TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 I414 2224250-2

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs2a
FPG §77
FPG §77 Abs1
FPG §77 Abs3
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2224250-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch RA Dr. Martina SCHWEIGER-APFELTHALER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (kurz BF), ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 04.09.2006 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, dass er XXXX heiße, am XXXX geboren und Staatsangehöriger von Sudan zu sein.

Am 23.01.2007 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des gewerbsmäßigen Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt.

Am 15.02.2007 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom 23.03.2007, Zl. XXXX, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Asylantrag des BF wurde am 25.05.2007, verbunden mit einer Ausweisung, rechtskräftig negativ entschieden.

Am 11.09.2008 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 achter Fall und Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 01.04.2009, Zl. XXXX, wurde gegen den BF ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.

Am 27.01.2010 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen Sachbeschädigung, gefährlicher Drohung, Betrug, Nötigung und unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 125, 107 Abs 1, 146, 105 Abs 1StGB und § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 17.10.2011, Zl. XXXX, wurde aufgrund einer Änderung des Fremdenpolizeigesetztes (FPG) das unbefristete Rückkehrverbot auf die Dauer von 10 (zehn) Jahren abgeändert.

Am 10.01.2012 wurde zwecks Sicherung der Abschiebung des BF die Schubhaft verhängt. In der Folge wurde der BF am 19.01.2012 aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes wegen eines Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen.

Mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates XXXX vom 08.05.2012, Zl. XXXX, wurde die Beschwerde gegen die Verhängung der Schubhaft als unbegründet abgewiesen.

Am 25.09.2013 heiratete der BF eine österreichische Staatsangehörige in Piacenza/Italien.

Bei einer fremdenrechtlichen Kontrolle am 15.05.2014 in Wien gab der BF erstmals an, dass er XXXXheiße und Staatsangehöriger von Nigeria sei. Den Sicherheitsbeamten wurde anschließend ein spanischer Aufenthaltstitel sowie der nigerianische Reisepass des BF vorgelegt.

Am 19.12.2014 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG und § 15 StGB und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall sowie Abs 2 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Am 04.01.2016 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Am 28.01.2016 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als belangte Behörde oder kurz BFA bezeichnet) niederschriftlich einvernommen.

Im November 2016 reiste der BF nach Nigeria, um seine Mutter zu besuchen. In der Folge reiste er erneut im Februar 2017 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

Am 27.08.2018 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 15 StGB, 27 Abs 2a zweiter Fall und Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Schreiben des BFA vom 05.11.2018 wurde der BF von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot verständigt.

Mit Stellungnahme vom 12.11.2018 teilte der BF mit, dass er mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet sei und er nach seiner Entlassung aus der Strafhaft bei ihr wohnen könne. Er dürfe in Österreich nicht arbeiten, seine Ehefrau sei erwerbstätig und sorge für die Familie. Bis zu seiner Inhaftierung habe er bei seiner Frau gelebt.

Mit Schreiben des BFA vom 27.08.2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass nach seiner Haftentlassung beabsichtigt sei die Schubhaft zu verhängen um seine Abschiebung nach Nigeria sicherzustellen.

Mit Stellungnahme vom 29.08.2019 teilte der BF zusammengefasst mit, dass er nach der Haftentlassung bei seiner Ehefrau in XXXX wohnen werde und er bis heute keinen Bescheid über eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot erhalten habe. Des Weiteren gab er an, dass sein nigerianischer Reisepass am 14.07.2018 abgelaufen sei.

Mit Bescheid des BFA vom 02.09.2019 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt und gleichzeitig gem. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II.) und gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Zuletzt wurde gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 05.09.2019, Zl. XXXX, wurde gemäß § 77 Abs 1 und 3 iVm § 76 Abs 2 Z 2 über den BF das gelindere Mittel zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet und verfügt, dass sich der BF beginnend mit 07.09.2019 jeden zweiten Tag bei der Polizeiinspektion Alpenstraße 88, 5020 Salzburg zu melden habe. Gleichzeitig wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der BF mehrmals in Österreich strafgerichtlich verurteilt wurden sei und er sich im Jahre 2012 der Schubhaft durch einen Hungerstreik freigepresst habe. Da die Ehefrau des BF in XXXX wohne könne mit der Anordnung des gelinderen Mittels das Auslangen gefunden werden.

Mit Schreiben vom 27.09.2019 brachte der BF durch seinen bevollmächtigten Vertreter eine Beschwerde gegen den oben bezeichneten Bescheid vom 05.09.2019 ein. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF seit seiner Haftentlassung bei seiner Ehefrau und ihren beiden Kindern in XXXX lebe und auftragsgemäß seiner Anordnung sich jeden zweiten Tag bei der Polizeiinspektion zu melden nachgehe. Er habe gegen die Rückkehrentscheidung iVm dem Einreiseverbot fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, daher sei diese Entscheidung nicht rechtskräftig. Daher sei die Anordnung nicht notwendig. Es werde daher beantragt den angefochtenen Bescheid zu beheben. Allenfalls sei der Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Bescheiderlassung an das BFA zurückzuverweisen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.11.2019, Zl. 2224250-1/10E, wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung iVm dem Einreiseverbot abgewiesen.

Am 20.11.2019 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. In der beigeschlossenen Stellungnahme wurde zusammengefasst ausgeführt, dass angesichts des bisherigen Verhaltens des BF ein Sicherungsbedarf bestehe. Hinsichtlich des Vorbringens, wonach der BF bei seiner Ehefrau wohne, werde darauf hingewiesen, dass dieser Umstand bereits in der Wahl der Sicherungsmaßnahme berücksichtigt worden sei. Zudem sei die Anordnung einer Sicherungsmaßnahme trotz der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Verfahrens der Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot möglich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF ist Staatsangehörige von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Der BF ist volljährig, gesund, arbeitsfähig und bekennt sich zum christlichen Glauben.

Der BF reiste unter Angaben einer Aliasidentität spätestens am 04.09.2006 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom 23.03.2007, Zl. XXXX, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Asylantrag des BF wurde am 25.05.2007, verbunden mit einer Ausweisung, rechtskräftig negativ entschieden.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 01.04.2009, Zl. XXXX, wurde gegen den BF ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 17.10.2011, Zl. XXXX, wurde aufgrund einer Änderung des Fremdenpolizeigesetztes (FPG) das unbefristete Rückkehrverbot auf die Dauer von 10 (zehn) Jahren abgeändert.

Am 10.01.2012 wurde zwecks Sicherung der Abschiebung des BF die Schubhaft verhängt. In der Folge wurde der BF am 19.01.2012 aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes wegen eines Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen.

Mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates XXXX vom 08.05.2012, Zl. XXXX, wurde die Beschwerde gegen die Verhängung der Schubhaft als unbegründet abgewiesen.

Am 25.09.2013 heiratete der BF eine österreichische Staatsangehörige in Piacenza/Italien. In die Ehe wurden zwei Kinder eingebracht. Die Kinder stammen aus vorhergehenden Beziehungen seiner Ehefrau. Die Väter der Kinder sind beide Staatsangehörige von Gambia.

Bei einer fremdenrechtlichen Kontrolle am 15.05.2014 in Wien gab der BF erstmals an, dass er XXXX heiße und Staatsangehöriger von Nigeria sei. Den Sicherheitsbeamten wurde anschließend ein spanischer Aufenthaltstitel sowie der nigerianische Reisepass des BF vorgelegt.

Im November 2016 reiste der BF nach Nigeria um seine Mutter zu besuchen. In der Folge reiste er erneut im Februar 2017 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

Mit Bescheid des BFA vom 02.09.2019 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist und es wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Zuletzt ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.11.2019, Zl. 2224250-1/10E, wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung iVm dem Einreiseverbot abgewiesen.

Der BF war zuletzt in der Zeit vom 03.12.2017 bis zum 06.09.2019 in Strafhaft. In der Folge wurde der BF aus der Strafhaft entlassen.

Er geht bzw. ging keiner Beschäftigung nach.

Der BF wurde mehrfach strafgerichtlich verurteilt. Im Strafregister der Republik Österreich scheinen nachfolgende Verurteilungen auf:

01) LG XXXXvom 19.12.2014 RK 19.12.2014

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB

§§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall, 27 (2) SMG

Datum der (letzten) Tat 20.10.2014

Freiheitsstrafe 15 Monate

zu LG XXXX RK 19.12.2014

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

LG XXXXvom 21.11.2016

zu LG XXXX RK 19.12.2014

Bedingte Nachsicht wird widerrufen

LG XXXX vom 27.08.2018

02) LG XXXX vom 04.01.2016 RK 19.05.2016

§ 27 (1) Z 1 8. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat 26.09.2015

Freiheitsstrafe 8 Monate

zu LG XXXX RK 19.05.2016

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

LG XXXX vom 28.11.2016

zu LG XXXXRK 19.05.2016

Bedingte Nachsicht wird widerrufen

LG XXXX vom 27.08.2018

zu LG XXXX RK 19.05.2016

zu LG XXXX RK 19.12.2014

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 08.09.2019, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

LG XXXXvom 08.07.2019

zu LG XXXX RK 19.05.2016

zu LG XXXX RK 19.12.2014

Zuständigkeit gemäß § 179 Abs. 1 STVG übernommen

LG XXXX vom 27.09.2019

03) LG XXXX vom 27.08.2018 RK 27.08.2018

§ 27 (1) Z 1 8. Fall SMG

§ 15 StGB §§ 27 (2a) 2. Fall, 27 (3) SMG

Datum der (letzten) Tat 02.12.2017

Freiheitsstrafe 16 Monate

Vollzugsdatum 02.04.2019

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zu Zl. XXXX (gelinderes Mittel) sowie den vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2224250-1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 77 Abs 1 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei Vorliegen der in § 76 FPG genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zu Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann.

Gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG darf die Schubhaft nur angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist. Für die Anordnung der Schubhaft muss Fluchtgefahr vorliegen und die Schubhaft verhältnismäßig sein.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG (iVm § 77 Abs. 1 FPG) ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an der baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit überwiegt.

Für die Anwendung gelinderer Mittel müssen grundsätzlich die Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gem. § 76 FPG vorliegen, d.h. es muss auch hier ein Sicherungsbedarf (Fluchtgefahr) gegeben sein (VwGH 24.10.2007, 2007/21/0370). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Das gelindere Mittel dient der Sicherung der angeführten Verfahren bzw. der Sicherung der Abschiebung. Zur Prüfung der Fluchtgefahr ist auf alle Umstände des konkreten Falles Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt insbesondere auch dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311). Von einer Anordnung der Schubhaft ist Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist. So ist eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (VfGH 24.06.2006, B362/06).

Der BF reiste unter Angaben einer Aliasidentität spätestens am 04.09.2006 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Asylantrag des BF wurde am 25.05.2007, verbunden mit einer Ausweisung, rechtskräftig negativ entschieden. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb beharrlich im Bundesgebiet.

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom 23.03.2007, Zl. XXXX, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 01.04.2009, Zl. XXXX, wurde gegen den BF ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 17.10.2011, Zl. XXXX, wurde aufgrund einer Änderung des Fremdenpolizeigesetztes (FPG) das unbefristete Rückkehrverbot auf die Dauer von 10 (zehn) Jahren abgeändert.

Der BF kam nach der Abweisung seines Asylantrages seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb trotz Einreiseverbotes - mit Unterbrechungen - beharrlich im Bundesgebiet beziehungsweise reiste illegal in österreichisches Bundesgebiet ein.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Der BF wurde in Österreich mehrmals wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz rechtskräftig verurteilt. Ferner wurde er im Jahr 2012 wegen eines Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen.

Im angefochtenen Bescheid wurde die soziale Verankerung des BF in Österreich berücksichtigt. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wurde daher im konkreten Fall auf die Anordnung der Schubhaft verzichtet und das gelindere Mittel angeordnet.

Das angeordnete gelindere Mittel erweist sich überdies auf die konkrete Situation bezogen auch als effektiv und verhältnismäßig. In einer Meldeverpflichtung im Abstand von 2 Tagen kann keine nennenswerte Einschränkung der persönlichen Dispositionsfreiheit erkennt werden. Umso weniger, als der BF ohnehin keiner geregelten Beschäftigung nachgeht.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die gegenständliche Beschwerde als letztlich unbegründet und kann das gelindere Mittel somit auch weiterhin angeordnet bleiben.

Hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides ist zu konstatieren, dass die belangte Behörde den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung - gestützt auf § 13 Abs. 2 VwGVG - mit der Begründung ausgesprochen hat, dass das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides das persönlichen Interesse der BF überwiege.

Dazu ist anzuführen, dass die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung jenen des § 64 Abs. 2 AVG entsprechen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013); § 13 VwGVG, Anm. 5).

Es wird sohin ein vollstreckbarer Bescheid und - in concreto - ein überwiegendes besonderes öffentliches Interesse vorausgesetzt, aus dem wegen der "triftigen Gründe" des konkreten Falles die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides "sachlich geboten" ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 64, Rz 29; vgl. auch VfSlg 11.196/1986; 16.460/2002; 17.346/2004).

Im vorliegenden Fall blieb der BF trotz rechtskräftiger aufenthaltsbeendender Maßnahme beharrlich - mit Unterbrechung - im Bundesgebiet, entgegen einem aufrechten Einreiseverbot reiste der BF neuerlich in das Bundesgebiet ein. Ferner wurde der BF in Österreich mehrmals wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz rechtskräftig verurteilt.

Insofern war der Entscheidung der belangten Behörde die aufschiebende Wirkung auszuschließen nicht entgegenzutreten. Ferner wurde im Beschwerdeschriftsatz die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht beantragt.

Die Zusammenschau der vorangestellten Erwägungen führt sohin zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde sowohl im Hinblick auf Spruchpunkt I., als auch im Hinblick auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.

4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Den Umfang der Verhandlungspflicht aufgrund dieser Bestimmung umschrieb der Verwaltungsgerichtshof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, worin die Kriterien für die Annahme eines geklärten Sachverhaltes folgendermaßen zusammengefasst wurden (vgl. zum grundrechtlichen Gesichtspunkt auch VfGH 14.03.2012, U 466/11, U 1836/11, betreffend die inhaltsgleiche Bestimmung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005): "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."

Auch unter Berücksichtigung der vom VwGH immer wieder postulierten Wichtigkeit (jüngst wieder VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0200) der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, stellt sich der vorliegende Fall nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes als eindeutiger Fall dar, in dem bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten wäre, wenn sich das Verwaltungsgericht - im vorliegenden Fall erneut - von ihm einen persönlichen Eindruck verschaffen würde (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0068, Rn. 12).

Für das Bundesverwaltungsgericht sind im gegenständlichen Fall die diesbezüglichen Voraussetzungen gegeben und ergaben sich insbesondere aus der Beschwerde kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem BF - auch vor dem Hintergrund, dass die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt wurde - zu erörtern.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung, Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Einreiseverbot, gelinderes Mittel, illegaler Aufenthalt,
Meldepflicht, Mittellosigkeit, Rückkehrverbot, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, strafrechtliche Verurteilung, Suchtmitteldelikt,
Verhältnismäßigkeit, Vermögensdelikt, Wiederholungstaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I414.2224250.2.00

Zuletzt aktualisiert am

28.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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