TE Bvwg Beschluss 2019/8/21 W127 2166929-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.08.2019
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Entscheidungsdatum

21.08.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W127 2166929-3/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2019, Zl. 1100926707-190806449, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2019, Zl. 1100926707-190806449, ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der von der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betroffene Fremde ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 04.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Die Antragstellung wurde im Wesentlichen dahingehend begründet, dass es im Rahmen eines Grundstücksstreits zu physischen Übergriffen gekommen sei und die gegnerische Familie in weiterer Folge der Familie des Antragstellers vorgeworfen habe, eines ihrer Familienmitglieder getötet zu haben. Der Vater und ein Onkel des Antragstellers seien daraufhin fünf Jahre lang inhaftiert worden. Der Antragsteller selbst sei immer wieder bedroht worden und hätten Angehörige der gegnerischen Familie versucht, den Antragsteller zu töten.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2017, Zl. 1100926707-160010758, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 04.01.2016 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen; gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.).

3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.10.2018, GZ. W261 2166929-1/21E, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde dem Vertreter des Antragstellers am 23.10.2018 zugestellt und ist rechtskräftig.

4. Der Antragsteller wurde am 30.07.2019 von Frankreich nach Österreich rücküberstellt und brachte einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dabei stützte sich der Antragsteller auf die im ersten Asylverfahren vorgebrachten Ausreisegründe.

5. Am 02.08.2019 wurde dem Antragsteller mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben.

Unter einem wurden dem Antragsteller Länderfeststellungen zu Afghanistan - das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, Stand 04.06.2019 - zur allfälligen Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme bis zum Einvernahmetermin am 07.08.2019 übermittelt.

6. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.08.2019 gab der Antragsteller im Beisein der Rechtsberaterin und eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, bei der Erstbefragung am 30.07.2019 sei ihm vom Dolmetscher gesagt worden, er könne seine neuen Fluchtgründe dann bei der Einvernahme angeben, erst die nächste Einvernahme sei wichtig. Außerdem sei falsch protokolliert worden, dass er sunnitischen Glaubens sei, denn er sei Schiit.

Zu den neuen Fluchtgründen gab der Antragsteller an, die Lage habe sich verschärft. Als er in Frankreich gewesen sei, habe er wieder mit seiner Familie Kontakt aufgenommen und von seinem jüngeren Bruder erfahren, dass die Familie nach Afghanistan abgeschoben worden und in das Heimatdorf zurückgekehrt sei. Eine Schlichtung der Probleme der Familie mit den Feinden durch den Dorfältesten sei gescheitert und drei Tage danach sei die jüngere Schwester des Antragstellers entführt und getötet worden. Die Familie des Antragstellers sei dann aus Angst in den Iran geflüchtet. Die Schwester sei bereits im Jahr 2016 getötet worden, der Antragsteller habe dies aber erst vor etwa drei Monaten erfahren.

Über Befragen zu den am 02.08.2019 ausgefolgten Länderfeststellungen gab der Antragsteller an, diese würden nur zum Teil stimmen. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei extrem schlecht.

Zu der geplanten weiteren Vorgangsweise des Bundesamtes - Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Sache und Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes - gab der Antragsteller an, er könne wegen seiner Feinde nicht nach Afghanistan zurückkehren; er würde dort getötet. Bei den Feinden handle es sich um ehemalige Mujaheddin-Kämpfer; die Probleme würden seit 2012 oder 2013 bestehen.

Im Anschluss an die Befragung wurde mündlich verkündet, dass der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben werde. Das Bundesamt stellte fest, dass der Antragsteller angegeben habe, dass die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren aufrecht wären. Er habe auch neue Fluchtgründe vorgebracht. Der neue Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände könne nicht festgestellt werden, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Beweiswürdigung hielt das Bundesamt fest, dass die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren aufrecht seien und das Fluchtvorbringen sowohl vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch vom Bundesverwaltungsgericht als nicht glaubhaft gewertet worden seien. Bei dem ergänzenden Vorbringen im gegenständlichen Verfahren handle es sich um gesteigertes Vorbringen bzw. weise dieses keinen glaubhaften Kern auf, zumal die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren aufrecht seien und als nicht glaubhaft gewertet worden seien. Weiters handle es sich um einen Sachverhalt, der bereits vor Rechtskraft des Erstverfahrens entstanden sei. Es sei nicht glaubhaft, dass der Antragsteller erst vor drei Monaten bei einem Telefonat mit seinem Bruder davon erfahren habe. Es liege somit entschiedene Sache vor.

In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesamt aus, gegenständlich liege ein Folgeantrag vor und die ausgesprochene Rückkehrentscheidung sei aufrecht. Auch die Lage im Herkunftsstaat des Antragstellers und dessen persönliche Verhältnisse hätten sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Da alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vorliegen würden, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

7. Mit Stellungnahme vom 08.08.2019 wies die Vertreterin des Antragstellers darauf hin, dass im Erstverfahren ausgesprochen worden sei, dass - entgegen der Beweiswürdigung des gegenständlichen Bescheides - das Fluchtvorbringen des Antragstellers glaubwürdig, substantiiert und detailreich sei; eine Rückkehr des Antragstellers in seine Herkunftsprovinz sei nicht möglich, ihm stehe jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat offen.

Des Weiteren habe sich das Bundesamt mit einer innerstaatlichen Fluchtalternative überhaupt nicht auseinandergesetzt und sei aus dem Bescheid nicht ersichtlich, wohin der Antragsteller abgeschoben werden sollte.

Der Bescheid enthalte hauptsächlich Textbausteine und keine umfassende Würdigung des konkreten Einzelfalles. Der Bescheid enthalte auch keinerlei Länderberichte, die der Entscheidung zugrunde gelegt worden seien. Eine in der Einvernahme abgegebene Stellungnahme der Rechtsberaterin sei in keiner Weise gewürdigt, sondern vollkommen ignoriert worden.

Schließlich wies die Vertreterin des Antragstellers darauf hin, dass es auch bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 12a Abs. 2 Z 1 bis 3 im Ermessen des Bundesamtes liege, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Die für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen (vgl. VwGH 22.05.2012, 2008/04/0076; 29.01.2014, 2013/03/0148) habe das Bundesamt nicht dargelegt.

Eine Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes sei im vorliegenden Fall daher weder zulässig noch gerechtfertigt.

8. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte den Verwaltungsakt mit dem gemäß § 62 Abs. 2 AVG beurkundeten Bescheid vom 07.08.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vor. Der Akt langte bei der zuständigen Gerichtsabteilung W127 am 13.08.2019 ein, worüber das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG in Kenntnis gesetzt wurde.

9. Auf telefonische Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.08.2019 mit, dass der Antragsteller "untergetaucht" sei; derzeit gebe es auch noch keinen Termin für eine Abschiebung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Er ist in der afghanischen Provinz Bamyan geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise gelebt.

Der Grund für die Ausreise des Antragstellers aus Afghanistan war Furcht vor Verfolgung aufgrund von Blutrache seitens verfeindeter Nachbarn im Zusammenhang mit einem privaten Grundstücksstreit. Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Antragsteller bei einer Überstellung nach Afghanistan in seine Herkunftsprovinz Bamyan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Der Antragsteller hat Afghanistan verlassen, ist in das Bundesgebiet eingereist und hat am 04.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2017 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen wurde. Mit dieser Entscheidung wurde auch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.10.2018, GZ. W261 2166929-1/21E, zugestellt am 23.10.2018, rechtskräftig abgewiesen.

Der Antragsteller ist seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat nicht nachgekommen, sondern hielt sich bis Juli 2018 in Frankreich auf.

Am 30.07.2019 brachte der Antragsteller nach seiner Rücküberstellung aus Frankreich neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Er bezog sich dabei auf Gründe, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des ersten Verfahrens bestanden haben, gab beim Bundesamt aber an, ungefähr im Mai 2018 von einem Bruder erfahren zu haben, dass nach einer Rückkehr der Familie nach Bamyan im Jahr 2016 eine Schwester des Antragstellers entführt und getötet worden sei.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Antragstellers, dem ersten Asylverfahren und dessen Erledigung sowie zu den Ausreisegründen aus Afghanistan und einer Gefährdung bei einer Rückkehr in die Heimatprovinz ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und dem hg. Gerichtsakt zum ersten Asylverfahren, GZ. W261 2166929-1.

Die Feststellungen zum zweiten, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und dem hiezu erstatteten Vorbringen des Antragstellers ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A)

Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde im vorliegenden Fall ordnungsgemäß durchgeführt. Es wurde dem Antragsteller Parteiengehör eingeräumt, er wurde am 31.08.2019 befragt und wurde ihm die Möglichkeit der Stellungnahme zu den maßgeblichen Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat eingeräumt. Mit Verfahrensanordnung vom 24.07.2019 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 aufzuheben.

Gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wenn der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt hat und kein Fall des Abs. 1 vorliegt, den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 12a Abs. 6 erster Satz AsylG 2005 bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt.

Ein Folgeantrag im Sinne von § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

§ 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Zu prüfen ist sohin, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall vorliegen:

Das Verfahren über den ersten Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz vom 04.01.2016 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2017 und Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 18.10.2018, zugestellt am 23.10.2018, rechtskräftig abgeschlossen.

Bei dem neuerlichen Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz vom 30.07.2019 handelt es sich um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

Gegen den Antragsteller liegt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor, die jedenfalls weniger als 18 Monaten nach einer Ausreise des Fremden erlassen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, 0452, darauf hingewiesen, dass die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ausführen, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0010-15).

Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde im Rahmen einer Grobprüfung somit eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen, ob der neuerliche Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Im verfahrensgegenständlichen Antrag (Folgeantrag) bringt der Antragsteller Sachverhalte vor, die sich bereits vor Rechtskraft des Erkenntnisses vom 18.10.2018 ereignet haben und die ihm lediglich erst später zur Kenntnis gelangt seien.

Bei nach Erlassung des Bescheides hervorgekommenen Umständen, welche dessen Unrichtigkeit dartun, handelt es sich nicht um eine Änderung des Sachverhalts. Sie bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 25, Stand 01.03.2018, rdb.at; vgl. auch VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029).

Das neue Vorbringen des Antragstellers betreffend seine Ausreisegründe ist daher nicht geeignet, einen geänderten Sachverhalt darzutun, auch wenn das Bundesamt in dem zu überprüfenden Bescheid aktenwidrig davon ausgegangen ist, dass das Vorbringen des Antragstellers im ersten Asylverfahren vom Bundesverwaltungsgericht als unglaubhaft festgestellt worden sei.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich im Bescheid vom 07.08.2019 allerdings in keiner Weise damit auseinandergesetzt, ob der Antragsteller in seinen Heimatort zurückkehren kann bzw. ob - und wo - ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative (weiterhin) offensteht. Die im Bescheid enthaltenen Feststellungen zu Afghanistan stützen sich auf einen kurzen Auszug aus einem nicht hinreichend aktuellen Länderbericht aus dem Juni 2018 (vgl. hiezu VfGH 12.12.2018, E3930/2018), dem keine Informationen über die aktuelle Lage in den für eine Neuansiedlung in Frage kommenden Regionen zu entnehmen sind und der schon aufgrund des Informationsstandes keine Beurteilung zulässt, ob im Herkunftsstaat eine relevante Lageänderung eingetreten ist (zur Relevanz von Lageänderungen im Herkunftsstaat vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307; 24.01.2019, Ro 2018/21/0011). Auch davon ausgehend, dass der Antragsteller kein hinreichendes Vorbringen zu einer Änderung des Sachverhaltes hinsichtlich der Voraussetzungen für die Gewährung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten erstattet hat, ist anhand des vorliegenden Ermittlungsergebnisses eine relevante Änderung der Lage in Afghanistan nicht von vornherein auszuschließen.

Wie vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Judikat zu Ra 2018/19/0010 vom 12.12.2018 festgehalten, verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, "dass die beschleunigte Abwicklung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht in erster Linie anhand des Ergebnisses der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bis dahin vorgenommenen Ermittlungen zu erfolgen hat. Lässt dieses Ermittlungsergebnis aber die einwandfreie Beurteilung im Rahmen der Grobprüfung nicht zu, sondern bedarf es dafür erheblicher ergänzender Ermittlungen, kann diese von der Behörde zu vertretende Mangelhaftigkeit nicht zum Nachteil des Fremden ausschlagen." Im derzeitigen Verfahrensstadium und aufgrund der hier lediglich vorzunehmenden Grobprüfung kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Antrag auf internationalen Schutz vom 30.07.2019 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Somit ist jedenfalls eine der drei Voraussetzungen, unter denen der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden, ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG ist dem Gesetz nach in diesem Fall nicht möglich.

Der (fingierten) Beschwerde im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes war somit stattzugeben und der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2019 aufzuheben (zur Formulierung des Spruches vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0010, Rz 31).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W127.2166929.3.00

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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