Entscheidungsdatum
18.05.2020Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §360 Abs4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde des AA, vertreten durch RA BB, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.03.2020, Zl ***, betreffend die Verfügung einer Betriebsschließung nach der GewO 1994
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.03.2020, Zl ***, wurde die Betriebsschließung der Landmaschinenreparaturwerkstätte des Beschwerdeführers (ausgenommen des Bürobereichs) am Standort X GSt.Nr. **1 KG X gemäß § 360 Abs 4 GewO 1994 verfügt, um eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen abzuwehren.
Begründend wurde auf die festgestellten Erhebungen im Zuge des Lokalaugenscheines vom 10.03.2020 und auf die Stellungnahmen des Arbeitsinspektorates sowie des brandschutztechnischen und gewerbetechnischen Amtssachverständigen verwiesen.
In der rechtzeitig dagegen erhobenen Beschwerde brachte der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vor, die belangte Behörde habe keine Feststellungen betreffend das Tatbild des § 360 Abs 4 GewO 1994 hinsichtlich des Vorliegens einer konkreten Gefahr für das Leben oder die Gesundheit getroffen, sondern lediglich abstrakte Gefahren angeführt. Aus den Stellungnahmen der Sachverständigen ergebe sich ebenfalls keine konkrete Gefahr. Betreffend die im Bescheid aufgelisteten abstrakten Gefahren nahm der Beschwerdeführer jeweils Stellung und verwies darauf, dass die belangte Behörde keine gelinderen Mittel geprüft habe.
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol.
II. Sachverhalt:
Die Betriebsschließung der Landmaschinenreparaturwerkstätte des Beschwerdeführers (ausgenommen des Bürobereichs) wurde mit den Stellungnahmen des Vertreters des Arbeitsinspektorates sowie der Amtssachverständigen für Brandschutz und Gewerbetechnik sowie den damit einhergegangenen „festgestellten Erhebungen“ beim Lokalaugenschein vom 10.03.2020 begründet.
Im Spruch des Bescheides sind dabei folgende festgestellte Erhebungen aufgelistet:
? Fehlende wärmetechnische Isolierung der Arbeitsbereiche
? Zersprungene Fenster bzw Verglasungen
? Extrem verschmutzter und beschädigter Boden (Stolpergefahr)
? Fehlender Nachweis über die Einhaltung der MAK-Werte bei der Spritzlackierungsanlage/Abluftanlage
? Nicht vorhanden sein eines Explosionsschutzdokuments (VEXAT) bzw einer Gefahrenanalyse für den Bereich Spritzkabine sowie Lacklagerraum
? Fehlendes Protokoll eines Fachkundigen über eine durchgeführte Prüfung und Instandsetzung der vorhandenen Arbeitsmaschinen im Sinne der Arbeitsmittelverordnung (augenscheinlich waren die meisten Maschinen bereits älteren Baujahres und nicht funktionsfähig bzw ordnungsgemäß instandgesetzt)
? Fehlender Nachweis bzw Bestätigung dafür, dass nicht verwendete und ungeprüfte Maschinen so abgeschlossen sind, dass sie auch nicht mehr in Betrieb genommen werden können (Kappen der Elektroversorgung)
? Mangelende Reinigung und Instandsetzung der elektrischen Anlagen
? Fehlende Brandabschnittsbildung
? Fehlende Durchführung einer sicherheitstechnischen Überprüfung der Abgasführung des Hochdruckreinigers.
III. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen gründen in unzweifelhafter Weise auf den dem Landesverwaltungsgericht vorliegenden angefochtenen Bescheid vom 20.03.2020, Zl ***, und konnten der gegenständlichen Entscheidung somit bedenkenlos zugrunde gelegt werden.
IV. Rechtslage:
j) Einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen
§ 360.
[…]
(4) Um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit oder durch Nichtbeachtung von Anforderungen an Maschinen, Geräte und Ausrüstungen (§ 71) verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, hat die Behörde, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung, mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stillegung von Maschinen, Geräten oder Ausrüstungen oder deren Nichtverwendung oder sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen. Hat die Behörde Grund zur Annahme, daß zur Gefahrenabwehr Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich sind, so darf sie nach Verständigung des Betriebsinhabers, seines Stellvertreters oder des Eigentümers der Anlage oder, wenn eine Verständigung dieser Person nicht möglich ist, einer Person, die tatsächlich die Betriebsführung wahrnimmt, solche Maßnahmen auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides an Ort und Stelle treffen; hierüber ist jedoch binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Maßnahme als aufgehoben gilt. Der Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn er gemäß § 19 des Zustellgesetzes wegen Unzustellbarkeit an die Behörde zurückgestellt worden ist.
V. Erwägungen:
Gemäß § 360 Abs 4 GewO 1994 hat die Behörde, um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit oder durch Nichtbeachtung von Anforderungen an Maschinen, Geräte und Ausrüstungen (§ 71) verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung, mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes zu verfügen.
Von einem das Leben und die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missstand, der die Anwendung des § 68 Abs 3 AVG 1950 rechtfertigen würde, kann dann noch nicht gesprochen werden, wenn eine solche Gefährdung nur nach den allgemeinen Erfahrungen nicht ausgeschlossen werden kann. Es muss vielmehr eine konkrete Gefährdung nachgewiesen werden (vgl dazu VwGH Slg 7499 A 1969).
Nach dem Wortlaut wird somit das Vorliegen einer Gefährdung oder Belästigung in einem bestimmten Einzelfall gefordert (vgl dazu Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 360 Rz 23, Stand 1.3.2015, rdb.at).
Im gegenständlichen Fall wurde die Betriebsschließung aufgrund der bei dem Lokalaugenschein vom 10.03.2020 getätigten Erhebungen, welche sich aus den Stellungnahmen des Vertreters des Arbeitsinspektorates sowie der beigezogenen Amtssachverständigen ergeben hatten, verfügt. Bei diesen Erhebungen handelt es sich jedoch ausschließlich um eine Auflistung von (zweifellos zahlreichen und gravierenden!) Mängeln, ohne dass eine sich daraus ergebende konkrete Gefahrenquelle benannt wurde und somit keine Gefahr für das Leben und die Gesundheit im konkreten Einzelfall aufgezeigt. Aus dieser Auflistung lassen sich allenfalls abstrakte Gefährdungen (wie z.B. die Stolpergefahr) ableiten, welche nach allgemeinen Erfahrungen nicht ausgeschlossen werden können.
Weder aus den Stellungnahmen der beigezogenen Sachverständigen noch aus der rudimentären Begründung des angefochtenen Bescheides lässt sich eine konkrete Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen, seien es Arbeitnehmer oder Kunden, im Einzelfall ableiten. Da somit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verfügung einer Betriebsschließung nach § 360 Abs 4 GewO 1994 nicht vorliegen, war der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Gemäß § 24 Abs Z 1 zweiter Fall VwGVG konnte gegenständlich die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen, weil bereits auf Grund der Aktenlage festgestanden ist, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Piccolroaz
(Richter)
Schlagworte
Betriebsschließung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.40.0793.1Zuletzt aktualisiert am
27.05.2020