TE Bvwg Beschluss 2019/10/16 W156 2178504-2

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Veröffentlicht am 16.10.2019
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Entscheidungsdatum

16.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch

W156 2178504-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über den Antrag des R XXXX M XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. B XXXX , auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung am 25.09.2019 und Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen:

A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Das BFA wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 31. 01.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 38/2011, ab (Spruchpunkt I.), wies den Antrag auf Zuerkennung des Status als Subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. ab (Spruchpunkt II.), erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 leg.cit. keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57, erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, erklärte die Abschiebung nach Afghanistan als zulässig (Spruchpunkt III.), und setzt die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen fest (Spruchpunkt IV.).

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2018 fristgerecht Beschwerde.

4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.09.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Weder der Beschwerdeführer noch sein mittlerweile neu gekürter Rechtsvertreter erschienen trotz nachweislicher Ladung zur Verhandlung.

5. Am 25.09.2019 verkündete die Richterin mündlich das Erkenntnis W156 2178504-1/11Z, mit dem die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde.

6. Am 26.09.2019 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein. Der Beschwerdeführer-Vertreter führte aus, dass die automatisch ausgedruckte Ladung zur mündlichen Verhandlung durch einen Luftzug vom Drucker in einen schmalen Spalt zwischen Schrank und Wand gefallen sei und dort erst am 26.09.2019 entdeckt wurde. Daher habe der Rechtsvertreter erst am 25.09.2019 durch die Zusendung des mündlich verkündeten Erkenntnisses von der Versäumung der mündlichen Verhandlung erfahren.

Zudem legte der Rechtsvertreter eine eidesstattliche Erklärung der Kanzleileiterin vor. Diese gab an, dass sie den ERV-Eingang ausgelesen habe und die Schriftstücke vom System automatisch ausgedruckt werden. Sie könne nicht mehr rekonstruieren, wie die Ausdrucke in den Spalt gelangt seien, sie vermute einen Windstoß durch die im Hochsommer geöffneten Fenster.

7. Der Beschwerdeführer stellte am 30.09.2019 einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.

8. Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses erging am 16.10.2019 unter der Zahl W156 2178504-1/14E.

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt.

2. Beweiswürdigung:

In der Gesamtbetrachtung der Umstände ist hervorgekommen, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung unbestritten in die Sphäre des Rechtsvertreters gelangt ist und die Vorgehensweise der Kanzleileiterin den Grad des minderen Versehens überschritten hat.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

Zu Spruchteil A)

Die Bestimmungen des VwGVG über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lauten wie folgt:

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das

Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf

Vorlage Kenntnis erlangt hat, bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

Höchstgerichtliche Judikatur:

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre die Auffassung, dass als "Ereignis" nicht nur tatsächliches, in der Außenwelt stattfindendes, sondern prinzipiell jedes, auch inneres, psychisches Geschehen, ein psychologischer Vorgang - einschließlich der "menschlichen Unzulänglichkeit" - anzusehen sei (vgl. VwSlg 10.325 A/1980; 13.353 A/1991; VwGH 27.01.1981, 11/0122/80, 16.01.1991, 89/01/0399; 17.11.1994, 94/09/0218; Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (2009), § 71 Rz 34).

Der Verwaltungsgerichtshof hat, ausgehend von der Deutung des Begriffes Ereignis, in jüngerer Zeit wiederholt die Auffassung vertreten, auch ein Rechtsirrtum könne als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen und es sei, wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht wird, im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen (Hinweis E 12.12.1980, 2786/78, VwSlg 10325 A/1980, 3.12.1982, 82/08/0212, 25.9.1990, 90/07/0012, und 24.2.1992, 91/10/0251; B 3.9.1996, 96/04/0134, und 11.3.1998, 97/01/1099, 1100; E 2.7.1998, 97/06/0056, und B 13.1.1999, 98/01/0637). Diese Ansicht wird auch vom Obersten Gerichtshof zu § 146 ZPO vertreten (OGH 23.5.1996, 8 Ob A 2045/96k).

Diese Judikatur ist unzweifelhaft auch auf den gleichlautenden Begriff "unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis" in § 33 Abs. 1 Z 1 VwGVG, der erkennbar § 71 Abs. 1 Z 1 AVG nachgebildet ist, übertragbar.

Als Ereignis ist jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen, auch ein Irrtum kann ein Ereignis sein. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann (VwSlg 9024 A). Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. z.B. VwGH 07.06.2000, Zl. 99/01/0337).

Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden. Die Partei muss also jene Umstände, durch die sie an der Vornahme der Prozesshandlung gehindert wurde, konkret beschreiben. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die Partei Beweismittel anbieten muss, durch die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes dargetan wird. Es ist allein das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu prüfen. Eine amtswegig Prüfung, ob allenfalls weitere Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag kann der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund auch nicht mehr ausgewechselt werden (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223).

Auf den Anlassfall bezogen:

Obzwar die Antragstellung innerhalb der in § 33 Abs. 3 VwGVG normierten Frist erfolgte, war der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus folgendem Grund unberechtigt:

Das vorgebrachte Ereignis - das Verwehen eines ausgedruckten Dokumentes durch einen Windstoß und Hineingeraten in einen Spalt zwischen Schrank und Wand - stellt zwar ein unvorhersehbareres Ereignis dar. Das Handeln der Kanzleileiterin als Beauftragte des Beschwerdeführer-Vertreters überstieg jedoch fallbezogen den minderen Grad des Versehens.

Der bevollmächtigte Rechtsanwalt muss die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür Sorge zu tragen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl zB VwGH vom 29. April 2011, 2011/02/0111, mwN).

Aus den Ausführungen geht hervor, dass die Kanzleileiterin den ERV-Posteingang geprüft hat und die geöffneten Schriftstücke beim Schließen des Programms automatisch gedruckt werden. Unzweifelhaft ist damit die Ladung in die Sphäre des Rechtsvertreters gelangt. Das Schriftstück ist durch das Öffnen der Datei jedenfalls der dem Rechtsvertreter zurechenbaren Kanzleileiterin bekannt geworden. In ihrer verantwortungsvollen Funktion hat sie die im Verkehr mit Behörden und zur Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihre nach ihren persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen, indem sie die Ausdrucke nicht auf ihre Vollständigkeit geprüft hat bzw. es unterlassen hat, unverzüglich den Verhandlungstermin auf dem Aktendeckel oder im großen Kanzleikalender, der für alle Mitarbeiter der Kanzlei sichtbar aufliegt, einzutragen.

Nach den Ausführungen im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag wurden zwar die Organisation und die Tätigkeiten des Posteinganges in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers dargetan, jedoch nicht behauptet, dass organisatorische Maßnahmen getroffen worden seien, die die tatsächliche Vorlage der im elektronischen Rechtsverkehr eingelangten Schriftstücke an den Vertreter des Beschwerdeführers gewährleisten sollen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu insofern gleichgelagerten Sachverhalten betreffend herkömmlich im Postweg eingelangter Sendungen ausgesprochen, dass bei der Organisation einer Rechtsanwaltskanzlei vorzukehren ist, dass Einlaufstücke nicht so bearbeitet werden, dass die Möglichkeit ihrer Verlegung in anderen Akten besteht, bevor sie der Rechtsanwalt überhaupt zu Gesicht bekommen hat; im Wiedereinsetzungsantrag ist darzutun, inwiefern die Vorlage der Eingangsstücke überwacht wurde, das heißt mit welchen organisatorischen Maßnahmen dem etwaigen "Verschwinden" von Eingangsstücken zu begegnen versucht werde (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2013, 2013/07/0045, mwN). Ein Mangel in der Kanzleiorganisation ist nämlich auch dann anzunehmen, wenn der Kanzleibetrieb nicht derart eingerichtet ist, dass dem Parteienvertreter sämtliche Schriftstücke zukommen (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz 63), wobei es keinen Unterschied macht, ob die Vorlage herkömmlich im Postweg oder im elektronischen Rechtsverkehr eingelangter Schriftstücke sicherzustellen ist (vgl. VwGH vom 01.06.2017, Zl Ra 2017/06/0040).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der mündlichen Verhandlung am 25.09.2019 war daher abzuweisen.

Angesichts der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen trifft § 33 VwGVG eine klare Regelung, weshalb auch aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Sorgfaltspflicht, Verschulden, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe,
Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W156.2178504.2.00

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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