TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/12 W245 2225206-1

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Veröffentlicht am 12.11.2019
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Entscheidungsdatum

12.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs1 Z3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W245 2225206-1/2Z

Teilerkenntnis

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 03.10.2019, Zahl: XXXX :

A)

I. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

III. Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz "BF"), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen der am 06.04.2019 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass sein Vater in Afghanistan als Dolmetscher für das australische und amerikanische Militär gearbeitet habe. Der Vater sei vor ca. 1 1/2 Jahren von den Taliban getötet worden. Vier Monate später sei auch sein Bruder XXXX von den Taliban getötet worden. Danach habe er Angst gehabt und sei aus Afghanistan geflohen. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben. Er würde von den Taliban getötet werden.

I.3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz "BFA") am 28.08.2019 gab der BF an, dass die Taliban zunächst den Vater des BF getötet hätten. Dann hätten sie den Bruder des BF getötet. Da auch das Leben des BF in Gefahr gewesen sei, sei er geflüchtet. Bei einer Rückkehr würde der BF von den Taliban getötet werden.

I.4. Mit Bescheid vom 03.10.2019 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein befristetes Aufenthaltsverbot für die Dauer eines Jahres erlassen.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung begründete das BFA damit, dass der BF versucht habe, die Behörden durch nicht nachgewiesene unwahre Angaben in Bezug auf das Geburtsdatum und Identität zu täuschen. Eine persönlich erlebte Bedrohungssituation habe der BF dezidiert verneint. Der BF habe keine glaubwürdigen Verfolgungsgründe iSd GFK vorbringen können. Seit seiner Antragstellung befinde sich der BF in der Grundversorgung. Sein Antrag diene lediglich dazu, der Lage in seinem Herkunftsstaat zu entkommen bzw. seine persönliche Lage zu verbessern und abzusichern. Von einer Hilfsbedürftigkeit kann nicht ausgegangen werden.

I.5. Mit Verfahrensanordnung vom 03.10.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX , als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 03.10.2019 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

I.6. Gegen den Bescheid des BFA richtete sich die am 04.11.2019 fristgerecht erhobene Beschwerde. In der Beschwerde wird unter anderem der Antrag gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkennen.

I.7. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz "BVwG") am 08.11.2019 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem unter Punkt I. dargestellten Verfahrensgang, wobei im vorliegenden Verfahren nach § 18 Abs. 5 BFA-VG den in den vorgelegten Akten dokumentierten ungeprüften Angaben des BF zu seinen Fluchtgründen wesentliche Bedeutung zukommt.

II.2. Rechtliche Beurteilung

II.2.1. Zu A) Zuerkennung er aufschiebenden Wirkung:

II.2.1.1. Zur Rechtslage im gegenständlichen Verfahren:

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen (§ 18 Abs. 6 BFA-VG).

II.2.1.2. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für die Beschwerdesache Folgendes:

Im Rahmen des § 18 BFA-VG 2014 kann sich der BF in seiner Beschwerde an das BVwG gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG 2014 wenden. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren ist ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 gesetzlich nicht vorgesehen. Es kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 ist somit unzulässig. (VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014). Der expressiv verbis gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Weiters kann vor dem Hintergrund des Vorbringens des BF im Rahmen des Asylverfahrens aus derzeitiger Sicht nicht ausgeschlossen werden, dass dem Vorbringen Asylrelevanz zukommt bzw. eine Rückverbringung nach Afghanistan eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers nach Art. 2 und 3 EMRK mit sich bringt. In diesem Zusammenhang stammt der BF aus einer Provinz in Afghanistan die großteils unter der Herrschaft der Taliban steht. Vor diesem Hintergrund ist eine Bedrohung bzw. eine Verfolgung durch die Taliban nicht auszuschließen.

Ob eine entscheidende reale Gefahr vorliegt, wird erst durch eine nähere Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen des BF unter Berücksichtigung des Berichtsmaterials zur aktuellen Lage in Afghanistan nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beurteilen sein. In diesem Sinne hat der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA die aufschiebende Wirkung zuzukommen.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich bei dieser um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen scheint, dass die Angaben des BF als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Daher war der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und der diese aberkennende Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, wird darüber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte zu dieser Frage gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen Grundlage für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W245.2225206.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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