TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/26 97/11/0273

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Veröffentlicht am 26.03.1998
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §64 Abs2;
KFG 1967 §67 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des O in L, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 24. Juli 1997, Zl. Ib-277-88/97, betreffend Versagung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Dezember 1996 auf Erteilung der Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 67 Abs. 1 und § 64 Abs. 2 KFG 1967 abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid der Erstbehörde vom 9. Oktober 1996 die Lenkerberechtigung gemäß § 73 KFG 1967 wegen gesundheitlicher Nichteignung entzogen worden. Aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom 10. Dezember 1996 auf (Wieder-)Erteilung der Lenkerberechtigung sei von der Erstbehörde das amtsärztliche Gutachten vom 7. April 1997 eingeholt worden, in das der verkehrspsychologische Untersuchungsbefund vom 27. März 1997 eingeflossen sei. Das Gutachten habe ergeben, daß der Beschwerdeführer gemäß § 30 Abs. 1 letzter Satz KDV 1967 zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B nicht geeignet sei. Die verkehrspsychologische Untersuchung habe nämlich ergeben, daß die visuelle Auffassung und Belastbarkeit reduziert seien. Weiters seien unterdurchschnittliche Ergebnisse im kraftfahrspezifisch bedeutsamen Teil der Intelligenz (sprachfreier Intelligenztest) festgestellt worden. Da in allen Teilbereichen (kraftfahrspezifische Leistungsfunktionen, Intelligenz- sowie Persönlichkeitsbefund) größere Mängel festgestellt worden seien, könnten die Mängel auch nicht kompensiert werden.

Da der Beschwerdeführer die in den Bereich der geistigen und körperlichen Eignung fallende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit nicht aufweise, hätte es für die Versagung der Lenkerberechtigung nicht mehr des in der Begründung des amtsärztlichen Gutachtens aufgrund der Vorgeschichte des Beschwerdeführers (mehrere Aggressionsdelikte, Alkoholdelikt 1995, mehrere kleine Verwaltungsstrafen) gemachten Hinweises bedurft, daß der Beschwerdeführer Schwierigkeiten habe, seinen Affekt unter Kontrolle zu halten, wodurch sich naturgemäß Gefährdungsmomente für das Verhalten im Straßenverkehr ergäben. Dem Berufungsvorbringen, daß der Beschwerdeführer infolge Sprachschwierigkeiten bei der verkehrspsychologischen Untersuchung die Aufgabenstellung nicht verstanden habe, könne nicht beigetreten werden, weil allen Einzeltests ein in sich völlig abgeschlossenes Instruktions- und Übungsprogramm vorausgehe. Die eigentliche Testphase könne gar nicht gestartet werden, wenn der Proband die Aufgabenstellung in der Instruktionsphase nicht vollständig verstanden habe. Außerdem gehe aus der Aktenlage hervor, daß sowohl bei der amtsärztlichen als auch bei der verkehrspsychologischen Untersuchung jeweils die Ehefrau des Beschwerdeführers als Dolmetscherin fungiert habe. Das auf die Verkehrsunzuverlässigkeit Bezug habende Vorbringen des Beschwerdeführers gehe ins Leere, weil darin nicht der Grund für die Versagung der Lenkerberechtigung gelegen sei. Im übrigen wäre es am Beschwerdeführer gelegen, dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten der ärztlichen Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im verkehrspsychologischen Befund vom 27. März 1997, der in das amtsärztliche Sachverständigengutachten Eingang gefunden hat und auf den sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid stützt, werden die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen wie folgt beschrieben:

"Beobachtungsfähigkeit

VISUELLE AUFFASSUNG

nach wie vor eingeschränkt

Reaktionsverhalten

REAKTIONSZEIT

nun unauffällig (Verbesserung gegenüber dem Vorgutachten)

REAKTIONSSICHERHEIT

weiterhin ausreichend

BELASTBARKEIT

es finden sich nach wie vor hochgradige Beeinträchtigungen sowohl hinsichtlich der Leistungsmenge als auch der -güte in allen 3 Belastungsstufen

Konzentrationsfähigkeit

nun unauffällig (Verbesserung gegenüber dem Vorgutachten)

Koordination der Muskelbewegungen

weiterhin keine Funktionsstörung nachweisbar

Intelligenz und Erinnerungsvermögen

weiterhin unterdurchschnittliche Ergebnisse im kraftfahrspezifisch bedeutsamen Teil der Intelligenz (sprachfreier Intelligenztest)"

Unter der Rubrik "Fahrverhaltensrelevante Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale" wird folgendes ausgeführt:

"Verfahren und Befunde: Exploration und Verhaltensbeobachtung

Aufgrund der Fremdsprachigkeit des Untersuchten wurden keine Persönlichkeitstests (deutschsprachige Einstellungsfragebogen) durchgeführt. 1 angegebenes Alkoholdelikt sowie angegebene Aggressionshandlungen siehe Vorgeschichte."

Die Zusammenfassung lautet wie folgt:

"Aufgrund der Fremdsprachigkeit des Untersuchten wurden keine Persönlichkeitstests (Einstellungsfragebogen) durchgeführt. Im Vergleich zum Vorgutachten wurden hinsichtlich des kraftfahrspezifisch bedeutsamen Teils der Intelligenz in einem sprachfreien Intelligenztest nach wie vor unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt. Die im Vorgutachten aufgezeigten Einschränkungen im Bereich der Reaktionszeit und der Konzentrationsfähigkeit sind nun zwar nicht mehr feststellbar, jedoch fallen nach wie vor die teils hochgradigen Beeinträchtigungen bei der visuellen Auffassung und der reaktiven Dauerbelastbarkeit auf, sodaß die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen insgesamt gesehen nach wie vor als unzureichend ausgeprägt beurteilt werden müssen.

Herr O.Z. erscheint daher vom Standpunkt verkehrspsychologischer Begutachtung zum Lenken von KFZ der Gruppe B

d e r z e i t n i c h t g e e i g n e t ."

Grundlage der Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen sind offenbar die in einer Beilage angegebenen, bei den einzelnen Tests erzielten Testwerte. Die daraus abgeleiteten Beurteilungen der einzelnen Leistungsfunktionen sind allerdings mangels Angabe der der jeweiligen Beurteilung zugrunde gelegten, nach dem Erkenntnisstand der Verkehrspsychologie maßgebenden Grenzwerte nicht nachvollziehbar. Dazu kommt, daß den Aussagen "eingeschränkt", "hochgradige Beeinträchtigungen", "weiterhin unterdurchschnittliche Ergebnisse" mangels Bezugnahme auf den jeweiligen Grenzwert nicht zu entnehmen ist, ob diese erreicht oder verfehlt wurden (und in welchem Ausmaß). Das auf den verkehrspsychologischen Befund vom 27. März 1997 gestützte amtsärztliche Gutachten, auf welches die belangte Behörde ihre Auffassung gründet, dem Beschwerdeführer fehle die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit gemäß § 30 Abs. 1 letzter Satz KDV 1967, ist sohin nicht schlüssig. Es kann daher dahinstehen, wie sich die mangelhaften Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers auf die Testergebnisse auswirken konnten und worauf sich die Auffassung der belangten Behörde, daß mangelhafte Sprachkenntnisse keinen Einfluß auf die Testwerte haben können, stützt. Eine diesbezügliche Äußerung jener verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle, die die Untersuchung im Beschwerdefall durchgeführt hat, liegt nach der Aktenlage nicht vor.

Die oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides läßt darauf schließen, daß die belangte Behörde ihren Bescheid nicht auf das Fehlen der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung gemäß § 30 Abs. 1 letzter Satz KDV 1967 gestützt hat. Dies wäre auch im Hinblick auf den Inhalt der Zusammenfassung des verkehrspsychologischen Untersuchungsbefundes, die sich ausschließlich mit den kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen des Beschwerdeführers befaßt, nicht schlüssig begründbar gewesen. Das amtsärztliche Gutachten, in dem aufgrund der Vorgeschichte darauf geschlossen wird, daß der Beschwerdeführer Schwierigkeiten habe, "seinen Affekt unter Kontrolle zu halten", und auf dadurch sich ergebende Gefährdungsmomente für das Verhalten im Straßenverkehr hingewiesen wird, kann sich jedenfalls - soweit mit diesen Ausführungen die die geistige Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließende mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung im Sinne des § 30 Abs. 1 letzter Satz KDV 1967 dargetan werden sollte - nicht auf einen entsprechenden verkehrspsychologischen Befund stützen.

Aus den oben dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997110273.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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