Entscheidungsdatum
06.12.2019Norm
AsylG 2005 §35 Abs4Spruch
W185 2168444-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 11.08.2017, ZI. Damaskus-OB/KONS/1524/2017, aufgrund des Vorlageantrages von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch das Generalsekretariat des Österreichischen Roten Kreuzes, Wiedner Hauptstraße 32, 1041 Wien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 18.04.2017, beschlossen:
A)
Das Verfahren wird gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG als gegenstandslos eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Syriens, stellte am 12.09.2016 persönlich bei der Österreichischen Botschaft in Damaskus (im Folgenden: ÖB Damaskus) unter Anschluss diverser Unterlagen einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005.
Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, ihr angeblicher Ehemann, genannt. Der Bezugsperson sei mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 29.06.2016, der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden.
Am 24.03.2017 teilte das Bundesamt gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mit, dass die Gewährung des Status eines Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Begründend wurde ausgeführt, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb hinsichtlich der Beschwerdeführerin nicht vom Vorliegen einer Familienangehörigeneigenschaft (§ 35 Abs 5 AsylG) auszugehen sei.
Hiezu wurde der Beschwerdeführerin am 24.03.2017, übernommen am 28.03.2017, die Möglichkeit zur Erstattung einer Stellungnahme eingeräumt (Parteiengehör).
Die Beschwerdeführerin erstattete am 31.03.2017 eine Stellungnahme. Zusammengefasst wurde darin vorgebracht, dass nicht nachvollziehbar sei und von der Botschaft auch nicht näher konkretisiert werde, was unter (fehlender) "Eheeigenschaft" zu verstehen sei. Die Ehe mit der Bezugsperson sei am 03.05.2015 in Syrien eingetragen worden; die Heiratsurkunde wurde erneut übermittelt. Nach der Eheschließung hätten die Erstbeschwerdeführerin und die Bezugsperson in der Türkei in der Wohnung der Schwester der Bezugsperson zusammen gelebt. Ein Leben in Syrien sei nicht möglich gewesen (siehe Angaben im Asylverfahren der Bezugsperson). Der Bezugsperson wäre es seit seiner Ausreise aus Syrien nicht mehr möglich gewesen, dorthin zurückzukehren.
Nach Übermittlung der Stellungnahme an das Bundesamt, erstattete dieses am 12.04.2017 eine ergänzende Stellungnahme. Die Behörde blieb bei ihrer negativen Prognose und verwies im Wesentlichen auf die erste Wahrscheinlichkeitsprognose.
Mit Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 18.04.2017 wurde der Einreisantrag gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG abgewiesen. Dies mit Hinweis auf den Inhalt der Wahrscheinlichkeitsprognosen des Bundesamtes vom 24.03.2017 (bzw vom 12.04.2017). Mit Schreiben der ÖB Damaskus hätte die Beschwerdeführerin Gelegenheit erhalten, die Ablehnungsgründe zu zerstreuen. Die Beschwerdeführerin hätte zur beabsichtigten Entscheidung mit Schreiben vom 31.03.2017 auch Stellung genommen. Diese Stellungnahme sei dem Bundesamt weitergeleitet worden, welches nach Prüfung der Stellungnahme an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten habe (12.04.2017).
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch das Generalsekretariat des Österreichischen Roten Kreuzes, am 15.05.2017 Beschwerde wegen formeller und inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Begründend wurde in der Beschwerde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid damit begründet worden sei, dass die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen, die Ehe habe bereits im Herkunftsstaat bestanden "nicht unter Beweis" stellen habe können. Dies sei jedoch unzutreffend. Es sei noch vor der Ausreise der Bezugsperson zu einer nach syrischem Recht gültigen Ehe gekommen; die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson hätten bereits am 03.05.2015 in der Türkei geheiratet. In der Folge seien ein gemeinsamer Haushalt und damit auch ein Familienleben begründet und die Ehe im Nachhinein in Syrien registriert worden. Dies gehe auch zweifelsfrei aus den vorgelegten Dokumenten hervor. Hiezu werde auch auf die entsprechende ACCORD-Anfragebeantwortung vom 20.11.2015 verwiesen. Die Beschwerdeführerin sei somit als Familienangehörige iSd § 35 AsylG anzusehen. Das Nichtladen der Bezugsperson als Zeuge stelle eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör dar. Eine inhaltliche Auseinandersetzung der Behörde mit dem Vorbringen in der Beschwerde sei nicht erkennbar, was einen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.08.2017 wies die ÖB Damaskus die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab:
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht. Daran, dass die Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes gebunden seien, und damit keinen eigenen Entscheidungsspielraum hätten, habe der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, festgehalten. Die Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes unterliege demnach im Rahmen des § 27 VwGVG einer Überprüfung nur durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG Beschwerde erhoben werde. Jenseits und unabhängig von dieser Bindungswirkung sei die Beweiswürdigung des Bundesamtes nicht zu beanstanden und teile die belangte Behörde die Auffassung des Bundesamtes über das Nichtvorliegen der Familienangehörigeneigenschaft nach § 35 Abs 5 AsylG. Die Registrierung der vorgeblich in der Türkei geschlossenen Ehe sei nach der Statuszuerkennung an die Bezugsperson erfolgt und habe sohin im Nachhinein und in Abwesenheit der Bezugsperson stattgefunden. Diese widerspreche dem ordre public. Es habe im Herkunftsstaat kein Familienleben bestanden. Dies ergebe sich aus den chronologisch dargestellten Reiseabläufen der Beteiligten. Eine, wie von der Beschwerdeführerin releviert, Verletzung des Parteiengehörs sei nicht zu erkennen.
Am 11.08.2017 wurde bei der ÖB Damaskus ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.
Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 18.08.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 23.08.2017, wurde der Verwaltungsakt übermittelt.
Am 02.10.2019 und zuletzt am 04.12.2019 veranlasste das Bundesverwaltungsgericht Abfragen hinsichtlich der Beschwerdeführerin aus dem Zentralen Melderegister, dem Betreuungsinformationssystem (GVS) sowie aus dem Zentralen Fremdenregister (IZR). Diese Abfragen ergaben, dass die Beschwerdeführerin am 01.04.2019 einen Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte Plus (§ 46 Abs 1 Z 2 NAG) stellte. Der Beschwerdeführerin wurde eine Rot-Weiß-Rot-Karte Plus mit Gültigkeitsdauer bis 26.03.2020 ausgestellt. Von der ÖB Beirut wurde in der Folge ein Visum D zur Abholung eines Aufenthaltstitels (Gültigkeitsdauer 22.03.2019 bis 21.07.2019) erteilt. Die Beschwerdeführerin ist seit 25.03.2019 in Österreich aufrecht polizeilich gemeldet und lebt mit der Bezugsperson, einem Asylberechtigten, im gemeinsamen Haushalt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG, FPG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 57/2018, geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG geht hervor, dass das Verwaltungsgericht in jenem Fall, in dem das Verfahren - hier: das Beschwerdeverfahren - einzustellen ist, eine Entscheidung in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen hat. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen nämlich die Entscheidungen und Anordnungen eines Verwaltungsgerichts durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. § 28 Abs. 1 VwGVG nimmt die Einstellung des Verfahrens, wozu jedenfalls die Einstellung des Beschwerdeverfahrens zu zählen ist, von der Erledigung mittels Erkenntnis ausdrücklich aus. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aber auch, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt. Handelt es sich doch bei der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG (vgl. zur Bejahung der Notwendigkeit der Fällung eines Beschlusses über die Verfahrenseinstellung auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5 und § 31 VwGVG Anm 5, sowie Schmid in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Anm K 3 und § 31 VwGVG Anm K 2) [ vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. Fr 2014/20/0047].
In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde kann analog zu § 33 VwGG eine Einstellung auch bei Klaglosstellung des Beschwerdeführers (Wegfall der Beschwer) in Betracht kommen. Dies grundsätzlich sowohl bei formeller Klaglosstellung wegen Beseitigung des für den Beschwerdeführer belastenden Abspruchs, als auch bei materieller Klaglosstellung wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses (Art. 132 B-VG) (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2018] § 28 VwGVG, Anm. 5, Vgl VwGH, 28.1.2016, Ra 2015/11/007; 31.1.208, Ra 2018/10/0022).
Auf den gegenständlichen Sachverhalt finden diese allgemeinen Erwägungen Anwendung wie folgt:
Mit Bescheid der ÖB Damaskus vom 18.04.2017 wurde die Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG abgewiesen. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Nach einer Beschwerdevorentscheidung der ÖB Damaskus wurde ein Vorlageantrag eingebracht.
Ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung über die ursprüngliche Verweigerung des Visums besteht nicht mehr; dies aufgrund folgender Erwägungen:
Die Beschwerdeführerin beantragte am 21.04.2019 (vom Ausland aus) bei einer namentlich angeführten Bezirkshauptmannschaft die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus und damit die Familienzusammenführung nach dem NAG (§ 46 Abs 1 Z 2 NAG). Es wurde eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus für die Beschwerdeführerin ausgestellt (gültig bis 26.03.2020). Die ÖB Beirut erteilte der Beschwerdeführerin in der Folge ein Visum D zur Abholung ihres Aufenthaltstitels und reiste diese in weiterer Folge legal in das Bundesgebiet ein, wo sie sich bis heute befindet und im gemeinsamen Haushalt mit der im Verfahren genannten Bezugsperson lebt.
Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist immer dann zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des einzelnen keinen Unterschied macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles keinen objektiven Nutzen hat (Vgl. VwGH Ro 2016/21/0008 v. 30.06.2016). Die Beschwerdeführerin konnte gegenständlich legal nach Österreich reisen, einen Aufenthaltstitel erlangen und führt mit ihrem Ehemann ein Familienleben, was die Beschwerdeführerin auch ursprünglich mit der Beantragung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG beabsichtigt hat.
Die Beschwerde ist infolge materieller Klaglosstellung der Beschwerdeführerin als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Diese wird durch die Erläuterungen (ErlRV 2009 BlgNR XXIV. GP, 7) gestützt, wonach eine Einstellung des Verfahrens durch Beschluss zu erfolgen hat.
Schlagworte
Beschwerdevorentscheidung, Ehe, Einreisetitel, Einstellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W185.2168444.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.05.2020