Index
L94409 Krankenanstalt Spital Wien;Norm
B-VG Art131 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der Ärztekammer für Wien, vertreten durch Dr. Armenak Utudjian, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Jänner 1996, Zl. MA 15-II-H/19/574/94, betreffend krankenanstaltenrechtliche Bewilligung, (mitbeteiligte Partei: F-Gesellschaft m.b.H, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfang Vanis, Rechtsanwälte in Wien I, Elisabethstraße 22) zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat der Ärztekammer für Wien Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 7 Abs. 2 des Wiener Krankenanstaltengesetzes 1987 - Wr. KAG die Bewilligung zur Änderung des selbständigen Ambulatoriums "F" durch Erweiterung des Anstaltszweckes um das Fach "Chirurgie" zur Vorname tageschirurgischer Eingriffe erteilt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht und seine kostenpflichtige Aufhebung beantragt wird. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist zum Einwand der mitbeteiligten Partei betreffend das Fehlen der Bezeichnung des verletzten Rechtes (Beschwerdepunkt iSd § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) festzuhalten, daß es dieser Angabe bei der vorliegenden Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG nicht bedarf und daß der Anfechtungsumfang gesetzlich auf die Bedarfsfrage beschränkt ist (§ 28 Abs. 2 VwGG, § 4 Abs. 6 Wr. KAG). Was den Hinweis der mitbeteiligten Partei auf die bisherige tatsächliche Inanspruchnahme der gegenständlichen Einrichtung anlangt, so hat dieser Umstand hier außer Betracht zu bleiben, weil der angefochtene Bescheid nach der Sachlage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu prüfen ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 559 Abs. 4, angeführte Rechtsprechung).
Gemäß § 7 Abs. 2 Wr. KAG bedürfen u.a. wesentliche Veränderungen des Leistungsangebotes einer Krankenanstalt der Bewilligung der Landesregierung. Im Verfahren darüber ist der § 4 sinngemäß anzuwenden. Eine Bewilligung setzt danach unter anderem voraus, daß ein Bedarf im Sinne des § 4 Abs. 2 lit. a Wr. KAG (idF der Novelle LGBl. Nr. 9/1995) gegeben ist. Nach dieser Bestimmung hat die Bedarfsprüfung nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem vorgesehenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Amulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, zu erfolgen.
Ein Bedarf ist dann gegeben, wenn durch die Errichtung des Ambulatoriums die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1998, Zl. 96/11/0155, mwN). Bei der Prüfung daraufhin sind nach der durch die Novelle LGBl. Nr. 9/1995 geschaffenen Rechtslage andere als die in § 4 Abs. 2 lit. a genannten Ärzte (Dentisten) und Einrichtungen nicht zu berücksichtigen. Ebenso unberücksichtigt zu bleiben haben hiebei grundsätzlich Anstaltsambulatorien öffentlicher Krankenanstalten. Das ergibt sich aus dem der Textierung des § 42 Abs. 1 lit. c Wr. KAG zu entnehmenden "grundsätzlich subsidiären Charakter der medizinischen Betreuung in Anstaltsambulatorien gegenüber der sogenannten extramuralen medizinischen Versorgung der Bevölkerung" (vgl. die zu den im wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes und des Vorarlberger Spitalgesetzes ergangenen hg. Erkenntnisse vom 27. April 1993, Zl. 92/11/0176, und vom 20. Jänner 1998, Zl. 96/11/0103).
Nach den ihren Antrag näher präzisierenden Eingaben der mitbeteiligten Partei vom 8. Februar und vom 10. Juli 1995 bedeutet die Erweiterung des Anstaltszweckes um das Fachgebiet "Chirurgie" die Ausweitung des Leistungsangebotes auf die Durchführung tageschirurgischer Operationen der Gruppen II bis V nach dem Operationsgruppenschema der Fachgruppe "Allgemeine- und Gefäßchirurgie". Die mitbeteiligte Partei betonte, daß nach ihrer Meinung Voraussetzung für die Vornahme derartiger Operationen eine entsprechende Ausstattung, wie z.B. ein Operationsraum mit gefilterter, entsprechend konditionierter Luftumwälzung und eine Narkose- und Beatmungseinrichtung zur Durchführung von Intubationsnarkosen, sowie die rasche Verfügbarkeit verschiedener Fachärzte, insbesondere eines Anästhesisten, sei.
Die belangte Behörde bejahte den Bedarf nach der geplanten Erweiterung des Anstaltszweckes, weil dadurch die ärztliche Versorgung der Bevölkerung im Umkreis dieser Anstalt wesentlich verbessert und intensiviert werde. Darin könnten insbesondere Patienten mit bedenklichem Allgemeinzustand und schwer krankhaften Nebenbefunden operiert werden, was in Ordinationen niedergelassener Fachärzte ohne unverantwortbares Risiko nicht möglich sei. Die belangte Behörde stützte sich dabei auf die von ihr als schlüssig und nachvollziehbar bezeichneten Äußerungen eines medizinischen Amtssachverständigen vom 23. Februar 1995 und vom 13. Oktober 1995. Danach könnten wegen der im F vorhandenen medizinischen Einrichtungen (Narkoseeinrichtung, postoperative Überwachung und Kurzzeitpflege) auch größere, gerade noch ambulant durchführbare chirurgische Eingriffe, die in durchschnittlichen chirurgischen Facharztordinationen nicht mehr vorgenommen werden können, durchgeführt werden. In diesen könnten insbesondere ausgedehntere chirurgische Interventionen an Patienten mit bedenklichem Allgemeinzustand und schwer krankhaften Nebenbefunden nur mit einem unvertretbaren Risiko vorgenommen werden. Chirurgische Krankenhausambulanzen seien in der näheren Umgebung nicht vorhanden, sodaß mit Ausnahme des Ambulatoriums D, welches sich faktisch am gleichen Standort wie das F befinde, keine gleichartigen Einrichtungen in der Nähe vorhanden seien. Das Einzugsgebiet des F als eines Privatambulatoriums für Personen mit dem Anspruch auf besondere medizinische und pflegerische Leistungen sei nicht auf dessen nähere Umgebung beschränkt. Es sei vielmehr zu erwarten, daß es von Patienten aus ganz Wien und möglicherweise auch darüber hinaus in Anspruch genommen wird.
Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde im grundsätzlichen nicht entgegentreten, wenn sie der Ansicht des beigezogenen Amtssachverständigen gefolgt ist, daß in diesem Ambulatorium wegen der vorhandenen apparativen und personellen Ausstattung auch tageschirurgische Eingriffe vorgenommen werden können, die in einschlägigen fachärztlichen Ordinationen mangels entsprechender Ausstattung insbesondere bei den beschriebenen "Risikopatienten" praktisch nicht in Betracht kommen. Daß die einschlägigen Facharztordinationen jeweils über eine mit jener der gegenständlichen Einrichtung vergleichbare apparative und personelle Ausstattung verfügten, behauptet die Beschwerdeführerin selbst nicht. Insofern ist die geplante Erweiterung des Anstaltszweckes des F geeignet, die - wie oben dargelegt gegenüber Anstaltsambulatorien öffentlicher Krankenanstalten vorrangige "extramurale" - ärztliche Versorgung der Bevölkerung zu erleichtern bzw. zu fördern. Ob allerdings von einer wesentlichen Erleichterung bzw. Förderung und damit von einem Bedarf iSd Gesetzes die Rede sein kann, hängt zunächst von der Anzahl der tageschirurgischen Eingriffe ab, die in einschlägigen Facharztordinationen nicht mehr mit einem vertretbaren Risiko vorgenommen werden können, bei denen es aber einer Aufnahme in (stationäre) Anstaltspflege nicht bedarf. Sollte es sich dabei um eine vernachlässigbare Größe handeln, wird ein Bedarf schon deshalb zu verneinen sein. Andernfalls kommt es darauf an, ob der Bedarf bereits durch andere im Einzugsbereich des Ambulatoriums bestehende, mit diesem vergleichbare Einrichtungen iSd § 4 Abs. 2
lit. a Wr. KAG (mit Ausnahme der Anstaltsambulatorien öffentlicher Krankenanstalten) hinreichend gedeckt ist. Dazu fehlen, wie die Beschwerde im Ergebnis zutreffend rügt, nähere Ermittlungen und darauf beruhende Feststellungen.
Die Beschwerde führt auch insoweit zum Erfolg, als sie die Bejahung des Bedarfes an der beabsichtigten Erweiterung des F im Hinblick auf das "am faktisch gleichen Standort" befindliche Ambulatorium D bezweifelt und einen Widerspruch in den Äußerungen des Amtssachverständigen darin erblickt, daß er einerseits beim Hinweis auf das Fehlen chirurgischer Krankenhausambulatorien (nur) auf die nähere Umgebung abstelle, andererseits aber einen darüber hinausgehenden Einzugsbereich des F annehme.
Das (nicht näher beschriebene) Ambulatorium D wird vom medizinischen Amtssachverständigen (und ihm folgend von der belangten Behörde) ausdrücklich als "gleichartige Einrichtung" bezeichnet. Damit erhebt sich die Frage, ob es sich beim besagten Ambulatorium um eine Vertragseinrichtung der Kassen im Sinne des § 4 Abs. 2 lit. a Wr. KAG handelt, sodaß es nach dieser Bestimmung bei der Bedarfsprüfung zu berücksichtigen wäre. Sollte dies der Fall sein und sich überdies ergeben, daß schon durch das Ambulatorium D der angenommene Bedarf gedeckt ist, bestünde kein Bedarf nach der geplanten Erweiterung des F. Dazu fehlen allerdings nähere Feststellungen und Erörterungen im angefochtenen Bescheid.
Ein weiterer Mangel des angefochtenen Bescheides liegt in dem von der Beschwerde angesprochenen Widerspruch in den Äußerungen des Amtssachverständigen begründet. Geht man nämlich von einem nicht auf die nähere Umgebung des F beschränkten Einzugsgebiet aus, so wäre der Bedarf in bezug auf das angenommene weitere Einzugsgebiet zu prüfen.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996110090.X00Im RIS seit
11.07.2001