Entscheidungsdatum
31.10.2019Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W183 2207095-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.08.2019 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV., V., und VII. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und werden die Spruchpunkte IV., V., VI. und VII. ersatzlos behoben.
Es wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gegen XXXX gemäß § 9 Abs. 1 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.
III. Gemäß §§ 58 Abs. 2, 54 und 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) verließ im Jahr 2015 Iran, stellte am 10.01.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 11.01.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 13.03.2017 und am 17.07.2019 wurde BF von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen und seinem Aufenthalt in Österreich niederschriftlich einvernommen.
Im behördlichen Verfahren gab BF als Fluchtgrund im Wesentlichen seine Konversion zum Christentum an.
2. Mit Urteilen des Landesgerichts XXXX vom 21.09.2016 und vom 16.08.2017 sowie des Bezirksgerichts XXXX vom 28.02.2017 wurde der BF jeweils zu bedingten Freiheitsstrafen, nämlich von fünf Monaten bzw. zwei Monaten bzw. drei Wochen verurteilt.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 31.08.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gegen BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Zusätzlich wurde gegen BF ein auf sechs Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Das BFA stellte BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
4. Mit Schriftsatz vom 25.09.2018 erhob BF durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VII. Vorgebracht wurde im Wesentlichen, der BF sei nach einem mehrmonatigen Vorbereitungskurs getauft worden und Mitglied der Freikirchen in Österreich. Ihm würde im Falle einer Rückkehr nach Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung drohen.
5. Mit Schriftsatz vom 03.10.2018 (eingelangt am 05.10.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).
6. Am 05.05.2019 wurde die Tochter des BF in Österreich geboren.
7. Mit Schreiben vom 21.06.2019 wurden der BF sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.08.2019 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 03.07.2018" sowie dem "Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran - Situation der Christen, Stand 3/2019" als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.
8. Mit beim Bundesverwaltungsgericht am 09.08.2019 eingelangten Schreiben legte die Rechtsvertretung des BF ein Taufzertifikat sowie Bestätigungen der Freikirche "Life Church XXXX " und der Pastorin vor. Weiters wurde auf die katastrophale Menschenrechtslage und die fehlende Existenzmöglichkeit des BF im Falle einer Rückkehr hingewiesen.
9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.08.2019 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen und zwei Zeugen einvernommen wurden. BF wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen und religiösen Aktivitäten sowie seinem Leben und seiner Familie in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen.
Im Rahmen der Verhandlung legte der BF diverse Bestätigungen betreffend Schulbesuch sowie Arbeitsbestätigungen der Gemeinde XXXX und eine Teilnahmebestätigung einer Theatergruppe vor.
10. Mit Schreiben vom 26.08.2019 legte der BF Geburtsurkunde und Meldezettel seiner Tochter sowie seine Anerkennung der Vaterschaft vor.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 18.10.2019 eine Strafregisterabfrage durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
BF ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen. Seine Identität steht nicht fest.
BF stammt aus XXXX , wuchs in Teheran auf und lebte die letzten Monate vor seiner Ausreise in XXXX . Er gehört der Volksgruppe der Perser an, spricht Farsi (Muttersprache) sowie ein wenig Englisch, Türkisch und Arabisch. Er verfügt über einen iranischen Schulabschluss und arbeitete in Iran als Verkäufer, Geschirrwäscher und in Druckereien.
In Iran leben die Eltern, der Bruder und fünf Schwestern des BF. Zu seiner Mutter hat BF regelmäßig Kontakt.
BF reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 11.01.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.
BF leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.
In Österreich leben die Lebensgefährtin (die Beziehung entstand im Dezember 2016) und die am 05.05.2019 geborene gemeinsame Tochter von BF. Die Lebensgefährtin und die Tochter des BF sind österreichische Staatsbürgerinnen. Sie wohnen im gemeinsamen Haushalt und führen ein Familienleben. BF kümmert sich um seine Tochter und trägt auch zum Haushaltseinkommen bei. BF könnte den Kontakt zu seiner Tochter nicht über elektronische Kommunikationsmittel aufrechterhalten.
Der BF hat die Deutschprüfung auf A2-Niveau bestanden und verfügt über das ÖSD Zertifikat A2 (ausgestellt am 30.08.2016), seitdem hat er auch einen B2-Kurs besucht. BF spricht Deutsch in einem Ausmaß, welches eine weitgehende Kommunikation in der mündlichen Verhandlung auf Deutsch erlaubte. BF hat in Österreich den Pflichtschulabschluss nachgeholt und als ordentlicher Schüler eine Schule für Informatik besucht. In seiner Freizeit spielt BF Theater oder ringt. BF besucht regelmäßig Gottesdienste in der Life Church und hilft dort manchmal aus, etwa beim Kochen. BF hat in Österreich einen Freundes- bzw. Bekanntenkreis. Die familiären und sozialen Kontakte entstanden zu einem Zeitpunkt, als BF bereits seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
BF bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und hat früher in der Gemeinde XXXX gearbeitet.
BF wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 21.09.2016, Zl. XXXX , wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung sowie der Vergehen der Nötigung und der Bestimmung zur falschen Beweisaussage zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt (letzte Tat am 20.02.2016). Als mildernd wurden das teilweise reumütige Geständnis, der ordentliche Lebenswandel und die Provokation durch die Opfer gewertet, als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen.
BF wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 28.02.2017 wegen versuchten Diebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Wochen verurteilt (letzte Tat am 06.12.2016).
BF wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 16.08.2017, Zl. XXXX , wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung und der versuchten Körperverletzung zu einer bedingten Zusatzstrafe von zwei Monaten verurteilt (letzte Tat am 01.01.2017). Mildernd wurden der teilweise Versuch, das teilweise Geständnis, die Provokation und die positive Prognose gewertet, erschwerend die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen zweier Vergehen. Trotz der einschlägigen Vorstrafe wurde von der Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe und vom Widerruf der bedingt nachgesehenen Strafe abgesehen, weil das Gericht nicht eine solche Notwendigkeit sah, um den BF von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Für die Tathandlungen übernimmt BF die Verantwortung.
1.2. Zum Fluchtvorbringen
BF wuchs in Iran als schiitischer Moslem in einer gläubigen Familie auf.
Es wird festgestellt, dass sich BF in Iran nicht dem Christentum zugewandte oder christlich missionierte. Es wird festgestellt, dass dies dem BF von iranischen Behörden oder Privatpersonen auch nicht unterstellt wird.
In Österreich besucht BF regelmäßig die Gottesdienste in der Life Church XXXX , engagiert sich dort in der Küche und wurde von derselben Kirche am 20.08.2017 nach Besuch eines Vorbereitungskurses getauft. Seit 14.07.2018 ist er Mitglied der Freikirchen in Österreich. BF meldete nicht seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. BF verfügt über ansatzweise Grundkenntnisse zum Christentum.
Es wird festgestellt, dass BF in Österreich nicht aus einem innerem Entschluss zum Christentum konvertiert ist und die christliche Glaubensüberzeugung aktuell nicht derart ernsthaft ist, sodass sie Bestandteil der Identität des BF wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich BF im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.
BF ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft, dies in Zukunft zu tun. Die iranischen Behörden oder Verwandte des BF in Iran wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des BF in Österreich nicht Bescheid bzw. geht von der Mutter des BF kein Bedrohung für den BF aus.
BF brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 03.07.2018 (LIB 2018) ergibt sich wie folgt:
Zur Sicherheitslage
Auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land. Sie haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 20.6.2018).
In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Am 7. Juni 2017 ist es nichtsdestotrotz in Teheran zu Anschlägen auf das Parlamentsgebäude und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini gekommen, die Todesopfer und Verletzte forderten (AA 20.6.2018b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b, vgl. BMeiA 20.6.2018).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am
6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben (AA 20.6.2018b).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (20.6.2018b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 20.6.2018
* BMeiA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 20.6.2018
* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.6.2018): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 20.6.2018
Zu Apostasie und Konversion
Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist in Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurden im Jahr 2016 25 Sunniten (davon 22 Kurden) u.a. wegen "moharebeh" exekutiert (ÖB Teheran 9.2017). Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern Fälle von Konversion werden als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und diese werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Die Todesstrafe wird hauptsächlich bei Drogendelikten und Morden angewandt und seltener bei politischen "high-profile" Fällen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation:
Verurteilungsgrund unklar] (AA 2.3.2018, vgl. AI 22.2.2018).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Oftmals lautet die Anklage jedoch auf "Gefährdung der nationalen Sicherheit", "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Trotz des Verbots nimmt die Konversion zum sunnitischen Islam und zum Christentum weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 2.3.2018). Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 15.8.2018).
In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 9.2017).
Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab (ÖB Teheran 9.2017). Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben). In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion eines Familienmitgliedes jedoch als heikler eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der oder die Konvertierte aus der Familie verbannt oder sogar den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen (ÖB Teheran 9.2017, vgl. DIS/DRC 23.2.2018).
Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 9.2017).
Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Es gibt viele Hauskirchen in Iran und ihre Anzahl steigt. Dieser Anstieg an Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer was in der Gemeinschaft macht. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 1.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).
Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagte eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab, dann erst auf Mitglieder. Es gibt aber auch Quellen, die besagen, dass auch auf Mitglieder abgezielt wird. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird aber normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Es gibt auch für normale Mitglieder das Risiko verhaftet zu werden, allerdings werden diese wieder freigelassen mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung, wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran unsicher, ob eine Taufe Auswirkungen hat; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).
Zu Grundversorgung und Rückkehr:
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 9,3 Mio. IRR im Monat (ca. 200 Euro). Das durchschnittliche Monatseinkommen pro Kopf liegt bei ca. 400 Euro (AA 2.3.2018).
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 2.3.2018)
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 5.6.2018
* DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 5.6.2018
* ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht
* US DOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1406998.html, Zugriff 28.5.2018
Zur Situation von Frauen in Iran:
Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 3.2018c).
In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil durchaus relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen), unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf (AA 23.2.2018).
In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 23.2.2018). Unabhängig vom Alter kann eine Frau nicht ohne Erlaubnis ihres männlichen Vormunds heiraten. Auch können iranische Frauen ihre iranische Staatsbürgerschaft nicht an ausländische Ehemänner oder ihre Kinder weitergeben (HRW 18.1.2018, vgl. US DOS 20.4.2018, ACCORD 12.2015). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet. Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen. Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 23.2.2018).
Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 23.2.2018). Vergewaltigung ist generell mit der Todesstrafe bedroht, bei Ehepartnern wird Vergewaltigung jedoch nicht anerkannt (ÖB Teheran 9.2017). Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen, wie häusliche Gewalt und Früh- und Zwangsverheiratungen, sind weit verbreitet und werden nicht geahndet.
Geschlechtsspezifische Gewalt ist weiterhin nicht strafbar. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist seit 2012 anhängig. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren. Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie Mädchen noch früher verheiraten wollten. Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Nach der Wahl berief Präsident Rohani keine Frau in sein Kabinett. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie werden schikaniert und festgenommen, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen. Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, werden Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen (AI 22.2.2018). Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen "unislamisch" kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. "Sünderinnen" droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine saftige Geldstrafe. Die Gesetze - und Strafmaßnahmen - gibt es schon seit fast 40 Jahren, genauso lange haben sie nicht viel gebracht. Die Kopftücher wurden und werden immer kleiner und die Mäntel immer kürzer und enger. Auch strengere Kontrollen der Sittenpolizei auf den Straßen führten nicht zu dem erhofften Sinneswandel der Frauen. Laut Polizeichef Rahimi gab es in diesem Jahr bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen (Standard.at 27.12.2017; vgl. Kurier.at 27.12.2017).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
* ACCORD (12.2015): COI compilation Iran: Women, children, LGBTI persons, persons with disabilities, "moral crimes", http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1451977796_568a98324.pdf, Zugriff 18.6.2018
* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 15.6.2018
* HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424270.html, Zugriff 15.6.2018
* Kurier.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://kurier.at/politik/ausland/belehrung-statt-bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete-iranerinnen/303.910.665, Zugriff 25.6.2018
* GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018c):
Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 15.6.2018
* ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht
* Standard.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://derstandard.at/2000071088880/Belehrung-statt-Bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete-Iranerinnen, Zugriff 25.6.2018
* US DOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices 2016 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430093.html, Zugriff 15.6.2018
Der Ehemann hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht für sich und seine Frau (Art. 1104 des iranischen Zivilgesetzbuchs, iZGB). Sie benötigt die schriftliche Einwilligung ihres Ehemannes, um einen Reisepass zu beantragen (Art. 18 III Passgesetz). Der Ehemann hat das Recht, jederzeit ohne Angabe von Gründen eine Ausreisesperre gegen seine Ehefrau zu verhängen. In einigen Städten benötigen allein reisende Frauen eine behördliche Erlaubnis, um in öffentlichen Hotels und Gästehäusern übernachten zu können (AA 9.12.2015).
Mädchen werden mit dem 9. Lebensjahr volljährig, Jungen mit Vollendung des 15. Lebensjahres. Geschäftsfähigkeit erlangen beide in der Regel erst mit 18 Jahren (AA 9.12.2015).
Der Ehemann hat das Recht zur Scheidung, ohne dass er den Scheidungsantrag begründen muss. Ebenso kann er nach einer widerrufbaren Scheidung die Ehe innerhalb von drei Monaten wieder aufnehmen. Eine Frau kann bei Geisteskrankheit und Impotenz des Ehemanns (Art. 1122, 1125 ZGB), wegen einer unerträglichen Härte im Falle der Fortführung der Ehe z.B. bei stark unislamischer Lebensführung des Ehemanns oder bei Verletzung der Unterhaltspflicht (Art. 1130 ZGB) die Scheidung beantragen. Zusätzlich zu diesen gesetzlich geregelten Fällen werden in standardisierten, notariell beurkundeten Eheverträgen oft weitere Scheidungsgründe vereinbart (z.B. für die Frau gefährliche Erkrankung, Drogenkonsum, weitere nicht abgestimmte Heirat des Ehemanns). Das Vorliegen der Scheidungsbedingungen nachzuweisen ist für die Frau sehr schwierig. Im Streitfall kann sich ein solcher Rechtsstreit über mehrere Jahre hinziehen. Die Frau hat jedoch in den meisten Fällen die Möglichkeit, dem Mann gegen die Scheidung die Morgengabe zu schenken, wobei es sich häufig um große Summen handelt. Lässt sich der Mann scheiden, muss er diese der Frau auszahlen. Die Zahl der Scheidungen im ersten Quartal des iranischen Jahres 1394 (21.3.-20.6. 2015) ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 17,5 % gestiegen. Einen besonders hohen Anteil stellen einvernehmliche Scheidungen dar (AA 9.12.2015).
Das Sorgerecht gliedert sich nach den Vorschriften des iZGB in zwei Kategorien: Die Vermögenssorge sowie alle Fragen der Stellvertretung (sog. "Welayat") liegen immer beim Vormund des Kindes, in der Regel also beim Vater. Über Fragen des körperlichen und geistigen Wohls des Kindes (sog. "Hezanat") entscheiden beide Ehegatten gemeinsam. Bei einer Scheidung erhält die Frau für Kinder bis zum Alter von sieben Jahren die "Hezanat" (Sorgerecht in Bezug auf körperliches und geistiges Wohl des Kindes) (Art. 1169 ZGB). Bei Erreichen der Altersgrenze fällt sie automatisch an den Vater. Nur in Fällen der Beeinträchtigung des physischen oder moralischen Wohls der Kinder kann das Sorgerecht ausnahmsweise durch ein Gericht auch nach Erreichen der Altersgrenze der Mutter zugesprochen werden. Sie verliert das Sorgerecht, wenn sie wieder heiratet (AA 9.12.2015).
Die ausländische Ehefrau eines Iraners erwirbt durch die Eheschließung automatisch die iranische Staatsangehörigkeit und wird dann ausschließlich als Iranerin behandelt. Erwirbt die iranische Ehefrau unmittelbar durch eine Eheschließung die Staatsangehörigkeit ihres ausländischen Ehemannes, verliert sie die iranische Staatsangehörigkeit. Nach dem Tod des Ehemanns oder nach Trennung der Eheleute hat die Frau ein Recht auf Wiedererwerb der iranischen Staatsangehörigkeit. Wird der Ehemann eingebürgert, erwerben Ehefrau und minderjährige Kinder automatisch ebenfalls die iranische Staatsangehörigkeit. Eine mit einem iranischen Staatsangehörigen verheiratete Frau kann nominell weder eine andere Staatsangehörigkeit erwerben noch aus der iranischen Staatsangehörigkeit entlassen werden. Das Kind eines iranischen Vaters erwirbt seine Staatsangehörigkeit. Das Kind erwirbt in der Regel aber nicht die Staatsangehörigkeit von seiner iranischen Mutter, es kann sich jedoch nach Erreichen der Volljährigkeit einbürgern lassen (AA 9.12.2015).
Das Sozialversicherungswesen ist darauf ausgelegt, dass der Mann die Familie unterhält. Der Fall, dass eine Frau für das Familieneinkommen sorgt, obwohl auch der Mann dazu in der Lage wäre, ist nicht vorgesehen. Eine Frau erhält in der Regel lediglich dann Leistungen aus der Sozialversicherung, wenn sie die einzige Ernährerin der Familie ist (AA 9.12.2015).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:
Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S 11)
Die zu Apostasie und Frauen festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.01.2016 und durch das BFA am 13.07.2017 und am 17.07.2019 sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.08.2019, der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran vom 03.07.2018 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die am 09.08.2019 eingelangte Stellungnahme des BF, die von BF beim BFA vorgelegten Dokumente (Personenstandsdokumente, Empfehlungsschreiben von Mitgliedern der Kirchengemeinde und vom Obmann eines Ringervereins, ÖSD-Zertifikat vom 30.08.2016 über Deutsch A2) sowie die vor dem BVwG vorgelegten Dokumente (Geburtsurkunde und Meldezettel der Tochter des BF, Anerkennung der Vaterschaft durch den BF, Schulbesuchsbestätigung, Zeugnis der Pflichtschulabschlussprüfung, Arbeitsbestätigungen der ehemaligen Heimatgemeinde des BF, Teilnahmebestätigung einer Theatergruppe, Taufzertifikat, Bestätigungen der Life Church XXXX und ihrer Pastorin), die beiden Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung, die Strafurteile vom 21.09.2016, 28.02.2017 und 16.08.2017 und die Strafregisterabfrage vom 18.10.2019.
2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Die Identität konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt. Der BF selbst hat seine Daten mehrmals unterschiedlich angegeben. In der Erstbefragung am 11.01.2016 (EB) gab er an, am XXXX geboren worden zu sein und XXXX zu heißen (und unterschrieb das Dokument nach Rückübersetzung und Korrekturmöglichkeit), weswegen er auch in offiziellen Datenbanken - wie etwa dem Strafregister - mit diesem Geburtsdatum und Namen geführt wird. In der Einvernahme vom 13.03.2017 (EV1) gab er an, aus Angst vor der Abschiebung einen falschen Namen angegeben zu haben, mit seinem echten Namen würde er in Iran Probleme bekommen. Er heiße XXXX . In der EB habe er einen nicht ihm gehörenden Personalausweis einer fremden Person gefunden, den er in der Türkei gefunden habe (AS 113). Auf weitere Nachfrage gab er an, am XXXX geboren worden, seine Eltern hätten ihm gesagt, dass er genau zwei Jahre nach dem Tod seines Bruders auf die Welt gekommen sei. Sein Bruder sei zwei Jahre vor seiner Geburt gestorben, am XXXX (AS 117). Der BF legte eine iranische Geburtsurkunde vor, nach der am XXXX eingetragen worden war, dass am XXXX ein XXXX geboren worden sei. Weiters legte er auch einen iranischen Führerschein, lautend auf XXXX , geb. am XXXX , ausgestellt am XXXX , vor. Weiters legte er einen iranischen Gerichtsbeschluss hinsichtlich der in Iran von ihm beantragten Änderung des Geburtsdatums vor, aus dem hervorgeht, dass er damals angab, am XXXX geboren worden zu sein. Im Laufe des Verfahrens beantragte der BF mehrmals, seine Daten auf seiner Aufenthaltsberechtigungskarte zu ändern mit dem Hinweis, er heiße XXXX und sei am XXXX geboren (AS 263). In der Einvernahme vom 17.07.2019 (EV2) gab der BF an, sein Bruder sei verstorben, als er zwei Jahre alt gewesen sei, seine Eltern hätten für den BF keine neuen Dokumente beantragt. Auch habe er ringen und deshalb älter sein wollen.
In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.08.2019 (VH) gab der BF an, einerseits habe ihm ein Schlepper gesagt, es sei besser, einen falschen Namen anzugeben, andererseits habe er Angst gehabt, nach der Abschiebung mit seinem richtigen Namen in Iran Probleme zu bekommen (VH, S. 5). Nach seinen Daten befragt, gab er in der VH an, XXXX zu heißen und am XXXX geboren worden zu sein, gab später jedoch an, dass dies die Daten von seinem Bruder seien und er selbst Anfang XXXX geboren worden sei. Er wolle aber mit der Identität seines Bruders weiterleben, damit seine bereits vorhandenen Dokumente weiterhin ihre Gültigkeit hätten (VH, S. 6f.).
Damit brachte der BF jedoch unterschiedliche Namen, unterschiedliche Geburtsdaten sowie unterschiedliche Gründe für die Falschangaben vor. Im Ergebnis kann die Identität des BF somit nicht festgestellt werden.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet BF betreffend weitere Personenmerkmale (Volljährigkeit, Staatsangehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie seine Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war BF diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig.
Betreffend sein Familienleben und seine Integration in Österreich legte BF im Laufe des Verfahrens eine Vielzahl an Unterlagen vor. Mehrere Empfehlungsschreiben (aus den Bereichen Sport und Kirche) bestätigen seine sozialen Kontakte in Österreich. Betreffend den Pflichtschulabschluss sowie Schulbesuche in Österreich liegen unbedenkliche Dokumente vor. Ein ÖSD-Zertifikat vom 30.08.2016 bescheinigt die Deutschkenntnisse auf A2-Niveau. Der BF gab in der VH selbst an, auch einen Kurs auf B2-Niveau besucht zu haben (VH, S. 8). Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich in der mündlichen Verhandlung ein aktuelles Bild von den umfassend vorhandenen Deutschkenntnissen machen, die Kommunikation in der Verhandlung erfolgte im Wesentlichen auf Deutsch.
Die Feststellungen zu den österreichischen Familienangehörigen und dem Familienleben des BF ergeben sich aus den glaubwürdigen Angaben des BF und seiner Lebensgefährtin in der VH, den Angaben des BF in der EV2 sowie aus den unstrittigen und auch dem BFA aufgrund der EV2 bekannten, vom BF vorgelegten Dokumenten (Geburtsurkunde und Meldezettel seiner Tochter, Anerkennung der Vaterschaft). Der BF und seine Lebensgefährtin haben angegeben, im gemeinsamen Haushalt zu wohnen, und ergibt sich dies auch aus den aktuellen Meldezetteln. In der EV2 gab BF an, zur Finanzierung von Miete, Möbel und Nötigem für die Tochter beizutragen und seit Dezember 2016 in einer Beziehung mit der Mutter seiner Tochter zu sein. In der VH gab seine Lebensgefährtin an, seit Dezember 2016 in einer Beziehung mit dem BF zu sein und dass sie seit März 2017 zusammenleben würden. Näher zur Kinderbetreuung befragt gab sie in der VH an, der BF kümmere sich auch alleine um die Tochter, er könne auch länger alleine mit dieser bleiben und passe auf diese auf. Daher steht für das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der BF, seine Lebensgefährtin und die gemeinsame Tochter im gemeinsamen Haushalt wohnen und ein Familienleben führen. Aufgrund des Alters der im Mai 2019 geborenen Tochter könnte der Kontakt nicht über elektronische Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden.
Die Feststellung, dass der BF für die mit den genannten Urteilen bestraften Tathandlungen die Verantwortung übernimmt, ergibt sich aus seinen Aussagen in der VH vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH, S. 22, 26).
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen
2.2.2.1. Zu den von BF vorgebrachten Vorfällen in Iran
Die belangte Behörde kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht nachvollziehbar ist. In seiner Beschwerde trat BF diesen Ausführungen nicht in geeigneter und substantiierter Weise entgegen. Die Möglichkeit der Akteneinsicht in der mündlichen Verhandlung wurde von BF nicht genutzt. Angemerkt wird, dass die Erstbefragung sowie die Einvernahme vor dem BFA dem BF rückübersetzt wurden und er in der Einvernahme die Möglichkeit hatte, ausführlich sein Fluchtvorbringen zu erstatten. BF hat am Beginn der mündlichen Verhandlung an der Einvernahme im bisherigen Verfahren lediglich kritisiert, dass der Dolmetscher nicht alle von ihm aufgezählten Gebote übersetzt habe, sowie die Reihenfolge der in der Erstbefragung angegebenen Fluchtgründe. Der BF hatte jedoch nach jeder Befragung bzw. Einvernahme die Gelegenheit zur Rückübersetzung und Korrektur und hat danach die Protokolle unterschrieben. Eine falsche Übersetzung oder Protokollierung ist daher nicht anzunehmen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist näher auszuführen wie folgt:
Hinsichtlich seiner Religion gab BF in der EB an, Schiit zu sein, ein Straßenkind zu sein und keine Familie zu haben. Er habe die Religion wechseln wollen (AS 9). In der EV1 gab er dahingegen an, bereits in Iran Christ geworden zu sein, aber nur noch nicht getauft zu sein (AS 117). In der VH gab er dazu an, er habe gedacht, dass man erst Christ werde, wenn man getauft sei (VH, S. 8).
Hinsichtlich des fluchtauslösenden Moments hat BF im Wesentlichen vorgebracht, wegen des Besuchs von Hauskirchen seine Familie verlassen und Angst vor den Behörden gehabt zu haben. Allerdings haben sich im Laufe des Verfahrens massive Zweifel am Fluchtvorbringen des BF ergeben, weil er es grundsätzlich vage schilderte und wesentliche Details in der Erstbefragung, den Einvernahmen und der Verhandlung unterschiedlich erzählte. So gab er etwa in der EV1 an, aufgrund des (bereits erfolgten) Religionswechsels von zu Hause weggelaufen zu sein und von seiner Familie gesucht zu werden (AS 117). In der VH gab er dahingegen an, seine Eltern gefragt zu haben, was sie darüber denken würden, wenn er Christ werden würde. Seine Mutter sei böse geworden, sein Vater habe es seinem Bruder gesagt, der den BF dann geschlagen habe (S. 10).
In der EV1 gab er an, er habe zweimal Hauskirchen besucht (AS 129), in der VH gab der BF an, er habe die Hauskirchen öfters (S. 10) bzw. nicht oft, drei oder vier Mal (S. 11) besucht.
In der EV1 gab er an, ein Freund habe zu ihm gesagt, er solle mal mitkommen in diese Wohnungskirche (AS 131), in der VH gab er an, ein Freund habe ihn mitgenommen, er habe aber nicht gewusst wohin, der BF habe erst später gemerkt, dass es sich um eine Hauskirche handle und habe am Anfang das Haus verlassen wollen (S. 10).
In der EV1 danach befragt, ob er jemals persönlich bedroht oder belangt worden sei, gab der BF an, seine Mutter habe ihm nur erzählt, dass der Verkäufer im Supermarkt nach ihm gefragt habe (AS 131). In der VH gab er jedoch an, ein Freund von ihm habe im Supermarkt gearbeitet, dieser und ein weiterer Freund hätten ihm selbst erzählt, dass Leute der iranischen Behörde in Zivilkleidung bei diesen zwei Freunden gewesen seien und nach dem BF gefragt hätten (S. 11).
Näher zum Inhalt und den Abläufen von Hauskirchen befragt gab er oberflächlich an, beim ersten Mal sei es um die Frau in der Bibel gegangen, dann um die Unterschiede zwischen dem Islam und dem Christentum. Es sei auch um die Gründe gegangen, warum die anderen nicht beim Islam geblieben sind (VH, S. 11). Diese knappe Schilderung des Ablaufs von Veranstaltungen in Hauskirchen in Iran lässt es nicht nachvollziehbar erscheinen, dass der BF tatsächlich einer Hauskirchenveranstaltung beiwohnte. Auch lässt seine Erzählung jeglichen individuellen Bezug zu seiner Person vermissen. Eine Motivation für das Christentum lässt sich daraus ebenfalls nicht erschließen und konnte keine begeisterte Erzählweise festgestellt werden. Insgesamt lässt der persönliche Eindruck des BF in der mündlichen Verhandlung (gleichgültige Erzählweise, emotionsloser Ausdruck) nicht auf ein tatsächliches Erleben der geschilderten Ereignisse schließen.
Angesichts der in Iran üblichen behördlichen Überwachungsmethode, Informanten in Hauskirchen einzuschleusen, widerspricht es jeglicher Vernunft und allgemeinen Erfahrung, dass eine Person muslimischen Glaubens bereits nach kurzer Zeit zu einer Hauskirche mitgenommen wird. Aus den Länderfeststellungen geht weiters hervor, dass Ziele der Sicherheitskräfte nicht Privatpersonen, sondern die Hauskirche als Organisation und aktiv missionierende Führungspersonen sind. Ein einfaches Mitglied wird normalerweise wieder freigelassen. Im gegenständlichen Fall ist - selbst bei Wahrunterstellung des diesbezüglichen Vorbringens des BF - jedoch noch nicht einmal davon auszugehen, dass dieser ein einfaches Mitglied war. Eine organisatorische oder missionarische Tätigkeit in Bezug auf das Christentum brachte BF nicht einmal ansatzweise vor. Vor dem Hintergrund der Länderberichte ist somit das Vorbringen des BF nicht glaubwürdig.
Alle geschilderten Umstände zusammen lassen für das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel übrig, dass es sich beim Fluchtvorbringen des BF hinsichtlich der in Iran vorgefallenen Umstände um eine Konstruktion handelt. Eine ernsthafte Bedrohung ist auch insofern nicht glaubwürdig dargelegt worden, weil der BF angab, den Entschluss zur Ausreise dann gefasst zu haben, als er genug Geld hatte (VH, S. 9). Dies steht wiederum in einem Zusammenhang mit der Erstbefragung, wo BF angab ein Straßenkind gewesen zu sein. Auch gab der BF an, er sei nach XXXX gegangen, wo er gearbeitet habe (AS 127, VH, S. 11). Es sei dort gut gewesen, da er gearbeitet habe (AS 127), er habe dort sechs oder sieben Monate gearbeitet, bis er genug Geld verdient gehabt habe, um auszureisen (VH, S. 11). Im Rahmen einer ganzheitlichen Würdigung des Vorbringens des BF ist somit nicht davon auszugehen, dass er vor seiner Ausreise im Visier der iranischen Behörden stand bzw. im Falle einer Rückkehr stehen würde.
2.2.2.2. Zu den von BF in Österreich gesetzten Aktivitäten
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).
Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des BF in Ö