TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/15 W262 2151254-2

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Veröffentlicht am 15.07.2019
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Entscheidungsdatum

15.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W262 2151254-2/3E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2019, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A) In Stattgebung der Beschwerde wird Spruchpunkt VII. des

angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 05.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz als BFA oder "belangte Behörde" bezeichnet) vom 08.03.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.03.2018, W123 2151254-1/8E als unbegründet abgewiesen.

3. Der Beschwerdeführer kam der Verpflichtung zur Ausreise nicht nach. Am 16.06.2018 wurde der Beschwerdeführer in XXXX aufgegriffen und hinsichtlich seiner Verpflichtung zur Ausreise belehrt; auch dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach.

4. Im Rahmen des zur beabsichtigten Schubhaft gewährten Parteiengehörs vom 19.12.2018 stellte der nunmehr anwaltliche vertretene Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz und gab begründend an, er wolle dadurch eine Abschiebung nach Afghanistan verhindern. Sein nunmehriger Antrag solle auf "seiner Krankheit beruhen". Mit Bescheid vom selben Tag wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Bei seiner Erstbefragung zum Folgeantrag Asyl durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 20.12.2018 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, seit der negativen Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz psychisch krank zu sein und in Afghanistan von den Taliban verfolgt zu werden.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.12.2018, G311 2211614-1/8E, wurde der Beschwerde gegen den die Schubhaft anordnenden Bescheid vom 19.12.2018 stattgegeben, die Anhaltung vom 19.12.2018 bis 27.12.2018 für rechtswidrig erklärt und festgestellt, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen.

6. Bei seiner Einvernahme vor der BFA am 11.02.2019 legte der Beschwerdeführer diverse medizinische Unterlagen vor. In der Folge beauftragte die belangte Behörde am 01.03.2018 einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie mit der Erstellung eines Gutachtens zu diversen Fragestellungen betreffend den psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers.

7. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA am 28.05.2018 wurde ihm (auch) die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens vom 02.04.2019 gewährt. Darüber hinaus gab der Beschwerdeführer u.a. an, sich seit "Ende Dezember 2018" für das Christentum zu interessieren und die "Life Church" in Leoben zu besuchen. Am 11.06.2018 erstattete der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme.

8. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17.06.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 19.12.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist zur freiwilligen Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Der Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.)

Die belangte Behörde traf Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere zu seinem Gesundheitszustand und zu seinem religiösen Bekenntnis, zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates, zur Situation im Falle seiner Rückkehr sowie zur Lage in Afghanistan.

Das BFA stellte ausdrücklich fest, dass ein Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 vorliege, jedoch kein ernsthafter innerer Willensentschluss vermittelt werden könne, dass sich der Beschwerdeführer dem Christentum zugewandt habe. Zu seinem Gesundheitszustand führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer weder lebensbedrohlich erkrankt, noch eingeschränkt arbeitsfähig sei und posttraumatische Belastungsstörungen bzw. reaktiv-depressive Zustandsbilder auch in Afghanistan behandelbar seien.

Der Beschwerdeführer, der in der Provinz Badakhshan geboren, jedoch in Kabul aufgewachsen und dort Schule und Universität besucht habe, habe keine gegen ihn gerichtete Verfolgungsgefahr aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, politischer Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe glaubhaft gemacht bzw. behauptet. Auch sonst seien im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die auf eine mögliche Asylrelevanz hindeuten würden. Der Beschwerdeführer wäre im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan keiner Gefährdungssituation ausgesetzt. Er sei arbeitsfähig und seine Eltern, ein Bruder und eine Schwester seien in Afghanistan aufhältig und würden dort auch über Grundbesitz verfügen. Darüber hinaus könne ihn auch sein in Österreich aufhältiger Bruder unterstützen. Er würde daher nicht in eine ausweglose Situation geraten. Es bestehe angesichts der Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif.

Der Beschwerdeführer halte sich erst seit seiner illegalen Einreise im April 2016 in Österreich auf; bis April 2018 (Frist zur freiwilligen Ausreise nach dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.03.2018, W123 2151254-1/8E) auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005; dies wieder seit Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vom 19.12.2018. Der Bruder des Beschwerdeführers lebe seit über zehn Jahren mit seiner Familie in Österreich; es bestehe jedoch kein gemeinsamer Haushalt. Zusammenfassend liege kein schützenswertes Privatleben vor. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die afghanische Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenüberstehen würde. Es bestehe nach wie vor eine starke Bindung zum Herkunftsstaat.

Weiters wurde näher begründet, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei und keine Frist zur freiwilligen Ausreise bestehe.

Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (Spruchpunkt VII.) führte die belangte Behörde aus, dass eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliege und bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Menschenrechtsverletzung drohe. Zur Verhängung eines zweijährigen Einreiseverbotes (Spruchpunkt VIII.) führte das BFA zusammengefasst aus, dass ein unbegründeter und missbräuchlicher Asylantrag vorliege und jedenfalls auch eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit vorliege.

9. Gegen diesen Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der u.a. beantragt wurde, den "Spruchpunkt betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu beheben", da "keine derart massiven Gründe bestehen, welche die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen würden". Dazu führte der Beschwerdeführer weiters aus, dass eine Abschiebung nach Afghanistan jedenfalls eine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK sowie der Zusatzprotokolle zur GFK bewirken würde.

10. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 09.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem unter Punkt I. dargestellten Verfahrensgang.

Auf Grundlage des hg. zu W123 2151254-1 protokollierten Aktes, insbesondere des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.03.2018, W123 2151254-1/8E, der Niederschriften über die Befragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der Niederschrift über seine weitere Einvernahmen durch die belangte Behörde, das Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 02.04.2019, des Beschwerdevorbringens, der Länderberichte zur Lage in Afghanistan sowie anhand des sonstigen Akteninhaltes werden folgende Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in der Provinz Badakhshan geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken; seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer zog im Laufe seiner Kindheit mit seinen Eltern nach Kabul und absolvierte dort die Schule und die Universität.

Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 05.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieses Verfahren wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.03.2018, W123 2151254-1/8E, rechtskräftig negativ beendet.

Der Beschwerdeführer stellte am 19.12.2018 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

In der Einvernahme vor dem BFA am 28.05.2019 gab der Beschwerdeführer u.a. an, zum Christentum konvertiert zu sein.

Eine Verletzung der genannten, durch die EMRK garantierten Rechte des Beschwerdeführers bei einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan kann insbesondere (auch) im Hinblick auf die behauptete Konversion und den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

Im Hinblick auf die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan ist zwar festzuhalten, dass die afghanische Regierung nach wie vor die Kontrolle über Städte (insbesondere Kabul, Mazar-e Sharif und Herat) sowie größere Transitrouten innehat, es ist jedoch auszuführen, dass die Sicherheitslage (auch) in den urbanen Gebieten nach wie vor angespannt ist. Hinsichtlich der in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist anzuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist und dass Personen, die sich dort ohne jegliche familiäre Bindung, Fachausbildung und Geldmittel ansiedeln, mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein können.

Die Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatprovinz Badakhshan wurde von der belangten Behörde selbst ausgeschlossen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen über Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort, Volksgruppenzugehörigkeit sowie Muttersprache des Beschwerdeführers stützen sich auf die diesbezüglich gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Verlauf der Asylverfahren.

Das Datum der Antragstellungen basiert auf dem Inhalt der Verwaltungsakten.

Das Vorbringen zu den gesundheitlichen Einschränkungen und der Konversion des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in seinen Einvernahmen vor dem BFA, den Ausführungen in der Beschwerde und den im Verwaltungsakt einliegenden Unterlagen.

Die Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Berichtsmaterial, insbesondere aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation 29.06.2018 samt Kurzinformationen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Derartige Regelungen kommen für das vorliegende Verfahren nicht zur Anwendung, weshalb es der Einzelrichterzuständigkeit unterliegt.

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

3.1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Bestimmung des § 18 BFA-VG lautet wie folgt:

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."

3.2. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) ergangen war:

In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof hierzu fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und es könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Schließlich hielt der Verwaltungsgerichtshof auch fest, dass eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen habe (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 24.06.2015, Ra 2015/21/0054, im Zusammenhang mit einem bei ihm eingebrachten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung festgehalten, dass eine Rückkehrentscheidung im Falle der Anhaltung in Strafhaft gemäß § 59 Abs. 4 FPG nicht durchsetzbar sei. Auch ein Einreiseverbot entfalte demnach erst mit der Ausreise des Fremden und des dadurch ausgelösten Beginns der Frist des Einreiseverbotes Wirksamkeit (§ 53 Abs. 4 FPG).

3.3. Für die vorliegende Beschwerdesache bedeutet dies Folgendes:

3.3.1. Der Beschwerdeführer beantragt in der Beschwerde den "Spruchpunkt betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu beheben", da "keine derart massiven Gründe bestehen, welche die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen würden". Dazu führte der Beschwerdeführer weiters aus, dass eine Abschiebung nach Afghanistan jedenfalls eine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK sowie der Zusatzprotokolle zur GFK bewirken würde.

Die belangte Behörde begründet die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung mit dem Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung und der Feststellung, dass bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Menschenrechtsverletzung drohe.

3.3.2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.03.2018, W123 2151254-1/8E, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 05.04.2016 rechtskräftig negativ beendet und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen.

Die Beschwerdeausführungen zeigen jedoch im Falle einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Afghanistan vorderhand die reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2, 3 EMRK auf. Ob eine entsprechende reale Gefahr vorliegt, wird erst durch eine Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers, insbesondere zu seiner behaupteten Konversion anhand des im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Berichtsmaterials zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan nach allfälliger Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beurteilen sein.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich bei dieser um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen scheint, dass die Angaben des Beschwerdeführers als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Insbesondere im Hinblick auf die behauptete Konversion sowie die der aktuellen Berichtslage entnommene Verschärfung der Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul und anderen Städten Afghanistans kann eine Verletzung des Beschwerdeführers in den nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechten nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Angesichts des im Rahmen eines (binnen einer Woche abzuschließenden) Verfahrens nach § 18 BFA-VG eingeschränkten Prüfungsmaßstabes und des Vorbringens des Beschwerdeführers ist aus vorläufiger Sicht - unvorgreiflich des Ergebnisses der vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat sowie der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers - anzunehmen, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde.

Sohin ist der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

3.4. Der die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkennende Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ist daher aus den angeführten Gründen mittels des vorliegenden Teilerkenntnisses ersatzlos zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet, wird darüber gesondert entschieden werden.

3.5. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Der im vorliegenden Fall entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Insbesondere stand bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. VwGH 24.02.2015, Ro 2014/05/0097).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen,
Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W262.2151254.2.00

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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