TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/27 97/21/0786

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Veröffentlicht am 27.03.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6;
FrG 1993 §17;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §54;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,

Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des SH (geboren am 27. Jänner 1976) in M, vertreten durch Dr. Johannes Sammer, Rechtsanwalt in 8680 Mürzzuschlag, Königsbrunngasse 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 7. Juli 1997, Zl. Fr 271/1996, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 7. Juli 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 i.V.m.

§ 19 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer am 2. September 1995 illegal unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne im Besitz eines gültigen nationalen Reisepasses zu sein, über einen amtlich nicht bekannten Grenzübergang in das Bundesgebiet gelangt sei. In weiterer Folge habe er am 5. September 1995 beim Bundesasylamt - Außenstelle Graz - einen Antrag auf Asylgewährung eingebracht. Da seine Einreise in das Bundesgebiet entgegen den gesetzlichen Bestimmungen des § 6 des Asylgesetzes 1991 (AsylG) erfolgt sei, sei ihm im Zuge seines Asylantrags von der Asylbehörde erster Instanz keine Bescheinigung über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz ausgestellt worden. In weiterer Folge sei sein Antrag auf Asylgewährung mit Bescheid des Bundesasylamtes - Außenstelle Graz - vom 3. Oktober 1995 gemäß § 3 AsylG abgewiesen worden. Mit der Setzung fremdenpolizeilicher Maßnahmen gegen seine Person sei jedoch zugewartet worden, weil der Beschwerdeführer fristgerecht eine Berufung betreffend die Abweisung seines Asylantrages durch das Bundesasylamt - Außenstelle Graz - beim Bundesministerium für Inneres eingebracht habe. Diese Berufung sei mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 7. November 1995, rechtswirksam erlassen am 13. November 1995, abgewiesen und es sei festgestellt worden, daß ihm die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zukomme. Da sich somit sein Aufenthalt im Bundesgebiet seit dem Zeitpunkt seiner illegalen Einreise nicht auf eine Rechtsgrundlage habe stützen können und somit entgegen den gesetzlichen Bestimmungen des § 15 FrG erfolgt sei, sei er mehrfach mit Ladungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag zwecks Überprüfung einer allfälligen Aufenthaltsberechtigung zu einer persönlichen Einvernahme vorgeladen worden. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 12. Jänner 1996 habe der Beschwerdeführer zu Protokoll gegeben, daß er einen Vertreter der Caritas Graz bereits damit beauftragt habe, einen Verfahrenshilfeantrag und das außerordentliche Rechtsmittel der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Des weiteren habe er bestätigt, daß er sich ganz alleine in Österreich aufhalte und sich im Bundesgebiet außer seinem Onkel keine Verwandten aufhielten. Seine Eltern und seine beiden Brüder seien nach wie vor in der Bundesrepublik Jugoslawien wohnhaft. Er selbst verfüge weder über Vermögen noch über ein Einkommen.

Nach Abschluß eines korrekten und ohne Mängel durchgeführten Ermittlungsverfahren habe die Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag mit Datum vom 5. März 1996 einen Ausweisungsbescheid erlassen, welcher sich auf § 17 Abs. 1 FrG unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 19 leg. cit. stütze.

Der Beschwerdeführer halte sich bereits seit seiner illegalen Einreise am 2. September 1995 unberechtigterweise im Bundesgebiet auf, da er über keinerlei Bewilligung nach dem Asyl-, Fremden- oder Aufenthaltsgesetz verfüge.

Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, die Ausweisung sei demnach zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten.

Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.

Wenngleich die Behörde auch Verständnis für den Wunsch des Beschwerdeführers habe, sich in Österreich aufhalten zu dürfen, müsse doch auf die ausdrückliche zwingende Regelung des § 17 Abs. 1 FrG verwiesen werden, wonach Fremde, welche sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, auszuweisen seien.

Weiters stellte die Berufungsbehörde fest, daß im konkreten Fall Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zum Tragen komme. Die Ausweisung stelle keine Strafe, sondern eine administrativ-rechtliche Maßnahme dar. Nachdem der Beschwerdeführer einen Antrag gemäß § 54 FrG im Zuge seiner Berufungseingabe vom 18. März 1996 gestellt habe, werde von der Berufungsbehörde weiters festgehalten, daß die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen "sicheren Drittstaat", also die Frage, ob auch in bezug auf einen solchen Staat das Refoulement-Verbot zum Tragen komme, sich ausschließlich im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 i.V.m. § 37 FrG, nicht jedoch im Rahmen eines Ausweisungsverfahrens gemäß § 17 leg. cit. stelle. Eine Ausweisung ziehe jedoch bloß die Verpflichtung zur Ausreise des Fremden nach sich. Im Gegensatz zu einem Aufenthaltsverbot gemäß § 18 FrG sei die Ausweisung nicht mit dem Verbot verbunden, das Bundesgebiet - unter Einhaltung der entsprechenden Vorschriften - wieder zu betreten. Es bestehe lediglich die Verpflichtung, es zu verlassen. Daß der Beschwerdeführer bei einer Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien dort gemäß § 37 Abs. 1 FrG bedroht sei, stehe der Erlassung einer Ausweisung gegen ihn nicht entgegen, auch brauche die Behörde den Ausgang des Verfahrens nach § 54 FrG nicht abzuwarten. Die rechtliche Zulässigkeit einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 FrG sei unabhängig davon, ob der Fremde für die Einreise in ein anderes Land eines Sichtvermerkes bedürfe oder nicht.

Was die gebotene Bedachtnahme auf § 19 FrG anlange, so bewirke die Ausweisung im Hinblick auf die Tatsache, daß seine gesamte Familie (seine Eltern und seine beiden Brüder) nach wie vor in der Bundesrepublik Jugoslawien im Kosovo aufhältig seien und er im Bundesgebiet lediglich, laut eigenen Angaben, einen Onkel habe, der in Wolfsberg wohne, keinen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Denn einerseits befinde er sich seit seiner Einreise am 2. September 1995 illegal im Bundesgebiet und andererseits verhindere die Ausweisung nicht jene Kontakte zu seinem in Österreich lebenden Onkel, wie sie vor seinem bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich möglich waren. Der Umstand, daß der Verwaltungsgerichtshof seiner gegen den zweitinstanzlichen negativen Asylfeststellungsbescheid des Bundesministeriums für Inneres erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe, habe nicht zur Folge, daß dem Beschwerdeführer bis zum Abschluß des derzeit noch anhängigen Beschwerdeverfahrens beim Verwaltungsgerichtshof eine Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG zukomme. Weiters weise die Berufungsbehörde darauf hin, daß unter einem Eingriff im Sinne des § 19 FrG nur solche Maßnahmen verstanden werden können, die sich auf das in Österreich geführte Privatleben des Fremden erstreckten und nicht auf Umstände, die künftig in einem (bestimmten) anderen Land das Privatleben des betreffenden Fremden beeinträchtigen könnten. Die Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer nun bereits fast zwei Jahre illegal im Bundesgebiet aufhalte und nicht mit dem von ihm ins Treffen geführten Verwandten in einem gemeinsamen Haushalt lebe, bewirke, daß mit der Erlassung des Ausweisungsbescheides gegen ihn im Grunde des § 19 FrG nicht in relevanter Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen werde. Würde man dies auch bejahen, wäre die Ausweisung auf Grund dieser Bestimmung zulässig, da sie zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, nämlich zum Schutz der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens), als dringend geboten anzusehen sei, wobei diese Notwendigkeit durch den mehrjährigen unerlaubten Aufenthalt des Beschwerdeführers, somit auf Grund der damit verbundenen Beeinträchtigungen der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, noch unterstrichen werde.

Da es sich beim Instrument der Ausweisung um eine administrativ-rechtliche Maßnahme handle und nicht um ein Verbot oder um eine Strafe, habe der Beschwerdeführer die Möglichkeit, sobald er die gesetzlichen Voraussetzungen für einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet erfülle, wiederum einen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet zu begründen. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden in Österreich, dem, wie es beim Beschwerdeführer der Fall sei, nie ein rechtmäßiger vorausgegangen sei, sei jedenfalls eine Beeinträchtigung des bezeichneten maßgeblichen öffentlichen Interesses (näher: an einem geordneten Fremdenwesen) von solchem Gewicht, sodaß es dringend geboten sei, seine Ausweisung und damit die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Sinne des § 19 FrG zu bejahen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er unter Umgehung der Grenzkontrolle über ein Drittland in das Bundesgebiet eingereist sei. Die in der Beschwerde vertretene Ansicht, demjenigen, der anläßlich der Einreise in das Bundesgebiet die Absicht erkennen lasse, einen Asylantrag zu stellen, wenn er über einen Drittstaat ohne Aufenthalt von seinem Fluchtort nach Österreich eingereist sei, stehe eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 AsylG zu, steht mit dem Gesetz nicht in Einklang. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 AsylG kommt - unter der Voraussetzung rechtzeitiger Antragstellung - nur jenen Asylwerbern zu, die gemäß § 6 AsylG eingereist sind. Der Beschwerdeführer ist nach den unbekämpften Feststellungen über ein Drittland in das Bundesgebiet gelangt. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß er in diesem Drittland vor der Einreise nach Österreich der Gefahr der ungeprüften Rück- bzw. Weiterschiebung in jenen Staat, in bezug auf den er das Vorliegen von Gefahren gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG behauptet, ausgesetzt gewesen wäre und schon gar nicht, er hätte diese Umstände bereits im Verwaltungsverfahren geltend gemacht. Nur in einem solchen Falle könnte bei ihm allenfalls von einer Einreise gemäß § 6 AsylG 1991 gesprochen werden. Der Beschwerdeführer leitet seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG allein aus dem behaupteten Umstand ab, daß seiner Beschwerde gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres vom Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Damit verkennt der Beschwerdeführer jedoch, daß er aus einem derartigen Beschluß nicht eine Rechtsstellung ableiten kann, welche ihm vorher nicht zugekommen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1998, Zl. 97/21/0549). Da dem Beschwerdeführer somit weder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG zukam, noch ihm sonst von der Behörde eine Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet erteilt wurde, ist davon auszugehen, daß er sich seit seiner Einreise unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die Tatsache, daß die Eltern sowie die beiden Brüder des Beschwerdeführers nach wie vor in der Bundesrepublik Jugoslawien wohnhaft sind und er in Österreich lediglich einen Onkel habe, mit dem er nicht im gemeinsamen Haushalt wohne, keinen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in die von § 19 FrG geschützten familiären Interessen angenommen. Gegen die von der belangten Behörde vertretene Ansicht bestehen keine Bedenken.

Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführer hat dieses maßgebliche öffentliche Interesse durch seine unrechtmäßige Einreise und seinen zur Gänze unberechtigten Aufenthalt gravierend beeinträchtigt. Der Beschwerdeführer kann auf keine schützenswerten privaten Interessen verweisen. Selbst unter der Annahme eines relevanten Eingriffes in seine familiären Verhältnisse wäre die gegen ihn verfügte Ausweisung im Sinne des § 19 FrG dringend geboten (vgl. das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1997, Zl. 97/21/0644).

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, daß dem angefochtenen Bescheid insofern ein Verfahrensmangel zugrundeliege, als die belangte Behörde versucht habe, ihn "mit einem mehrfach kopierten Bescheid zu verunsichern", ist anzumerken, daß der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer zwar in mehrfach kopierter und fehlerhaft zusammengehefteter Form zugestellt wurde, was jedoch deswegen keine Rechtswidrigkeit bedeutet, weil der Beschwerdeführer den Text des Bescheides, dessen ungerade Seiten numeriert und auf deren Rückseite die zutreffenden geraden Seiten ausgedruckt sind, vollständig erhalten hat. Der angefochtene Bescheid ist auch insofern nicht rechtswidrig, als in seiner Begründung ausgeführt wird, der Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers sei auf dessen Seiten "2a bis 2b" wiedergegeben, ohne daß der Bescheid allerdings solche Seiten "2a bis 2b" aufweist, und das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers darin somit nicht wiedergegeben ist. Zum einen kann der Beschwerdeführer dadurch schon deswegen nicht in Rechten verletzt sein, weil anzunehmen ist, daß ihm der Inhalt seiner Berufungsschrift bekannt ist, andererseits macht der aufgezeigte Begründungsmangel den angefochtenen Bescheid nicht unüberprüfbar.

Nach dem Gesagten läßt bereits die Beschwerde erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997210786.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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