Entscheidungsdatum
31.07.2019Norm
AsylG 2005 §13 Abs4Spruch
W158 2212466-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid vom XXXX bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, ein Aufenthaltstitel wurde dem BF nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt.
I.2. Am XXXX wurde das BFA verständigt, dass gegen den BF Anklage erhoben worden sei.
I.3. Mit Bescheid vom XXXX , dem BF am XXXX zugestellt, sprach das BFA aus, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt ab dem XXXX verloren habe und verwies begründend auf die gegen den BF eingebrachte Anklage.
I.4. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.5. Am XXXX erhob der BF Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und beantragte - erkennbar - die ersatzlose Behebung des Bescheids.
Begründend wurde ausgeführt, gegen den BF sei ein Strafantrag und keine Anklage erhoben worden, was das BFA verkannt habe. Die gesetzlichen Voraussetzungen zum Verlust des Aufenthaltsrechts lägen daher nicht vor. Im Übrigen verstoße diese Bestimmung gegen die Unschuldsvermutung, weswegen eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof angeregt wurde.
I.6. Am XXXX langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt.
II.1. Sachverhaltsfeststellungen:
Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX vollinhaltlich abgewiesen. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und dem BF eine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt. Dagegen hat der BF Beschwerde erhoben. Diese ist zu W158 2212466-1 anhängig.
Der Bezirksanwalt der Staatsanwaltschaft XXXX stellte am XXXX beim Bezirksgericht XXXX einen Strafantrag gegen den BF wegen des Verdachts der Körperverletzung am XXXX .
II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts. Der Sachverhalt wurde im Wesentlichen bereits vom BFA festgestellt. Dieser wurde in der Beschwerde nicht bestritten, sondern vielmehr dessen Richtigkeit zugestanden. Es bestehen daher für das Bundesverwaltungsgericht daran keine Zweifel, zumal jener durch den Akteninhalt bestätigt wird.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).
§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.
II.3.2. Zu Spruchpunkt II. A)
§ 13 AsylG idgF lautet:
"(1) Ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.
(2) Ein Asylwerber verliert sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn
1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),
2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,
3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl. Nr. 631/1975) oder
4. der Asylwerber bei Begehung eines Verbrechens § 17 StGB auf frischer Tat betreten worden ist.
Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.
(3) Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.
(4) Das Bundesamt hat im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen."
Der BF bestreitet, dass durch das Einbringen eines Strafantrags die Voraussetzung des § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG, auf den sich das BFA stützt, erfüllt sei, da dieser von einer Anklage spreche, während gegen den BF nur ein Strafantrag eingebracht worden sei. Diesem Vorbringen steht jedoch der eindeutige Wortlaut des zwölften Hauptstücks der StPO entgegen: Nach § 210 Abs. 1 StPO hat "die Staatsanwaltschaft bei dem für das Hauptverfahren zuständigen Gericht Anklage einzubringen; beim Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht mit Anklageschrift, beim Landesgericht als Einzelrichter und beim Bezirksgericht mit Strafantrag." Es handelt sich daher bei einem Strafantrag und einer Anklageschrift lediglich um verschiedene Formen der Anklage hinter der sich unterschiedliche Überprüfungsmöglichkeiten verbergen (siehe auch Birklbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO Vor §§ 210-215, Rz 27ff). § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG spricht jedoch explizit von einer Anklage und nicht von einer Anklageschrift, sodass entgegen der Ansicht des BF darunter auch ein Strafantrag zu verstehen ist.
Auch das Vorbringen hinsichtlich der Verletzung der Unschuldsvermutung verfängt nicht. Mit dem Verlust des Aufenthaltsrechts nach § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG wird nämlich keine Aussage darüber getroffen, ob ein Straftatbestand verwirklicht wurde, sondern lediglich festgestellt, dass eine Anklage im oben beschriebenen Sinn gegen den BF eingebracht wurde. Bereits deswegen liegt kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung vor, zumal im Falle eines Freispruchs, einer Einstellung des Verfahrens oder eines Rücktritts von der Verfolgung das Aufenthaltsrecht ex lege rückwirkend wieder auflebt. Abgesehen davon handelt es sich beim Ausspruch über den Verlust des Aufenthaltsrechts um keine Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage, sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme, die nicht der Unschuldsvermutung nach Art. 6 EMRK beziehungsweise Art. 48 Abs. 1 GRC unterliegt (vgl. VfGH 14.3.2012, U 466/11 = VfSlg 19.632; vgl. weiters EGMR 5.10.2000, Maaouia/Frankreich, 39652/98, Rz 38f, sowie EGMR 10.6.2010, Garayev/Aserbaidschan, 53688/08, Rz 109, mwN, wonach Entscheidungen über den Eintritt, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden keine Entscheidung über eine strafrechtliche Anschuldigung gegen sie iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK betreffen; vgl. so zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten VwGH 04.04.2019, Ro 2018/01/0014 mwN und zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0349, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht sieht sich daher auch nicht veranlasst, der Anregung des BF, diese Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, zu folgen.
Nach § 13 Abs. 4 AsylG hat das Bundesamt im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechts abzusprechen. Fraglich ist im gegebenen Zusammenhang, was unter der Wendung "verfahrensabschließenden Bescheid" zu verstehen ist und ob das BFA berechtigt ist, den Verlust des Aufenthaltsrechts in einem eigenständigen Bescheid festzustellen:
§ 13 Abs. 4 AsylG spricht von einem "verfahrensabschließenden Bescheid", einem Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechts hat daher ein Verfahren voranzugehen. Da über den Verlust des Aufenthaltsrechts jedoch kein eigenes Verfahren geführt wird, kann mit dem Ausdruck "verfahrensabschließenden Bescheid" in § 13 Abs. 4 AsylG nur der das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz abschließende Bescheid gemeint sein. Für einen eigenständigen Bescheid mit dem über einen nachträglichen Verlust des Aufenthaltsrechts abgesprochen wird, ist daher nach dem klaren Wortlaut des § 13 AsylG kein Raum. Dafür besteht auch keine Notwendigkeit, zumal der Verlust des Aufenthaltsrechts grundsätzlich ex lege eintritt und der Feststellung durch das BFA lediglich deklarative Wirkung zukommt
(Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 13 K 11, 19). Die fehlende Notwendigkeit eines eigenständigen Bescheids ergibt sich auch daraus, dass der Aufenthalt eines Asylwerbers unabhängig vom Vorliegen einer Bleibeberechtigung bis zur Entscheidung über eine Beschwerde illegal im Sinne der Richtlinie 2008/115 ist (EuGH 19.06.2018, Gnandi, C-181/6, Rn 59). Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal keine beantragt wurde, es sich um reine Rechtsfragen handelt und bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
II.3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Soweit ersichtlich besteht zu den gegenständlichen Rechtsfragen keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs. Die Revision war aufgrund des klaren und eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Regelungen jedoch trotzdem nicht zuzulassen (VwGH 27.02.2018, Ra 2016/05/0021).
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W158.2212466.2.00Zuletzt aktualisiert am
26.05.2020