TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/26 97/11/0083

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Veröffentlicht am 26.03.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
ZustG §1 Abs3;
ZustG §26 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. H in W, vertreten durch Dr. Georg Fialka, Rechtsanwalt in Wien VIII, Josefstädterstraße 87, gegen den Bescheid des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Gonzagagasse 9, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 25. Juli 1996, B 186/96, betreffend Fondsbeitrag für 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Fondsbeitrag des Beschwerdeführers für 1995 mit S 65.423,-- festgesetzt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, daß der Beitrag unrichtig errechnet worden sei, und sich dabei auf den Einkommensteuerbescheid (offenbar für das Jahr 1992) berufen. Mit Schreiben vom 3. Juni 1996 sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, diesen Einkommensteuerbescheid vorzulegen, um seine Beschwerdebehauptungen überprüfen zu können. Dieser Aufforderung sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen, sodaß ihm eine Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht anzulasten und die Beschwerde gegen den Erstbescheid abzuweisen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 24. Februar 1997, B 3617/96-10, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesen Gründen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, das im angefochtenen Bescheid erwähnte Schreiben vom 3. Juni 1996 sei ihm nie zugestellt worden. Die Anführung einer unrichtigen Anschrift im angefochtenen Bescheid lege die Vermutung nahe, daß das Schreiben vom 3. Juni 1996 entweder gar nicht oder an eine unrichtige Adresse abgesendet worden sei.

Die belangte Behörde hält dem entgegen, daß die Aufforderung zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides an die richtige Adresse abgesendet worden sei, sodaß kaum vorstellbar sei, daß dieses Aufforderungsschreiben angesichts der Zuverlässigkeit der österreichischen Post dem Beschwerdeführer nicht zugegangen sei. Im übrigen sei bereits im Formular für die Erklärung des Einkommens zur Festsetzung des Fondsbeitrages die Aufforderung zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides enthalten. Der Beschwerdeführer habe nicht zuletzt durch seine Unterschrift auf diesem Formular und die Abgabe der Erklärung diese Aufforderung zur Kenntnis genommen, weshalb die belangte Behörde nicht zu weiteren Ermittlungen verpflichtet gewesen sei.

Gemäß § 1 Abs. 3 Zustellgesetz gelten bei Zustellungen ohne Zustellnachweis durch Organe der Post neben den Vorschriften über die Zustellung von Postsendungen nur die §§ 6, 7, 8 Abs. 1, 9 bis 12 und sinngemäß auch § 26 Abs. 2 dieses Bundesgesetzes.

Nach § 26 Abs. 1 Zustellgesetz gilt der die Vornahme der Zustellung regelnde Abschnitt II des Zustellgesetzes (§§ 13 bis 27) sinngemäß auch für Zustellungen ohne Zustellnachweis, die durch Organe der Behörde oder der Gemeinde vorgenommen werden. Das zuzustellende Schriftstück gilt als zugestellt, wenn es in den für die Abgabe bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wurde.

Gemäß § 26 Abs. 2 Zustellgesetz gelten Zustellungen im Sinne des Abs. 1 als mit dem dritten Werktag nach der Übergabe an die Gemeinde oder den behördlichen Zusteller bewirkt, es sei denn, es wäre behauptet, die Zustellung sei nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen worden. In den Fällen der Mitteilung des Inhalts von Erledigungen im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in einer anderen technisch möglichen Weise gilt die Zustellung im Zeitpunkt der Mitteilung als bewirkt. Im Zweifel obliegt es der Behörde, die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung nachzuweisen. War der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 im Zeitpunkt der Zustellung vorübergehend von der Abgabestelle abwesend, so wird die Zustellung erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam. Dies gilt im Falle der Mitteilung des Inhalts von Erledigungen im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in einer anderen technisch möglichen Weise auch dann, wenn die Mitteilung an eine Stelle erfolgt ist, die außerhalb einer Abgabestelle im Sinne des § 4 liegt und der Empfänger überdies von den Abgabestellen im Sinne des § 4 abwesend war.

Nach der Aktenlage wurde nicht verfügt, daß die Aufforderung zur Urkundenvorlage vom 3. Juni 1996 mit Zustellnachweis zugestellt werden sollte. Über Tatsache und Zeitpunkt der Zustellung dieser Aufforderung gibt es nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte. Nach § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 dritter Satz Zustellgesetz wäre es an der belangten Behörde gelegen gewesen, einen diesbezüglichen Nachweis zu führen. Da dies nicht geschehen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3. Juni 1996 zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides aufgefordert worden ist.

Der Erklärung des Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit des Jahres 1992 zur Festsetzung des Fondsbeitrages für das Jahr 1995 hatte der Beschwerdeführer eine Kopie der Einkommensteuererklärung für 1992, eine Beilage zur Einkommensteuererklärung für 1992, in der u.a. die Werbungskosten (von insgesamt S 190.318,54) für dieses Jahr aufgegliedert wurden, und einen Lohnzettel angeschlossen. Aufgrund der in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Behauptung, daß die Werbungskosten laut Steuerbescheid S 128.436,-- betragen hätten, während im erstinstanzlichen Bescheid (ohne nähere Begründung) nur S 77.372,29 anerkannt worden waren, hielt die belangte Behörde mit Recht die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für erforderlich. Die erstmals im vorliegenden Beschwerdeverfahren vertretene Auffassung der belangten Behörde, der Aufforderung zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides hätte es nicht bedurft, weil sich bereits im Formular für die Erklärung des Einkommens zur Festsetzung des Fondsbeitrages ein entsprechender Hinweis befunden habe, kann nicht geteilt werden, zumal die Erstbehörde die Erklärung und die ihr angeschlossenen Urkunden für ausreichend erachtet hat, um den Fondsbeitrag für das Jahr 1995 festsetzen zu können. Auch wenn den Beschwerdeführer im Verfahren zur Festsetzung des Fondsbeitrages eine besondere Mitwirkungspflicht trifft, war die belangte Behörde nicht berechtigt, sich ohne weiteres Verfahren über die in der an sie gerichteten Beschwerde enthaltenen Tatsachenbehauptungen hinwegzusetzen, nur weil dieser Beschwerde eine für wesentlich erachtete Urkunde nicht angeschlossen war. Sie hätte vielmehr - wie sie dies damals offenbar ohnedies beabsichtigt hat - unter Mitwirkung des Beschwerdeführers den für ihre Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt gemäß § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen ermitteln müssen.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1997. Die Abweisung des Mehrbegehrens erfolgte deshalb, weil der in dieser Verordnung genannte Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand S 12.500,-- (und nicht S 15.000,--) beträgt und die Umsatzsteuer in diesem Betrag bereits enthalten ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997110083.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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