TE OGH 2020/4/14 8Ob6/20w

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Veröffentlicht am 14.04.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D*****, 2. S*****, beide vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 5.464,10 EUR sA, über die Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 9. Oktober 2019, GZ 21 R 160/19s-24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 14. Mai 2019, GZ 4 C 909/18y-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin betreibt eine Maturaschule. Die damals 20-jährige einkommenslose Erstbeklagte schloss mit der Klägerin am 3. 3. 2017 einen Schulvertrag zur Vorbereitung auf die AHS-Matura gegen Bezahlung eines Jahresschulgeldes von 3.960 EUR, zahlbar in Raten, zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr. Die Zweitbeklagte, die Mutter der Erstbeklagten, unterfertigte den Schulvertrag auf der zweiten Seite, wo unter der fettgedruckten Überschrift „Gesetzlicher Vertreter – Zahlungsverpflichteter – Bürge“ Angaben zu Namen, Geburtsdatum und -ort, Kontaktdaten und Adresse auszufüllen waren und direkt oberhalb des Unterschriftsfeldes folgender Passus vorgedruckt war:

„Ich verpflichte mich, für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung aufzukommen. Mit meiner Unterschrift bestätige ich, dass ich die umseitigen Geschäftsbedingungen gelesen und verstanden habe, sowie die Richtigkeit der von mir angegebenen Daten.

Die Klägerin begehrte (auch) von der Zweitbeklagten die Zahlung eines aus dem Schulvertrag zuletzt aushaftenden Betrags von 5.464,10 EUR sA.

Die Zweitbeklagte wandte – soweit für das Revisionsverfahren wesentlich – ein, mangels ausreichender Aufklärung über die wirtschaftliche Lage der Erstbeklagten gemäß § 25c KSchG nicht zur Haftung herangezogen werden zu können.

Das Berufungsgericht gab (anders als das Erstgericht) dem Klagebegehren gegenüber der Zweitbeklagten statt und sprach deren Solidarhaftung mit der aufgrund eines rechtskräftigen Zahlungsbefehls bereits zahlungspflichtigen Erstbeklagten aus. Es sei von einer materiell eigenen Schuld der Zweitbeklagten auszugehen, weil für alle Beteiligten von vornherein offensichtlich gewesen sei, dass die Zweitbeklagte mangels Selbsterhaltungsfähigkeit der Erstbeklagten einen Regressanspruch nicht werde durchsetzen können.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil in der höchstgerichtlichen Judikatur – soweit überblickbar – noch nicht dazu Stellung genommen worden sei, ob und inwieweit die vom Berufungsgericht herangezogene Judikatur zu § 25c KSchG auch auf Interzessionen von (unterhaltspflichtigen) Elternteilen zwecks Finanzierung einer Schulausbildung ihrer (nicht selbsterhaltungsfähigen) volljährigen Kinder Anwendung finde.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin beantwortete Revision der Zweitbeklagten ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Allein der Umstand, dass zu einer bestimmten Fallgestaltung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, begründet noch keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0102181). Lässt sich – wie im vorliegenden Fall – die für erheblich erachtete Rechtsfrage durch Anwendung der bestehenden Rechtsprechung klären, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen (vgl RS0118640). Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Ob eine Interzession im Sinn des § 25c KSchG (Beitritt als Mitschuldner zu einer materiell fremden Verbindlichkeit durch Übernahme einer Haftung für Rechnung eines anderen und im fremden Interesse) oder eine diese ausschließende echte Mitschuld vorliegt, hängt von der Auslegung des zwischen dem Gläubiger und dem Haftungsübernehmer geschlossenen Vertrags ab. Maßgeblich ist das dem Gläubiger bekannte oder von ihm leicht erforschbare Innenverhältnis der beiden Schuldner (3 Ob 1/09g; vgl RS0124822). Eine materiell fremde Schuld liegt vor, wenn dem zahlenden Interzedenten ein Regressanspruch gegenüber dem (ursprünglichen) Schuldner zusteht. Entscheidend ist nicht das Eigeninteresse des Interzedenten, sondern allein, dass er typischerweise damit rechnen kann, die Schuld zumindest wegen seines Regressanspruchs letztlich materiell nicht tragen zu müssen (RS0119014 [T14, T15]). Ist offenkundig, dass ein Regressanspruch wegen Vermögenslosigkeit des Hauptschuldners nicht durchsetzbar sein wird, so ist für den Interzedenten offenkundig, dass er die Schuld auch materiell selbst tragen muss (RS0119014 [T19]). In einem solchen Fall finden die auf ein Einstehen für fremde Schulden zugeschnittenen Schutzvorschriften der §§ 25c und 25d KSchG keine Anwendung (zuletzt etwa 8 Ob 126/17p).

2. Da hier nach den Feststellungen allen am Vertragsabschluss Beteiligten (nämlich der Klägerin und beiden Beklagten) zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses klar war, dass die (noch bei ihrer Mutter wohnende) Erstbeklagte nicht selbsterhaltungsfähig ist und nicht einmal für ihren Lebensbedarf selbst aufkommen kann, gelangte das Berufungsgericht zur Auffassung, es sei für alle Beteiligten von vornherein offensichtlich gewesen, dass die Zweitbeklagte in Wahrheit einen Regressanspruch gar nicht durchsetzen kann und demnach die Schuld im Endeffekt materiell selbst tragen muss.

Diese – auf den Einzelfall bezogene – Schlussfolgerung hält sich im Rahmen der zitierten Rechtsprechung. Sie steht auch, wie das Berufungsgericht bemerkt hat, mit den sozialtypischen Gegebenheiten im Einklang, wie sie zwischen schulbesuchenden, nicht selbsterhaltungsfähigen jungen Erwachsenen und (noch) unterhaltspflichtigen Elternteilen in Bezug auf die Ausbildungsfinanzierung üblicherweise anzunehmen sind und von denen daher auch die Klägerin ausgehen durfte: Der unterhaltspflichtige Elternteil rechnet typischerweise nicht damit, die für sein einkommensloses, noch bei ihm wohnendes 20-jähriges Kind im Zusammenhang mit der AHS-Matura aufgewendeten Ausbildungskosten – zumindest wegen eines Regressanspruchs gegen das Kind – letztlich materiell nicht tragen zu müssen. Das bedeutet entgegen der Meinung der Zweitbeklagten keine generelle Aushöhlung des Verbraucherschutzes „für Eltern im Zusammenhang mit Rechtsgeschäften ihrer Kinder in Verbindung mit § 25c KSchG“, weil Eltern bei der Übernahme von Bürgschaften und Haftungen für Verbindlichkeiten ihrer volljährigen Kinder in anders gelagerten Konstellationen sehr wohl (dem Gläubiger auch erkennbare und damit dessen Warnpflichten auslösende) Regressansprüche zustehen können, deren mangelnde Durchsetzbarkeit nicht – wie hier – von vornherein offenkundig ist.

3. Insgesamt gelingt es der Zweitbeklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, die die Revision zulässig machen würde, aufzuzeigen. Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Zweitbeklagten in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Textnummer

E128225

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00006.20W.0414.000

Im RIS seit

28.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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