TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/30 I401 2134101-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.12.2019
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Entscheidungsdatum

30.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I401 2134101-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX, StA. Marokko alias Algerien, vertreten durch den Verein Menschenrechte in 1090 Wien, Alser Straße 20, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 25.06.2018, Zl. 1050871700-180535537, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 12.07.2016 unter einem anderen Namen und Geburtsdatum einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 13.07.2016 gab der Beschwerdeführer befragt nach seinen Fluchtgründen wie folgt an:

"Ich habe mein Land verlassen, weil ich dort keine Zukunft habe. Ich war sehr arm, habe auf der Straße geschlafen und hatte nur wenig zu Essen. Und mein Vater hat mich oft geschlagen, weil er drogenabhängig ist."

Auf die Frage, was der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr zu befürchten habe, antwortete er:

"Ich habe Angst, dass der Schlepper mich umbringt, weil ich ihm immer noch 1500 € schulde".

1.3. Am 29.07.2016 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (in der Folge als Bundesamt bezeichnet), bei der er die Richtigkeit seines bisherigen Vorbringens bestätigte. Neuerlich befragt zu seinen Fluchtgründen bekräftigte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine wirtschaftlichen Fluchtmotive. So habe er seine Heimat verlassen, weil er keine Schulbildung habe und in Marokko Armut herrsche und es an Freiheit und Demokratie fehle. Aufgrund der Armut sehe er sich in seiner Heimat keine Zukunft. Weitere Gründe habe er nicht vorzubringen.

1.4. Mit Bescheid vom 10.08.2016 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko als unbegründet ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III.), gewährte ihm keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass er sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 12.07.2016 verloren habe (Spruchpunkt V.), verhängte über ihn ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von sieben Jahren (Spruchpunkt VI.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.).

1.5. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 21.10.2016, I413 2134101-1/6E, als unbegründet ab.

2.1. Am 08.06.2018 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater sehr streng gewesen sei. Da er ohne seine Erlaubnis das Haus verlassen habe, sei er von diesem durch eine heiße Gabel im Gesicht verletzt worden. Die Narben seien heute noch sichtbar. Sein Vater habe ihn und seine Geschwister oft geschlagen. Im Alter von zwölf Jahren sei er aus Angst in die Westsahara geflüchtet.

2.2. Am 19.06.2018 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen seiner Einvernahme gab er ergänzend an, dass er an Diabetes, Hepatitis und Nasenbluten leide. Er habe eine Lebenslinie in seiner Handfläche. Ein Imam, der ihn mitgenommen habe, könne einen Menschen durch das Vorlesen des Korans so manipulieren, dass dieser Mensch bewusstlos werde und man alles mit ihm machen könne.

Den zweiten Asylantrag habe er gestellt, damit sein Gesicht operiert werde.

2.3. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 25.06.2018 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück.

2.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde.

2.5. Mit Schreiben vom 12.11.2019 sandte die Justizanstalt Innsbruck dem Bundesverwaltungsgericht eine psychiatrische Stellungnahme vom 08.11.2019 zu.

2.6. Mit Schreiben vom 13.11.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer diese Stellungnahme des Psychiatrischen Dienstes der Justizanstalt Innsbruck und räumte ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme ein.

Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführer in der Folge keinen Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist volljährig, Staatsbürger von Marokko, gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zum Islam.

Er hält sich seit (zumindest) 12.07.2016 in Österreich auf, wobei sein Aufenthalt seit dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.2016 nicht mehr rechtmäßig ist. Er kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Gegen ihn besteht eine aufrechte und rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von sieben Jahren befristeten Einreiseverbot.

Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an Diabetes. Zur Behandlung von Hepatitis nimmt er keine Medikamente ein. Darüber hinaus besteht bei ihm ein polytoxikomanes Suchtverhalten. Er absolvierte ein Substitutionsprogramm, wurde jedoch aufgrund unregelmäßiger Einnahme der Substitution aus dem Substitutionsprogramm ausgeschlossen. Derzeit nimmt der Beschwerdeführer Benzodiazepine ein. Sein psychopathologisches Zustandsbild ist stabil.

Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Mit erstem Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 17.07.2015 (in Rechtskraft erwachsen am 21.07.2015) wurde er als junger Erwachsener wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit psychotropen Stoffen nach § 30 Abs. 1 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz (SMG), wegen Diebstahls nach § 127 StGB, des Vergehens des gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit zweitem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25.08.2015 (in Rechtskraft erwachsen am 26.11.2015) wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, des Vergehens des gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG sowie der Verbrechen des Suchtgifthandels in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge (großen Menge) nach §§ 28a Abs. 1 vierter Fall und Abs. 2 Z 3 SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Mit drittem (am 29.01.2019 in Rechtskraft erwachsenem) Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24.01.2019 wurde er wegen des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung und Beglaubigung nach § 228 Abs. 1 StGB sowie des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch oder mit Waffen nach § 15 StGB und §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Er verbüßt derzeit seine Haftstrafe.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stellte den ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Wesentlichen auf wirtschaftliche und familiäre Gründe stützte. Er habe sein Land verlassen, weil er dort keine Zukunft gehabt habe sowie sehr arm gewesen und von seinem Vater oft geschlagen worden sei.

Den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 08.06.2018 begründete der Beschwerdeführer erneut damit, dass sein Vater ihn geschlagen und sogar mit einer heißen Gabel im Gesicht verletzt habe. Ergänzend gab er zudem an, dass er eine bestimmte Lebenslinie in seiner Handfläche habe, auf Grund derer ein Iman einen Menschen durch Vorlesen des Korans so manipulieren könne, dass dieser Mensch bewusstlos werde und man alles mit ihm machen könne.

Das ergänzende Fluchtvorbringen weist keinen glaubhaften Kern auf.

Zwischen der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.2016 und der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vom 25.06.2018 ist eine wesentliche Änderung in der Sach- und Rechtslage nicht eingetreten.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Marokko weiterhin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Marokko ist ein sicherer Herkunftsstaat. Es ist politisch wie sicherheitspolitisch ein stabiles Land. Marokko ist fähig und willig, seine Bürger zu schützen. Justiz und Sicherheitsapparate funktionieren. Die Justiz ist gemäß der geltenden Verfassung unabhängig. Ein rechtsstaatliches, faires Verfahren mit dem Recht, Berufung einzulegen, ist gesetzlich gewährleistet. Über Beeinflussung der Gerichte durch Korruption oder durch außergerichtliche Einflussmaßnahmen wird berichtet.

Der Sicherheitsapparat besteht aus Polizei- und paramilitärischen Organisationen. Eine zivile Kontrolle über Sicherheitskräfte ist abgesehen von Einzelfällen effektiv. Folter steht unter Strafe, wobei Berichte über Folterungen und Gewaltanwendung gegenüber Gefangenen bestehen. Die in Marokko verbreitete Korruption steht unter Strafe, welche aber nicht effektiv vollzogen wird. Eine Reform der Korruptionsbekämpfungsbehörde ist geplant, aber noch nicht verwirklicht.

Marokko verfügt über einen umfassenden Grundrechtebestand, lediglich das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit fehlt. Die Grundrechte werden durch den Vorbehalt in Bezug auf die Monarchie, den islamischen Charakter von Staat und Gesellschaft und die territoriale Integrität beschränkt. Ferner fehlen zT Durchführungsgesetze. Allgemein bestehen grundrechtliche Probleme hinsichtlich der Sicherheitskräfte sowie schlechter Haftbedingungen. Staatliche Repressionen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer religiösen Überzeugung können nicht festgestellt werden. Die Haftbedingungen sind generell schlecht und entsprechen nicht internationalen Standards. Hygienische Verhältnisse und die medizinische Versorgung in Gefängnissen sind nicht gut. Gefängnisse sind in Marokko überbelegt. Es existieren Berichte über folterähnliche Praktiken in Gefängnissen. Die Todesstrafe wird weiterhin in Marokko verhängt. Seit 1993 wurden aber keine Todesstrafen mehr vollstreckt.

Eine nach Marokko zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Dem Beschwerdeführer droht im Falle seiner Rückkehr keine Gefährdung in seinem Herkunftsstaat. Ihm droht auch keine Strafe nach seiner Rückkehr nach Marokko wegen illegaler Ausreise.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Herkunft, seiner Staatsangehörigkeit und Glaubenszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstiger Bescheinigungsmittel und der Verwendung mehrerer Alias-Namen, verschiedener Geburtsdaten sowie einer anderen Staatsangehörigkeit konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Es liegt sohin eine bloße Verfahrensidentität vor.

Die Feststellungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akteninhalt und den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahmen vor der belangten Behörde sowie der erhobenen Beschwerde. Die Feststellung hinsichtlich des Suchtverhaltens des Beschwerdeführers sowie dass er aus dem Substitutionsprogramm ausgeschlossen wurde, ergibt sich aus der Stellungnahme des Psychiatrischen Dienstes der Justizanstalt Innsbruck vom 08.11.2019. Dass er an keinen Erkrankungen leidet, welche einer Rückkehr nach Marokko entgegenstehen, ergibt sich aus dem Umstand, dass eine ausreichende medizinische Versorgung des Beschwerdeführers auch in Marokko gewährleistet ist. Bei seiner Einvernahme vom 19.06.2018 gab er selbst an, nicht Insulin zu spritzen sowie keine Medikamente zur Behandlung von Hepatitis einzunehmen.

Die Feststellungen hinsichtlich der strafrechtlichen Verurteilungen ergeben sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister, wie auch die Feststellung, dass er keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, auf einem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem beruht.

2.2. Zum Antrag auf internationalen Schutz:

Die Feststellungen zu den Anträgen auf Asyl wurden den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten entnommen.

Im gegenständlichen Folgeverfahren brachte der Beschwerdeführer erneut vor, von seinem Vater geschlagen worden zu sein, sowie als "neues" Vorbringen, dass sein Vater ihn überdies mit einer heißen Gabel im Gesicht verletzt habe. Im Übrigen wiederholte er, aus wirtschaftlichen Gründen seinen Herkunftsstaat verlassen zu haben.

Hinsichtlich des ergänzend vorgebrachten "Fluchtgrundes", dass er eine Lebenslinie in seiner Handfläche habe, mit der ein Iman einen Menschen durch Vorlesen des Korans so manipulieren könne, dass dieser Mensch bewusstlos werde und man alles mit ihm machen könne, ist auszuführen, dass dieses Vorbringen schon allein aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung bzw. logischer Denkgesetze der Vernunft jedes glaubwürdigen Kerns entbehrt und daher nicht geeignet ist, eine gegen ihn gerichtete Bedrohung und Verfolgung aufzeigen. Im Übrigen musste dieses "Fluchtvorbringen" dem Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt seiner ersten Antragstellung bekannt sein.

Eine wesentliche Verschlechterung der Sicherheitslage in Marokko, welche den Beschwerdeführer individuell und konkret betreffen könnte, konnte nicht festgestellt werden. Gegenteiliges wurde von ihm auch nicht substantiiert behauptet.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Marokko ist nach § 1 Z 9 Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV) ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Marokko samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen.

Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Er trat den Quellen und deren Kernaussagen zur Situation in seinem Herkunftsland in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sind auch keine diesbezüglichen Änderungen bekannt geworden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache (zu Spruchpunkt I.):

Da das Bundesamt mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21.03.1985, 83/06/0023, u.a.). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 08.09.1977, 2609/76).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913).

Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VwGH 24.08.2004; 2003/01/0431; VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391).

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30.05.1995, 93/08/0207).

3.1.2. Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines der "Berufung" nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides, dh eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus.

Diese Voraussetzung ist hier gegeben, weil das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.10.2016 zum vorangegangenen Asylverfahren in (formelle) Rechtskraft erwachsen ist.

Das Bundesamt hat - wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung näher ausgeführt - völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung des Bundesamtes an, dass die Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren nicht dazu geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken. Ein neuer die rechtskräftige Entscheidung ändernder entscheidungswesentlicher Sachverhalt konnte nicht festgestellt werden. Dies insbesondere aufgrund des Umstandes, dass es sich beim gegenständlichen Fluchtvorbringen lediglich um ein (teilweise gesteigertes) Vorbringen handelt, wobei die vorgebrachten Gründe dem Beschwerdeführer bereits während des ersten Asylverfahrens bekannt waren, von ihm aber nicht vorgebracht wurden. Das von ihm ergänzend geltend gemachte Fluchtvorbringen, er habe eine ihn kennzeichnende Lebenslinie in seiner Handfläche und deshalb könne ein Iman einen Menschen durch Vorlesen des Korans so manipulieren, dass dieser Mensch bewusstlos werde und man alles mit ihm machen könne, verstößt gegen die logischen Denkgesetze der Vernunft und entbehrt somit eines ernst zu nehmenden Kerns. Das "neue" Fluchtvorbringen ist daher nicht geeignet, eine wesentliche Änderung des Sachverhalts aufzuzeigen. Von einer Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf den Asylstatus kann daher nicht ausgegangen werden.

Da insgesamt weder in der maßgeblichen Sachlage und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch zu entscheiden ist.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache betreffend den Status des Asylberechtigten war daher rechtmäßig, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen war.

3.2. Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache (zu Spruchpunkt II.):

3.2.1. Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041).

Auch im Hinblick auf Art. 2 und 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Marokko zu einem unzulässigen Eingriff führen und er bei einer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Auch hier ergaben sich im Vergleich zum ersten Asylverfahren keine relevanten Sachverhaltsänderungen.

Bereits der rechtskräftigen abweisenden Entscheidung im Erstverfahren wurden umfassende Feststellungen zur allgemeinen Lage in Marokko zugrunde gelegt, welche nunmehr vom Bundesamt aktualisiert wurden. Es sind darüber hinaus auch keine wesentlichen, in der Person des Beschwerdeführers liegenden, neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden (wie beispielsweise eine lebensbedrohliche Krankheit), die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Es liegen daher nach wie vor keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend vor, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, bei einer Rückkehr in eine existenzielle Notlage zu geraten.

Der Beschwerdeführer leidet nicht an einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, welche ein Abschiebehindernis im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen würde. Es reicht hin, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung verfügbar sind, was in Marokko jedenfalls der Fall ist. Dass die Behandlung in Marokko nicht den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder unter Umständen auch kostenintensiver ist, ist nicht relevant. Hinsichtlich der Suchterkrankung des Beschwerdeführers ist darauf hinzuweisen, dass dieser aus dem ihm in Österreich zur Verfügung gestellten Substitutionsprogramm ausgeschlossen wurde, da er die Substitution nur unregelmäßig einnahm. Im Übrigen stellt sich das psychopathologische Zustandsbild des Beschwerdeführers derzeit als stabil dar. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig. Darüber hinaus verfügt er in seinem Herkunftsstaat über familiäre Kontakte.

Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen zu Marokko auch keine Gründe, um davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Ein Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK ist nicht feststellbar. Aufgrund der Länderberichte ergibt sich, dass sich die Sicherheitslage im Herkunftsstaat, welche den Beschwerdeführer individuell und konkret betreffen würde, seit der Entscheidung im vorangegangenen Asylverfahren nicht wesentlich geändert hat.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten war daher rechtmäßig, weshalb die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen war.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem Verwaltungsgericht durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch das Bundesamt vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch das Bundesamt hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Aus dem vage gehaltenen Beschwerdevorbringen ergeben sich keine maßgeblichen neuen Sachverhaltselemente. Es ist somit unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck von dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für den Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422). Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren, Bindungswirkung, entschiedene Sache, Folgeantrag,
Identität der Sache, Rechtskraftwirkung, res iudicata, subsidiärer
Schutz, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I401.2134101.2.00

Zuletzt aktualisiert am

28.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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