TE Bvwg Beschluss 2019/11/6 W124 2133712-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2019
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Entscheidungsdatum

06.11.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W124 2133712-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA.

Afghanistan, beschlossen:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wird daher behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet erstmals am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte seine niederschriftlichen Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Zu seiner Person führte er an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, sei in Kabul geboren und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Zuletzt habe er in Ghazni gelebt und als Schneider gearbeitet. Im Herkunftsstaat würden seine Eltern, seine Ehefrau sowie seine Geschwister leben. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, er habe in Ghazni eine eigene Schneiderei geführt und habe nebenbei illegal Alkohol verkauft. Seine Nachbarn hätten ihn verraten und die Taliban hätten davon erfahren. Aus Angst vor den Taliban habe er sich zuhause versteckt. Am folgenden Tag habe er einen Drohbrief erhalten, wonach er sich zu einer Belehrung bei den Taliban einzufinden habe und getötet werde, sollte er dieser Aufforderung nicht nachkommen. Er habe große Angst gehabt und sei nach Kabul geflüchtet, von wo aus er seine schlepperunterstützte Ausreise organisiert habe.

1.2. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) am XXXX gab er zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, er habe im Geschäft einen Mann kennengelernt, der ihm angeboten habe, Alkohol zu verkaufen. Es sei ein Taxifahrer gewesen, der zwischen Kabul und Ghazni hin- und hergefahren sei. Das Geschäft des BF sei nicht gut gelaufen und der Mann habe ihm gesagt, er werde sehr viel Geld verdienen, wenn er sein Angebot annehme. Konkret habe er ihm vorgeschlagen, dass er dem BF Alkohol aus Kabul bringen werde und er diesen anschließend verkaufen könne. Obwohl ihn der Mann vor den damit verbundenen Gefahren gewarnt habe, habe er sein Angebot angenommen und habe auch Profit gemacht. Eines Tages sei ein anderer Mann zu ihm ins Geschäft gekommen und habe Stoff gebracht, damit er ihm Kleidung nähe. Auf Nachfrage habe ihm der BF erklärt, dass das Geschäft gut laufe. Dann habe ihm der Mann einen Zettel gegeben, wonach er mit seinem Vater ins Dorf XXXX kommen solle. Am Abend sei er nachhause gegangen, habe den Zettel seinem Vater gezeigt und sie hätten festgestellt, dass dieser von den Taliban stamme. Sie seien mit dem Zettel zum Mullah gegangen, damit dieser ihnen das Schreiben vorlese. Auf dem Zettel sei gestanden, dass der BF Alkohol verkaufe. Auf Nachfrage seines Vaters, ob er tatsächlich Alkohol verkaufe, habe er dies geleugnet und behauptet, der Zettel sei einfach so abgegeben worden. Schließlich hätten sie Angst bekommen. Sie seien nicht in das Dorf gegangen. Seinem Vater gegenüber habe der BF geleugnet, dass er Alkohol verkaufe. Daraufhin habe sein Vater gemeint, wenn er das nicht gemacht habe, brauche er auch keine Angst haben. Am nächsten Tag sei erneut ein Mann zu ihm ins Geschäft gekommen und habe ihm einen Zettel überreicht, wonach er mit seinem Vater ins Dorf XXXX kommen solle. Sein Vater habe seinen Onkel konsultiert. Auf dem Zettel sei gestanden: "Wenn er nicht zu diesem Termin erscheint, dann erwartet ihn eine harte Strafe. Da er Straftaten begangen hat und schmutzige Geschäfte gemacht hat, wird er mit dem Tod bestraft". Daraufhin habe der BF seinem Vater die Wahrheit gesagt. Sein Vater und sein Onkel hätten ihm erklärt, dass er in Gefahr sei und er sich retten müsse. Daraufhin sei er aus Afghanistan geflüchtet. Auf Nachfrage, ob seine Familie an seiner Stelle bestraft oder getötet werden könne, antwortete der BF, seiner Familie würden sie nichts antun.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde sein Antrag vom XXXX sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde dem BF nicht erteilt. Gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft festgesetzt.

1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, woraufhin am 25.05.2018 eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht stattfand, im Zuge welcher er angab, seine Familie lebe noch immer in seinem Elternhaus in seinem Heimatort in der afghanischen Provinz Ghazni. Seine Eltern würden in der Landwirtschaft arbeiten und hätten selbst landwirtschaftliche Grundstücke. In der Folge hielt der BF seine Fluchtgründe im Wesentlichen aufrecht.

1.5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der BF Afghanistan aufgrund einer asylrelevanten, konkret gegen ihn gerichteten, landesweiten Bedrohung verlassen habe bzw. sich aufgrund einer solchen Bedrohung außerhalb Afghanistans aufhalte. Der BF sei jung, gesund und arbeitsfähig. Bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan werde er nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten. In Afghanistan würden noch seine Eltern leben. Auf den Seiten 3 bis 44 des Erkenntnisses wurden Feststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan getroffen.

Beweiswürdigend wurde festgehalten, dass sich die Feststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 mit letzter Aktualisierung vom 22.08.2018 stützen. Das Vorbringen des BF zur Furcht vor einer landesweiten Verfolgung im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen sei nicht als glaubhaft zu qualifizieren, da seine Schilderungen widersprüchlich und insgesamt nicht nachvollziehbar seien. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass er aufgrund illegalen Alkoholverkaufs bedroht worden sei, so könne nicht davon ausgegangen werden, dass er deshalb noch aktuell verfolgt werde, da der Vorfall bereits längere Zeit zurückliege und er auch angegeben habe, dass sein Vater in den Briefen bedroht worden sei. Vor dem erkennenden Gericht habe er wiederum angegeben, sein Vater sei nach der Ausreise weder bedroht worden, noch habe jemand nach ihm gefragt. Ferner habe der BF kein so schweres Vergehen begangen, dass er von den Taliban in Zusammenhang mit dem illegalen Alkoholverkauf aktuell einer landesweiten Verfolgung ausgesetzt wäre. Aus einer Zusammenschau der wiedergegebenen Länderberichte und den festgestellten persönlichen Umständen des BF, gerade dieser er im Falle der Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Lage geriete. Bei ihm handle es sich um einen arbeitsfähigen, jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Es könne somit dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen des BF den Tatsachen entspreche, da davon auszugehen sei, dass er in einer der afghanischen Großstädte leben könne, zumal sich die Verfolgung auf einen kleineren Landesteil Afghanistans beziehe und der BF keiner landesweiten Verfolgung ausgesetzt wäre. Ferner könne er allenfalls auch von seinen Verwandten anfangs unterstützt werden oder in der Landwirtschaft seiner Eltern mitarbeiten. Zudem könne er auch in einem anderen Landesteil Unterstützung von seinen Eltern erhalten.

Rechtlich wurde zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gefolgert, dass der BF keine aktuell bestehende asylrelevante Verfolgung im Fall seiner Rückkehr glaubhaft gemacht habe und ihm allenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen würden. Hinsichtlich der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorliegen, wurde ausgeführt, dass es dem BF zumutbar sei, sich in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat anzusiedeln. Der BF habe keine individuellen Umstände glaubhaft gemacht, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Er spreche eine der Landessprachen, sei gesund und arbeitsfähig. Ferner habe er bereits Berufserfahrung in der Landiwrtschaft sowie als Schneider gesammelt. Mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates sei er vertraut und könne sich allenfalls durch Gelegenheitsarbeiten seine Existenzgrundalge sichern. Ferner könne er durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden. Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat wurde ausgeführt, die Stadt Herat sei eine vergleichsweise sichere und über den dortigen Flughafen gut erreichbare Stadt. Die Provinz Balkh habe im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen und sei eine der stabilsten Provinzen Afghanistans. Die Stadt Mazar-e-Sharif sei zudem ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan, der auch über einen Flughafen verfüge. Der BF könne sohin beide Städte über den Luftweg sicher erreichen. Im Fall seiner Rückkehr würde der BF sohin nicht Gefahr laufen, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK oder durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die Rückverbringung des BF stehe daher nicht in Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG. Zur Rückkehrentscheidung wurde festgehalten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nicht vorliegen würden. In einer Gesamtabwägung würden die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen und sei daher eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich auch keine Unzulässigkeit der Abschiebung iSd § 50 FPG.

Das Erkenntnis wurde dem BF im Wege seines ausgewiesenen Vertretung am XXXX zugestellt.

2. Gegenständliches Verfahren

2.1. Die zuständige französische Dublin-Behörde richtete gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (in der Folge Dublin III-VO) ein Wiederaufnahmeersuchen betreffend den BF an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und führte begründend aus, der BF habe am XXXX in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und habe das Territorium der Mitgliedstaaten seither nicht verlassen. Er sei irregulär in Frankreich eingereist und habe am XXXX vor den französischen Behörden einen Asylantrag gestellt.

2.2. Die zuständige deutsche Dublin-Behörde richtete am XXXX gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (in der Folge Dublin III-VO) ein Wiederaufnahmeersuchen betreffend den BF an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und führte begründend aus, der BF sei am XXXX in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und habe um Asyl angesucht, was der zuständigen Behörde am XXXX in Schriftform bekannt geworden sei. Der BF habe am XXXX in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im gegenständlichen Fall sei daher Österreich zuständig.

2.3. Nach seiner Rücküberstellung stellte der BF am XXXX in Österreich einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz und gab an, er sei im Herbst XXXX durch die Schweiz nach Frankreich gereist, habe sich dort bis Ende des Jahres XXXX aufgehalten und habe dort einen negativen Asylbescheid erhalten. Anschließend sei er nach Deutschland gereist, wo er bis zu diesem Tag gelebt habe und ebenso einen negativen Asylbescheid erhalten habe.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, vor vier Monaten seien die Taliban bei seinem Vater in Ghazni aufgetaucht und hätten ihn gefragt, wo sein Sohn sei. Nachdem er geantwortet habe, er wisse es nicht, sei er von den Taliban erschossen worden. Auch der Geschäftspartner des BF, welcher mit ihm gemeinsam Alkohol verkauft habe, sei vor eineinhalb Monaten von den Taliban umgebracht worden. Im Fall der Rückkehr fürchte er, vom Geheimdienst der Taliban gefunden und umgebracht zu werden. Er habe zwei Drohbriefe erhalten, die er in seinem ersten Verfahren vorgelegt habe. Vor vier Monaten habe er einen Anruf von seiner Mutter aus Afghanistan erhalten und habe von der Ermordung seines Vaters erfahren.

Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde dem BF mitgeteilt, dass er in einem näher bezeichneten Quartier durchgehend Unterkunft zu nehmen hat. Gleichzeitig wurde ihm das Mitteilungsblatt "Anordnung der Unterkunftnahme" ausgehändigt.

2.4. Am XXXX erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Zunächst bestätigte der BF seine Personaldaten sowie seine Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit, seiner Religion und seiner Volksgruppenzugehörigkeit. Ferner gab er an, er sei gläubig und praktiziere auch seinen Glauben. In der Erstbefragung habe er korrekte Angaben gemacht. Er habe weder Korrekturen, noch Ergänzungen vorzunehmen. Bei einer Einvernahme habe er bereits eine Kopie seiner Tazkira vorgelegt. Besondere Kennzeichen, wie etwa Narben oder Tätowierungen, habe er nicht. Eine bekannte Persönlichkeit sei er in Afghanistan nicht gewesen. In seinem Nahbereich habe man ihn gekannt, da er Schneider gewesen sei. In seinem Privat- und Familienleben sei keine Änderung eingetreten, er sei nach wie vor verlobt. Seine Verlobte stamme aus Ghazni, wohne jedoch in Kabul. Die Familie sei vor den Taliban geflüchtet. Der BF befinde sich in Behandlung und nehme täglich Medikamente. In Deutschland sei er vier bis fünf Monate bei einem Arzt gewesen und habe Medikamente bekommen, welche er noch immer nehme. Die Unterlagen seien im Zimmer. In Österreich sei er nicht beim Arzt gewesen, er bekomme nur die Medikamente. Untersuchungstermine seien nicht vereinbart worden. In Österreich sei er nicht stationär im Krankenhaus behandelt worden. Zur neuerlichen Antragstellung brachte der BF vor, er habe einen negativen Bescheid sowie eine negative Entscheidung des Gerichts erhalten. Die Polizei habe ihn festnehmen und nach Afghanistan schicken wollen, er sei jedoch nicht in der Unterkunft gewesen. Aus Angst sei er nach Frankreich geflüchtet und habe einen neuen Antrag auf Asyl gestellt. Man habe ihm gesagt, er sei ein Dublin-Fall. Folglich habe man ihn nach Österreich schicken wollen. Sein Anwalt habe nichts daran ändern können, woraufhin er in weiterer Folge nach Deutschland gereist sei, um eine Abschiebung nach Österreich zu verhindern. In XXXX habe er neuerlich einen Asylantrag gestellt und wiederum eine negative Entscheidung erhalten. Dort sei er auch beim Arzt gewesen und habe die Unterlagen vorgelegt. Nachdem er die negative Entscheidung erhalten habe, sei er nach XXXX überstellt worden. Von einer Sozialstelle sei für ihn ein Anwalt engagiert worden, der in Berufung gegangen sei. Die Entscheidung sei jedoch wiederum negativ ausgefallen. Er sei in medizinischer Behandlung gewesen, habe aber die Unterlagen noch nicht gehabt. Trotz der Behandlung sei er von der Polizei nach Österreich geschickt worden. Die Polizei habe ihm gesagt, er habe keine andere Wahl und müsse einen neuerlichen Asylantrag stellen.

Zu seinen Fluchtgründen führte der BF an, sein Vater und er seien verfolgt worden, als er noch in Afghanistan gewesen sei. Die Taliban hätten sie aufgefordert, zu ihnen zu kommen. Sein Vater habe in Afghanistan bleiben wollen, um eine Lösung zu finden, während der BF geflüchtet sei. Vor etwa vier Monaten sei sein Vater von den Taliban erwischt und getötet worden. In der Region seien die Taliban leider sehr aktiv. Laut seiner Mutter sei sein Vater auf dessen Heimweg erwischt und getötet worden. Zum Grund für die Ermordung seines Vaters führte der BF an, die Taliban hätten sie im Jahr XXXX oder XXXX aufgefordert, ins Dorf XXXX zu kommen, da der BF damals mit alkoholischen Getränken zu tun gehabt hätte. Die Taliban hätten so lange gewartet, da der BF das Land verlassen habe. Sein Vater habe sich versteckt und seine Adresse gewechselt. Tagsüber sei er nicht in der Öffentlichkeit gewesen. Man habe ihn nicht finden können. Die Taliban hätten den Vater dennoch gefunden und hätten sich bei ihm nach dem BF erkundigt. Sie hätten gedacht, sein Vater würde ihn verstecken. Seine Mutter wohne in Ghazni auf ihrer Landwirtschaft. Die Lage in Ghazni sei sehr gefährlich. Auf die Frage, ob sein Vater auch aus anderen Gründen getötet worden sein könnte, führte er aus, ein Mensch werde nicht einfach so getötet. Die Taliban würden Menschen umbringen, die für die Regierung arbeiten oder Ähnliches machen. Er habe Alkohol verkauft und sei daher mit seinem Vater zu den Taliban zitiert worden. Seine Mutter und seine fünf Geschwister würden sich auf der Flucht befinden. Sie würden sich in einem Dorf in der Provinz Ghazni aufhalten. Allerdings seien sie nicht weiter weggeflohen, da seine Mutter von niemanden unterstützt werde und seine Brüder erst 12 bzw. 16 Jahre alt seien. Der BF könne einen Beweis vorlegen, dass sein Vater von den Taliban getötet worden und in einem fremden Garten abgelegt worden sei. Der Besitzer des Gartens habe seinen Vater erkannt und dessen Cousin angerufen. Einen anderen Grund, als den damaligen Vorfall, gebe es für den Mord nicht. Sein Vater habe nicht mit der Regierung gearbeitet, sondern sei selbstständig als Landwirt tätig gewesen. Die Taliban seien überall in Afghanistan aktiv und gut vernetzt.

Der BF habe telefonischen Kontakt zu seinen Angehörigen. Sie hätten Angst, aber es gehe ihnen gut. Es gebe im Herkunftsstaat noch den Cousin seines Vaters, sie hätten aber keinen Kontakt zu ihm. Er habe nur die Leiche seines Vaters identifiziert. Der Cousin lebe im Nachbardorf. Die Familie seiner Verlobten würde seiner Familie nicht helfen, da dies nicht üblich sei. Sie seien ja auch nur verlobt und nicht verheiratet. Sein ehemaliger Arbeitskollege sei vor eineinhalb Monaten nur aufgrund der Zusammenarbeit mit ihm getötet worden. Andere Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates gebe es nicht. Die Fluchtgründe für den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz seien dieselben Gründe, welche er bereits im Erstverfahren angegeben habe, ergänzt um die Ermordung des Vaters und des Arbeitskollegen.

In Österreich habe er keine Verwandten oder sonstige Personen, zu welchen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Seit Abschluss des Vorverfahrens habe der BF keine Deutschkurse oder sonstigen Ausbildungen absolviert. Seit Ende 2015 sei er hier in Österreich. Er habe zwar Kurse und die Schule besucht, habe aber kein Asyl bekommen. Er sei arbeitsfähig. In Österreich könne er als Schneider arbeiten, da er bereits in Afghanistan Berufserfahrung gesammelt habe. Er würde aber jeden Job annehmen. Man könne als Schneider zwischen 25.000 und 30.000 Afghani verdienen, dies sei ein guter Verdienst. Eine eigene Schneiderei sei besser, ein Angestellter werde nach Leistung bezahlt. Der BF sei Damenschneider gewesen und verlange für ein Kleid 750 bis 800 Afghani. In Österreich beziehe er Leistungen aus der Grundversorgung. Soziale Kontakte habe er in Österreich nur vor seiner Ausreise nach Frankreich gehabt. Auf Vorhalt, dass die Erkrankung des BF in Afghanistan laut zweier Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom Juni sowie vom November 2018 behandelbar sei, gab der BF an, er könne dies nicht bestätigen. In Afghanistan gebe es keine sehr guten Ärzte. Wenn die Leute ernsthafte Probleme hätten und ins Krankenhaus müssten, würden sie von den Ärzten hören, dass sie nach Indien, Pakistan oder in die Türkei gehen sollten. Einige hätten Geld und könnten sich das leisten, andere nicht. Seit 40 Jahren herrsche Bürgerkrieg. Verletzte Soldaten und Polizisten bekämen keine vernünftige Behandlung. In der Folge wurde dem BF eine Kopie der Anfragebeantwortung sowie das Länderinformationsblatt Afghanistan ausgehändigt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer Woche Beweise für sein Vorbringen vorzulegen und eine Stellungnahme zu erstatten. Abschließend gab der BF an, er werde versuchen, Beweise vorzulegen. Er habe keine anderen Fluchtgründe, er wolle nichts frei erfinden. Andere Gründe gebe es nicht.

Im Zuge der Einvernahme legte der BF mehrere Arztbriefe des Universitätsklinikums XXXX vor. Aus dem Schreiben vom XXXX geht hervor, dass der BF an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome leide. Suizidversuche in der Vorgeschichte habe es nicht gegeben. Vorbehandlungen seien nicht bekannt. Im Zuge der medizinischen Beurteilung wurde ausgeführt, dass symptomatisch ein tiefgreifendes Empfinden von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung mit Anhedonie und wiederkehrenden suizidalen Impulsen, intrusiven Elementen und massiver Schlafstörung dominieren würden. Es bestehe eine dringende Indikation zur fach- und leitliniengerechten Psychotherapie, sobald die äußeren Voraussetzungen vorliegen würden. Es könne als gesichert gelten, dass eine derartige Behandlung im Heimatland nicht zur Verfügung stehe bzw. nicht zugänglich sei. Es werde eine kombiniert antidepressiv-schlaffördernde medikamentöse Behandlung mit dem Ziel der Aufdosierung im Verlauf eingeleitet. Zusätzlich werde der Patient an der Stabilisierungsbehandlung in der Ambulanz teilnehmen. Es werde eine enge Anbindung an die Ambulanz mit regelmäßiger Verlaufskontrolle und stützenden Gesprächen vereinbart. Als Medikation wurde ihm Amitriptylin (25 mg) verschrieben.

Dem Arztbrief vom XXXX ist zudem zu entnehmen, dass der anberaumte Transfer beim BF zu einer akuten Krisenreaktion geführt habe, deren Konsequenzen noch nicht letztgültig beurteilt werden könnten. Daher werde um Transferaufschub für die Dauer von 10 Tagen gebeten.

Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde dem BF gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG und Z 6 leg cit. mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben. Ferner wurde ihm mit Verfahrensanordnung zur Kenntnis gebracht, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen. Die Verfahrensanordnungen wurden ihm im Zuge seiner mündlichen Einvernahme ausgehändigt.

2.5. Am XXXX erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt, im Zuge welcher der BF zu seinem Gesundheitszustand angab, er müsse sehr viel nachdenken. Er habe Angstzustände und sei seit etwa vier Jahren in Österreich. Er sei von einem Camp in das andere übergeben worden. In Deutschland habe er zu einem Psychologen gehen müssen. Obwohl bekannt gewesen sei, dass er in Behandlung sei, sei er abgeschoben worden. Weitere ärztliche Untersuchungstermine seien nicht vereinbart worden. Der BF verfüge über keine medizinischen Unterlagen, die der Behörde nicht bekannt seien. In der Folge wurde dem BF das Schreiben vom XXXX der Arztstation der Betreuungsstelle des BF vorgehalten. Demnach sei er in Deutschland medikamentös eingestellt worden, nehme jedoch seit vier Monaten keine Medikamente mehr und habe hier im Lager das Medikament Saroten verschrieben bekommen. Ferner wurde ihm vorgehalten, dass ein Generikum für das Medikament Saroten laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom Dezember 2017 in Afghanistan verfügbar sei. Hierzu führte der BF aus, es gehe nicht darum, dass er die Tabletten in Afghanistan nicht bekommen könne. Er wolle nicht zurück, da er psychische Probleme habe. In Deutschland habe er mehrfach versucht, sich das Leben zu nehmen. Die Leute in Stuttgart hätten ihm aber gesagt, er solle das nicht machen. Er habe sehr viel psychischen Druck. In Afghanistan habe er Schwierigkeiten und könne nicht zurück.

Ein vom BF vorgelegter Bericht betreffend die medizinische Versorgung in Afghanistan wurde von der Behörde als Beweismittel nicht zugelassen, da die darin enthaltenen Ausführungen ebenso aus dem Länderinformationsblatt hervorgingen.

Ferner legte der BF ein Schriftstück vor und führte dazu aus, daraus sei ersichtlich, dass sein Vater von den Taliban umgebracht worden sei. Auf Nachfrage gab der BF an, sein Vater habe für die Regierung gearbeitet, das habe er bereits gesagt. Der BF sei der einzige seiner Familie gewesen, der ausreisen habe können. Sein Vater sei später umgebracht worden. Auf Vorhalt, es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Ermordung des Vaters und des behaupteten Verkaufs betreffend den Verkauf von Alkohol, gab der BF an, der Vater sei getötet worden, da er Alkohol verkauft habe und die Taliban nach ihm gesucht hätten. Würden sie den BF finden, würden sie ihn umbringen. Daraufhin wurde von der Behörde ausgeführt, das Beweismittel sei unzulässig, da der Tod des Vaters kein Beweis für eine aktuelle Bedrohung des BF sei. Dazu gab der BF zu Protokoll, er habe sein Leben mit seinem Vater verbracht. Dieser habe ihm nie etwas verheimlicht. Er habe nichts mit den Taliban oder der Regierung zu tun. Sein Vater habe viele Grundstücke.

In der Folge wurde der Behörde ein Schreiben vorgelegt, wonach der Mitarbeiter der Schneiderei umgebracht worden sei. Das Bundesamt hielt diesbezüglich fest, es sei glaubhaft, dass der Arbeitskollege des BF gestorben sei, dies sei jedoch kein Beweis für das Fluchtvorbringen, zumal es an einem zeitlichen Zusammenhang fehle. Ferner sei das Vorbringen des BF bereits im Vorverfahren als nicht glaubhaft qualifiziert worden. Der BF erwiderte, die Taliban würden nicht wollen, dass Frauen zu einem männlichen Schneider gehen. Wenn man ihm nicht glaube, könne man auch seine Familie anrufen. Er sei aus der Stadt Ghazni. In der Nähe sei ein Dorf, wo sich viele Taliban aufhielten. In einem anderen Landesteil könne er nicht leben, da ihn die Taliban finden würden und er in Afghanistan niemanden habe. Es sei ihm unmöglich, nach Afghanistan zurückzukehren.

Zu den Länderfeststellungen brachte der BF vor, er könne dies nicht akzeptieren. Er habe seine eigenen Beweise. Es sei nicht sicher dort und die Situation werde schlechter. Er könne Sachen im Internet zeigen. Abschließend gab der BF an, er habe alles vorgebracht. Schließlich wurde er darauf hingewiesen, dass beabsichtigt werde, seinen Antrag gemäß § 68 AVG zurückzuweisen, gegen ihn ein Einreiseverbot zu erlassen und den faktischen Abschiebeschutz abzuerkennen. Hierzu gab der BF an, er würde in die Hände des Todes gebracht werden.

Nach einer Unterbrechung der Einvernahme wurde dem BF mit mündlich verkündetem Bescheid der ihm nach § 12 AsylG 2005 zukommende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs stellte die Behörde fest, der BF sei Staatsangehöriger von Afghanistan. Er sei volljährig und leide an keiner lebensbedrohenden Erkrankung.

Der Antrag des BF auf internationalen Schutz sei mit Bescheid vom XXXX abgewiesen worden und gegen ihn sei eine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX , XXXX als unbegründet abgewiesen worden. Das Erkenntnis sei am XXXX in Rechtskraft erwachsen. Als Fluchtgrund habe der BF in diesem Verfahren angegeben, er habe in Ghazni alkoholische Getränke verkauft und sei daher von den Taliban bedroht worden. Dieses Vorbringen sei jedoch als nicht glaubhaft qualifiziert worden. Im gegenständlichen Verfahren habe er den gleichen Fluchtgrund geltend gemacht, habe jedoch sein Vorbringen gesteigert, indem er behauptet habe, sein Vater sowie ein ehemaliger Arbeitskollege seien ermordet worden. Davon abgesehen sei bereits im Vorverfahren festgehalten worden, dass dem BF selbst bei Wahrunterstellung seines Fluchtvorbringens eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe und gelte dies auch für das gegenständliche Verfahren. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich daher seit Rechtskraft dieses Verfahrens nicht geändert. Sein (zweiter) Antrag auf internationalen Schutz sei daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihm im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung seiner in Art. 2 EMRK, Art. 3 EMKR oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention gewährleisteten Rechte drohen würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich wurde festgehalten, dass sein Aufenthalt in Österreich nie als sicher anzusehen gewesen sei und er in Österreich keine Verwandten oder Angehörigen habe, zu welchen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Er bestreite seinen Lebensunterhalt aus den Mitteln der Grundversorgung und habe keinen engen Kontakt zu Personen, die zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt seien. Die seine Person betreffende maßgebliche Lage im Herkunftsstaat habe sich seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens nicht geändert. Auf den Seiten 19 bis 140 wurden Feststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan getroffen.

Beweiswürdigend wurde (unter anderem) festgehalten, dass sich die Feststellung zu seinem Gesundheitszustand aus seinen Angaben ergebe. Dem Arztbrief des Universitätsklinikums XXXX vom XXXX sei zu entnehmen, dass der BF am XXXX ambulant behandelt worden sei und eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome diagnostiziert worden sei. Eine stationäre Behandlung sei nicht erforderlich gewesen. In Österreich sei er eigenen Angaben nach noch nicht beim Arzt gewesen, sondern habe lediglich Medikamente genommen. Eine Anfrage der Arztstation seiner Unterkunft habe ergeben, dass er in Deutschland medikamentös eingestellt worden sei. Eigenen Angaben nach habe er seit vier Monaten keine Medikamente genommen. Ihm sei von der Arztstation das Medikament Saroten verschrieben worden. Ein Gutachten vom XXXX bestätige, dass er frei von Selbstmordgedanken sei. Aufgrund seiner Angaben sowie der ärztlichen Unterlagen könnten seine Beschwerden nicht als schwer oder lebensbedrohend qualifiziert werden. Eine Anfragebeantwortung vom Dezember XXXX habe zudem ergeben, dass in Afghanistan für Saroten ein Generikum verfügbar sei. Zu seinem Fluchtvorbringen wurde festgehalten, dass sich der maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe und der BF auf Nachfrage selbst bestätigt habe, dass er seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf dieselben Fluchtgründe stütze, den er bereits in seinem ersten Verfahren geltend gemacht habe.

Rechtlich folgerte das Bundesamt, dass ein Folgeantrag vorliege und das Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz mit XXXX in Rechtskraft erwachsen sei. Die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung sei aufrecht, zumal er zwischenzeitlich das Bundesgebiet noch nicht verlassen habe bzw. 18 Monate ab einer Ausreise noch nicht verstrichen seien. Gemäß § 52 Abs. 8 FPG verpflichte eine Rückkehrentscheidung zur unverzüglichen Ausreise in den Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat. Der Aufenthalt in Deutschland oder Frankreich stelle sohin keine "Ausreise" iSd § 75 Abs. 23 AsylG dar. Über ein sonstiges Aufenthaltsrecht verfüge er nicht.

Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da er keinen neuen Sachverhalt vorgebracht habe. Eine entscheidungswesentliche Änderung der Lage im Herkunftsstaat sei nicht eingetreten. Weder die allgemeine Lage, noch der körperliche Zustand des BF hätten sich seit der letzten Entscheidung wesentlich geändert. Eine Änderung der persönlichen Verhältnisse sei ebenso wenig eingetreten. Es könne sohin davon ausgegangen werden, dass den BF eine Abschiebung nach Afghanistan nicht in seinen Rechten verletze. Folglich sei nicht zu bezweifeln, dass die Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat nach wie vor zulässig sei. Aufgrund der Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat sei eine Verletzung iSd § 12 Abs. 2 Z 3 AsylG im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich.

2.6. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt von Amts wegen am XXXX dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung des Bescheides vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Sachverhalt:

Der BF ist afghanischer Staatsangehörige und gehört der Volksgruppe der Tadschiken sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams an.

Der vom BF am XXXX gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX , Zl. XXXX , sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde dem BF nicht erteilt. Gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft festgesetzt.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom XXXX vollinhaltlich abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde dem BF im Wege seines ausgewiesenen Vertreters am XXXX zugestellt.

Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Er hielt sich zunächst in Frankreich auf, woraufhin er nach Deutschland weiterreiste. In der Folge wurde er von den deutschen Behörden nach Österreich rücküberstellt. Seither hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

Am XXXX stellte der BF in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge seiner Erstbefragung sowie seiner Einvernahmen vor dem Bundesamt brachte der BF vor, sein Vater sowie sein Arbeitskollege seien nach rechtskräftiger Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz von den Taliban aufgrund der im Erstverfahren genannten Vorfälle ermordet worden. Im Verfahren brachte er zwei Dokumente vor, welche seinen Angaben nach diesen Sacherhalt bestätigen würden. Die Beweismittel wurden vom Bundesamt als unzulässig qualifiziert und liegen im Akt nicht vor. Ferner wurde im gegenständlichen Verfahren erstmals vorgebracht, der BF könne aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren. Zum Nachweis wurden Arztbriefe des Universitätsklinikums XXXX von April und Mai 2019 vorgelegt, wonach der BF im Untersuchungszeitpunkt an einer schweren depressiven Episode gelitten hat. Ob seither eine Veränderung seines Gesundheitszustandes eingetreten ist, kann nicht abschließend festgestellt werden.

Es kann sohin nicht abschließend festgestellt werden, ob der BF an einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit leidet. Ebenso wenig kann festgestellt werden, ob im Fall der Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat eine gravierende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eintreten würde.

Folglich kann nicht abschließend festgestellt werden, ob eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt.

II.2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Sachverhaltsfeststellungen zur Person des BF, zu seinem Aufenthalt in Frankreich und Deutschland sowie zum Verfahrensgang ergeben sich aus der Aktenlage.

2.2. Hinsichtlich der vorgebrachten Flucht- und Verfolgungsgründe bezog sich der BF grundsätzlich auf Umstände, welche bereits im erstinstanzlichen Verfahren über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz bestanden haben. Allerdings legte der BF der Behörde im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX zwei Schreiben vor, welchen seinen Angaben nach zu entnehmen sei, dass sein Vater sowie sein Arbeitskollege von den Taliban getötet worden seien (vgl. AS 191). Diese Beweismittel wurden vom Bundesamt im Zuge der mündlichen Einvernahme als "unzulässig" qualifiziert und befinden sich nicht im Akt. Der Inhalt der Schreiben ist sohin für das erkennende Gericht nicht überprüfbar und kann auch nicht nachvollzogen werden, wann die entsprechenden Schriftstücke verfasst wurden. Ebenso wenig kann eine Beurteilung der Authentizität sowie der Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben vorgenommen werden. Es kann sohin nicht abschließend beurteilt werden, ob sich aus den Schreiben Hinweise auf einen neuen entscheidungswesentlichen Sachverhalt hinsichtlich der realen Gefahr einer Bedrohung oder Verfolgung des BF im Fall seiner Rückkehr ergeben.

2.3. Ferner kann eine Änderung des Gesundheitszustandes des BF seit der rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz nicht ausgeschlossen werden. Im Bescheid vom XXXX findet sich in diesem Zusammenhang lediglich die Feststellung, dass der BF an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leidet. Die entsprechenden beweiswürdigenden Erwägungen sind jedoch nicht nachvollziehbar. So führte das Bundesamt zunächst aus, die Feststellungen des BF zu seinem Gesundheitszustand seien dem gegenständlichen Bescheid zugrunde gelegt worden. Allerdings gab der BF im Zuge seiner Einvernahme am XXXX an, er sei in Deutschland für die Dauer von vier bis fünf Monaten beim Arzt gewesen und habe am Anfang Medikamente bekommen, welche er bis jetzt nehme (vgl. AS 123). Im Gegensatz dazu ging das Bundesamt in seiner Beweiswürdigung davon aus, dass der BF eigenen Angaben nach seit vier Monaten seine Medikamente nicht mehr nehme (vgl. Bescheid vom XXXX : S. 142).

Darüber hinaus hielt das Bundesamt in seiner Beweiswürdigung fest, laut psychiatrischem Gutachten vom XXXX sei der BF frei von Selbstmordgedanken. Ein solches Gutachten liegt im Akt jedoch nicht vor, sondern befindet sich darin lediglich eine Kopie der Klientenkarte des BF, welche mit handschriftlichen Notizen einer praktischen Ärztin sowie einer Fachärztin für Psychiatrie versehen ist (vgl. AS 179ff). Die von der Fachärztin für Psychiatrie festgehaltenen Notizen vom XXXX lauten wie folgt:

"möchte Gesprächstherapie in Muttersprache; Saroten 25 mg 0/0/0/1 (möchte keine Dosisänderung); psychiatr. Vorstellung nötig; SMG; Stimm. gedrückt; über Dolmetsch aufgeklärt, dass aktuell PTH möglich ist". Eine Aussage über allfällige Selbstmordgedanken des BF wird darin jedoch nicht getroffen.

Hinsichtlich des Verweises der Behörde, wonach eine Anfrage bei der für den BF zuständigen Arztstation eingeholt worden sei, ist zunächst festzuhalten, dass es sich hierbei um ein formloses E-Mail vom XXXX handelt, in welchem auf die vom BF vorgelegten Arztbriefe des Universitätsklinikums XXXX verwiesen wird. Ferner wird - wie im Klientenbrief festgehalten - als Medikation "Saroten 25 mg abends" angeführt. Abschließend wird ohne nähere Begründung festgehalten, dass laut psychiatrischer Begutachtung vom XXXX derzeit keine Selbstmordgedanken vorliegen würden. Es ist jedoch in keiner Weise nachvollziehbar, worauf sich die Einschätzung hinsichtlich allfälliger Selbstmordgedanken stützt, zumal - wie bereits mehrfach erwähnt - ein entsprechendes Gutachten und/oder Befunde nicht vorliegen.

Die Argumentation der Behörde, wonach die Ärzte in Österreich im Fall einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung anders agiert hätten, zielt überdies ins Leere, wurde doch - wie aus den obenzitierten Notizen ersichtlich - in der Klientenkarte des BF explizit auf das Erfordernis einer psychiatrischen Vorstellung hingewiesen. Ferner geht aus den Notizen hervor, dass sich der BF - entgegen der Ausführungen der Behörde - nicht ausschließlich Medikamente genommen habe, sondern eine Fachärztin konsultiert und sich um eine Gesprächstherapie bemüht hat.

Anhand der Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens kann nicht abschließend festgestellt werden, ob sich der Gesundheitszustand des BF seit der rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz entscheidungswesentlich verändert hat, zumal die Behörde nicht erhoben hat, ob sich der BF tatsächlich in Therapie befindet bzw. ob im Zuge einer psychiatrischen Vorstellung eine neuerliche Diagnose gestellt wurde. Folglich kann nicht abschließend festgestellt werden, ob der BF neben der medikamentösen Behandlung weitere Therapien oder Betreuung benötigt und/oder ob sich sein Gesundheitszustand seit der Diagnose des Universitätsklinikums XXXX verändert hat. Mangels entsprechender Ermittlungsergebnisse kann auch nicht beurteilt werden, ob sich der Gesundheitszustand des BF im Fall seiner Rückkehr gravierend verschlechtern würde.

2.4. Aus diesen Erwägungen resultiert die Feststellung, wonach eine entscheidungswesentliche Veränderung des maßgeblichen Sachverhalts seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens mangels Berücksichtigung der vorgelegten Bescheinigungsmittel betreffend die behauptete Verfolgung im Herkunftsstaat sowie mangels ausreichender Erhebungen zum Gesundheitszustandes des BF nicht abschließend festgestellt werden kann.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zuständigkeit

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Weder das AsylG 2005 noch das FPG 2005 sehen eine Entscheidung durch Senate vor, sodass das Bundesverwaltungsgericht den gegenständlichen Beschwerdefall durch Einzelrichter zu entscheiden hat.

3.2. Zur anzuwendenden Rechtslage:

3.2.1. § 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 lauten

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1.-gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2.-kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3.-im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4.-eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1.-gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2.-der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3.-die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Entscheidungen

§ 22. (10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

3.2.2. § 22 BFA-Verfahrensgesetz lautet:

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.3. Zu Spruchpunkt A):

3.3.1. Zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung

Gemäß § 12a Abs. 6 AsylG bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn, es wurde ein darüberhinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt.

Gemäß § 52 Abs. 8 FPG wird eine Rückkehrentscheidung mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in diesen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde.

Mit Bescheid vom XXXX wurde der erste Antrag auf internationalen Schutz des BF abgewiesen und gegen ihn gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX als unbegründet abgewiesen. Die gegen den BF erlassene Rückkehrentscheidung erwuchs daraufhin am XXXX in Rechtskraft. Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, zumal er weder in den Herkunftsstaat, noch in ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder in einen anderen Drittstaat ausgereist ist, sondern sich seither lediglich in Frankreich, Deutschland und Österreich aufgehalten hat.

Gegen den BF besteht sohin eine aufrechte Rückkehrentscheidung.

3.3.2. Voraussichtliche Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz

Eine weitere Voraussetzung für die Aberkennung faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird.

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes kann freilich dazu führen, dass der Asylwerber vor der inhaltlichen Entscheidung über den Antrag außer Landes gebracht wird und dass dies unter Umständen mit Folgen verbunden ist, vor denen das Asylrecht gerade schützen will. An eine solche Prognose sind daher strengere Maßstäbe anzulegen als in vergleichbaren Fällen (etwa der Beschleunigung eines Verfahrens gemäß § 27 Abs. 4 AsylG 2005 auf Grund der irrigen Prognose, der Asylantrag werde abzuweisen sein) (vgl. zuletzt den hg. Beschluss vom 27.10.2016, GZ W163 2137550-2).

§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt eine Prognoseentscheidung über eine vorausssichtliche Antragszurückweisung; die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. die in Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, S 284, angeführten Gesetzesmaterialien zu § 22BFA-VG).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

3.3.2.1. Im gegenständlichen Verfahren brachte der BF erstmals vor, dass sein Vater sowie sein Arbeitskollege nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz von den Taliban ermordet worden seien. Zum Nachweis brachte der BF zwei Schriftstücke in Vorlage, welche jedoch vom Bundesamt als "unzulässig" qualifiziert und nicht zum Akt genommen wurden. In der Einvernahme wurde festgehalten, dass der Tod der genannten Personen nicht bezweifelt werde. Allerdings würden die Schreiben nicht den Rückschluss zulassen, dass das Fluchtvorbringen des BF glaubhaft sei. Diese beweiswürdigenden Erwägungen können jedoch vom erkennenden Gericht nicht überprüft werden, zumal die entsprechenden Dokumente im Akt nicht vorliegen. Weder der Inhalt, noch die Authentizität der Schreiben sind sohin einer Beurteilung durch das Gericht zugänglich. Folglich kann nicht abschließend festgestellt werden, ob sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt seit der rechtskräftigen Entscheidung im Erstverfahren geändert hat bzw. ob sich aus den erwähnten Schreiben eine allfällige Gefährdung des BF im Fall seiner Rückkehr ableiten lässt.

3.3.2.2. Hinzu tritt, dass der BF im gegenständlichen Verfahren erstmals vorgebracht hat, an schweren psychischen Problemen zu leiden, weshalb ihm eine Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich sei. Zum Nachweis wurden Arztbriefe des Universitätsklinikums XXXX in Vorlage gebracht, aus welchen hervorgeht, dass er im Zeitpunkt der Untersuchung an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome gelitten hat, eine dringende Indikation zur fach- und leitliniengerechten Psychotherapie bestanden ist und er sich zusätzlich in medikamentöser Behandlung befunden hat. Ferner liegen im Akt die medizinische Klientenkarte des BF vor, wonach der BF am XXXX um eine Gesprächstherapie in seiner Muttersprache ersucht habe und sich nach wie vor in medikamentöser Behandlung befinde.

Wesentliches Element der Entscheidung des BVwG vom XXXX , betreffend das Vorverfahren ist in Beachtung der Judikatur der Höchstgerichte die den BF individuell betreffende Rückkehrsituation in Afghanistan. Auf Grund der Angaben des BF wurde im angeführten Erkenntnis des BVwG in der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, dass es sich beim BF um einen arbeitsfähigen, jungen und gesunden Mann handle, der über Berufserfahrung in der Landwirtschaft sowie als Schneider verfüge und sohin in der Lage sei, sich allenfalls durch Gelegenheitsarbeiten seine Existenzgrundlage zu sichern.

Das Vorbringen und die vorgelegten Unterlagen weisen nunmehr darauf hin, dass ein geänderter Sachverhalt betreffend die persönliche Situation des BF vorliegen könnte, der Auswirkungen auf die Situation im Falle der Rückkehr des BF haben könnte.

Das Bundesamt hat sich mit diesem konkreten Vorbringen nicht ausreichend auseinandergesetzt. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand beschränken sich im Bescheid vom XXXX darauf, dass der BF an keine lebensbedrohende Krankheit leiden würde. Die diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen sind jedoch widersprüchlich und aktenwidrig. Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, weist das Bundesamt einerseits daraufhin, dass der BF bereits seit vier Monaten seine Medikamente nicht mehr genommen habe, andererseits führte der BF in der Einvernahme am XXXX explizit an, seit seinem Aufenthalt in Deutschland durchgehend Medikamente einzunehmen. Ferner berief sich die Behörde in der Beweiswürdigung auf ein psychiatrisches Gutachten vom XXXX , welches im Akt jedoch nicht vorliegt. Den Notizen einer psychiatrischen Fachärztin vom XXXX ist ferner zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer eine Gesprächstherapie in seiner Muttersprache wünsche und nach Ansicht der Ärztin eine psychiatrische Vorstellung des BF nötig sei. Aus dem Akteninhalt geht jedoch weder hervor, ob sich der BF nunmehr tatsächlich in Therapie befindet, noch ob er bei einem Psychiater vorstellig geworden ist. Ebenso wenig kann festgestellt werden, ob sich das Krankheitsbild des BF seit der Diagnose des Universitätsklinikums XXXX verändert hat. Aus den Ausführungen der Behörde kann sohin nicht zweifelsfrei geschlossen werden, dass der Beschwerdeführer an keiner schweren psychischen Krankheit, welche behandlungsbedürftig ist, leiden würde.

Zwar wurde in den Feststellungen des gegenständlichen Verfahrens ausgeführt, dass in Afghanistan eine ausreichende medizinische Versorgung vorliegen würde und ist laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 06.12.2017 ein (rezeptpflichtiges) Generikum des vom BF benötigten Medikaments Saroten in Afghanistan verfügbar, doch ergibt sich aus den vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen, dass es in Afghanistan traditionell an einem Konzept für psychisch Kranke fehlen würde, sodass eine abschließende Beurteilung des Gesundheitszustandes des BF im gegenständlichen Fall notwendig ist. Insbesondere ist vor einer abschließenden Beurteilung zu klären, ob sich sein Krankheitsbild seit der Diagnose des Universitätsklinikums XXXX verändert hat. Entscheidungsrelevant ist ferner, ob beim BF neben der medikamentösen Behandlung ein Bedarf an weiteren Therapieformen bzw. Behandlungen besteht und ob sich sein Gesundheitszustand im Fall seiner Rückkehr gravierend verschlechtern würde.

Im Lichte der aufgezeigten Erwägungen kann derzeit nicht hinreichend zuverlässig davon ausgegangen werden, dass der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Somit sind die Voraussetzungen, unter denen der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Mit Aufhebung des vorliegenden Bescheides kommt dem AW faktischer Abschiebeschutz iSd § 12 Abs. 1 AsylG 2005 zu.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung
nicht rechtmäßig, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W124.2133712.2.00

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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