Entscheidungsdatum
23.04.2020Norm
AWG 2002 §2 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 10. Dezember 2019, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.
2. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG werden dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht auferlegt.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 10. Dezember 2019, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig befunden:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit:
09.09.2019,13:00 Uhr
Ort:
Gemeindegebiet ***, Sondenplatz der B, Sonde ***, nähe dem *** zwischen den Ortsgebieten *** u. ***
Tatbeschreibung:
Sie haben in ***, Sondenplatz der B, Sonde *** nicht gefährliche Abfälle gelagert, obwohl Abfälle außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen oder für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden dürfen. Am 09.09.2019, 13:00 Uhr wurde folgender Abfall vorgefunden Kondome, Servietten, leere Eistee Verpackungen, leere Brezel Kartonverpackungen, Joghurtbecher Marke ***.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 79 Abs. 2 Ziffer 3 i.V.m. § 15 Abs. 3 Ziffer 1 AWG 2002
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Gemäß
€ 450,00
36 Stunden
Weiters wurden dem Beschuldigten die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auferlegt.
In ihrer Begründung gab die Strafbehörde die Rechtfertigung des nunmehrigen Rechtsmittelwerbers im Verwaltungsstrafverfahren wieder und führte begründend aus, dass der Behörde nicht ersichtlich sei, woher der Beschuldigte Kenntnis des vorgefundenen Poststückes erlangt hätte, da dieses weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung angegeben worden wäre, noch ihm durch Beamte der öffentlichen Aufsicht davon mitgeteilt worden wäre, da nach Rücksprache mit den Beamten eine Kontaktaufnahme nicht mit ihm möglich gewesen wäre. Aufgrund dieser Tatsache komme die Behörde zu dem Entschluss, dass er von den Ablagerungen in Kenntnis war und somit die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung als erwiesen anzusehen sei.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschuldigte fristgerecht Beschwerde und begründete wie folgt:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
bezugnehmend auf die oben angeführte Aktennummer möchte ich wie folgt Beschwerde einreichen:
Da Ihnen nicht ersichtlich ist, woher ich die Kenntnis über des vorgefundenen Poststückes habe, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich am 14.10.19 um 08:54 Uhr mit einem Beamten, dessen Name mir nicht bekannt ist, telefoniert habe und dieser mir von besagtem Poststück mitteilte.
Des Weiteren möchte ich nochmal auf meine bereits angegebene Aussage hinweisen. Ich war am 09.09.2019 auf einem Vorbereitungskurs für meine Lehrabschlussprüfung in ***. Ich bin zum Tatzeitpunkt zu keiner Zeit durch das Gemeindegebiet *** gefahren. Mir ist weiterhin unerklärlich wie besagtes Poststück dort hingelangen konnte.
Somit bin ich mit Ihren Entschluss nicht einverstanden und werde die mir verhängte Strafe nicht bezahlen. Sollte meiner Beschwerde nicht stattgegeben werden, bin ich gezwungen einen Rechtsanwalt in Erwägung ziehen.
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Anbei sende ich Ihnen noch einen Screenshot des aufgezeichneten Telefonates mit genauen Datum, Dauer und Durchwahl.“
3. Feststellungen:
Vor dem 09. September 2019, 13:00 Uhr, wurden auf den Sondenplatz der B, Sonde ***, nähe dem ***, zwischen den Ortsgebieten *** und ***, folgende Abfälle abgelagert:
Kondome, Servietten, leere Eisteeverpackungen, leere Brezelkartonverpackungen, Joghurtbecher der Marke ***.
Weiters befand sich zwischen diesen Ablagerungen ein Benachrichtigungsschreiben der C AG an A betreffend eine Paketsendung mit der Sendungsnummer ***.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass A das Benachrichtigungsschreiben am Tatort zurückgelassen hat. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der Beschuldigte die anderen festgestellten Abfälle, welche lose und weit verstreut am Sondenplatz zurückgelassen wurden, vom nunmehrigen Rechtsmittelwerber in Entledigungsabsicht dort belassen wurden.
4. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der Verwaltungsbehörde, insbesondere aus der der Anzeige der Polizeiinspektion *** angeschlossenen Lichtbilddokumentation, in welcher insbesondere die Lagerungsart der festgestellten Abfälle dokumentiert ist.
Es erscheint naheliegend, dass der Beschuldigte das Benachrichtigungsschreiben der C AG am Tatort zurückgelassen hat, zumal sich der Ort der Ablagerung in jenem Bezirk befindet, in welchem der Beschuldigte auch wohnhaft ist. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Tatsache, ob der Rechtsmittelwerber das Benachrichtigungsschreiben am Tatort in der für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit zurückgelassen hat oder nicht, kann aber im gegenständlichen Beschwerdeverfahren unterbleiben, zumal das zurückgelassene Benachrichtigungsschreiben vom nunmehr angefochtenen Tatvorwurf nicht umfasst ist.
Aus der Art und Weise der abgelagerten Abfälle, insbesondere, dass diese über das gesamte Grundstück verstreut und lose zurückgelassen wurden, kann nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich jedenfalls nicht geschlossen werden, dass vom Rechtsmittelwerber diese Ablagerungsvorgänge tatsächlich vorgenommen wurden. Aus dem der Beschwerdeschrift angefügten Screenshot seines mobilen Telefons ist ersichtlich, dass dieser vor Verfassung seiner Rechtfertigung im verwaltungsbehördlichen Verfahren telefonischen Kontakt mit der nunmehr belangten Behörde hatte und dieses Telefonat fünf Minuten gedauert hat. Es erscheint somit nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer den Grund der Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen seine Person telefonisch bei der Strafbehörde erfragt hat. Die von der belangten Behörde getroffene Beweiswürdigung ist deshalb nicht nachvollziehbar.
Wesentlich für die Negativfeststellung ist auch die Tatsache, dass die Ablagerungsvorgänge von niemanden beobachtet wurden. Auch ist aufgrund der Lage der zurückgelassenen Abfälle zu schließen, dass diese nicht von einer einzelnen Person am Tatort zurückgelassen wurden.
5. Rechtslage:
Die Strafnorm des § 79 Abs. 2 Z 3 AWG 2002 schreibt vor:
Wer nicht gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit nicht gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder die Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt, begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 € bis 8 400 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 € bedroht.
Von der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer angelastet, dass er entgegen dem § 15 Abs. 3 AWG 2002 Abfälle abgelagert hat. Diese Norm lautet wie folgt:
„Abfälle dürfen außerhalb von
1. hiefür genehmigten Anlagen oder
2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten
nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.“
Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (subjektiver Abfallbegriff), oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 leg. cit. nicht zu beeinträchtigen (objektiver Abfallbegriff). Abfall liegt bereits dann vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (VwGH 23.02.2012, 2008/07/0179). Der objektive Abfallbegriff ist erfüllt, wenn durch das Lagergut die in § 1 Abs. 3 AWG 2002 normierten öffentlichen Interessen beeinträchtigt werden könnten.
Zu bemerken ist, dass dem Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt wurde, dass er nicht gefährlichen Abfall an näher beschriebenem Tatort gelagert hat.
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Demnach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und die Identität der Tat insbesondere nach Ort und Zeit unverwechselbar feststeht. Dadurch soll gewährleistet sein, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen. Auch muss der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.
Die Tat ist daher so eindeutig zu umschreiben, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist (vgl. VwGH 05.09.2013, 2013/09/0065).
Eine abfallrechtliche Behandlung im Sinne des AWG 2002 ist jedes Verwertungs- oder Beseitigungsverfahren, einschließlich der Vorbereitung der Verwertung oder Beseitigung (§ 2 Abs. 5 Z 1 AWG 2002). Jedenfalls sind als abfallrechtliche Behandlungsverfahren die im Anhang 2 zum AWG 2002 angeführten Verwertungs- und Behandlungsverfahren zu verstehen.
Zu den Beseitigungsverfahren zählt die Ablagerung in oder auf dem Boden (z.B. Deponien usw.) (D1 gemäß Anlage 2 zum AWG 2002). Die Lagerung von Abfällen (außerhalb des Anfallsortes) ist grundsätzlich von der Ablagerung von Abfällen zu unterscheiden. Unter Lagerung ist nämlich etwas Vorübergehendes, unter Ablagerung hingegen etwas Langfristiges zu verstehen (Bumberger/Hochholdinger/ Niederhuber/Wolfslehner, AWG 2002², E1 zu § 15 mwN). "Ablagern" bedeutet im AWG 2002 etwas Langfristiges, also die Verbringung von Abfall an einen Ort mit der Absicht, ihn dort langfristig zu belassen (VwGH 27.05.2004, 2004/07/0038).
Es konnte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren festgestellt werden, dass diverse Gegenstände auf dem späteren Tatort „abgelagert“ wurden. Diese wurden nämlich von Unbekannten mit der Intension an der Stelle dort zurückgelassen, um sie auf Dauer dort zu belassen.
Aufgrund des im Strafverfahren geltenden Grundsatzes „in dubio pro reo“, wie er auch in der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 1 VStG zum Ausdruck kommt, darf der Beschuldigte in jenen Fällen nicht bestraft werden, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise im entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte. Nur wenn nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung somit Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen (vgl. z.B. VwGH 14.11.2018, Ra 2018/17/0165).
Wie festgestellt lässt sich mit der für eine Verurteilung im Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht feststellen, dass vom Beschwerdeführer die vom Spruch umfassten Gegenstände am späteren Tatort abgelagert wurden.
Im Ergebnis ist sohin das Strafverfahren aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 erster Fall VStG einzustellen. Da der Beschwerde Folge gegeben wurde, fallen dem Beschwerdeführer gemäß
§ 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Last.
6. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht nicht von der einheitlichen Rechtsprechung ab und stützt sich diese auf die klare und eindeutige Rechtslage (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage VwGH 15.05.2019, Ro 2019/01/0006). Im Regelfall sind Fragen der Beweiswürdigung nicht revisibel (vgl. VwGH 28.06.2017, Ra 2017/02/0038).
Schlagworte
Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Verwaltungsstrafe; Abfallbegriff; Ablagerung; Lagerung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.S.2917.001.2019Zuletzt aktualisiert am
27.05.2020