TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/29 W254 2225644-1

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Veröffentlicht am 29.11.2019
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Entscheidungsdatum

29.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §33 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W254 2225644-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. IRAN gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 iVm. § 33 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2, sowie § 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) stellte am XXXX 2019 am Flughafen Wien-Schwechat im Zuge einer Identitätsfeststellung gemäß § 12a des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG) durch Organe der Bundespolizei einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005).

Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung aufgrund des Verdacht einer Fälschung besonders geschützter Urkunden gab er freiwillig zu Protokoll, dass er in Gefahr ist, weil er gegen die iranische Regierung war. Deshalb sei er eingesperrt worden.

Im Rahmen der Erstbefragung am 11.11.2019 gab der BF zusammengefasst hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, dass er im Iran zu einer lebenslangen Haft verurteilt wurde. Er sei 7 Jahre eingesperrt gewesen. In einem Haus, wo er sich mit Freunden befunden habe, wurde ohne sein Wissen mit Drogen gehandelt. Der Ort sei verraten worden und da er anwesend war, sei er als Drogendealer verhaftet worden. Seine Eltern hätten eine vorübergehende Freilassung aufgrund einer Hinterlegung eines Grundbuches erwirken können. Während der Freilassung organisierte seine Familie die Flucht aus dem Iran.

Nachdem die Einreise des BF nicht gestattet worden war, wurde der BF am 05.11.2019 im Rahmen eines Flughafenverfahrens gemäß §§ 31 ff.

AsylG vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA), Erstaufnahmestelle (EAST) Flughafen, niederschriftlich im Beisein eines Rechtsberaters einvernommen. Dort wurde der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und er führte dort aus, dass er aufgrund von Besitz von 750 Gramm Crysral-Drogen eine lebenslange Freiheitsstrafe bekommen hätte. Nachgefragt hätte er keine Drogen gehabt. 2 Jahre habe dann sein Strafverfahren gedauert und am 29.12.2012 sei er rechtskräftig verurteilt worden. Er sei dann 6,5 Jahre in Haft gewesen und habe dann einen Antrag auf Gefangenenurlaub gestellt. Er habe einen Monat Gefangenenurlaub bekommen. Auf Nachfrage alle seine Fluchtgründe zu schildern, antwortete der BF folgendermaßen:

LA: Weshalb reisten Sie aus? Nennen Sie nun bitte detailliert und in Ihren eigenen Worten alle Ihre Fluchtgründe, sodass ich mir ein Bild davon machen kann? Sie haben hierzu ausreichend Zeit.

VP: Ich war gezwungen auszureisen. Meine Eltern haben die ganzen Bemühungen unternommen, sonst wäre ich lebenslang im Gefängnis.

LA: Ist das jetzt Ihr konkreter Fluchtgrund und können Sie noch mehr dazu sagen oder ist das alles?

VP: Das ist alles.

LA: Gibt es jetzt noch weitere Vorfälle oder Vorbringen?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie sonst jemals persönlich belangt, bedroht oder verfolgt?

VP: Nein.

LA: Waren Sie selbst jemals drogenabhängig?

VP: Nein. Nachgefragt habe ich nie Drogen genommen.

Vom UNHCR wurde am 8.11.2019 die Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR-Exekutivkomitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden kann.

Das BFA wies mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde begründete im gegenständlich angefochtenen Bescheid ihre abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die vom BF vorgebrachten Beweggründe, seine Heimatland verlassen zu haben, nämlich die Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe nicht glaubhaft sind.

Mit Verfahrensanordnung vom 12.11.2019 wurde dem BF gemäß § 63 Abs. 2 AVG ein Rechtsberater für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt.

Am 18.11.2019 brachte der BF das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit dem der Bescheid gesamtinhaltlich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten und eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt wurde.

In der Beschwerdebegründung wiederholte der BF sein Fluchtvorbringen und legte zum Beweis seines Vorbringens eine Kopie des iranischen Strafurteils bei, dem zu entnehmen sei, dass der BF am 28.10.2012 rechtskräftig verurteilt wurde.

Hinsichtlich des Verfahrensinhaltes sowie des Inhalts der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der BF, insbesondere die Niederschrift der Beschuldigtenvernehmung, die Erstbefragung, die niederschriftliche Einvernahme, der Bescheid einschließlich der dort angeführten Beweismittel (insbesondere der Auszug aus dem iranischen Antidrogengesetz [§8] und Auszug aus der iranischen Geschäftsordnung für Gefangene und Gefangenurlaub [§ 214 und §§ 216 bis 225] und die Beschwerde.

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zur Person des BF

Der BF ist Staatsangehöriger des Iran und schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Farsi. Seine Kernfamilie lebt im Iran. Er hat eine 12-jährige Schulausbildung und die Matura absolviert. Der BF ist gesund und leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Er führt den im Spruch genannten Namen.

1.2. Zu den Fluchtgründen und zur Situation bei einer Rückkehr in den Iran:

Der BF war in seinem Herkunftsstaat in der Vergangenheit keiner Bedrohung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten ausgesetzt und drohen ihm solche auch in Zukunft nicht.

Der BF wurde insbesondere nicht aufgrund eines ihm fälschlicherweise vorgeworfenen Drogendelikts zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Weiters konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der BF in den Iran eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Der BF ist jung und arbeitsfähig und leidet an keinen schwerwiegenden Krankheiten. Der BF hat keine Verwandten oder Freunde in Österreich und spricht nicht Deutsch. Der BF befindet sich im Sondertransit des Flughafens Wien-Schwechat. Der BF hält sich nicht im Bundesgebiet auf.

1.3. Feststellungen zum Herkunftsland des BF:

Für die Feststellungen zum Herkunftsland wird auf die aktuellen Länderfeststellungen des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2019 verwiesen (insbesondere auf die Kapitel Rechtsschutz/Justizwesen, Sicherheitsbehörden, Folter und unmenschliche Behandlung, Haftbedingungen, Todesstrafe, Bewegungsfreiheit, Rückkehr, Dokumente). Diesen wurden nicht substantiiert entgegengetreten.

Gemäß § 8 des iranischen Antidrogengesetzes wird jeder, der mehr als 30 Gramm Drogen verwahrt, verbirgt/versteckt oder befördert mit Exekution/Hinrichtung bestraft.

Gemäß § 221 der iranischen Geschäftsordnung für Gefangene und Gefangenurlaub ist bei Verurteilungen wegen einer erheblichen Menge von Drogen kein Hafturlaub zu gewähren.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Auch die zuständige Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes kommt in Übereinstimmung mit dem Bundesamt zur Überzeugung, dass für den BF keine asylrelevante Gefährdung im Herkunftsstaat besteht. Die im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen sowie die darauf basierenden beweiswürdigenden Überlegungen sind schlüssig und nachvollziehbar und werden zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben.

Das Bundesamt hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und werden die daraus gewonnenen Ergebnisse der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt, zumal mit der Beschwerde weder die Beweiswürdigung des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid erschüttert werden konnte, noch die erstinstanzlich vorgebrachten Ausreisegründe in substantiierter Weise ergänzt wurden.

Die Länderfeststellungen folgen dem LIB der Staatendokumentation Iran in der (aktuellen) Fassung von Juni 2019, die bereits im angefochtenen Bescheid wiedergegeben wurden und vom BF nicht substantiiert bestritten wurden.

Die Feststellungen zu den iranischen Rechtsgrundlagen gründen auf den Beweismitteln, die bereits im Bescheid des BFA genannt wurden und dem BF bereits in der Einvernahme vorgehalten wurden. Der BF ist diesen Beweismitteln nicht susbtantiiert entgegengetreten, sondern bringt dazu lediglich vor, dass die Behörde mögliche haftmildernde Umstände nicht miteinbezogen hat.

2.2. Zur Person des BF:

Die Identität des BF konnte nicht festgestellt werden. An der iranischen Staatsangehörigkeit haben sich aufgrund der gleichbleibenden Angaben im Asylverfahren und den vom BF dargelegten Orts- und Sprachkenntnissen keine Zweifel ergeben. Betreffend die Religionszugehörigkeit gab der BF selbst an schiitischer Moslem zu sein.

Die Feststellungen zu ihren familiären und privaten Umständen im Herkunftsstaat und in Österreich basieren auf den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF. Dass der BF an keiner schwerwiegenden Erkrankung leidet, ergibt sich aus den eigenen Angaben des BF vor dem Bundesamt (AS 165) sowie der durchgeführten ärztlichen Untersuchung, die Haftfähigkeit und einen guten Allgemeinzustand attestierte (AS 89).

2.3. Zu den geltend gemachten Fluchtgründen

Zur Feststellung fehlender individueller Verfolgung des BF vor der Ausreise aus dem Herkunftsstaat sowie fehlender Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr gelangte das Gericht aufgrund folgender Erwägungen:

Der BF stützte sein Fluchtvorbringen im Wesentlichen auf die Behauptung, dass er zu Unrecht aufgrund eines ihm vorgeworfenen Besitzes von 750 Gramm Crysral (gemeint ist wohl Crystal) zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde und nach 6,5 Jahren Haft aufgrund eines genehmigten Hafturlaubes aus dem Iran flüchten konnte.

Dieses Vorbringen entspricht jedoch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in Übereinstimmung mit der Beurteilung durch das BFA aufgrund zahlreicher Implausibilitäten, aber auch Widersprüchen in seinem Vorbringen in Verbindung mit seinen teilweise nur sehr dürftigen und wenig detailreichen Schilderungen zu der Verfolgungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen:

Der BF wurde im Rahmen des Asylverfahrens nach Durchführung eines Rechtsberatungsgespräches niederschriftlich von der belangten Behörde einvernommen, wobei er in der Einvernahme vom 05.11.2019 die Gelegenheit hatte, sich ausführlich zu seinen Ausreisegründen und Rückkehrbefürchtungen zu äußern.

Das BFA beließ es dabei nicht bei offenen Fragen, sondern versuchte auch durch konkrete Fragestellung den Ausreisegrund und zu erwartende Rückkehrprobleme zu erhellen, was nach Ansicht des erkennenden Gerichts auch hinreichend geschehen ist. Die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlungspflicht geht nicht so weit, dass sie in jeder denkbaren Richtung Ermittlungen, z. B. im Heimatland des BF, durchzuführen hätte, sondern sie besteht nur insoweit, als konkrete Anhaltspunkte aus Akten (etwa das Vorbringen der Partei (VwSlg 13.227 A/199)) dazu Veranlassung geben (VwGH 04.04.2002, 2002/08/022).

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der BF in der Beschuldigten Vernehmung zunächst angegeben hatte, dass er gegen die iranische Regierung gewesen wäre und daher eingesperrt worden wäre. In der Erstbefragung und niederschriftlichen Einvernahme weicht er von diesen Angaben ab und bringt zum ersten Mal vor, dass er wegen eines Drogendelikts zu Unrecht inhaftiert worden wäre.

Es ist auch dem BFA beizupflichten, dass es nicht nachvollziehbar ist, dass der BF kein konkretes Datum für seine Freilassung aus der Gefangenschaft nennen konnte, obwohl er andere Daten, die weiter zurücklagen sehr wohl benennen konnte. Im Übrigen wusste er auch nicht, wann er nach seinem Hafturlaub wieder zurück im Gefängnis zu sein hatte (vgl. niederschriftliche Einvernahme, Bescheid S. 8).

In der Einvernahme vor dem BFA brachte der BF über Nachfrage auch vor, dass er die Dokumente über seinen Hafturlaub und seine Verurteilung nachreichen könne. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es unverständlich ist, weshalb der BF diese Dokumente nicht bereits bei sich hat, sondern in seinem Herkunftsland zurückgelassen hat. Der BF hat diese Unterlagen bis zur ihm vom BFA gesetzten Frist, den 11.11.2019, nicht vorgelegt. Erst mit der Beschwerde hat er eine Kopie des Strafurteils vorgelegt. Begründend führte er aus, dass er Schwierigkeiten hatte, seine Eltern zu erreichen. Ein Beweismittel betreffend seinen Hafturlaub legte er bis zuletzt nicht vor.

Zur Frage des Neuerungsverbotes in Zusammenhang mit dem vorgelegten Beweismittel:

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 3 BFA-VG dürfen in einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesamtes neue Tatsachen und Beweismittel nur vorgebracht werden, wenn diese dem Fremden bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes nicht zugänglich waren. Das Neuerungsverbot gilt nicht absolut, sondern soll nur jenes Vorbringen erfassen, das ein Beschwerdeführer bloß zur bewusst intendierten Verfahrensverzögerung erstattet. Es bedarf daher bei Annahme eines Neuerungsverbotes einer Auseinandersetzung mit der Voraussetzung der missbräuchlichen Verlängerung des Asylverfahrens (vgl. VwGH vom 29.6.2015, Ra 2015/18/0036).

Im vorliegenden Fall hat der BF die Kopie des Strafurteils erst mit der Beschwerde vorgelegt. Wie bereits erwähnt, ist es nicht nachvollziehbar, weshalb er diese Unterlagen nicht bereits zur Untermauerung seines Fluchtvorbringens mit sich führte. Als der BF vom BFA im Rahmen der Einvernahme aufgefordert wurde, diese vorzulegen, wurde ihm eine Frist bis zum 11.11.2019 gesetzt, die geforderten Unterlagen vorzulegen, wobei der BF zusagte, diese heranzuschaffen. Bis zur Erlassung des Bescheides langten beim BFA jedoch lediglich Kopien des Personalausweises und der Geburtsurkunde des BF ein. Eine Kopie des Strafurteils wurde erst mit der Beschwerde vorgelegt, wobei ausgeführt wurde, dass der BF Schwierigkeiten hatte, seine Eltern zu erreichen. Zu dieser Verantwortung betreffen der verspäteten Vorlage, ist anzumerken, dass der BF in der niederschriftlichen Einvernahme selbst angegeben hatte, dass er zuletzt mit seiner Mutter Kontakt gehabt hätte:

LA: Mit wem hatten Sie zuletzt Kontakt in Ihrem Heimatland?

VP: Mit meiner Mutter. Nachgefragt letzte Nacht. Sie wollte wissen wie weit mein Verfahren ist.

LA: Haben Sie beim letzten Telefonaten konkret betreffend einer aktuellen Bedrohungssituation oder einer Nachfrage -suche nach Ihrer Person im HKS auch Gespräche geführt?

VP: Ja.

LA: Was haben Sie genau besprochen dabei bitte?

VP: Darüber dass ich im Gefängnis war und um Urlaub angesucht habe und anschließend "draußen war" und über die Problematik im Gefängnis.

Der BF hat damit keine plausible Erklärung geliefert, weshalb er die Unterlagen nicht bei sich hatte bzw. weshalb es nicht früher möglich war, die Unterlagen vorzulegen. Der Befragung ist auch zu entnehmen, dass der BF bei seiner Flucht von seiner Familie sowohl finanziell als auch organisatorisch wesentlich unterstützt wurde. Auch wenn seine Eltern während der niederschriftlichen Einvernahme telefonisch nicht erreichbar waren, erklärt dies dennoch nicht, weshalb es dem BF auch Tage danach nicht möglich war, seine Eltern zu erreichen und wird es als Schutzbehauptung gewertet. Auch ist letztlich nicht verständlich, weshalb er eine Kopie des Strafurteils vorlegen konnte, die Bestätigung über den Hafturlaub hingegen nicht. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die mit der Beschwerde vorgelegte Kopie des Strafurteils dem BF bereits früher zugänglich gewesen ist und daher gegen das Neuerungsverbot des §20 Abs. 1 BFA-VG verstößt.

Unabhängig von der Beurteilung, ob es sich bei dem vom BF vorgelegten Beweismittels zum Nachweis der Verurteilung aufgrund der vorgelegten Kopie um ein dem Neuerungsverbot unterliegenden Beweismittel handelt, ist jedoch jedenfalls auch festzuhalten, dass nach den bereits vom BFA eingebrachten LIB Iran, gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente im Iran einfach erhältlich sind. Die vorgelegten Dokumente sind in den meisten Fällen echt, der Inhalt gefälscht oder verfälscht. Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden. Somit kann diesem Beweismittel, selbst wenn es nicht unter das Neuerungsverbot fiele, kommt der Vorlage dieser Kopie somit keine Beweiskraft zu.

Weiters ist dem BFA vor allem auch darin beizupflichten, dass gemäß den iranischen Gesetzen, ein Drogenbesitz von über 30 Gramm mit Hinrichtung/Exekution bestraft wird und bei Verurteilungen aufgrund von erheblichen Mengen Drogen kein Hafturlaub gewährt wird. Die Geltung dieser Bestimmungen, die dem BF in der Einvernahme vorgehalten wurden, wurden vom BF nicht bestritten. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die im LIB Iran angesprochene Gesetzesänderung zur Todesstrafe wegen Drogendelikte auch erst 2018 in Kraft trat, während der BF bereits 2012 verurteilt worden sein soll. Der vom BF vorgebrachte Sachverhalt, dass er "nur" zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde und ihm Hafturlaub für die Dauer von einem Monat gewährt wurde, entbehrt daher - wie bereits das BFA festgestellt hat - einer realen Grundlage. Völlig unsubstantiiert bringt der BF in diesem Zusammenhang nur vor, dass die genauen Verurteilungsumstände bzw. haftmildernde Umstände der Behörde nicht bekannt sind, ohne auch nur im Ansatz Gründe dafür zu nennen, weshalb die Gesetze auf ihn nicht im vollem Umfang angewendet wurden. Auch aufgrund der Diskrepanz zwischen iranischen Strafrecht und vorgebachten Haft- und Strafbedingungen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Zweifel, dass es sich beim Vorbringen des BF um ein gedankliches Konstrukt handelt.

Auch dem Argument des BFA, dass der BF im Zuge seiner Befragung durchwegs eine zurückhaltend gehaltene "Rahmengeschichte" äußerst einsilbig vorgetragen hat, ist zuzustimmen.

So gab er zu seiner Fluchtgeschichte befragt Folgendes an:

LA: Weshalb reisten Sie aus? Nennen Sie nun bitte detailliert und in Ihren eigenen Worten alle Ihre Fluchtgründe, sodass ich mir ein Bild davon machen kann? Sie haben hierzu ausreichend Zeit.

VP: Ich war gezwungen auszureisen. Meine Eltern haben die ganzen Bemühungen unternommen, sonst wäre ich lebenslang im Gefängnis.

LA: Ist das jetzt Ihr konkreter Fluchtgrund und können Sie noch mehr dazu sagen oder ist das alles?

VP: Das ist alles.

LA: Gibt es jetzt noch weitere Vorfälle oder Vorbringen?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie sonst jemals persönlich belangt, bedroht oder verfolgt?

VP: Nein.

LA: Waren Sie selbst jemals drogenabhängig?

VP: Nein. Nachgefragt habe ich nie Drogen genommen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass es nicht nachvollziehbar erscheint, dass der BF eine sich ihm bietende Gelegenheit auslässt, das ihm im Iran angeblich zugefügte Unrecht, nämlich seine Festnahme und der Aufenthalt im Gefängnis sowie die anschließende Freilassung bzw. Flucht aus dem Iran ausführlich darzutun. Nach den Angaben des BF hat er sich 7 Jahre lang in Gefangenschaft befunden, es ist daher nicht nachvollziehbar, dass er über den Gefängnisaufenthalt so gut wie nichts berichtet.

Auch die am Ende der Befragung offen gehaltene Frage des Einvernahmeleiters nutzte der BF nicht, seine Situation im Iran detailreicher oder ausführlicher zu beschreiben:

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alle Ihre Gründe für die Antragstellung vorzubringen oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Ich habe nichts mehr zu sagen.

Das gesamte Vorbringen des BF ist insgesamt als sehr dürftig und detailarm zu bezeichnen und führt letztendlich in Zusammenschau mit den Widersprüchen und Implausibilitäten in seinem Vorbringen zur Beurteilung seines Fluchtvorbringens zur Überzeugung, dass die vom BF vorgebrachten Fluchtgründe offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechen.

Im Ergebnis ist es dem BF mit der Beschwerde auch weder gelungen eine wesentliche Unschlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, noch ist er dieser in substantiierter Form entgegengetreten. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, dass der BF entweder in begründeter Form eine maßgebliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung dargetan oder Argumente vorgebracht hätte, die einerseits zu einer anderen Gewichtung oder Bewertung der verfahrensgegenständlichen Beweismittel führen würden oder aus denen andererseits im Rahmen der allgemeinen Denklogik eine Prävalenz des von ihm dargestellten Geschehnisablaufes gegenüber jenem von der Erstbehörde angenommenen hervorleuchtet, was im Ergebnis zu einer anders gelagerten Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des der weiteren rechtlichen Würdigung zugrunde zu legenden historisch-empirischen Sachverhaltes führen würde.

Der BF beantragte weiters in seiner Beschwerdeschrift eine mündliche Verhandlung. Hierbei wurde aber nicht angeführt, welcher entscheidungsrelevanter und zu berücksichtigender Sachverhalt durch eine persönliche Einvernahme noch hätte hervorkommen können. So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen ist, was eine ergänzende Einvernahme an vorliegenden Widersprüchen hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären (z.B. VwGH 4.7.1994/94/19/0337). Wird dies unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme, da damit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung, der sich das Bundesverwaltungsgericht anschließt, nicht substantiiert entgegengetreten wird.

Zum in der Beschwerde neu vorgebrachten Argument, dass der BF aufgrund seiner Flucht vor der Haftstrafe mit dem Tod bestraft wird, ist zu bemerken, dass bereits die vorgebrachte Haftstrafe als nicht glaubhaft eingestuft wurde. Insofern sind an diesen als nicht glaubhaft eingestuften Sachverhalt anknüpfende Konsequenzen nicht mehr gesondert zu prüfen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 33 Abs 1 AsylG 2005 ist in der Erstaufnahmestelle am Flughafen die Abweisung eines Antrages nur zulässig, wenn sich kein begründeter Hinweis findet, dass dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre und

1. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat;

2. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht;

3. der Asylwerber keine Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hat oder

4. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BFA-VG) stammt.

Gemäß § 33 Abs 2 AsylG 2005 darf die Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz nach Abs 1 durch das Bundesamt nur mit Zustimmung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge erfolgen.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

-

Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

-

gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

-

unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

-

Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

-

Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

-

Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

3.2. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich keine Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe, zumal die Fluchtgründe des BF - wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargestellt - offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen haben.

Auch aus den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Heimatland des Beschwerdeführers ergaben sich keine Hinweise auf eine GFK-relevante Verfolgungsgefahr.

Im gesamten Ermittlungsverfahren ist somit "kein begründeter Hinweis" iSd § 33 Abs. 1 AsylG hervorgekommen, aus welchem dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen wäre, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.

3.3. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden bei Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz in Bezug auf den Status des Asylberechtigten der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 und 13 bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("sufficiently real risk") im Herkunftsland zu verstehen (VwGH 19.2.2004, 99/20/0573). Die reale Gefahr muß sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um den Anwendungsbereich des Art 3 EMRK zu erreichen (zB. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294). Die bloße Möglichkeit einer Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in dem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (zB. VwGH 27.02.2001, 98/21/0427).

Der VwGH erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass der Asylwerber das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (zB. VwGH 26.6.1997, 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen der BF zum behaupteten Ausreisegrund die Glaubhaftigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung dieses Grundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung von internationalen Schutz einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

Auch die aktuelle Lage im Iran stellt sich derzeit nicht so dar, dass ein generelles Abschiebehindernis bzw eine generelle Gefährdung aus Sicht der EMRK (Art. 2 und 3) gegeben ist. Auch den aktuellen Länderberichten ist zu entnehmen, dass es nur in vereinzelten Regionen unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund oder zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und anderen Gruppierungen kommt. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil des EGMR vom 09.03.2010, Fall R.C., Appl. 41.827/07 zu verweisen, wonach zwar die im Iran herrschende, sehr angespannte Situation nicht außer Acht gelassen werden dürfe, in welcher der Respekt für die grundlegenden Menschenrechte seit den Wahlen 2009 erheblich abgenommen habe, diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen allein die Rückführung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat aber noch nicht als unzulässig iSd Art. 3 EMRK erscheinen lassen.

Die BF konnten auch darüber hinaus insgesamt keine individuellen Umstände glaubhaft machen, die im Falle einer Rückführung in den Iran die reale Gefahr einer Verletzung aus Art. 2 oder 3 EMRK entspringenden Rechte (oder der anderen im Lichte von § 8 AsylG 2005 relevanten Grundrechte) für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen.

Der BF wurde in Teheran geboren, wuchs dort auf, besuchte zwölf Jahre lang die Schule, absolvierte die Matura und lebte bis zu seiner Ausreise im Iran. Es handelt sich bei ihm um einen arbeitsfähigen Mann mittleren Alters, der über Kernfamilie im Heimatland verfügt und die Sprache Farsi spricht. Eine Teilnahme am Erwerbsleben kann vorausgesetzt werden.

Fallbezogen liegen auch keine Hinweise für das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) vor und die Grundversorgung der Bevölkerung ist gesichert, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Die BF sind durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat daher nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen verletzt. Weder droht ihnen im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten Rechte nach der EMRK. Eine solche Gefahr hat die BF weder glaubhaft gemacht, noch ist eine solche von Amts wegen hervorgekommen oder dem BVwG bekannt. Selbiges gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Letztlich war auch zu berücksichtigen, dass die BF weder in der Einvernahme noch in der Beschwerde den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Iran substantiiert entgegengetreten ist und in weiterer Folge auch nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf ihre individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit die BF durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.

3.4. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides

Gemäß § 58 AsylG hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 57 AsylG ist bei Vorliegen der in Abs. 1 genannten Bedingungen die Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz von Amts wegen oder auf Antrag an im Bundesgebiet aufhältige Drittstaatsangehörige zu erteilen.

Die BF befindet sich im Stande der Zurückweisung im Sondertransit des Flughafens Wien Schwechat. Da ihr eine Einreise nicht gestattet wurde, scheitert eine Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG bereits am Umstand, dass sich die BF nicht im Bundesgebiet aufhält. Aus diesem Grund kommt auch eine Prüfung gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG und damit verbunden die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nicht in Betracht.

3.5. Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im Zusammenhang mit der gemäß § 24 Abs 1 VwGVG 2014 und Art. 47 Abs 2 GRC bestehenden Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der VwGH ausgesprochen, dass gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG - trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Voraussetzung für die Annahme eines in diesem Sinn geklärten Sachverhalts ist, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden ist und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0052, mit Hinweis auf 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).

Das BFA führte ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durch und kam seiner Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung des BF nach. Dabei räumte das BFA dem BF ausreichend Möglichkeit ein, seine persönlichen Fluchtgründe in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran geltend zu machen. Der Sachverhalt wurde unter schlüssiger und nachvollziehbarer Beweiswürdigung des BFA vollständig festgestellt, die Grundlage des bekämpften Bescheides ist aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes unzweifelhaft nachvollziehbar. Das BFA legte die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offen; das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung an. Der Sachverhalt wurde vom BFA am 5.11.2019 durch niederschriftliche Befragung des BF erhoben. Bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG weist der vom BFA erhobene Sachverhalt daher die gebotene Aktualität auf. Das BFA legte seiner Entscheidung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom Juni 2019 zugrunde, welches in der Einvernahme am 04.03.2019 in das Verfahren eingebracht und gemeinsam mit der BF1 mündlich erörtert wurde. Auch die Entscheidung des BVwG stützt sich auf diese Länderinformationen.

In der Beschwerde wurde auf Sachverhaltsebene nichts Entscheidungsrelevantes mehr vorgebracht, dem BVwG liegt sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit den BF mündlich zu erörtern gewesen wäre. Der Beschwerde konnten keine neuen Sachverhaltselemente entnommen werden, welche geeignet wären, die vom BFA getroffene Entscheidung in Frage zu stellen. Das Vorbringen in der Beschwerde ist daher nicht geeignet, eine Verhandlungspflicht auszulösen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte.

Ergänzend wird auf den Beschluss des VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/20/0002, hingewiesen, woraus hervorgeht, dass die im Erkenntnis des VwGH vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018 dargestellten Kriterien für die Abstandnahme von der Durchführung der Verhandlung gemäß dem ersten Tatbestand des § 21 Abs 7 BFA-VG nicht erfüllt sind, wenn zwar das Erstgericht die die Beweiswürdigung tragenden Argumente der Verwaltungsbehörde teilt, jedoch ergänzend einen weiteren - das Gesamtbild nur abrundenden, aber nicht für die Beurteilung ausschlaggebenden - Widerspruch in den bisherigen Angaben des BF aufzeigt.

Der maßgebliche Sachverhalt ist sohin aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde iSd § 21 Abs 7 BFA-VG als geklärt anzusehen, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen wurde.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe und der Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung, zum Flüchtlingsbegriff, der hier vertretenen Zurechnungstheorie und den Anforderungen an einen Staat und dessen Behörden um von dessen Willen und Fähigkeit, den auf seinem Territorium aufhältigen Menschen Schutz vor Übergriffen zu gewähren ausgehen zu können und dem Refoulementschutz sowie zum Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.

Schlagworte

Flughafenverfahren, Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, non
refoulement

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W254.2225644.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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