion als Kommissionsmitglied nicht die §§ 56 ff AVG betreffend Bescheide und deren Gestaltung anzuwenden hatte (vgl. § 5 VolksanwG), so bedeutet es aber nicht, dass von der Volksanwaltschaft etwa auch jene allgemeinen Grundsätze, die sich schon aus dem Wesen des Rechtsstaates ergeben, nicht zu beachten gewesen wären. Zu den allgemeinen, für jedes rechtsstaatliche Verfahren wichtigen Rechtsgrundsätzen zählt insbesondere die Pflicht zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts in einem Ermittlungsverfahren, die Pflicht zur Entscheidungsbegründung (vgl. hier § 12 Abs. 4 VolksanwG) sowie die Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl. VwGH 20.11.2007, 2007/11/0157, VwSlg. 17.323 A; VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050; VwGH 13.9.2016, Ro 2015/03/0045; VwGH 28.4.2017, Ra 2017/03/0027; VwGH 26.6.2014, Ro 2014/16/0034)."
Damit betonte der Verwaltungsgerichtshof die Notwendigkeit eines - einer Bescheiderlassung vorangehenden - ordnungsgemäß und umfassend durchgeführten Ermittlungsverfahrens und kam zu dem Schluss, dass das dem angefochtenen Bescheid vorausgegangene Ermittlungsverfahren der belangten Behörde diesen Anforderungen in mehreren Punkten nicht entsprach.
3.3.3. Im angefochtenen Bescheid begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung - die Beschwerdeführerin mit sofortiger Wirksamkeit als Kommissionsmitglied abzuberufen - in erster Linie damit, dass die "Spannungslage der Häufung der Teilnahme bzw. des zufällig in der Nähe einer Versammlung tätig sein [der Beschwerdeführerin] am 17.1.2016 und 1.2.2016 und der zeitliche Konnex mit der tatsächlichen Funktionsausübung als Kommissionsmitglied am 23.1.2016 bei einem polizeilichen Einsatz in Graz" geeignet sei, "Zweifel an der unabhängigen Ausübung der Funktion als Kommissionsmitglied - zumindest - hervorrufen zu können". Bei Zweifel ihrer vollen Unbefangenheit hätte die Beschwerdeführerin "gemäß § 20 Geo der VA 2012 eine Entscheidung des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft bzw. bei Gefahr im Verzug der Kommissionsleitung einholen müssen". Da die Beschwerdeführerin dies nicht getan habe, sei ihr als "Absolventin einer juridischen Fakultät und Rechtsanwaltsanwärterin" dies als "grobe Pflichtverletzung" vorzuwerfen.
3.3.4. In Bezug auf den ermittelten Sachverhalt erweist sich der angefochtene Bescheid in inhaltlicher Hinsicht als gravierend mangelhaft. So stützt sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidung zwar auf mehrere Vorfälle die - ihrer Ansicht nach - eine sofortige Abberufung der Beschwerdeführerin in ihrer Funktion als Kommissionsmitglied rechtfertigen würden, aus dem Inhalt der verwaltungsbehördlichen Verfahrensakten bzw. Unterlagen kann jedoch nicht entnommen werden, dass der Beschwerdeführerin die Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen zu äußern. Verstärkend hinzu kommt, dass sich dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde auch keine näheren Informationen entnehmen lassen, die Aufschlüsse über die der Beschwerdeführerin konkret zur Last gelegten Pflichtverletzungen geben könnten, die sie mit Hilfe eines dagegen erhobenen Rechtsmittels hätte entkräften können.
Auch wenn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu entnehmen ist, dass eine Aufhebung und Zurückverweisung der Angelegenheit durch ein Verwaltungsgericht nur unter sehr engen Voraussetzungen als zulässig erachtet wird - etwa zur Durchführung notwendiger Ermittlungen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat oder konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht) - ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der obigen Ausführungen, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine aufhebende und zurückverweisende Entscheidung nach § 28 Abs. 3 VwGVG jedenfalls als erfüllt anzusehen sind.
Bei diesen Überlegungen übersieht das Bundesverwaltungsgericht keineswegs die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, der mehrmals - sowohl in der Vergangenheit als auch jüngst in einer Entscheidung vom 12.08.2019, Ra 2019/20/0192 - ausgesprochen hat, dass eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht (allein) darauf gestützt werden kann, dass von der belangten Behörde das Parteiengehör verletzt wurde, da eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs durch die erste Instanz nämlich dann als saniert angesehen werden kann, wenn die Partei die Gelegenheit hatte, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens im Rechtsmittel gegen den (eine ausreichende Darstellung der Beweisergebnisse enthaltenden) erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen (vgl. VwGH 27.12.2018, Ra 2015/08/0095, mwN), es ist jedoch zu berücksichtigen, dass gegenständlich kein der erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, da auch der angefochtene Bescheid keine ausreichende Darstellung der Beweisergebnisse beinhaltet, sondern die belangte Behörde ihre Entscheidung vielmehr lediglich auf allgemein gehaltene Ausführungen bzw. vage Vermutungen stützt, die ihrer Ansicht nach geeignet wären, Zweifel an der Unabhängigkeit der Beschwerdeführerin zu erwecken, ohne dass sie jedoch die dieser Vermutung zugrundeliegenden Umstände näher dar- bzw. offenlegt, sodass es der Beschwerdeführerin möglich gewesen wäre sich hiergegen anlässlich ihrer Beschwerdeerhebung zu äußern.
Hinzu kommt, dass die belangte Behörde ihr Schreiben selbst nicht als Bescheid und somit als Akt einer Verwaltungsbehörde wertete und sie - nachdem die erhobene Beschwerde bei ihr einlangte - der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 05.09.2016, GZ. VA-7010/0022-V/7/2016, schriftlich mitteilte, dass sie in gegenständlicher Angelegenheit keine weiteren Veranlassungen treffen würde. Die belangte Behörde weigerte sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin an das zuständige Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, weshalb die Beschwerdeführerin gezwungen war, ihre Beschwerde (erneut) direkt bei einem Verwaltungsgericht einzubringen, welche schlussendlich dann vom Verwaltungsgericht Wien zuständigkeitshalber dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung weitergeleitet wurde.
3.3.5. Aus alledem ergibt sich, dass die belangte Behörde den entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalt im vorliegenden Fall bloß ansatzweise ermittelt bzw. wesentliche Ermittlungen unterlassen hat, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und das Verfahren an die belangte Behörde zur Vervollständigung zurückzuverweisen ist.
3.4. Entfall der mündlichen Verhandlung
Da im vorliegenden Fall bereits aufgrund der Aktenlage und der Ansicht des VwGH feststeht, dass der angefochtene Bescheid aus rechtlicher Sicht aufzuheben ist, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal der oben wiedergegebene Sachverhalt auch unbestritten feststeht und eine mündliche Erörterung im gegenständlichen Fall nicht erforderlich ist.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Die vorliegende Entscheidung folgt dabei der bisher in gegenständlicher Angelegenheit ergangener (und weiter oben zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sodass schon deshalb nicht von einer Rechtfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, ausgegangen werden kann.
Schlagworte
Abberufung, Ermittlungspflicht, Kassation, Kommissionsmitglieder,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W195.2147839.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.05.2020