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20 Privatrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung des zulässigen Individualantrags auf Aufhebung der Beschränkung der Befugnis zur Grundbuchsabfrage; Befugnisse zur Einsichtnahme in das Personenverzeichnis für Notare und Rechtsanwälte in ihrer Funktion als Parteienvertreter gleich geregeltSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Individualantrag begehrt der Einschreiter, der Verfassungsgerichtshof möge §7 Abs1 letzter Satz des Grundbuchsumstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 550/1980 (im folgenden: GUG), als verfassungswidrig aufheben.
§7 GUG - die angefochtenen Teile sind durch Unterstreichung hervorgehoben - lautet:
"Grundbuchsabfrage für Rechtsanwälte
§7. (1) Der Bundesminister für Justiz hat unter Bedachtnahme auf die technischen Gegebenheiten Rechtsanwälten auf Antrag die Befugnis zur Grundbuchsabfrage (§6 Abs1) mit Bescheid zu erteilen. Diese Befugnis erstreckt sich nicht auf das Personenverzeichnis.
(2) Im Rahmen dieser Befugnis haben sie jedermann Grundbuchseinsicht zu gewähren. Sie haben hierfür Anspruch auf ein Entgelt, dessen Höhe sich nach den für die Einsicht bei Gericht festgesetzten Gebühren richtet."
1.1. Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller - er ist Rechtsanwalt - vor, daß "ein beträchtlicher Teil seiner Kanzleitätigkeit die Abhandlungspflege auf schriftlichem Wege von Verlassenschaftsverfahren als Erbenmachthaber" betreffe. Er sei verpflichtet, im Personenverzeichnis in ganz Österreich nachzuforschen, ob der Verstorbene über allenfalls nicht bekannten Liegenschaftsbesitz verfügte. Ihm sei eine Befugnis gemäß §7 Abs1 GUG mit Bescheid erteilt worden. Sie erstrecke sich gemäß §7 Abs1 letzter Satz leg.cit. nicht auf das Personenverzeichnis. Der Bundesminister für Justiz sei nach der angefochtenen Bestimmung nur ermächtigt, über die Erteilung oder Nichterteilung der Befugnis durch Bescheid abzusprechen, nicht aber über den Umfang, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Da kein anderer Weg zur Bekämpfung dieser verfassungswidrigen Bestimmung bestehe, sei die unmittelbare Anrufung des Verfassungsgerichtshofes zulässig.
1.2. In der Sache selbst behauptet der Antragsteller eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und bringt hiezu vor:
"Da der Antragsteller als Rechtsanwalt bei seiner Tätigkeit als Erbenmachthaber bei der Abhandlungspflege auf schriftlichem Wege bei völlig gleicher Tätigkeit wie der Notar als Gerichtskommissär keine Befugnis zur Grundbuchsabfrage aus dem Personenverzeichnis hat, liegt eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor, da der Ausschluß des Rechtsanwaltes vom Zugriff auf das Personenverzeichnis sachlich nicht gerechtfertigt ist.
... Es ist auch festzuhalten, daß es sich bei der Tätigkeit des Notars bei der Einsichtgewährung in das Grundbuch weder um eine Tätigkeit des Notars in einem gerichtlichen Verfahren noch um eine Beauftragung durch das Gericht im Einzelfall handelt (siehe Sten. Prot. zu §26 GUG 1980). Es liegt hier eine unsachliche Differenzierung vor, weil der Antragsteller als Rechtsanwalt bei seiner Tätigkeit als Erbenmachthaber die gleiche Tätigkeit wie der Gerichtskommissär ausübt. Es wird auch darauf hingewiesen, daß nach §2 a Abs2 des Gerichtskommissärsgesetzes der Notar jedermann ebenso wie das Grundbuchsgericht Einsicht in das Personenverzeichnis zu gewähren hat. Der Einzelne kann somit wählen, ob er die Einsicht in das Personenverzeichnis bei Gericht oder bei einem Notar vornehmen will."
2. Die Bundesregierung hat hiezu eine Äußerung erstattet, in der sie den Antrag stellt, den Individualantrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, daß die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.
2.1. Die Bundesregierung zieht die Zulässigkeit des Antrages mit dem Argument in Zweifel, daß der Umfang der beantragten Aufhebung nicht in der erforderlichen Weise abgegrenzt sei. Sie bringt hiezu vor:
"Eine Aufhebung der beantragten Bestimmung hätte zur Folge, daß dem Rechtsanwalt - anders als dem Notar, dem dies nur in ganz bestimmten Fällen gestattet ist - die Einsicht in das Personenverzeichnis ohne jede Beschränkung gestattet wäre. Die verbleibende Regelung verstieße somit wohl zumindest in ebensolchem Maße gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, wie dies vom Antragsteller für die bekämpfte Bestimmung angenommen wird, brächte aber darüber hinaus noch einen Eingriff in das verfassungsmäßig gewährleistete Recht derjenigen Personen, zu deren im Personenverzeichnis enthaltenen Daten Rechtsanwälte unbeschränkten Zugang erhalten, auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (§1 DSG). Dieses Ergebnis ließe sich nur durch Aufhebung (zumindest) des gesamten §7 des Grundbuchsumstellungsgesetzes vermeiden."
2.2. In der Sache selbst tritt sie den Ausführungen des Antragstellers, wonach §7 Abs1 letzter Satz GUG verfassungswidrig sei, wie folgt entgegen:
"Die maßgebliche Differenzierung, die dieser Regelung zugrundeliegt, stellt nämlich nicht auf das berufliche Interesse an einer Einsicht in das Personenverzeichnis ab; ein solches Interesse mag in bestimmten Fällen für einen Rechtsanwalt in demselben Maß gegeben sein wie für einen Notar. Sie beruht vielmehr auf der besonderen Vertrauensstellung des Notars als Gerichtskommissär, der ja als Beauftragter des Gerichts und damit in amtlicher Eigenschaft tätig wird. Dem Notar steht daher auch die Befugnis zur Einsehung des Personenverzeichnisses gemäß der Anordnung des §2a Abs2 des Gerichtskommissärsgesetzes, BGBl. Nr. 343, in der Fassung des §26 des Grundbuchsumstellungsgesetzes, nur insoweit zu, als er als Gerichtskommissär in Verlassenschaftssachen tätig wird; daraus folgt, daß dem Notar, soweit er, gleich einem Rechtsanwalt, lediglich als Parteienvertreter tätig wird, eine solche Befugnis nicht zusteht. Somit werden - entgegen den Annahmen des Antragstellers - vom Gesetzgeber Unterschiede im Tatsächlichen zum Anlaß entsprechender Differenzierungen genommen.
Die im vorigen hervorgehobene Vertrauensstellung des Notars erlaubt es dem Gesetzgeber, davon auszugehen, daß der Notar von der technischen Möglichkeit, in das Personenverzeichnis Einsicht zu nehmen, nur in den im Grundbuchsumstellungsgesetz vorgesehenen, eng umschriebenen Fällen Gebrauch macht, diese Möglichkeit also nicht mißbrauchen wird. Der Notar ist nämlich anders als der Rechtsanwalt Amtsträger (§1 der Notariatsordnung), besorgt als Gerichtskommissär in Verlassenschaftssachen gerichtliche Amtshandlungen und ist ein Beamter im Sinn des Strafgesetzbuches (§1 GKG)."
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:
3.1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation zur Anfechtung eines Gesetzes ist insbesondere, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam wurde. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das Gesetz die Rechtssphäre des Antragstellers berührt und sie - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist vielmehr auch erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist dann anzunehmen, wenn er nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11684/1988 u.a.m.).
3.1.2. Die Bundesregierung bestreitet nicht, daß der Antrag diesen Voraussetzungen entspricht. Sie meint jedoch, der Umfang der Anfechtung sei zu eng gehalten, weil bei Aufhebung bloß des letzten Satzes des §7 Abs1 GUG die behauptete Verfassungswidrigkeit durch die verbleibende Regelung noch vertieft werde.
3.1.3. Mit diesen Ausführungen negiert die Bundesregierung nicht das Vorliegen einer Prozeßvoraussetzung; sie setzt sich hier vielmehr mit der behaupteten Verfassungswidrigkeit inhaltlich auseinander: Auf die Frage, ob mit der Aufhebung der vom Antragsteller bekämpften Bestimmung eine verfassungskonforme Rechtslage erreicht werden kann, kommt es bei Beurteilung der Prozeßvoraussetzungen nicht entscheidend an.
Der Antrag ist somit zulässig.
3.2. Der Antrag ist jedoch nicht berechtigt.
Wie die Bundesregierung zutreffend darstellt, kommt auch einem Notar nach §6 Abs2 GUG die Befugnis zur Grundbuchsabfrage nur in dem durch §2a des BG BGBl. Nr. 343/1970 idF BGBl. Nr. 550/1980 bestimmten Umfang zu. Gemäß §2a Abs2 leg.cit. steht einem Notar die Befugnis zur Grundbuchsabfrage aus dem Personenverzeichnis nur dann zu, wenn er als Gerichtskommissär in Verlassenschaftssachen tätig wird. Es ist der Bundesregierung zu folgen, daß auch einem Notar, soweit er als Parteienvertreter einschreitet, ebenso wie einem Rechtsanwalt eine Befugnis zur Einsichtnahme in das Personenverzeichnis nicht eingeräumt wurde. Soweit also Notare und Rechtsanwälte gleichartige Tätigkeiten verrichten, sind ihre Befugnisse zur Einsichtnahme in das Personenverzeichnis auch gleich geregelt. Die behauptete Gleichheitswidrigkeit liegt somit nicht vor.
Der Antrag erweist sich darum als unbegründet, er war abzuweisen.
4. Dies konnte gemäß den §§7 und 19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Grundbuch, Notare, Rechtsanwälte, Einsichtnahme GrundbuchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G1319.1995Dokumentnummer
JFT_10039381_95G01319_00