Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J***** K*****, und 2. K***** K*****, vertreten durch Dr. Michael Zerobin, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagten Parteien 1. G***** W*****, 2. A***** W*****, 3. A***** W*****, und 4. M***** W*****, vertreten durch Sauerzopf & Partner Rechtsanwälte, Eisenstadt, wegen Unterlassung, über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2020, GZ 13 R 178/19b-76, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mattersburg vom 12. Juni 2019, GZ 2 C 1313/15m-71, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft, die an eine Liegenschaft angrenzt, die zu je einem Viertel im Miteigentum der Beklagten steht. Beide Liegenschaften befinden sich im „Bauland-Mischgebiet“.
Die Erst- und der Zweitbeklagte betrieben seit 1957 einen Bauernhof auf ihrer Liegenschaft. Damals hielten sie 30 Schweine und rund 15 Rinder. 1966 wurde auf dem Grundstück ein weiterer Stall errichtet, der für 20 Rinder und 80 Schweine konzipiert war. Nach der Inbetriebnahme hielten „die Beklagten“ 20 bis 30 Zuchtsäue, die im Altstall untergebracht waren. 1977 verkauften „die Beklagten“ die von ihnen gehaltenen Rinder und stellten auf einen Schweinebetrieb um. Ab diesem Zeitpunkt wurden durchschnittlich rund 20 Zuchtsäue und 180 Mastsäue gehalten. Seit 2015 reduzierten „die Beklagten“ die Anzahl der Zuchtsäue.
Die Kläger begannen 1976 mit der Errichtung eines Wohngebäudes auf ihrer Liegenschaft. Der Einzug erfolgte 1981. Im Jahr 2003 sprachen sie die Beklagten erstmals darauf an, dass der Stallgeruch sehr intensiv sei, und ersuchten um Ergreifen entsprechender Maßnahmen. Eine Verringerung der vom Grundstück der Beklagten ausgehenden Immissionen trat nicht ein, weshalb sie diese auf Unterlassung der Immission klagten. Dieses Verfahren endete im November 2007 mit einem Vergleich, in dem sich die Beklagten verpflichteten, einen bestimmten Bereich nicht mehr zum Einstellen von Vieh, insbesondere Rindern und Schweinen, zu verwenden.
Die Kläger begehren, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, Geruchsimmissionen durch Schweinehaltung zu unterlassen, soweit „dadurch das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten wird“ oder diese Geruchsimmissionen gesundheitsschädigend sind. Sie seien durch die Tierhaltung der Beklagten Geruchsimmissionen ausgesetzt, die an Konzentration nach den örtlichen Verhältnissen das gewöhnliche Maß bei weitem überschritten und die ortsübliche Benutzung ihres Grundstücks wesentlich beeinträchtigten und nahezu unmöglich machten. Die Beeinträchtigung sei so stark, dass eine gesundheitsgefährdende Situation vorliege. Von der Liegenschaft der Beklagten komme es das ganze Jahr über zu diesen Immissionen; insbesondere im Sommer 2015 hätten sie durch eine lang andauernde Hitzeperiode ein absolut untragbares Ausmaß erreicht. Die Wiederholungsgefahr sei evident. Ihnen sei zum Zeitpunkt der Errichtung ihres Hauses die Gesundheitsschädlichkeit der Geruchseinwirkungen nicht bekannt und erkennbar gewesen; vielmehr seien sie davon ausgegangen, dass von einem Bauernhof keine gesundheitsschädigenden Immissionen ausgehen.
Die Beklagten wendeten ein, dass der landwirtschaftliche Betrieb bereits seit dem Jahr 1966 geführt werde. Seit 1977 würden keine Rinder mehr gehalten, sondern 13 bis 20 Zuchtsäue und etwa 160 Sauen in Mast. Die Tiere seien auf dem landwirtschaftlichen Hof untergebracht, der auch ihr Wohngebäude beinhalte. In diesem Ortsteil bestehe ein dörflicher Charakter und seit jeher seien dort landwirtschaftliche Betriebe angesiedelt gewesen, darunter auch solche mit Tierhaltung. Auch die Kläger hätten bis Mitte der 60iger-Jahre des vorigen Jahrhunderts auf der Nachbarliegenschaft Tiere, unter anderem Schweine, gehalten. 1984 seien sie in den Neubau auf ihrem Grundstück in Kenntnis der vorherrschenden Benutzungsart ihrer Liegenschaft gezogen. Diese habe sich seither nicht verändert. Das Klagebegehren sei sittenwidrig und stelle eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung ihrer Interessen dar.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren – gestützt auf § 364 Abs 2 ABGB – statt. Vom Grundstück der Beklagten gingen gesundheitsschädliche Immissionen aus; den Klägern seien diese (anlässlich der Errichtung ihres Wohnhauses) nicht erkennbar gewesen. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:
„Unter Zugrundelegung der Widmung 'Bauland-Mischgebiet' beträgt der Richtwert der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bei der Beurteilung der Erheblichkeit von Immissionen 8 %, bei Heranziehung der deutschen Richtlinie (GIRL) 10 % und unter Berücksichtigung der tierartspezifischen Belästigung von Schweinegeruch (Hedonik/Geruchsqualität) die zulässige Überschreitungshäufigkeit 13 %. Die Geruchshäufigkeiten am Grundstück der Kläger betragen 20 bis 30 % bzw unter Berücksichtigung der lokalen Windverhältnisse und des dadurch bedingten Kaltluftabflusses 27 bis 37 %.“ Außer den Beklagten gibt es keine weiteren Emittenten, die einen Anteil an der Geruchsimmission auf dem Grundstück der Kläger haben. Die auf das Grundstück der Kläger einwirkenden Immissionen übersteigen deutlich „die Richtwerte“. Sie stellen eine erhebliche Geruchsbelästigung dar und sind – bezogen auf die Lage des Grundstücks der Kläger – „abstrakt gesundheitsschädigend“. Diese Gesundheitsschädlichkeit war für einen durchschnittlich sorgfältigen Bauherrn zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses der Kläger – „abstrakt betrachtet“ – nicht erkennbar.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil über Berufung der Beklagten zur Verfahrensergänzung auf. Rechtlich führte es zu § 364 Abs 2 ABGB aus, der Ansicht, die Einwirkung sei dann nicht ortsüblich, wenn sie die Gesundheit davon betroffener Menschen ganz allgemein gefährde, könne in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden, weil „neben den hier vorliegenden Geruchsbelästigungen, insbesondere Lärm- und Geräuschbelästigungen in der Praxis in vielen Fällen gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorrufen, die aber aufgrund von Ortsüblichkeit, insbesondere im städtischen Bereich hingenommen werden müssen“. Zu berücksichtigen sei, dass Geruchsimmissionen keine direkte Gesundheitsschädigung, sondern lediglich eine indirekte über Stressfaktoren bewirke. Die Rechtsprechung, wonach Immissionen, die eine Gesundheitsschädigung verursachten, nicht hingenommen werden müssten, könne im Fall einer derartigen indirekten Beeinträchtigung „nicht uneingeschränkt angewendet werden. Andernfalls könnten sämtliche Lärmimissionen in städtischen Gebieten untersagt werden.“ Im vorliegenden Fall sei die Immission in einer überschaubaren Landgemeinde aufgetreten; im weiteren Verfahren seien Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen im Gemeindegebiet zu treffen. Nicht ausreichend sei es festzustellen, dass die konkret auf die Liegenschaft der Kläger einwirkenden Geruchsimmissionen lediglich vom Grundstück der Beklagten herrührten. Maßgeblich sei vielmehr die Ortsüblichkeit der Tierhaltung im Gemeindegebiet. Dazu seien entsprechende Feststellungen zu treffen. Der Flächenwidmungsplan sei ein zusätzliches Bestimmungskriterium für die Ortsüblichkeit, woraus sich hier ergebe, dass nicht von einem reinen Wohngebiet ausgegangen werden könne. Im weiteren Verfahren seien Feststellungen zu treffen, ob die Liegenschaften der Parteien in einem Siedlungsgebiet liegen oder von landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften umgeben sind und wie weit etwa der nächste Hof mit Tierhaltung entfernt ist. Zum Tierbestand auf der Liegenschaft der Beklagten im Jahr 2016 seien vom Erstgericht Divergenzen der Aussagen zweier Beklagter gegenüber den vom Sachverständigen angenommenen Beständen aufzuklären, damit sich beurteilen lasse, ob die Geruchsimmissionen „gestiegen“ oder gleich geblieben seien. Generell könne nicht davon ausgegangen werden, „dass dann, wenn die Einwirkung die Gesundheit der davon betroffenen Menschen gefährden kann, sie nicht als ortsüblich beurteilt werden kann“. Nur dann, wenn die Einwirkung die Gesundheit davon betroffener Menschen ganz allgemein gefährde, sei die Ortsüblichkeit zu verneinen. Das könne aber nur dahingehend verstanden werden, dass generell mit einer derartigen Beeinträchtigung zu rechnen sei. Abzustellen sei auf das Empfinden eines durchschnittlichen Bewohners der betroffenen Liegenschaft, nicht aber auf die subjektive Lästigkeit der Störung für besonders sensible Personen. Im fortzusetzenden Verfahren seien die erstinstanzlichen Feststellungen zur „abstrakten Gesundheitsgefährdung“ dahin zu konkretisieren, ob dies im Sinn einer allgemeinen für jedermann vorhandenen Gefährdung zu verstehen sei oder lediglich die Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung bezeichne. Aus den derzeitigen Feststellungen lasse sich eine Überschreitung des nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnlichen Maßes durch die Geruchsimmissionen nicht ableiten.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil zur Frage der Ortsüblichkeit einer Immission „bei möglicher Gesundheitsschädigung“ „keine allgemein gültige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs“ bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Rekurs der Kläger, der von den Beklagten beantwortet wurde, ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
1. Unstrittig ist, dass die Geruchsimmissionen von keiner behördlich genehmigten Anlage der Beklagten im Sinn des § 364a ABGB ausgehen.
Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliches insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen, weshalb auch übermäßige Immissionen zu dulden sind, wenn sie die ortsübliche Nutzung nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks dadurch wesentlich beeinträchtigt wird (RIS-Justiz RS0010587 [T4]).
2. Für die – sowohl hinsichtlich des Ausmaßes der Immissionen als auch der Beeinträchtigung des dadurch betroffenen Grundstücks – zu berücksichtigenden örtlichen Verhältnisse kommt es neben Dauer und Intensität unter anderem auch auf die Art der Einwirkung, den Grad ihrer Störungseignung sowie auf den „Charakter der Gegend“ an (vgl RS0010678). Die Ortsüblichkeit ist nach den tatsächlichen Verhältnissen in der maßgebenden Umgebung zu beurteilen (RS0010653 [T22]), die sich im Regelfall nicht auf das emittierende und das beeinträchtigte Grundstück reduzieren lässt, sondern Gebiets- bzw Stadtteile („Viertel“) mit annähernd gleichen Lebens- und Umweltbedingungen umfasst (RS0010653 [T14]). Erforderlich ist ein Vergleich der Benützung des störenden (nicht des betroffenen) Grundstücks mit anderen Grundstücken des betreffenden Gebiets, wobei die Ortsüblichkeit einer Immission im zu betrachtenden Raum in der Regel davon abhängt, ob schon eine größere Anzahl von dort gelegenen Grundstücken so genützt wird, dass von ihnen den zu beurteilenden Immissionen entsprechende Einwirkungen ausgehen (RS0010653 [T17]; 1 Ob 198/19b mwN). Flächenwidmungspläne haben in diesem Zusammenhang eine Indizfunktion für die im betreffenden Raum tatsächlich bestehenden Verhältnisse (4 Ob 99/12f mwN; RS0010653 [T20]).
Zutreffend legt das Berufungsgericht dar, dass das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen im Gemeindegebiet zu treffen haben wird, insbesondere ob die Liegenschaften der Parteien in einem Siedlungsgebiet liegen oder von landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften umgeben sind. Entgegen der Ansicht der Kläger ist die einzig vom Erstgericht dazu getroffene Feststellung, dass die konkret auf ihre Liegenschaft einwirkenden Geruchsimmissionen lediglich vom Grundstück der Beklagten herrührten, für die rechtliche Beurteilung der – weiter zu verstehenden – örtlichen Verhältnisse nicht ausreichend.
3. Bei der Beurteilung, ob eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung der Liegenschaft der Kläger vorliegt, ist nicht auf die besondere Empfindlichkeit der betroffenen Personen, sondern auf das Empfinden eines „Durchschnittsmenschen“ in der Lage des Beeinträchtigten abzustellen (RS0010557 [T4]; RS0010607). Der nach dem Nachbarrecht gebotene sozialrelevante Interessenausgleich erfordert, die Frage nach der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung vom Standpunkt eines verständigen Durchschnittsmenschen aus zu beantworten, der auf die allgemeinen Interessen und gesellschaftlich bedeutsamen Gesichtspunkte wenigstens auch Bedacht nimmt. Es kommt also nicht auf die individuelle Person des mehr oder minder sensiblen Nachbarn, sondern auf das Empfinden des Durchschnittsmenschen an, der sich in der Lage des Gestörten befindet (3 Ob 52/18w mwN).
Nach der Rechtsprechung zu § 364 Abs 2 ABGB findet die Ortsüblichkeit aber dort ihre Grenzen, wo die Benutzung der Nachbarliegenschaft so weit beeinträchtigt ist, dass es zu Personenschäden kommt. Derartige Immissionen müssen grundsätzlich immer untersagbar sein (zuletzt 2 Ob 12/19g mwN). So wie aber bereits bei der Beurteilung, ob die ortsübliche Nutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt ist, nicht auf eine besondere Empfindlichkeit der betroffenen Person, sondern auf das Empfinden eines durchschnittlichen Bewohners des betroffenen Grundstücks abzustellen ist (RS0010557), also auf das subjektive Empfinden eines Durchschnittsmenschen in der Lage des Gestörten (RS0010607), ist auch im Zusammenhang mit der Haftung für gesundheitsschädigende Immissionen nicht auf eine besondere Sensibilität der Nachbarn Bedacht zu nehmen. Eine solche Sensibilität kann für sich allein nicht zum Anlass genommen werden, die Einwirkung gänzlich zu untersagen. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Immission überhaupt
– und nicht nur für übersensible Menschen – gesundheitsgefährdend bzw gesundheitsbeeinträchtigend ist. Dafür trifft die betroffenen Nachbarn die Beweislast (RS0010557 [T8]; RS0010607 [T9]).
Auch bei Geruchsimmissionen ist auf das Empfinden eines „Durchschnittsmenschen“ abzustellen (1 Ob 198/19b mwN).
Von diesen Grundsätzen ging das Berufungsgericht im Ergebnis aus, auch wenn es meint, es könne die Ansicht, wonach eine Einwirkung nicht als ortsüblich beurteilt werden könne, wenn sie die Gesundheit der davon betroffenen Menschen ganz allgemein gefährde, in dieser Allgemeinheit nicht teilen. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung (7 Ob 286/03i; 1 Ob 6/99k = SZ 72/205) geht aber davon aus, dass eine Einwirkung, die die Gesundheit davon betroffener Menschen ganz allgemein gefährdet, nicht als ortsüblich beurteilt werden kann. Das Berufungsgericht legte dieser Rechtsprechung in seiner Beurteilung ein verfehltes Verständnis zugrunde. Zutreffend zeigt es aber auf, dass die erstinstanzliche Feststellung, die Immissionen seien „abstrakt gesundheitsschädigend“ für die abschließende rechtliche Beurteilung nicht ausreichend aussagekräftig ist. Aus dieser Feststellung ergibt sich nicht, ob lediglich die Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung für besonders anfällige oder sensible Personen besteht oder ob darunter – wie maßgeblich – eine allgemeine, jedermann treffende Gefährdung seiner Gesundheit zu verstehen ist und wie sich diese auswirkt; es ist auch nicht ausreichend klar, ob physische oder psychische Schäden zu befürchten sind. Dass in diesem Zusammenhang Feststellungen fehlen, zeigen die Kläger selbst auf, wenn sie dazu im Rekurs ergänzende Feststellungen verlangen. Steht aber eine konkret drohende Gesundheitsschädigung weder dem Grunde noch der Art nach fest, kann die Sache entgegen der Auffassung der Rekurswerber auch nicht deshalb spruchreif sein, weil durch § 16 ABGB und Art 2 EMRK ein absolutes Persönlichkeitsrecht auf körperliche Integrität und Gesundheit begründet werde.
4. Die Klage nach § 364 Abs 2 ABGB ist ein Anwendungsfall der negatorischen Eigentumsklage. Das Begehren geht auf Unterlassung des Eingriffs (RS0010526 [T2, T4] ua). Der eigentliche Inhalt des nachbarrechtlichen Untersagungsanspruchs ist, dass der Beklagte dafür zu sorgen hat, dass sein Nachbar nicht durch Immissionen beeinträchtigt wird, wobei die Art, wie dies zu geschehen hat, dem Beklagten überlassen bleibt (RS0004649 [T3] ua). Ein Unterlassungsbegehren betreffend Immissionen durch Geruch bzw Gestank muss nicht quantifiziert werden (RS0037178 [T3, T6]; RS0117853 [T1] ua; Holzner in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 364 Rz 16). In der Entscheidung 9 Ob 48/12t erkannte der Oberste Gerichtshof das Unterlassungsbegehren, die Beklagten seien schuldig, jegliche von ihrer Liegenschaft ausgehenden und auf die Liegenschaft der Kläger einwirkenden Geruchsimmissionen zu unterlassen, soweit dadurch das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Nutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt werde, als ausreichend konkret.
Im fortzusetzenden Verfahren wird mit den Klägern zu erörtern sein, dass ihr Unterlassungsbegehren nicht ausreichend bestimmt formuliert ist. Der erste Teil des Begehrens, wonach die Beklagten Geruchsimmissionen unterlassen sollen, „soweit dadurch das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß an Geruchsimmissionen überschritten wird“, ist insofern unzureichend, als der Anspruch nach § 364 Abs 2 ABGB auch noch die unzumutbare Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung voraussetzt. Darauf nimmt dieser Teil des Unterlassungsbegehrens nicht Bedacht. Dieser Umstand muss ebenfalls zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung führen, weil auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer von ihnen bisher nicht beachteten Rechtsansicht überraschen darf (RS0037300 [T9]).
5. Dem Rekurs ist aus den dargelegten Gründen nicht Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E128189European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00062.20D.0428.000Im RIS seit
26.05.2020Zuletzt aktualisiert am
25.02.2021