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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art89 Abs2Leitsatz
Zurückweisung von Anträgen von Gerichten auf Aufhebung nicht gehörig kundgemachter Verordnungen mangels Präjudizialität; keine Anwendung nicht gehörig kundgemachter Verordnungen durch das GerichtSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Beim Landesgericht Linz ist ein medienrechtliches Verfahren gemäß §16 Mediengesetz anhängig, für welches - nach Darstellung des antragstellenden Gerichtes - die "Geltung und Rechtswirksamkeit" zweier "Erlässe" betreffend die Anwendung des medizinischen Präparates "Ukrain" "präjudiziell" ist. Aus Anlaß dieses Verfahrens sind beim Gericht Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit dieser "Erlässe", die "allen Apotheken Österreichs zur Kenntnis gelangen und in Verbindung mit ihre(r) normativen Textierung wie Rechtsverordnungen wirken", entstanden. Diese "Erlässe" "sind ... in gesetzwidriger Weise kundgemacht, da eine Publikation in der Apothekenzeitung zur Promulgation nicht ausreicht".
Das Landesgericht Linz stellt daher gemäß Art139 B-VG den Antrag, "den Erlaß des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz vom 25. Juli 1986, ZL II/520 382/1-9B/8 6 und ... den Erlaß des Bundesministeriums für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 25. Februar 1994, ZL 21 405/1117/II/A/8/93, wonach jeweils die Anwendung des medizinischen Präparates 'Ukrain' außerhalb einer klinischen Prüfung untersagt wurde, als gesetzwidrig aufzuheben".
2. Weiters ist beim Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht eine Klage anhängig, mit der die "Übernahme der Kosten für das Heilmittel 'Ukrain'" durch die Burgenländische Gebietskrankenkasse gemäß §367 Abs1 Z2 ASVG unter Bedachtnahme auf §136 ASVG beantragt wird. Aus Anlaß dieses Verfahrens entstanden beim Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des "Erla(sses) des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz vom 25. Juli 1986, Zl II/520.383/1-9b/86 und de(s) Erla(sses) des Bundesministeriums für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 25.2.1994, Zl 21.405/1.117/II/A/8/93," da sie "in gesetzwidrigerweise kundgemacht worden" seien.
Das Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht stellt daher den Antrag gemäß Art139 B-VG in Verbindung mit Art89 Abs2 B-VG, die genannten "Erlässe" als gesetzwidrig aufzuheben.
3. Der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz hat im Verfahren V2,3/96 eine Äußerung erstattet, in der er ausführt, daß die genannten Erlässe "im wesentlichen keinen normativen Charater haben". Es sei bloß das Arzneimittelgesetz, BGBl. 185/1983 idgF, zitiert worden und "die Informationsweitergabe gesundheitspolitisch geradezu erforderlich" gewesen.
II. Die Anträge sind unzulässig.
1. Gemäß Art89 Abs1 B-VG steht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen den Gerichten nicht zu. Daraus ist abzuleiten, daß nur gehörig kundgemachte Verordnungen von den Gerichten anzuwenden sind. Voraussetzung einer Anfechtung einer Verordnung vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art89 Abs2 B-VG in Verbindung mit Art139 Abs1 B-VG "aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit" ist aber deren Anwendung durch das Gericht. Nimmt ein Gericht eine fehlerhafte, daher rechtswidrige Kundmachung einer Verordnung an, so wird damit implizit die Anwendung der Verordnung durch das Gericht, damit aber weiter die Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art89 Abs2 B-VG und Art139 Abs1 B-VG ausgeschlossen.
Ungeachtet des Umstandes, daß der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf Art139 Abs3 litc B-VG verhalten ist, Verordnungen auch auf ihre Kundmachung zu überprüfen und im Falle der gesetzwidrigen Kundmachung aufzuheben, ist es allen sonstigen Gerichten von Verfassungs wegen verwehrt, die Aufhebung einer Verordnung aus dem Grunde der gesetzwidrigen Kundmachung (, welche der nicht "gehörigen" Kundmachung im Sinne des Art89 Abs1 B-VG gleichkommt,) beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.
Dem entspricht die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. März 1996, G160/94 ua., und die vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur (vgl. VwSlg. 9283 A/1977, 9932 A/1979, 12192 A/1986, 12656 A/1988, 13954 A/1993) in Übereinstimmung mit der Lehre (Walter, Die Neuregelung der Verordnungs- und Gesetzesprüfung, in: Neuerungen im Verfassungsrecht, 1976, 79 ff., 84; Morscher, JBl. 1977, 662 (Erkenntnisbesprechung); Pichler, Wer hat die Kundmachung von Verordnungen zu prüfen? JBl. 1978, 561 ff.) vertretene Rechtsansicht, derzufolge Gerichte - mit Ausnahme des Verfassungsgerichtshofes (vgl. Art139 Abs3 litc B-VG) - davon auszugehen haben, daß nicht gehörig kundgemachte Verordnungen keinerlei Rechtswirkungen entfalten, und daß diese sohin von den Gerichten auch ohne Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof von vornherein nicht anzuwenden sind.
2. Haben nun die Gerichte in den bei ihnen anhängigen Verfahren die bezeichneten Erlässe auf Grund der von ihnen behaupteten fehlerhaften Kundmachung aber von vornherein nicht anzuwenden, so sind ihre Anträge an den Verfassungsgerichtshof, die Erlässe gemäß Art89 Abs2 B-VG in Verbindung mit Art139 Abs1 B-VG aufzuheben, schon mit Rücksicht auf jene Behauptung unzulässig.
3. Die Anträge waren daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückzuweisen.
Schlagworte
Verordnung Kundmachung, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Präjudizialität, ArzneimittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:V2.1996Dokumentnummer
JFT_10039381_96V00002_00