TE OGH 2020/5/12 15Os37/20k

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Veröffentlicht am 12.05.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Mai 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen E***** H***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 16. Jänner 2020, GZ 632 Hv 4/19w-28, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte E***** H***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 13. Mai 2019 in S***** an einer unmündigen Person, und zwar der am 14. April 2013 geborenen C***** F*****, außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er ihr die Hose und Unterhose auszog, seinen Finger ableckte und mit diesem anschließend in kreisenden Bewegungen ihre Scheide berührte und streichelte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS-Justiz RS0115902). Soweit in der Beschwerde zum Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO „zur Vermeidung von Wiederholungen“ auf das Vorbringen zu § 281 Abs 1 Z 5a StPO verwiesen wird, entspricht dies nicht der Strafprozessordnung. Werden die angeführten Nichtigkeitsgründe nicht getrennt dargestellt, so gehen Unklarheiten, die durch diese Art der Rechtsmittelausführung bedingt sein könnten, zu Lasten des Beschwerdeführers (RIS-Justiz RS0100183).

Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) setzt voraus, dass der eine entscheidende Tatsache betreffende Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen in den Entscheidungsgründen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben wird (RIS-Justiz RS0099547). Sie scheidet daher von vornherein aus, wenn – wie hier – das Urteil die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Passage aus dem Amtsvermerk der Polizeiinspektion M***** vom 14. Mai 2019, wonach Me***** F***** die Anzeige „über die vaginale Penetration ihrer sechsjährigen Tochter C***** F*****“ erstattet habe (ON 2 S 13), gar nicht anspricht.

Inwieweit einzelne Passagen aus den Aussagen der Zeugen Ma***** F***** und Mat***** F*****, welche neuerlich unter Verkennung der Verschiedenheit der Nichtigkeitsgründe im Rahmen des zum Nichtigkeitsgrund der Z 5a erstatteten Vorbringens releviert werden, den getroffenen (entscheidungswesentlichen) Konstatierungen nach Maßgabe der stets in den Blick zu nehmenden Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394) – nämlich insbesondere der beweiswürdigenden Schlussfolgerungen aus dem DNA-Gutachten der Sachverständigen Dr. N***** (US 7 ff) – erörterungsbedürftig (dSn Z 5 zweiter Fall) entgegenstehen sollen, macht die Beschwerde nicht deutlich.

Die pauschale Behauptung, es liege keine oder nur eine offenbar unzureichende Begründung vor (Z 5 vierter Fall), ist nicht an den Entscheidungsgründen (US 6 bis 9) orientiert.

Das Vorbringen, das Erstgericht habe die Aussage der Zeugin Me***** F***** (Mutter des Opfers) „vollkommen ausgespart“, trifft nicht zu. So haben die Tatrichter insbesondere auch den von dieser Zeugin unumwunden zugestandenen Umstand, dass sie den Angeklagten und ihre Mutter (Ma***** F*****) habe „auseinanderbringen“ wollen, in ihre Erwägungen miteinbezogen (US 8).

Die Tatrichter setzten sich im Übrigen auch hinreichend ausführlich mit den Angaben des Tatopfers C***** F***** (im Rahmen der kontradiktorischen Zeugenvernehmung) auseinander und legten unmissverständlich dar, aus welchen Gründen sie dessen Angaben für glaubwürdig erachteten (US 7 f). Eine darüber hinausgehende Erörterung sämtlicher Details der Aussage ist unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht erforderlich, sie würde vielmehr dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zuwiderlaufen (RIS-Justiz RS0098377). Indem der Beschwerdeführer einzelne Passagen isoliert herausgreift und daraus für ihn günstigere Schlüsse abzuleiten trachtet, bekämpft er bloß unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Weshalb den Feststellungen (vermeintlich) widerstreitende – überdies nicht deutlich und bestimmt, geschweige denn mit Fundstelle bezeichnete (vgl RIS-Justiz RS0124172) – Aussagen zum Verhalten des Tatopfers „unmittelbar“ nach der Tatbegehung hätten näher erörtert werden müssen, legt die Beschwerde nicht fundiert dar.

Gleiches gilt in Ansehung des – von den Tatrichtern ohnedies detailreich erörterten (US 5 und 7 f) – Gutachtens der Sachverständigen Dr. N*****.

Die Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der Beweiswerterwägungen des Erstgerichts) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung – wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt – abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit den Hinweisen auf ein Motiv der Me***** F***** für eine Falschbelastung des Angeklagten, wozu mehrere Passagen aus deren Aussage sowie aus den Angaben der Zeugen Ma***** F***** und Mat***** F***** ins Treffen geführt werden, sowie auf die Erwägung, dass Me***** F***** auch „die Gelegenheit zur Manipulation“ gehabt habe (wofür wiederum bloße Mutmaßungen der Ma***** F***** als Indiz angeführt werden), und darauf, dass die Sachverständige Dr. N***** es nicht ausschließen konnte, dass auch durch bloßes Vermischen der Wäsche die DNA des Angeklagten auf den Slip des Mädchens gekommen sein könnte (Hv-Protokoll ON 27 S 74 ff), werden von der Beschwerde qualifizierte Bedenken im aufgezeigten Sinn nicht erweckt. Vielmehr unternimmt (auch) die Tatsachenrüge (Z 5a) bloß den unstatthaften Versuch, die Beweiswürdigung der erkennenden Richter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung zu bekämpfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E128212

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00037.20K.0512.000

Im RIS seit

27.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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