Entscheidungsdatum
22.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W233 1422306-3/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2018, Zl. 569059603-161710162, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus den Gründen des Artikel 8 EMRK vom 21.12.2016 wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Antrag gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen wird.
II. Der Beschwerde wird dahingehend stattgegeben, dass die gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und der Ausspruch über die Frist zur freiwilligen Ausreise ersatzlos behoben werden.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Vorverfahren:
I.1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Pakistan, stellte am 21.12.2016 unter Verwendung des vorgesehenen Formblattes sowie unter Vorlage eines Konvoluts an Integrationsunterlagen einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Artikel 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens".
I.1.2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 20.03.2018, Zl. 569059603-161710162, der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK vom 21.12.2016 abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft festgesetzt.
I.1.3. Mit fristgerechter Beschwerde vom 19.04.2018 wurde dieser Bescheid vom Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung vollinhaltlich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.
I.1.4. Die Beschwerdevorlage langte am 26.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.1.5. Am 18.10.2018 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung eine Stellungnahme zu seinem Aufenthaltsrecht als begünstigter Drittstaatsangehöriger sowie zur daraus resultierenden Unzulässigkeit der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung ein. Beiliegend wurden eine Heiratsurkunde vom 24.09.2018 sowie die Bestätigung der Antragstellung auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte (Angehöriger eines EWR- oder Schweizer Bürgers) vom 04.10.2018, ausgestellt von der MA 35, vorgelegt.
I.1.6. Mit Schreiben der MA 35 vom 23.08.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass dem Antrag des Beschwerdeführers am 06.08.2019 stattgegeben und ihm eine Aufenthaltskarte mit Gültigkeit vom 24.07.2019 bis zum 24.07.2024 erteilt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten, insbesondere durch Einsicht in die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 18.10.2018, in die von ihm vorgelegten Dokumente sowie in das IZR.
II.1. Demnach steht folgender Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Pakistan, stellte am 21.12.2016 unter Verwendung des vorgesehenen Formblattes einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Artikel 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens".
Am 17.09.2018 schloss der Beschwerdeführer vor dem Standesamt XXXX mit XXXX , einer ungarischen Staatsangehörigen, die Ehe.
Am 04.10.2018 stellte der Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Wien, MA 35, einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers. Am 06.08.2019 wurde seinem Antrag im Verfahren zur Zahl XXXX stattgegeben und ihm eine Aufenthaltskarte erteilt.
II.2. Beweiswürdigung
Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:
Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stützen sich auf seinen dahingehend unbestrittenen Angaben im gegenständlichen Verfahren.
Die Feststellung betreffend das gegenständliche Verfahren über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Artikel 8 EMRK, seine Eheschließung sowie das Verfahren über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt (vgl. insbesondere Antrag vom 21.12.2016, Heiratsurkunde vom 24.09.2018, Schreiben der MA 35 vom 23.08.2019 sowie der amtswegig eingeholte Auszug aus dem IZR betreffend den Beschwerdeführer).
II.3. Rechtliche Beurteilung
II.3.1. Zur Zuständigkeit
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter. Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 19.04.2018 beim Bundesamt eingebracht, ist nach Vorlage am 26.04.2018 beim BVwG eingegangen und der Gerichtsabteilung W233 zugewiesen worden.
Zu A)
II.3.2. Zur Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus den Gründen des Artikel 8 EMRK
II.3.2.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes lauten (auszugsweise) wie folgt:
"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK"
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
§ 58.
[...]
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder 3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
[...]
II.3.2.2. Anträge auf humanitäre Aufenthaltstitel sind insbesondere dann nicht zulässig, wenn ein Verfahren nach dem NAG offen ist oder ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG oder AsylG besteht; diesfalls liegt eben keine "humanitäre Ausnahmesituation vor"; Verfahren nach den genannten Gesetzen gehen demnach vor. Anderes gilt, wenn nur mehr ein höchstgerichtliches Verfahren offen ist (Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht Stand: 15.01.2016, § 58 AsylG, K 11).
Der Beschwerdeführer ist als Ehemann einer in Österreich aufhältigen ungarischen Staatsangehörigen begünstigter Drittstaatsangehörige und kommt ihm sohin ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG zu. Am 06.08.2019 wurde ihm vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, eine Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ausgestellt. Folglich war sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG als unzulässig zurückzuweisen.
Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK war folglich als unbegründet abzuweisen.
II.3.3. Zur ersatzlosen Behebung der Rückkehrentscheidung sowie der weiteren Aussprüche
II.3.3.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes lauten (auszugsweise) wie folgt:
§ 52 [...]
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird. [...]
§ 60 [...]
(3) Die Rückkehrentscheidung wird gegenstandslos, wenn einem Drittstaatsangehörigen
1. der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird;
2. ein Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 erteilt wird.
II.3.3.2. Geht man davon aus, dass ein Drittstaatsangehöriger ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erwirbt - etwa durch Erlangung der Rechtsstellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger-, so steht dies der weiteren Existenz einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltsrechts anknüpft, entgegen. Der Eintritt eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts begründet nämlich eine rechtliche Position, mit der eine Rückkehrentscheidung nicht länger kompatibel ist. Diese und die mit ihr im Zusammenhang stehenden Aussprüche müssen daher gegebenenfalls ex lege erlöschen, was der im § 60 Abs. 3 FPG normierten Gegenstandslosigkeit einer Rückkehrentscheidung gleichkommt. Auch der Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht muss daher - gleich den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen der Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthalts - eine derartige Gegenstandslosigkeit herbeiführen. Wird die Rückkehrentscheidung gegenstandslos, so erfasst das auch, wie gerade erwähnt, die damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche (vgl. VwGH am 14.11.2017, Ra 2017/21/0151, Rz 14f; mwN; siehe auch Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht Stand: 15.01.2016, § 60 FPG, K 16, letzter Absatz).
Der Beschwerdeführer ist - wie bereits ausgeführt - begünstigter Drittstaatsangehöriger. Folglich steht der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht als Angehöriger einer EWR-Bürgerin entgegen. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sind die Rückkehrentscheidung sowie die mit ihr in Zusammenhang stehenden Aussprüche gegenstandslos und waren daher ersatzlos zu beheben.
II.3.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht aber bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 22.11.2006, Zl. 2005/20/0406 und viele andere).
II.3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die unter Punkt II.3.2. und II.3.3. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen, die bei den jeweiligen Erwägungen wiedergegeben wurde. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
II. 4. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aufenthaltstitel, Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W233.1422306.3.00Zuletzt aktualisiert am
26.05.2020