Entscheidungsdatum
08.05.2020Norm
KFG 1967 §102 Abs10Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Herzog über die Beschwerde des M S, CH-W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft D vom 03.10.2019 betreffend Übertretungen der StVO und des KFG, zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als Spruchpunkt 2. aufgehoben und diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird. Im Übrigen wird der Beschwerde keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
Der gemäß § 64 Abs 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 38 VwGVG zu leistende Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens beträgt nunmehr 10 Euro.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Begründung
1. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten unter Spruchpunkt 1. vorgeworfen, er habe am 28.05.2019, 14:10 Uhr, in L, L XX, Höhe km X, Fahrtrichtung L, mit dem Pkw XXX die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit bei Nässe von 70 km/h um 24 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden sei. Unter Spruchpunkt 2. wurde ihm vorgeworfen, er habe am 28.05.2019, 14:13 Uhr, in L, Sstraße – Parkplatz M, als Zulassungsbesitzer des Pkw XXX nicht dafür Sorge getragen, dass für Fahrten das in § 102 Abs 10 KFG vorgeschriebene Verbandszeug bereitgestellt worden sei. Das genannte Fahrzeug sei zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von ihm gelenkt worden, obwohl kein zur Wundversorgung geeignetes Verbandszeug mitgeführt worden sei. Das im Fahrzeug befindliche Verbandszeug sei zum Zeitpunkt der Überprüfung bereits seit mehreren Monaten (Haltbarkeitsdatum) abgelaufen gewesen.
Die Bezirkshauptmannschaft erblickte hierin zu Spruchpunkt 1. eine Übertretung des § 52 lit a Z 10a StVO und zu Spruchpunkt 2. eine Übertretung des § 103 Abs 1 Z 2 lit a KFG. Es wurden Geldstrafen zu 1. von 80 Euro und zu 2. von 30 Euro verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen zu 1. von einem Tag 13 Stunden und zu 2. von 10 Stunden festgesetzt.
Der Beschuldigte wurde weiters gemäß § 64 VStG verpflichtet, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 20 Euro zu bezahlen.
2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben, in der er ausführt, dass er Einspruch gegen die Beschuldigung erhebe, dass er kein zur Wundversorgung geeignetes Verbandszeug mitgeführt habe. Das Verbandszeug sei nicht abgelaufen gewesen und der Beamte habe das Datum falsch abgelesen. Er sei noch immer im Besitz des Verbandszeuges mit Datumskleber. Es wäre unverhältnismäßig aufwendig, ein Verbandszeug aufzutreiben, welches einen Datumskleber aufweise, der ähnlich genug für eine Verwechslung wäre. Wenn er einen gekauft hätte, würde er länger als 2019 haltbar sein und als Schweizer Bürger könne er auch kaum einen von einem Bekannten ausgeliehen haben, da in der Schweiz kaum jemand einen habe. Das Datum auf dem Verbandszeug sei 2019-10 gewesen, was leicht mit 2019-01 zu verwechseln sei. Eine Drittperson habe ihn darauf hingewiesen, dass das Verbandszeug gar nicht abgelaufen sei, weshalb er es im ersten Einspruch nicht erwähnt habe, da er es zu diesem Zeitpunkt selber nicht gewusst habe. Er fordere, dass die 30 Euro Strafe vom Verbandszeug sowie alle Strafverfahrenskosten entfernt werden, da er im Recht sei.
3. Zur Übertretung des KFG:
3.1. Folgender Sachverhalt steht fest: Am 28.05.2019, 14:13 Uhr, wurde der Beschuldigte als Lenker des PKWs mit dem Kennzeichen XXX nach Begehung einer durch Messung festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung auf dem M-Parkplatz in L, Sstraße, von der Polizei angehalten. Im Zuge der Anhaltung wurde er aufgefordert, das im Fahrzeug mitgeführte Verbandzeug vorzuweisen. Der einschreitende Polizeibeamte stellte dann fest, dass das Verbandzeug bereits seit ein paar Monaten abgelaufen war, den Inhalt und Zustand des Verbandzeuges überprüfte er aber nicht. Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Kraftfahrzeuges ist der Beschuldigte.
3.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Anzeige vom 10.06.2019 und der Stellungnahme vom 23.07.2019 der Landesverkehrsabteilung der LPD Vorarlberg sowie aus der Halterauskunft des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamtes St. Gallen vom 05.07.2019.
3.3. Gemäß § 103 Abs 1 Z 2 lit a Kraftfahrgesetz 1967 (KFG) hat der Zulassungsbesitzer bei Kraftfahrzeugen dafür zu sorgen, dass für Fahrten das im § 102 Abs 10 angeführte Verbandzeug bereitgestellt ist.
Gemäß § 102 Abs 10 erster Satz KFG hat der Lenker auf Fahrten Verbandzeug, das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist, sowie bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen eine geeignete Warneinrichtung und eine geeignete, der ÖNORM EN 471 oder der ÖNORM EN ISO 20471 entsprechende Warnkleidung mit weiß retroreflektierenden Streifen mitzuführen.
3.4. Nach dem Wortlaut des § 102 Abs 10 erster Satz KFG muss das Verbandzeug lediglich zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt sein.
Vom Gesetz wird nicht gefordert, dass das Verbandzeug einer bestimmten ÖNORM entsprechen muss bzw gemäß einer bestimmtem ÖNORM die Ablauffrist nicht überschritten sein darf (vgl in diesem Sinne auch Nedbal-Bures/Pürstl, KFG11(2019), § 102, Anm 67).
In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass die Regierungsvorlage zur 21. KFG-Novelle in einer Änderung des § 102 Abs 10 KFG vorgesehen hatte, mittels Verordnung die näheren Bestimmungen hinsichtlich des Verbandzeuges, insbesondere betreffend die notwendigen Inhalte, die Verpackung sowie die periodische Aktualisierung des Inhalts festzulegen oder mittels Verordnung einschlägige ÖNORMEN für verbindlich zu erklären (vgl 1032 BlgNr 21. GP, S. 11). Im Verkehrsausschuss des Nationalrates wurde jedoch die geplante Verordnungsermächtigung wieder aus dem Gesetzesentwurf gestrichen (vgl 1081 BlgNr 21. GP, S. 6).
Zusammenfassend ergibt sich also, dass der Zulassungsbesitzer nicht gegen § 103 Abs 1 Z 2 lit a KFG verstößt, wenn das im Kraftfahrzeug bereitgestellte Verbandzeug ein darauf vermerktes Ablaufdatum überschritten hat. Es kann auch nicht generell davon ausgegangen werden, dass ein Verbandzeug, nur weil das darauf vermerkte Ablaufdatum überschritten ist, nicht mehr zur Wundversorgung geeignet ist und somit nicht dem § 102 Abs 10 KFG entspricht.
Im vorliegenden Fall kann es daher dahingestellt bleiben, ob das Haltbarkeitsdatum des mitgeführten Verbandzeuges im Zeitpunkt der Polizeikontrolle bereits abgelaufen war oder nicht. Entscheidend ist, dass bei der Kontrolle nicht überprüft wurde, ob das Verbandzeug zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist.
Somit war schon aufgrund der Aktenlage der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 2. Folge zu geben, dieser Spruchpunkt aufzuheben und diesbezüglich das Strafverfahren aus dem Grunde des § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.
4. Zur Übertretung der StVO:
Der Beschuldigte bekämpft die Bestrafung wegen einer Übertretung nach § 52 lit a Z 10a StVO also solche nicht, fordert jedoch, dass alle Strafverfahrenskosten „entfernt“ werden, somit auch jener Teil der Strafverfahrenskosten, der aufgrund dieser Bestrafung festgesetzt wurde.
Gemäß § 64 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
Gemäß § 64 Abs 2 VStG ist dieser Beitrag für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich zwingend, dass der Beschuldigte aufgrund der Bestrafung wegen einer Übertretung nach § 52 lit a Z 10a StVO einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat und dieser Beitrag aufgrund der verhängten Geldstrafe in Höhe von 80 Euro mit 10 Euro zu bemessen ist. Daran ändert nichts, dass die Bestrafung wegen einer Übertretung nach § 103 Abs 1 Z 2 lit a KFG aufzuheben war.
5. Die Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehlt, ob der Umstand, dass das im Kraftfahrzeug bereitgestellte Verbandzeug ein darauf vermerktes Ablaufdatum überschritten hat, für den Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs 1 Z 2 lit a KFG strafbar ist.
Schlagworte
Kraftfahrrecht, Verbandskasten, Ablaufdatum überschrittenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2020:LVwG.1.143.2020.R5Zuletzt aktualisiert am
25.05.2020