TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/26 96/11/0116

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Veröffentlicht am 26.03.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §36 Abs7;
VwGG §48 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Dr. Helmut A. Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Museumstraße 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 5. Februar 1996, Zl. IIb2-K-3272/2-1996, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B wegen Verkehrsunzuverlässigkeit gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 2 KFG 1967 für acht Monate, gerechnet ab 21. August 1995, dem Tag der Zustellung des Mandatsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 8. August 1995, vorübergehend entzogen.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt. Der Beschwerdeführer hat darauf mit einem Schriftsatz repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die bekämpfte Entscheidung beruht auf der (mangels rechtskräftiger Bestrafung des Beschwerdeführers in selbständiger Vorfragenbeurteilung getroffenen) Annahme, der Beschwerdeführer habe am 11. März 1995 durch Lenken eines näher bezeichneten Pkw"s in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemluftalkoholgehalt rund 4 1/2 Stunden später 0,78 mg/l) eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 gesetzt und hiebei einen Verkehrsunfall verschuldet, bei dem eine Person verletzt worden sei. Im Gegensatz zur Erstbehörde verneinte die belangte Behörde das Vorliegen auch einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. g KFG 1967, weil der Unfall keine schwere Körperverletzung zur Folge gehabt habe. Die belangte Behörde nahm weiters an, daß der Beschwerdeführer beim Vorfall vom 11. März 1995 gegen § 4 StVO 1960 verstoßen habe, weil er der Hilfeleistungspflicht, der Verständigungspflicht und der Mitwirkungspflicht (wegen des Konsums von Alkohol nach dem Unfall) nicht nachgekommen sei. Im Rahmen der Wertung der Tat gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 berücksichtigte sie schließlich "zahlreiche Vorstrafen", darunter insbesondere Übertretungen nach § 103 Abs. 2 KFG 1967.

Die Annahme, der Beschwerdeführer habe zur Tatzeit das Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, begründete die belangte Behörde (in Erwiderung auf das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend ausgiebigen Alkoholkonsum in der Zeit zwischen dem Verkehrsunfall und der Blutabnahme und die auf ein gerichtsmedizinisches Gutachten gestützten Ausführungen im Strafurteil des Bezirksgerichtes Landeck vom 15. November 1995, es sei nicht erwiesen, daß der Beschwerdeführer vor Antritt der Fahrt mehr als ein kleines Bier getrunken habe, und demnach nicht feststellbar, ob er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe) wie folgt: Es lägen nunmehr drei medizinische Gutachten betreffend die Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers zur Unfallszeit bzw. die Nachvollziehbarkeit der von ihm angegebenen Nachtrunkmenge vor. Aus dem (von der belangten Behörde eingeholten) Gutachten des Sachverständigen Dr. U vom 21. November 1995 ergebe sich einwandfrei, daß die Nachtrunkbehauptung des Beschwerdeführers nicht stimmen könne, weil bei der behaupteten Nachtrunkmenge zum Zeitpunkt der Alkomatmessung ein wesentlich höherer Alkoholgehalt hätte vorliegen müssen. Weiters würden schlüssig und nachvollziehbar die Gründe ausgeführt, weswegen die beiden anderen Gutachten mit einem Fehler behaftet seien. Zudem fordere die gängige Rechtsprechung, daß, wer sich auf einen "Nachtrunk" berufe, die Menge des solcherart konsumierten Alkohols dezidiert zu behaupten und zu beweisen habe. Dies sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen bzw. habe er falsche Angaben über Art und Menge des Nachtrunkes gemacht. Da die Behörden nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes frei und unabhängig von den Gerichten zu beurteilen hätten, ob eine Alkoholbeeinträchtigung vorliege, sei für die belangte Behörde zweifelsohne die Annahme gerechtfertigt, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Diese Ausführungen stellen keine taugliche Begründung für die Annahme dar, der Beschwerdeführer habe am 11. März 1995 sein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Aus der Befugnis der Verwaltungsbehörde, die Frage einer allfälligen Alkoholbeeinträchtigung unabhängig von der Beurteilung durch das Strafgericht (wonach eine Alkoholisierung nicht beweisbar sei) zu beantworten, folgt entgegen der Ansicht der belangten Behörde überhaupt nichts für die Richtigkeit der gegenständlichen Annahme. Die Behauptung, es seien in dem von der belangten Behörde eingeholten (dritten) Gutachten schlüssig und nachvollziehbar die Gründe für die Fehlerhaftigkeit der beiden anderen Gutachten dargelegt, ist unzutreffend. Im letzten Absatz dieses Gutachtens vom 21. November 1995 heißt es, der zusammenfassenden Ausführung im Gutachten des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck vom 14. Juli 1995 liege eine Fehleinschätzung zugrunde, die sich aus einem (nicht näher umschriebenen) Rechenfehler auf Seite 4 letzter Absatz ergebe, und im Gutachten des Amtsarztes (der Erstbehörde) vom 2. August 1995 sei zwar die gutachterliche Schlußaussage richtig, die Rückrechnung des Blutalkoholgehaltes auf den Unfallszeitpunkt aber mit einem Denkfehler behaftet. Eine nähere Begründung für diese beiden Behauptungen fehlt. Von einer "schlüssigen und nachvollziehbaren" Ausführung der Gründe für die Fehlerhaftigkeit der beiden anderen Gutachten kann daher keine Rede sein. Hinsichtlich der Annahme einer relevanten Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers zur Tatzeit hätte es jedenfalls einer näheren Begründung dafür bedurft, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zu dieser von der Auffassung des Strafgerichtes abweichenden Ansicht gelangte. Dazu wären die Gründe darzulegen gewesen, die die belangte Behörde bewogen haben, dem zuletzt erstatteten und nicht dem der Entscheidung des Strafgerichtes zugrundeliegenden gerichtsmedizinischen Gutachten zu folgen. Die pauschale Berufung allein auf das zuletzt eingeholte Gutachten genügt im gegebenen Zusammenhang nicht. Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, anstelle der belangten Behörde eine vergleichende Wertung der drei Gutachten (mit teilweise unterschiedlichen Prämissen und Wertangaben) vorzunehmen und sodann daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.

Was im übrigen die bei der Wertung der Tat berücksichtigten "zahlreichen Vorstrafen" anlangt, ist nicht ersichtlich, um wieviele und um welche Delikte es sich konkret handelt. Ein Auszug aus der Verwaltungsstrafevidenz findet sich in den Verwaltungsakten nicht.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft einerseits den geltend gemachten Schriftsatzaufwand für die Replik des Beschwerdeführers (Schriftsatzaufwand gebührt nur für den Beschwerdeschriftsatz - siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 686 angeführte Rechtsprechung) und andererseits den Aufwand für Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen (zweite und dritte Kopie des angefochtenen Bescheides, Kopie der Berufung im Strafverfahren).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996110116.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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