TE Vfgh Erkenntnis 1996/6/18 V221/95

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Veröffentlicht am 18.06.1996
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art18 Abs2
Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol vom 18.12.69 idF vom 16.11.88 §35 Abs3
ÄrzteG §70 Abs3

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Regelung über die Empfänger der Todesfallbeihilfe hinsichtlich der gesetzlichen Erben in der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol

Spruch

Die litd) des §35 Abs3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol, beschlossen in der außerordentlichen Vollversammlung vom 18. Dezember 1969 idF des Beschlusses der außerordentlichen Vollversammlung vom 16. November 1988, kundgemacht in den Mitteilungen der Ärztekammer für Tirol vom 13. März 1991, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde eines Rechtsanwaltes anhängig, die sich gegen den (im zweiten Rechtsgang nach Aufhebung des letztinstanzlichen Bescheides im ersten Rechtsgang durch den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes) im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Beschwerdeausschusses der Ärztekammer für Tirol vom 15. Dezember 1994 richtet, mit welchem dem Antrag des testamentarischen Erben auf Auszahlung der Todesfallbeihilfe an ihn nach einem am 9. März 1991 verstorbenen Arzt keine Folge gegeben wurde.

Dies wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Antragsteller, dem mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 21. Dezember 1993 die Verlassenschaft nach dem verstorbenen Arzt eingeantwortet worden war, kein namhaft gemachter Empfänger iSd §35 Abs3 lita der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol (im folgenden: Satzung) sei. Falls eine bestimmte Person nicht in der im §70 Abs3 ÄrzteG vorgesehenen Form namhaft gemacht wurde, werde die Todesfallbeihilfe gemäß §35 Abs3 der Satzung der Witwe (dem Witwer), den Waisen oder sonst den gesetzlichen Erben ausbezahlt. Es versage daher auch das - von dem seinen Anspruch ausdrücklich auch auf §35 Abs3 litd) der Satzung stützenden Antragsteller vorgebrachte - sonst zweifellos gültige Argument, daß nach österreichischem Recht der testamentarischen Rechtsnachfolge an sich der Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge zukomme.

2. In der gegen den genannten Bescheid erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt.

3. Im Zuge der Beratungen über die Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §35 Abs3 litd) der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 29. November 1995 gemäß Art139 Abs1 B-VG beschlossen, die Gesetzmäßigkeit dieser Vorschrift von Amts wegen zu prüfen.

4. Die einschlägigen Rechtsvorschriften des Ärztegesetzes und der Satzung - die in Prüfung gezogene litd) des §35 Abs3 der Satzung ist hervorgehoben - lauten wie folgt:

4.1. §70 ÄrzteG, BGBl. Nr. 373/1984 idF BGBl. Nr. 314/1987:

"§70. (1) Beim Tod eines Kammerangehörigen oder Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung ist die Todesfallbeihilfe zu gewähren.

(2) Das Ausmaß der Todesfallbeihilfe beträgt mindestens das Zehnfache der jeweiligen Grundleistung der Altersversorgung.

(3) Auf die Todesfallbeihilfe haben, sofern der Verstorbene Kammerangehörige oder Empfänger einer Alters- oder Invaliditätsversorgung nicht einen anderen Zahlungsempfänger namhaft gemacht und hierüber eine schriftliche, eigenhändig unterschriebene Erklärung beim Wohlfahrtsfonds hinterlegt hat, nacheinander Anspruch:

1.

die Witwe (der Witwer),

2.

die Waisen.

(4) Sind mehrere Waisen vorhanden, ist diesen die Todesfallbeihilfe zur ungeteilten Hand auszubezahlen.

(5) Ist eine anspruchsberechtigte Person im Sinne des Abs3 nicht vorhanden und werden die Kosten der Bestattung von einer anderen Person als dem namhaft gemachten Zahlungsempfänger getragen, so gebührt dieser auf Antrag der Ersatz der nachgewiesenen Kosten bis zu einem in der Satzung festgesetzten Höchstbetrag, der das Sechsfache der Grundleistung nicht übersteigen darf."

4.2. §35 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol, beschlossen in der außerordentlichen Vollversammlung vom 18. Dezember 1969 idF des Beschlusses der außerordentlichen Vollversammlung vom 16. November 1988, kundgemacht in den Mitteilungen der Ärztekammer für Tirol vom 13. März 1991:

"§35

Todesfallbeihilfe

(1) Beim Tode eines Teilnehmers oder Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung ist die Todesfallbeihilfe zu gewähren.

(2) Die Todesfallbeihilfe wird als Umlage von allen beitragspflichtigen Teilnehmern bis zu ihrem vollendeten 70. Lebensjahr nach der jeweils geltenden Beitragsordnung eingehoben. Der sich aus dieser Umlage ergebende Gesamtbetrag bildet die Todesfallbeihilfe. Sie soll das 40fache der Grundleistung nicht übersteigen.

(3) Die Todesfallbeihilfe gebührt nacheinander entweder

a)

dem namhaft gemachten Empfänger oder

b)

der Witwe (dem Witwer) unter den in §30 festgesetzten Voraussetzungen oder

c)

den Waisen (§§32 u. 33) oder

d)

den gesetzlichen Erben.

(4) Sind mehrere Waisen vorhanden, ist diesen die Todesfallbeihilfe zur ungeteilten Hand (§892 ABGB.) auszuzahlen.

(5) Ist eine anspruchsberechtigte Person im Sinne des Absatzes 3 nicht vorhanden und werden die Kosten der Bestattung von einer anderen Person als dem namhaft gemachten Zahlungsempfänger getragen, so gebührt dieser auf Antrag der Ersatz der nachgewiesenen Kosten. Der Ersatz darf das 6fache der Grundleistung nicht übersteigen."

5. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Einleitungsbeschluß davon aus, daß bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides §35 Abs3 litd) der Satzung angewendet worden sei und daß auch er diese Vorschrift bei der Beurteilung des bekämpften Bescheides anzuwenden hätte. Der Gerichtshof nahm weiters das Vorliegen der übrigen Prozeßvoraussetzungen an.

6. Der Verfassungsgerichtshof hegte bezüglich der in Prüfung gezogenen Vorschrift das Bedenken, daß sie der Deckung durch das Gesetz entbehren dürfte. Er umschrieb es wie folgt:

"§70 ÄrzteG sieht nacheinander drei Empfänger der Todesfallbeihilfe vor, nämlich zuerst die gegenüber dem Wohlfahrtsfonds namhaft gemachte Person, dann die Witwe oder den Witwer und schließlich die Waisen. Die in Prüfung gezogene Vorschrift des §35 Abs3 litd) der Satzung aber nennt als dem namhaft gemachten Empfänger, der Witwe oder dem Witwer und den Waisen nachgehende Empfänger der Todesfallbeihilfe noch die gesetzlichen Erben. Dem Verfassungsgerichtshof scheint es, daß damit der Satzunggeber die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung überschritten hat, da der Begriff 'gesetzliche Erben', wie sich aus den §§730 ff. ABGB ergibt, mit den Eltern des Erblassers und dessen Großeltern, jeweils mit ihren Nachkommen, sowie dessen ersten Urgroßeltern einen Personenkreis erfaßt, der weit über den von §70 Abs3 ÄrzteG bestimmten hinausreicht. Aus diesem Grund dürfte die in Prüfung gezogene Verordnungsvorschrift mit Gesetzwidrigkeit belastet sein."

7. Die Tiroler Landesregierung hat auf die angefochtene Bestimmung bezughabende Akten vorgelegt, von der Abgabe einer Äußerung im Verfahren jedoch abgesehen. Das verordnungserlassende Organ, die Vollversammlung der Ärztekammer für Tirol, hat keine Äußerung erstattet. Eine solche ist vom Präsidenten der Ärztekammer für Tirol und dem Kammeramtsdirektor gemeinsam abgegeben worden. Auf diese ist jedoch, da nicht vom am Verfahren beteiligten Organ abgegeben, nicht weiter einzugehen.

8. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

8.1. Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Der Verfassungsgerichtshof hat somit über sie meritorisch zu entscheiden. Dabei hat er auch die Vorschrift des §35 Abs3 litd) der Satzung anzuwenden, auf welche sich der angefochtene Bescheid u.a. stützt. Die in Prüfung gezogene Bestimmung ist folglich präjudiziell.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

8.2. Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes trifft zu. Das Verfahren hat nichts Gegenteiliges ergeben. §70 Abs3 ÄrzteG sieht als Empfänger der Todesfallbeihilfe nacheinander zuerst namhaft gemachte Zahlungsempfänger, dann die Witwe oder den Witwer und schließlich die Waisen vor. Die in Prüfung gezogene Vorschrift der Satzung nennt darüber hinaus noch die gesetzlichen Erben als Empfänger der Todesfallbeihilfe. Dafür findet sich jedoch im nach dem Wortlaut eindeutigen und auch sonst hinsichtlich seines Sinnes unzweifelhaften §70 Abs3 ÄrzteG keine Deckung. Auch sonst enthält das ÄrzteG keine Vorschrift, die den Verordnungsgeber zur Erlassung der in Prüfung gezogenen Regelung ermächtigt. Er hat folglich mit der Erlassung des §35 Abs3 litd) der Satzung die ihm durch das Gesetz gezogenen Grenzen überschritten, weshalb diese Vorschrift wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben ist.

9. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung ergibt sich aus Art139 Abs5 B-VG.

10. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Ärzte Versorgung, Versorgungsrecht Ärzte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:V221.1995

Dokumentnummer

JFT_10039382_95V00221_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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