TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/9 I403 2227204-1

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Veröffentlicht am 09.01.2020
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Entscheidungsdatum

09.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §53
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2227204-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2019, Zl. 1254932700/191260945 zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX2019 geboren. Der Antrag ihrer Mutter auf internationalen Schutz wurde - ebenso wie der Antrag ihrer minderjährigen Schwester - mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen; zugleich wurden eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen und die Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2019, zugestellt am 21.08.2019, abgewiesen. Dagegen wurde am 27.11.2019 eine außerordentliche Revision eingebracht, über die bislang noch nicht entschieden wurde.

Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde am 10.12.2019 die Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin vorgelegt. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.12.2019, zugestellt am 20.12.2019, wurde der "Antrag auf internationalen Schutz vom 10.12.2019" sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wie auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zugleich wurden eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und wurde die Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt.

Dagegen wurde am 02.01.2020 Beschwerde erhoben und erklärt, dass der Inhalt des Verfahrens der Mutter der Beschwerdeführerin zum "integralen Bestandteil der gegenständlichen Beschwerde" erhoben werde. Beantragt wurden unter anderem eine inhaltliche Behandlung des Asylantrages, die Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz, die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, die Zuziehung eines länderkundigen Sachverständigen, die Aussetzung des Verfahrens, die Behebung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes bzw. dessen Verkürzung.

Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 07.01.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen

Bescheid:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Nigerias; ihre Identität steht fest. Sie ist das Kind einer nigerianischen Staatsbürgerin, deren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache rechtskräftig zurückgewiesen wurde; die entsprechende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist am 21.08.2019 in Rechtskraft erwachsen; allerdings ist eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

Gegenständlich wird der erste Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin behandelt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes bzw. des Gerichtsaktes zum Verfahren der Mutter der Beschwerdeführerin zur Zahl I413 2162112-3.

Die Identität der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der laut Eingangsstempel am 10.12.2019 vorgelegten und im Akt befindlichen Geburtsurkunde.

Dass es sich gegenständlich um den ersten Antrag auf internationalen Schutz bzw. das erste diesbezügliche Verfahren der Beschwerdeführerin handelt, ergibt sich schlichtweg aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin erst acht Tage vor Vorlage der Geburtsurkunde (und somit Einbringung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz) geboren wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zur Behebung des angefochtenen Bescheides

3.1. Zur Einbringung des Antrages auf internationalen Schutz

§ 17a Asylgesetz 2005 lautet auszugsweise:

"(1)...

(2) Wird ein drittstaatszugehöriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden, der sich nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet ist (§ 46a FPG), in Österreich nachgeboren und ist der Asylwerber oder Fremde zu dessen Vertretung befugt, hat er dem Bundesamt die Geburt des Kindes binnen zwei Wochen anzuzeigen.

(3) Mit Einlangen der Anzeige über die Geburt beim Bundesamt oder sobald das Bundesamt auf sonstige Weise Kenntnis von der Geburt erlangt, gilt der Antrag auf internationalen Schutz für das Kind als gestellt und eingebracht, es sei denn, dem Kind kommt bereits ein Aufenthaltsrecht für mehr als 90 Tage nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz zu.

(4)..."

Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde am 10.12.2019 die Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin übermittelt. Ihre Mutter und gesetzliche Vertreterin ist eine Fremde, die sich "nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und deren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet ist". Nachdem es keinen Hinweis darauf gibt, dass der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukommt, ging die belangte Behörde daher zu Recht davon aus, dass laut § 17a Abs. 3 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz für die Beschwerdeführerin am 10.12.2019 gestellt und eingebracht wurde.

3.2. Zur Frage der entschiedenen Sache

Die belangte Behörde ließ das Verfahren in weiterer Folge nicht zu einer inhaltlichen Prüfung zu, sondern wies den Antrag wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurück.

§ 68 Abs. 1 AVG lautet:

"Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen."

Mit dem gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz wurde aber nicht die Abänderung eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides begehrt. Hinsichtlich der Beschwerdeführerin existiert kein "Vorbescheid". Es kann sich keinesfalls um die gleiche "Sache" handeln, wenn der Bescheidadressat ein anderer ist, daher kann der inhaltlichen Behandlung des gegenständlichen Antrages nicht die Rechtskraft der Entscheidungen in Bezug auf die Mutter der Beschwerdeführerin entgegengehalten werden. Bei unterschiedlichen Parteien kann jedenfalls nicht von einer Identität der Sache ausgegangen werden.

Die belangte Behörde wies den Antrag daher zu Unrecht zurück; sie hat ihn vielmehr einer inhaltlichen Behandlung zuzuführen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

In der Beschwerde wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2). Da der Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren, Behebung der Entscheidung, Beschwerdeführer,
Einreiseverbot, entschiedene Sache, Familienverfahren, Identität der
Sache, Kassation, Kind, Rechtskraft, res iudicata,
Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2227204.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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