Entscheidungsdatum
28.11.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I412 2121523-2/4E
I412 2194244-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden der nigerianischen Staatsangehörigen XXXX, und XXXX, vertreten durch die Mutter XXXX, diese wiederum vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH und LegalFocus, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2019, Zl. XXXX und XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Verfahren der am XXXX geborenen Erstbeschwerdeführerin sowie ihrer minderjährigen Tochter, der am XXXX geborenen Zeitbeschwerdeführerin sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.
Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 08.08.2013 nach illegaler Einreise nach Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend gab sie an, vor einer drohenden Zwangsheirat mit einem älteren Mann geflüchtet zu sein. In Lagos habe man sie mit einer Frau gesehen und der Homosexualität bezichtigt. Dies sei in Nigeria unter Strafe gestellt und habe sie daher das Land verlassen.
Mit Bescheid vom 03.02.2016 wurde der Antrag von der belangten Behörde abgewiesen und ihrem Vorbringen die Glaubhaftigkeit abgesprochen. Gegen die Erstbeschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist.
Am XXXX wurde die Zweitbeschwerdeführerin geboren und für sie am 07.03.2018 durch die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Aus dem Asylantrag der Zweitbeschwerdeführerin geht hervor, dass das Kind keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen habe, der Antrag beziehe sich ausschließlich auf die Gründe der Mutter. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.04.2018 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin ebenso negativ beschieden.
Die Entscheidungen der belangten Behörde wurden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.08.2018, GZen I412 2121523-1/19E und I412 2194244-1/10E, bestätigt, und die dagegen erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen kamen ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und stellten am 11.09.2019 gegenständlichen Folgenantrag. Die Erstbeschwerdeführerin gab an, bei der ersten Antragstellung nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Tatsächlich sei sie in Nigeria von einer Frau unter Vorspiegelung falscher Versprechungen nach Europa gelockt worden und in Griechenland zur Prostitution gezwungen worden. Sie habe sich später auch in Österreich prostituieren müssen, um der Frau das Geld zurückzuzahlen. Bei einer Rückkehr nach Nigeria fürchte sie, dass die Frau sie und ihre Tochter umbringen würde. Dieser Grund sei ihr von Anfang an bekannt, sie habe ihn aus Angst im Erstverfahren nicht erzählt. Die Tochter habe keine eigenen Fluchtgründe.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 22.10.2019 wies die belangte Behörde die Folgeanträge der Beschwerdeführerinnen
hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und
hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründe wurde nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gegen die Beschwerdeführerinnen wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkte IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkte VI.) und wurde ihnen aufgetragen, ab 11.09.2019 bis 09.10.2019 in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkte VII.).
Dagegen richtet sich die rechtzeitig und zulässig erhobene Beschwerde vom 05.11.2019. Moniert wurde, dass das nunmehrige Vorbringen sehr wohl einen glaubhaften Kern aufweise und eine inhaltliche Prüfung hätte erfolgen müssen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Pkt. I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.
Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zum Sachverhalt:
Im ersten Asylverfahren brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, von ihrer Familie nach Weigerung des Eingehens einer Zwangsehe mit einem älteren Mann verstoßen worden zu sein und aus Lagos aus Angst vor Anschuldigungen, lesbisch zu sein, geflohen zu sein. Die belangte Behörde qualifizierte das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen als unglaubhaft. Auch das Bundesverwaltungsgericht kam im Beschwerdeverfahren zum Ergebnis, dass es sich aufgrund der zahlreichen Widersprüche um keine glaubhafte asylrelevante Bedrohung oder Verfolgung handelt.
Im gegenständlichen Folgeverfahren gab die Erstbeschwerdeführerin an, nicht die Wahrheit gesagt zu haben und legte nunmehr dar, dass sie Opfer von Frauenhandel geworden sei und befürchte, von der Menschenhändlerin bei einer Rückkehr nach Nigeria umgebracht zu werden. Dieses Vorbringen habe sie aus Angst bei Erstantragstellung nicht erstattet, waren ihr aber immer schon bekannt. Für die Zweitbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
Die Erstbeschwerdeführerin brachte keine neuen Fluchtgründe vor, die nach Rechtskraft des Erkenntnisses vom 20.08.2018 eingetreten sind. Eine Änderung in Bezug auf eine Rückkehrgefährdung ist seit Rechtskraft des Erkenntnisses vom 20.08.2018 ebenfalls nicht eingetreten.
Es besteht keine besondere Gefährdung der Beschwerdeführerinnen für den Fall einer Rückkehr nach Nigeria.
1.2. Zu den Personen:
Seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes am 20.08.2018 hat sich hinsichtlich der persönlichen Verhältnis der Beschwerdeführerinnen nichts geändert und können daher die Feststellungen zu den Personen aus dem letzten verwaltungsgerichtlichen Erkenntnis übernommen werden:
"Die BF sind Staatsangehörige Nigerias und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 20b AsylG. Die Identität der Erstbeschwerdeführerin steht nicht fest, jene der Zweitbeschwerdeführerin steht fest.
Die Erstbeschwerdeführerin hält sich seit spätestens 8.8.2013 in Österreich auf. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren.
Betreffend die Erstbeschwerdeführerin scheint im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung auf.
Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin, XXXX, ist ebenfalls nigerianischer Staatsangehöriger. Dessen zweiter Asylantrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 09.06.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen, sowie festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.09.2017, Zl. I416 2163403-1, bestätigt.
Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist arbeitsfähig.
Die Erstbeschwerdeführerin lebt nicht mit dem Vater der Zweitbeschwerdeführerin in gemeinsamen Haushalt; ob die beiden eine Beziehung führen, kann nicht festgestellt werden.
Die Erstbeschwerdeführerin leidet an keinen die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden Krankheiten, die Zweitbeschwerdeführerin ist gesund.
Die Familie der Erstbeschwerdeführerin ist in Nigeria aufhältig. Es ist davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr auf Unterstützung zurückgreifen könnte.
Die Erstbeschwerdeführerin stammt aus Agbor und hat einige Jahre die Schule besucht sowie zu ihrem Lebensunterhalt durch den Verkauf von Eis beigetragen.
Die Erstbeschwerdeführerin verfügt in Österreich über keine familiären und über keine maßgeblichen privaten Anknüpfungspunkte.
Die Erstbeschwerdeführerin besuchte Deutschkurse auf A2 Niveau und kann sich in geringem Maße auf Deutsch verständigen, eine überdurchschnittliche Integration darüber hinaus in Österreich ist nicht gegeben, ohne ihre diesbezüglichen Bemühungen in Form von Freiwilligenarbeit, den Besuch von Veranstaltungen und Kursen, zu verkennen."
Ergänzend dazu wird nunmehr festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin mit dem Kindsvater XXXX zwar weiterhin nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt, aber eine Beziehung führt, beinahe täglich mit ihm telefoniert und monetäre Unterstützung von diesem erhält.
1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Von der belangten Behörde wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Nigeria mit Stand 12.04.2019 herangezogen und vollständig zitiert. Seit Bescheiderlassung haben sich keine Änderungen ergeben und schließt sich auch das Bundesverwaltungsgericht diesen Ausführungen an und erhebt die länderspezifischen Feststellungen zu den seinen. Fallbezogen werden nachstehende Feststellungen aus dem angeführten LIB zitiert:
Politische Lage
Nigeria ist in 36 Bundesstaaten (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018; AA 9.2018a; GIZ 4.2019a) und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert (AA 12.10.2018; vgl. AA 9.2018a; GIZ 4.2019a). Sie verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 9.2018a).
Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die am System der USA orientierte Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog, Gewaltenteilung). Dem starken Präsidenten - zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte - und dem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 10.12.2018; vgl. AA 9.2018a). Die Verfassungswirklichkeit wird von der Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und von den direkt gewählten Gouverneuren dominiert. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität, häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 10.12.2018).
Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich meist an Führungspersonen, ethnischer Zugehörigkeit und vor allem strategischen Gesichtspunkten. Parteien werden primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei, wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen sehen. Entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 10.12.2018).
Bei den Präsidentschaftswahlen am 23.2.2019 wurde Amtsinhaber Muhammadu Buhari im Amt bestätigt (GIZ 4.2019a). Er erhielt 15,1 Millionen Stimmen und siegte in 19 Bundesstaaten, vor allem im Norden und Südwesten des Landes. Sein Herausforderer, Atiku Abubakar, erhielt 11,3 Millionen Stimmen und gewann in 17 Bundesstaaten im Südosten, im Middle-Belt sowie in der Hauptstadt Abuja (GIZ 4.2019a; vgl. BBC 26.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag mit 36 Prozent deutlich niedriger als 2015. Überschattet wurden die Wahlen von gewaltsamen Zwischenfällen mit mindestens 53 Toten (GIZ 4.2019a).
Die Opposition sprach von Wahlmanipulation. Am 18.3.2019 focht Abubakar das Ergebnis aufgrund von Unregelmäßigkeiten vor dem Obersten Gerichtshof an. Das Verfahren muss gemäß den gesetzlichen Vorgaben innerhalb von 180 Tagen bis spätestens Mitte September abgeschlossen werden. Die Aussichten, dass die Beschwerde Erfolg hat, sind gering. So hatte Präsident Buhari nach den Wahlen von 2003, 2007 und 2011 als Oppositionskandidat ebenfalls vergleichbare Beschwerden eingelegt und diese verloren (GIZ 4.2019a).
Am 9.3.2019 wurden Wahlen für Regionalparlamente und Gouverneure in 29 Bundesstaaten durchgeführt. In den restlichen sieben Bundesstaaten hatten die Gouverneurswahlen bereits in den Monaten zuvor stattgefunden. Auch hier kam es zu Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 4.2019a). Kandidaten der APC von Präsident Buhari konnten 15 Gouverneursposten gewinnen, jene der oppositionellen PDP 14 (Stears 12.4.2019).
Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen - wenn auch weitgehend informellen - Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 9.2018a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
-
AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844, Zugriff 7.11.2018
-
BBC News (26.2.2019): Nigeria Presidential Elections Results 2019, https://www.bbc.co.uk/news/resources/idt-f0b25208-4a1d-4068-a204-940cbe88d1d3, Zugriff 12.4.2019
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 11.4.2019
-
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
-
Stears News (12.4.2019): Governorship Election Results, https://nigeriaelections.stearsng.com/ governor/2019, Zugriff 12.4.2019
Sicherheitslage
Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 10.12.2018). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 10.12.2018; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, (EASO 11.2018a; vgl. AA 10.12.2018), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes ("Biafra") hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt (AA 10.12.2018).
In den nordöstlichen Bundesstaaten Adamawa, Borno, Gombe und Yobe kommt es häufig zu Selbstmordanschlägen (BMEIA 12.4.2019). Außenministerien warnen vor Reisen dorthin sowie in den Bundesstaat Bauchi (BMEIA 12.4.2019; vgl. AA 12.4.2019; UKFCO 12.4.2019). Vom deutschen Auswärtige Amt wird darüber hinaus von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten (AA 12.4.2019).
Zu Entführungen und Raubüberfällen kommt es im Nigerdelta und einigen nördlichen Bundesstaaten. Betroffen sind: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bauchi, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Enugu, Imo, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kogi, Nasarawa, Plateau, Rivers und Zamfara. Für die erwähnten nordöstlichen und nördlichen Bundesstaaten sowie jenen im Nigerdelta gelegenen gilt seitens des österreichischen Außenministeriums eine partielle Reisewarnung; Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) in den übrigen Landesteilen (BMEIA 12.4.2019).
Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in die Bundesstaaten Kaduna (insbesondere Süd- Kaduna), Plateau, Nasarawa, Benue, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insbesondere die Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom ab (AA 12.4.2019). Das britische Außenministerium warnt (neben den oben erwähnten nördlichen Staaten) vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zum Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers (UKFCO 29.11.2018).
In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist dauern diese Auseinandersetzungen nur wenige Tage und sind auf einzelne Orte bzw. einzelne Stadtteile begrenzt. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das Sokoto (Nordteil) und Plateau (Südteil) sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen (AA 12.4.2019).
In der Zeitspanne April 2018 bis April 2019 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch
Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.333), Zamfara (1.116), Kaduna (662), Benue (412), Adamawa (402), Plateau (391). Folgende
Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (2), Kebbi (3) und Osun (8) (CFR 2019).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
-
AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_6, Zugriff 12.4.2019
-
BMEIA - Österreichisches Außenministerium (12.4.2019):
Reiseinformationen - Nigeria, https:// www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nigeria/, Zugriff 12.4.2019
-
CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/ nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019
-
EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 12.4.2019
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UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (12.4.2019): Foreign Travel Advice - Nigeria - summary, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 12.4.2019
Grundversorgung
Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 4.2019c).
Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 10.12.2018). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 4.2019c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 10.12.2018). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 4.2019c).
Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über
90 Prozent (AA 9.2018c). Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 4.2019c; vgl. AA 9.2018c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 9.2018c) und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe - v.a. von Reis - angewiesen (ÖB 10.2018; vgl. AA 9.2018c). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben (AA 9.2018c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt (ÖB 10.2018).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2018; vgl. GIZ 4.2019b). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2018; vgl. ÖB 10.2018), fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze (GIZ 4.2019b).
Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt (GIZ 4.2019b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden (ÖB 10.2018). Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2018). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2019b).
Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2018). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2018). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).
Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Nur eine geringe Anzahl von Nigerianern (2016 ca. fünf Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2018).
Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2019c).
Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
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AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Nigeria - Wirtschaft,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205790, Zugriff 22.11.2018
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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf, Zugriff 19.11.2018
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 10.4.2019
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Nigeria - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 11.4.2019
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ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
Rückkehr
Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).
Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 10.12.2018). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation" (ÖB 10.2018). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 10.12.2018).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 10.12.2018). Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2018). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 10.12.2018) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2018) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2018).
Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 10.12.2018). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2018).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 10.12.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
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ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
Meldewesen
Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018; EASO 24.1.2019), wie zahlreiche Quellen bei EASO angeben. Nur eine Quelle behauptet, dass es eine Art Meldewesen gibt. Es bestehen gesetzliche Voraussetzungen, damit Bundesstaaten ein Meldewesen einrichten können. Bislang hat lediglich der Bundesstaat Lagos davon Gebrauch gemacht (EASO 24.1.2019). Auch ein funktionierendes nationales polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Daraus resultiert, dass eine Ausforschung einmal untergetauchter Personen kaum mehr möglich ist. Das Fehlen von Meldeämtern und bundesweiten polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖB 10.2018).
Im Sheriffs and Civil Process Act Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖB 10.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
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EASO - European Asylum Support Office (24.1.2019): Query Response
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Identification documents system in Nigeria
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ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zum Sachverhalt:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Dieser ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte der belangten Behörde sowie der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung der angefochtenen Bescheide die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden.
2.2 Zu den Personen und zu ihren nunmehrigen Folgeanträgen:
Soweit in den gegenständlichen Rechtssachen Feststellungen zur Identität und zur Person der Beschwerdeführerinnen getroffen wurden, beruhen diese auf den in den Vorverfahren bzw. im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und den Aussagen der Erstbeschwerdeführerin in der Einvernahme vor der belangten Behörde bzw. den sonstigen Akteninhalten. Diese Angaben sind allesamt unstrittig. Dass die Erstbeschwerdeführerin eine Beziehung zum Kindsvater führt, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben vor der belangten Behörde, wo sie außerdem anführt, mit diesem täglich in telefonischem Kontakt zu stehen und dass dieser auch finanzielle Unterstützung für sie und die gemeinsame Tochter leistet (AS 73). Die übrigen Feststellungen konnten aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.08.2018 übernommen werden. Von den Beschwerdeführerinnen wurde nichts vorgebracht, was anderslautende Feststellungen nach sich gezogen hätte. Verglichen mit der Entscheidung im Erstverfahren (Erkenntnis des BVwG vom 20.08.2018, Zl. I412 2121523-1 und I412 2194244-1) ergeben sich somit (abgesehen von einer nunmehr vorgebrachten Beziehung mit dem Vater ihres Kindes) keine Änderungen hinsichtlich ihres Privat- und Familienlebens und der allgemeinen Lebenssituation der Beschwerdeführerin.
Aus einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister vom 21.11.2019 ergibt sich, dass gegen den Kindsvater eine aufrechte Rückkehrentscheidung besteht. Er hält sich ohne gültigen Aufenthaltstitel in Österreich auf. Seit 20.03.2019 ist ein Verfahren betreffend einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen laufend. Es sind keine Hindernisse ersichtlich, dass die Beschwerdeführerinnen mit diesem gemeinsam nach Nigeria zurückkehren können.
2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Situation in Nigeria ergeben sich aus der Aktenlage, dem aktuellen Länderinformationsblatt und den Bescheiden, in denen das LIB vollständig zitiert wurde. Auf die Lage im Herkunftsstaat wurde ausführlich eingegangen und hatten die Beschwerdeführerinnen Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Am 04.10.2019 langte eine Stellungnahme ein, die den Ausführungen im Länderinformationsblatt nicht entgegensteht und diese weitestgehend wiederholt.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen im LIB sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Die Beschwerdeführerinnen traten diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht entgegen.
2.3. Zu den Fluchtmotiven:
Die Beschwerdeführerin behauptet im vorliegenden Folgeverfahren, Opfer von Frauenhandel gewesen zu sein und von einer Frau namens "Blessing" zur Prostitution in gezwungen worden zu sein. Sie habe ihr mehrere tausend Euro zahlen müssen, da sie sonst immer wieder Schlägertrupps zu ihrer Mutter geschickt habe. Im Februar 2017 schließlich sei die Mutter totgeprügelt worden und sah sie keinen Anlass mehr, weiterhin Geld zu bezahlen und sich dafür zu prostituieren. Die vorgebrachten Gründe lagen jedenfalls bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens vor und hatte die Beschwerdeführerin nicht nur in ihrem Verfahren, sondern auch bei Antragstellung für die Tochter mehrfach die Möglichkeit, vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht alles Zweckdienliche für ihren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich vorzubringen. Auch wurden die Einvernahmen vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht im Erstverfahren von Personen gleichen Geschlechtes durchgeführt, sodass die Beschwerdeführerin jedenfalls die Möglichkeit gehabt hätte, vor dem Hintergrund des § 20 AsylG, alle ihre Fluchtgründe darzulegen. Es steht somit seit der rechtskräftigen Abweisung fest, dass die Beschwerdeführerinnen in Nigeria keiner asylrelevanten Verfolgung und auch keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sind.
Es ist im Einklang mit den Ausführungen der belangten Behörde darauf hinzuweisen, dass die von der Erstbeschwerdeführerin geäußerten Rückkehrbefürchtungen bereits im Erstverfahren bestanden haben müssten, was auch die Beschwerdeführerin bestätigt. Auch das Vorbringen, die Beschwerdeführerin sei von einer Frau namens "Blessing" zur Prostitution gezwungen worden, bezieht sich ihren Angaben zu Folge auf Geschehnisse vor Abschluss des Erstverfahrens und wäre daher bereits im ersten Asylverfahren vorzubringen gewesen.
Zudem mangelt es dem Gesamtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin an einem glaubhaften Kern.
Zum einen gab sie nun an, dass ihre Mutter im Februar 2017, somit eineinhalb Jahre vor Durchführung der mündlichen Beschwerdeverhandlung im Erstverfahren, verstorben sei und sie danach keine Notwendigkeit mehr hatte, der Prostitution nachzugehen und der Madame Geld zu geben (AS 79). Die Beschwerdeführerinnen seien aber weiterhin in Gefahr, da Blessing nun telefonisch damit drohe, sie bzw. ihre Tante umzubringen.
Es erscheint daher umso weniger nachvollziehbar, warum die Beschwerdeführerin diese Befürchtungen nicht bereits zumindest im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor der erkennenden Richterin im Zusammenhang mit ihrem ersten Antrag auf internationalen Schutz vorbringen konnte, umso mehr, als zu diesem Zeitpunkt ihre Mutter angeblich bereits eineinhalb Jahre tot war, was bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung ebenso nicht erwähnt wurde, bzw. anders dargestellt wurde. Anlässlich dieser gab die Erstbeschwerdeführerin noch an, nicht zu wissen, wo ihre Eltern sich aufhalten würden. Ebenso erstmals im Folgeverfahren bringt die Erstbeschwerdeführerin vor, ihr Vater sei bereits 2014 gestorben.
Widersprüchlich erscheint auch, wenn die Erstbeschwerdeführerin, vor der belangten Behörde zu ihrem zweiten Asylantrag befragt, einmal angibt, die Madame immer angerufen zu haben, wenn sie etwas Geld hatte und an anderer Stelle ausführt, keine Telefonnummer von ihr zu haben.
Für das erkennende Gericht ist, ebenso wie für die belangte Behörde, in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb die Erstbeschwerdeführerin im Rahmen ihres ersten Verfahrens eine tatsächlich bestehende Verfolgung in ihrem Heimatstaat verschweigen sollte, zumal davon auszugehen ist, dass ein durchschnittlich sorgfältiger Asylwerber eine tatsächlich bestehende Verfolgung nicht wider besseren Wissens verschweigen würde, und die Beschwerdeführer während ihres Erstverfahrens mehrfach über die Wichtigkeit von wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben belehrt worden ist.
Es ist daher der belangten Behörde beizupflichten, wenn diese ausführt, dass die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe, weshalb es ihr nun nicht mehr möglich sei, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, nicht dazu geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken und darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zurückweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide):
Da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.
Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21. 3. 1985, 83/06/0023, u.a.). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27. 9. 2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).
Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 8. 9. 1977, 2609/76).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 9. 9. 1999, 97/21/0913; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).
Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).
Für das Bundesverwaltungsgericht ist daher Sache des gegenständlichen Verfahrens die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat - wie in der Beweiswürdigung zusammengefasst - völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an, dass die Angaben der Beschwerdeführerinnen im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann. Aufgrund des Umstandes, dass es sich gegenständlich um Fluchtgründe handelt, welche den Beschwerdeführerinnen bereits bei der Stellung ihrer ersten Anträge auf internationalen Schutz bzw. während des Erstverfahrens bekannt waren sowie des Umstandes, dass es dem Fluchtvorbringen an einem glaubhaften Kern mangelt, kann von keiner Änderung des Sachverhalts ausgegangen werden.
Da insgesamt weder in der maßgeblichen Sachlage und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der Beschwerdeführerinnen gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte. Die Zurückweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der Asylberechtigten wegen entschiedener Sache war rechtmäßig, weshalb die Beschwerden hinsichtlich Spruchpunkte I. abzuweisen sind.
3.2. Zurückw