Entscheidungsdatum
15.04.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W261 2152084-4/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom 05.06.2018, Zl. XXXX zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: "BF" genannt) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 15.02.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).
Dieser Bescheid wurde dem BF am 21.02.2017 durch Hinterlegung zugestellt. Am 24.03.2017 wurde dem BF der Bescheid persönlich ausgefolgt.
Der BF erhob dagegen mit Eingabe vom 28.03.2017, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG). Aus Anlass eines Verspätungsvorhaltes des BVwG vom 18.05.2017 stellte der BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Mit Beschluss des BVWG vom 08.06.2017, Zlen W259 XXXX und W259 XXXX wies das BVwG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 02.06.2017 als unbegründet ab (Spruchteil I.) und wies die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2017 als verspätet zurück (Spruchteil I.).
Der BF stellte am 17.07.2017 den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des zu Zahl XXXX abgeschlossenen Verfahrens. Darin führte der BF aus, dass dem BF am 05.07.2017 im AKH Wien eine posttraumatische Belastungsstörung ebenso diagnostiziert worden sei, wie eine schwere depressive Episode mit hohem und unmittelbaren Suizidrisiko. Es würden die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen, weil es sich bei dieser Diagnose um eine Tatsache und ein Beweismittel handle, die bei Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden gewesen sei, deren Verwertung der Partei jedoch ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich gewesen sei (nova reperata). Im gegenständlichen Fall weise das in Vorlage gebrachte Beweismittel nach seinem objektiven Inhalt in Zusammenhalt mit den Tatsachen, dass der Wiederaufnahmswerber der Ethnie der Hazara angehöre und über kein soziales Netzwerk in Afghanistan verfüge, die Eignung auf, einen im Hauptinhalt des Spruches (§ 8 AsylG 2005) anderslautenden Bescheid herbeizuführen bzw. lasse die Richtigkeit des angenommenen Spruches in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen. Aufgrund der Krankheit würde der BF im Falle einer Rückführung nicht ausreichend für seinen Lebensunterhalt sorgen können, und es bestehe die Gefahr, dass der Wiederaufnahmswerber dem realen Risiko ausgesetzt wäre, in Afghanistan in eine Lage zu geraten, in der er seine tägliche Existenz nicht sichern könne und in menschenunwürdigen Lebensbedingungen leben müsse, weswegen eine Rückführung nach Afghanistan ihn in seinen nach Art. 3 EMRK und Art. 4 und 19 Abs. 2 GRC garantierten Rechten verletzten würde. Der Antrag sei rechtzeitig gestellt. Es werde beantragt, da abgeschlossene Verfahren wiederaufzunehmen und dem Wiederaufnahmeswerber im wiederaufzunehmenden Verfahren subsidiären Schutz zu gewähren.
Die belangte Behörde übermittelte den Akt mit Schreiben vom 08.08.2017 an der BVwG. Dieses erteilte dem BF mit Schreiben vom 30.08.2017 einen Verbesserungsauftrag, wonach er ersucht werde, mitzuteilen, ob sich der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme auf das mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2017 abgeschlossene Verfahren, oder auf das Zurückweisungsverfahren, abgeschlossen mit Beschluss des BVwG vom 08.06.2017, beziehe.
Nachdem der BF in seiner Stellungnahme vom 22.09.2017 ausdrücklich mitgeteilt habe, dass sich der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus das mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2017 abgeschlossene Verfahren beziehe, übermittelte das BVwG den Akt mit Schreiben vom 13.10.2017, Zl. W259 XXXX an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien (in der Folge belangte Behörde) vom 05.06.2018 wies diese den Antrag des BF vom 18.07.2017 auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 z. 2 AVG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der BF keinen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG geltend gemacht habe. Das vorgelegte medizinische Gutachten könne als neues Beweismittel nicht Grund für eine Wiederaufnahme sein. Aus dem vorgelegten Patientenbrief gehe nicht hervor, dass sich die Befundergebnisse auf einen psychischen Status beziehen würden, der auf "alten" Tatsachen beruhe, vielmehr belege dieser einen aktuellen Status. Zudem sei der Patientenbrief erst nach Abschluss des Verfahrens erstellt worden, und erfülle damit nicht die Voraussetzungen, die die Judikatur für "nova reperta" vorschreiben würde. Zudem sei auch die im § 69 Abs. 1 Z 2 AVG geforderte Bedingung, dass neu hervorgekommene Beweismittel oder Tatsachen dergestalt seien, dass sie alleine oder in Verbindung mit dem Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten, nicht erfüllt.
Die belangte Behörde stellte diesen Bescheid dem BF nachweislich am 09.10.2018 durch Hinterlegung zu.
Der BF brachte dagegen fristgerecht mit Eingabe vom 06.11.2018 eine Beschwerde ein. Darin führte der BF aus, dass vor dem Hintergrund, dass einerseits schon zum Zeitpunkt des abgeschlossenen Verfahrens die Tatsache offensichtlich gewesen sei, dass der BF bereits zum Zeitpunkt des abgeschlossenen Verfahrens an der im Patientenbrief festgestellten Krankheit gelitten habe, und andererseits notorisch sei, dass die im Patientenbrief diagnostizierte Krankheiten auf Dauer angelegt seien, und diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem belastenden Ereignis vor Asylantragstellung herrühren würden, sei davon auszugehen, dass der vorgelegte Patientenbrief als Wideraufnahmegrund tauglich sei. Das Verfahren sei nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG nur dann wiederaufzunehmen, wenn sich voraussichtlich - damit sei ein höherer Grad der Wahrscheinlichkeit gemeint - ein anderer Spruch in der Hauptsache ergeben hätte, diese Frage sei nach Sach- und Rechtslage zu beurteilen, die bei Erlassung des Verfahrens abschließenden Bescheides bestanden habe (VwGH 24.09.2014, 2012/03/0165). Es sei dem ursprünglichen Bescheid der belangten Behörde nicht zu entnehmen, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe. Es handle sich beim BF um eine vulnerable Person, die an Traumata leide, und für die eine innerstaatliche Fluchtalternative im konkreten Einzelfall nach den aktuellen UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 nicht zur Verfügung stehen würde. Hervorzuheben sei auch, dass der Patientenbrief nicht nur ein posttraumatisches Belastungssyndrom, sondern auch eine schwere Depression und Suizidalität diagnostiziert habe, welche eine laufende psychotherapeutische und fachärztliche Behandlung für angezeigt und dringlich erforderlich erachte. Es werde daher beantragt, dem Antrag auf Wiederaufnahme stattzugeben, eventualiter den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Die belangte Behörde übermittelte den Akt mit Schreiben vom 27.11.2018 an das BVwG, wo dieser am 30.11.2018 einlangte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheids und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
Abs. 3 leg. cit. lautet: Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
Der gegenständliche, fristgerecht eingebrachte, Antrag zielt darauf ab, das mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.02.2017 zur Zl. XXXX unter anderem im Hinblick auf Asyl und subsidiären Schutz rechtskräftig abgeschlossene Verfahren des Beschwerdeführers aufgrund neu hervorgekommener Beweismittel, genauer des Patientenbriefes des AKH Wien vom 05.07.2017, wonach der BF unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer schweren, rezidivierenden Depression leidet, im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG wiederaufzunehmen.
Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen, das heißt Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. VwGH 15. 12. 1994, 93/09/0434; 4. 9. 2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, das heißt Mittel zur Herbeiführung eines Urteiles über Tatsachen (vgl. VwGH 16. 11. 2004, 2000/17/0022; 24. 4. 2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.
Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens") (vgl. VwGH 17.2.2006, 2006/18/0031; 7.4.2000, 96/19/2240, 20.6.2001, 95/08/0036; 18.12.1996, 95/20/0672; 25.11.1994, 94/19/0145; 25.10.1994, 93/08/0123; 19.2.1992, 90/12/0224 u.a.).
Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es zwar notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor der höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten, und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, dass die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (vgl. VwGH 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105). Die Wiederaufnahme des Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (vgl. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0209).
Gegenständlich wurde zur Begründung des Wiederaufnahmeantrages der oben bereits genannte Patientenbrief des AKH Wien vom 05.07.2018 genannt, wonach der BF psychisch krank ist, und ihm aus diesem Grund subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen sei.
Der BF gab bereits vor der belangten Behörde bei seiner Ersteinvernahme am 29.09.2016 an, dass er das Medikament Mirtazapin 15 mg, ein Antidepressivum nehme, wie dies die belangte Behörde in den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Person des BF anführte. Daher ist davon auszugehen, dass die beim BF vorliegende und mit oben genannten Patientenbrief neuerlich bestätigte Depression bereits im Verfahren vor der belangten Behörde bekannt war, und auch in die Entscheidung der belangten Behörde miteingeflossen ist. Hinsichtlich der im Patientenbrief vom 05.07.2018 - neuen - Diagnose "posttraumatische Belastungsstörung" liegt, entgegen den Ausführungen des BF in dessen Beschwerde, eine neu hervorgekommene Tatsache vor, die nach den eindeutigen Bestimmungen des § 69 Abs. 2 Z 1 AVG als "nova producta" keinen Wiederaufnahmegrund darstellen.
Selbst wenn das genannte Beweismittel hinsichtlich der Diagnose "posttraumatische Belastungsstörung" beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden gewesen wäre, wäre dem Antrag auch inhaltlich nicht stattzugeben gewesen, weil das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweise allein nicht genügt, um das Verfahren wiederaufzunehmen. Es handelt sich bei diesem "Neuerungstatbestand" nämlich um einen relativen Wiederaufnahmegrund und ist für eine Wiederaufnahme weiters erforderlich, dass die neuen Tatsachen und Beweise voraussichtlich auch zu einem anderen Verfahrensergebnis führen würden (vgl. VwGH 14. 6. 1993, 91/10/0107; 27. 9. 1994, 92/07/0074; 22. 2. 2001, 2000/04/0195).
Die neuen Tatsachen müssen die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen (nova reperta). Neue Beweismittel dürfen nur geltend gemacht werden, wenn die zu beweisende Tatsache im abgeschlossenen Verfahren geltend gemacht wurde, die in Rede stehenden Beweismittel aber erst nach Abschluss des Verfahrens hervorkamen (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 § 69 Rz 7).
Es muss sich also um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel handeln, die den Sachverhalt betreffen und die, wenn sie schon im wiederaufzunehmenden Verfahren berücksichtigt worden wären, zu einer anderen Feststellung des Sachverhaltes und voraussichtlich zu einem im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid geführt hätten (VwGH 30.06.1998, 98/05/0033; 20.12.2005, 2005/12/0124; Mannlicher/Quell AVG § 69 Anm 6).
Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels im Wege über die Wiederaufnahme eines Verfahrens zu sanieren (VwGH 20.6.2002, 2002/07/0055).
Verfahrensgegenständlich hätten die nun geltend gemachten Beweismittel weder allein, noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens, aus folgenden Gründen voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anderslautende Entscheidung herbeigeführt:
Die belangte Behörde hat in deren Feststellungen im ursprünglichen Bescheid vom 15.02.2017 zur Situation des BF im Falle seiner Rückkehr richtigerweise festgestellt, dass beim BF keine chronischen oder lebensbedrohlichen Krankheiten festgestellt werden konnten. Auch die Einnahme des genannten Antidepressivums findet sich in den Feststellungen. Aus den im genannten Bescheid der belangten Behörde vom 15.02.2017 zitierten Länderinformationen finden sich auch Angaben zum Gesundheitssystem in Afghanistan, und dass es dem BF in seiner Herkunftsstadt Kabul möglich sein wird, in einer der beiden psychiatrischen Einrichtungen, dem Mental Health Hospital oder in der Universitätsklinik Aliabad behandeln zu lassen. Zwar sind Folgebehandlungen oft schwierig zu leisten, insbesondere, wenn kein unterstützendes Familienumfeld vorliegt. Aus den Feststellungen zur Person des BF ist im ursprünglichen Bescheid auch zu entnehmen, dass der BF Familienmitglieder in Kabul hat.
Die vom BF angegebene Depression und die posttraumatische Belastungsstörung steht einer Rückkehr nach Afghanistan demnach nicht entgegen, da aus den Länderfeststellungen eine medizinische Versorgung - auch hinsichtlich psychischer Erkrankungen - hervorgeht, und der BF - entgegen den Ausführungen in seiner Beschwerde, auf ein familiäres Netz in seinem Herkunftsstaat zurückgreifen wird können.
Für eine akute lebensbedrohende Krankheit des BF, welche eine Überstellung nach Afghanistan gemäß der strengen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verbieten würde, liegen im konkreten Fall aus der Aktenlage heraus, trotz des genannten Patientenbriefes des AKH vom 05.07.2018, keine Hinweise vor. Auch wurde nicht hinreichend konkret dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand des BF im Falle einer Überstellung derartig verschlechtern würde, sodass eine Überstellung iSd der Judikatur als unzulässig anzusehen wäre. Abgesehen davon werden von der Fremdenpolizeibehörde anlässlich einer allfälligen Abschiebung des BF auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit der Betroffenen beurteilt, sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.
Durch eine Rückkehr des BF nach Afghanistan wird Art. 3 EMRK somit nicht verletzt, zumal es ausreicht, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung grundsätzlich verfügbar sind, was im Herkunftsstaat des BF der Fall ist.
Die vorgelegten Beweismittel hätten daher keine im Hauptinhalt des Spruches anderslautende Entscheidung herbeiführen können. Der Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen inhaltlichen Verfahrens des BF war sohin spruchgemäß abzuweisen.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Antrag auf Wiederaufnahme als geklärt erschien, und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm. 9), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der
Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
mangelnder Anknüpfungspunkt, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2152084.4.00Zuletzt aktualisiert am
26.05.2020