TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/24 W137 2229628-1

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Veröffentlicht am 24.03.2020
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Entscheidungsdatum

24.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W137 2229628-1/59E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2020, Zl. 118844806 - 200194274, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 20.02.2020 bis 17.03.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft von 20.02.2020 bis 17.03.2020 für rechtmäßig erklärt.

II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verfahrensaufwands wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei. Er hat in Österreich nie einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Seit Februar 2014 besteht gegen ihn ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren.

2. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich 2009, 2011, 2012 und 2014 strafrechtlich verurteilt - in den letzten drei Fällen wegen der Begehung (qualifizierter) Suchtmitteldelikte.

3. 2017 wurde erfolglos versucht, für den Beschwerdeführer ein Heimreisezertifikat zu erlangen. Dieses Verfahren wurde hinsichtlich des Beschwerdeführers auf freiem Fuß geführt.

4. Am 19.02.2020 wurde der Beschwerdeführer in Wien festgenommen. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme am folgenden Tag gab der Beschwerdeführer an, meistens in der "Gruft" (ein bekanntes Obdachlosenquartier, Anm.) Unterkunft zu nehmen. Ein Bruder lebe im Pinzgau; seine Eltern und ein weiterer Bruder in der Türkei. Er habe Deutsch gelernt und in Österreich gearbeitet. Ein Antrag zur Erlangung eines Heimreisezertifikats wurde vom Beschwerdeführer ausgefüllt.

5. Mit Bescheid vom 20.02.2020 wurde die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründet wurde die Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der mangelnden Kooperation im Verfahren (insbesondere durch Aufenthalt im Verborgenen), dem bestehenden Aufenthaltsverbot, sowie der weitgehend fehlenden sozialen Verankerung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Mit der Anordnung des gelinderen Mittels könne auch unter Berücksichtigung der Straffälligkeit des Beschwerdeführers nicht das Auslangen gefunden werden. Insgesamt erweise sich die Schubhaft angesichts der vorliegenden "ultima-ratio-Situation" auch als verhältnismäßig. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übergabe (gemeinsam mit der Verfahrensanordnung betreffend die Beigabe eines Rechtsberaters) zugestellt.

6. Am 24.02.2020 wurde bezüglich des Beschwerdeführers ein Termin beim türkischen Generalkonsulat am 17.03.2020 (bezüglich der Erlangung eines Heimreisezertifikats/HRZ) erwirkt. Am Nachmittag des 16.03.2020 wurde dieser Termin vom türkischen Generalkonsulat unter Verweis auf die aktuelle Entwicklung im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie storniert.

7. Ebenfalls am 16.03.2020 - nach Ende der Amtsstunden - langte beim Bundesverwaltungsgericht die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde (samt Vollmachtsbekanntgabe - Vollmacht vom 27.02.2020) ein. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass von einer Fluchtgefahr nicht ausgegangen werden könne, da der Beschwerdeführer stets kooperativ gewesen sei und zudem über familiäre Bindungen zum Bundesgebiet verfüge. Vielmehr habe das Bundesamt zwischen 2017 und 2020 keine erkennbaren Schritte im Zusammenhang mit der HRZ-Erlangung gesetzt. Seine bereits verbüßten Freiheitsstrafen seien hinsichtlich der behaupteten Fluchtgefahr nicht relevant. Der Beschwerdeführer würde auch einem gelinderen Mittel Folge leisten. Überdies habe sich das Bundesamt nicht mit dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers - insbesondere einer aktenkundigen Suchtmittelproblematik - auseinandergesetzt. Beantragt werde in diesem Zusammenhang die Beischaffung des medizinischen Aktes des Beschwerdeführers aus dem PAZ sowie eine "Stellungnahme eines Amtsarztes bzw. einer Amtsärztin und eines Dialog-Psychiaters bzw. einer Dialog-Psychiaterin" zum Beweis, dass "die Schubhaft den BF aufgrund dessen Gesundheitszustandes stärker trifft als sonstige Häftlinge". Angesichts der Pandemie-Maßnahmen sei auch nicht absehbar, ob eine Abschiebung aus diesem Grunde in naher Zukunft möglich sein werde und sei die Schubhaft daher auch nicht verhältnismäßig.

Beantragt werde daher a) eine mündliche Verhandlung durchzuführen;

b) auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgten; c) auszusprechen, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung nicht vorliegen; d) der Belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen aufzuerlegen.

8. Am 17.03.2020 wurde seitens des Bundesamtes nach Rücksprache mit dem türkischen Generalkonsulat ermittelt, dass derzeit bis auf weiteres keine neuen Vorführtermine stattfinden können. Daraufhin wurde mit Mandatsbescheid vom selben Tag bezüglich des Beschwerdeführers das gelindere Mittel in Form einer Unterkunftnahme samt regelmäßiger Meldeverpflichtung angeordnet. Nach Zustellung dieses Bescheides erfolgte die Entlassung des Beschwerdeführers aus der Anhaltung.

9. Ebenfalls am 17.03.2020 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit der Beschwerdevorlage verwies das Bundesamt in einer Stellungnahme auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers, insbesondere den Aufenthalt im Verborgenen und die strafrechtlichen Verurteilungen sowie die fehlenden finanziellen Mittel und das Fehlen einer gesicherten Unterkunft. Mangels eines Ersatztermins für die Vorführung sei das gelindere Mittel angeordnet worden.

Beantragt wurde die Abweisung der Beschwerde; sowie den Beschwerdeführer zum Ersatz der angeführten Kosten zu verpflichten.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei. Er verfügt über kein gültiges Reisedokument. Gegen ihn besteht ein aufrechtes (auf zehn Jahre befristetes) Einreiseverbot aus 2014. Ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist anhängig. Der Beschwerdeführer war nie Asylwerber.

2017 scheiterte die Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer an einem Formfehler (fehlendes Lichtbild). Dieser konnte nicht saniert werden, da sich der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt - nach Entlassung aus der damaligen Schubhaft - im Verborgenen aufhielt.

Das Bundesamt konnte zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft davon ausgehen, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers - jedenfalls aber die Erlangung eines Heimreisezertifikats und weite Teile des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung - binnen weniger Wochen erfolgen kann. Ein Vorführtermin zum türkischen Generalkonsulat konnte umgehend für Dienstag, 17.03.2020, organisiert werden. Dieser wurde erst am Montag, 16.03.2020, storniert - unter Hinweis auf Anordnungen der Bundesregierung, die erst am Freitag, 13.03.2020, und dem folgenden Wochenende erlassen worden waren. Das Bundesamt hat am 17.03.2020 von türkischer Seite erfahren, dass bis auf weiteres kein Ersatztermin vergeben werde und umgehend die Enthaftung des Beschwerdeführers unter Anordnung des gelinderen Mittels verfügt.

Der Beschwerdeführer wurde 2009, 2011, 2012 und 2014 strafrechtlich verurteilt - in den drei letzten Fällen wegen (teils qualifizierter) Suchtmitteldelikte. Diese Strafen wurden verbüßt, die bedingt nachgesehenen Strafteile zwischenzeitlich endgültig nachgesehen.

Der Beschwerdeführer verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, insbesondere einen im Pongau lebenden Bruder. Zu diesen Personen besteht jedoch seit 2017 keine nähere Beziehung - insbesondere war der Beschwerdeführer seit 2017 nie bei ihnen gemeldet und hat sich auch nicht längere Zeit bei ihnen aufgehalten. Substanzielle sonstige soziale Beziehungen im Bundesgebiet wurden im Verfahren nicht vorgebracht. Der Beschwerdeführer ist seit 27.07.2015 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet - er hält sich seit dieser Zeit im Verborgenen auf. Der einzige Kontakt mit den österreichischen Fremdenbehörden vor seiner jüngsten Festnahme erfolgte kurzfristig 2017. In dieser Zeitspanne ging der Beschwerdeführer keiner legalen Beschäftigung nach und nächtigte vorrangig in einer Wiener Obdachlosenunterkunft. Er spricht gut Deutsch. Finanzielle Unterstützung erhielt er von Freunden und Bekannten.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft nahezu mittellos, er verfügte auch über keinen gesicherten Wohnsitz.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft abseits einer latenten Suchtmittelproblematik grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig. Er wurde während der Anhaltung engmaschig medizinisch und psychiatrisch (durch DIALOG) betreut; es erfolgte eine laufende Medikation. Es gibt keine Hinweise auf substanzielle gesundheitliche Probleme für den Zeitraum der Anhaltung in Schubhaft.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 118844806 - 200194274. Unstrittig sind die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zum rechtskräftigen Einreiseverbot. Ebenso unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer nie Asylwerber war.

1.2. Aus dem Akt ist ersichtlich, dass die Ausstellung eines HRZ 2017 nur an formalen Gründen (es fehlte ein Lichtbild) scheiterte; es gibt keinen Hinweis, dass ein HRZ aus anderen Gründen nicht zu erlangen gewesen wäre. Zum Zeitpunkt der entsprechenden Rückmeldung des türkischen Generalkonsulats hielt sich der Beschwerdeführer aber bereits wieder im Verborgenen auf, weshalb das damalige HRZ-Ersuchen weder saniert noch weiterbetrieben werden konnte.

Aus den genannten Gründen (der Beschwerdeführer war auch früher im Besitz eines Reisepasses) konnte das Bundesamt bei Schubhaftanordnung 2020 davon ausgehen, dass eine HRZ-Ausstellung und Abschiebung binnen weniger Wochen erfolgen kann. Die Umstände der Terminanberaumung und Abberaumung hinsichtlich einer Vorführung zum Generalkonsulat sind aus dem Akt ersichtlich und wurden in der Beschwerde auch nicht in Frage gestellt. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass die Schubhaft umgehend beendet wurde, als klar war, dass ein Ersatztermin zur Vorführung bis auf weiteres nicht möglich sein werde.

1.3. Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers sind aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister ersichtlich und im Übrigen auch unstrittig.

1.4. Unstrittig sind die im Bundesgebiet bestehenden familiären Anknüpfungspunkte. Ebenso unstrittig ist allerdings, dass zu diesen jedenfalls seit 2017 keine nähere Beziehung besteht. Insbesondere hat der Beschwerdeführer weder 2017 noch 2020 (bei seinen Einvernahmen) auf intensive Kontakte hingewiesen, noch hat er seit 2014 jemals dort länger Unterkunft genommen. Dies wird auch in der Beschwerde in keiner Form behauptet. Insbesondere gilt dieser weitgehend fehlende Kontakt für den im Pongau lebenden Bruder - anstelle bei diesem Unterstützung oder Unterkunft zu suchen, verblieb der Beschwerdeführer etwa seit 2017 in Wien in der Obdachlosigkeit.

Neben dem pauschalen Verweis auf in Österreich lebende Verwandte finden sich auch in der Beschwerde keinerlei Hinweise auf substanzielle (sonstige) soziale Beziehungen. Die glaubhaft vorgebrachte gelegentliche finanzielle Unterstützung durch Freunde/Bekannte steht zum Fehlen einer substanziellen Beziehung in keinem Widerspruch. Das Fehlen einer Meldeadresse nach Beendigung der im Anschluss an die Strafhaft erfolgten stationären gesundheitsbezogenen Maßnahmen im Zusammenhang mit Suchtmittelmissbrauch (Juli 2015) ist aus einer ZMR-Abfrage ersichtlich. Da der Beschwerdeführer danach auch keinen Kontakt zu den österreichischen Behörden suchte, um ihnen zumindest seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder eine Kontaktadresse zu nennen, steht zweifelsfrei fest, dass er sich seit dieser Zeit im Verborgenen aufgehalten und dem behördlichen Zugriff entzogen hat. Daran können zwei kurzzeitige Festnahmen 2017 nichts ändern.

Für die Zeit nach der Entlassung aus der Strafhaft gibt es auch keinen Hinweis auf legale Beschäftigungsverhältnisse des Beschwerdeführers. Auch in der Beschwerde wurden sie für diesen Zeitraum weder behauptet noch dargelegt. Dass der Beschwerdeführer in den letzten Jahren in einer Wiener Obdachlosenunterkunft (oder auf der Straße) nächtigte, entspricht seinen glaubhaften Angaben in der Einvernahme am 20.02.2020.

Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers werden von seinem bevollmächtigten Vertreter als so gut beschrieben, dass er für den Fall einer Verhandlung im gegenständlichen Verfahren die Ladung eines Dolmetschers ausdrücklich als "nicht erforderlich" erklärt. Angesichts der unstrittig langjährigen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist dies nachvollziehbar und glaubhaft.

1.5. Die finanzielle Situation des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere seinen Angaben vom 20.02.2020 und der Anhaltedatei. Die Nächtigungsmöglichkeit in einer Obdachlosenunterkunft ist jedenfalls kein gesicherter Wohnsitz.

1.6. Substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers abseits der latenten aktenkundigen Suchtmittelproblematik sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers wurde amtsärztlich überprüft. Eine grundsätzliche Haftunfähigkeit wurde in der Beschwerde auch nicht behauptet. Die engmaschige medizinische und psychiatrische Betreuung während der Anhaltung sind durch die Einträge in der Krankenkartei sowie das Medikamentenverordnungsblatt belegt. Die psychiatrische Betreuung wurde auch bereits bei der Haftfähigkeitsfeststellung angeordnet.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft bis 17.03.2020

3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die "Fluchtgefahr" ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Über den Beschwerdeführer wurde die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3.2. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit dem mehrjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Verborgenen (deutlich über 4 Jahre) sowie dem geringen Grad der sozialen Verankerung im Bundesgebiet. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar auf die Ziffern 1 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG. Dem Vorliegen der Kriterien der Ziffer 1 wurde in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten; der Rechtsmeinung des Vertreters, ein mehrjähriger Aufenthalt im Verborgenen entspreche nicht dem "Tatbild" dieser Bestimmung, kann nicht gefolgt werden.

3.3. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auch auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer weder eine legale Erwerbstätigkeit ausübt, noch über substanzielle soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt. Auch ein gesicherter Wohnsitz liege nicht vor; der Beschwerdeführer habe vielmehr erklärt, meistens in einem Obdachlosenquartier Unterkunft zu nehmen. Hinsichtlich substanzieller Integrationsschritte während eines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet sind gute Deutschkenntnisse unstrittig. Eine legale Beschäftigung übt der Beschwerdeführer jedenfalls seit mehr als fünf Jahren - seit Verbüßung seiner letzten Freiheitsstrafe wegen Suchtmitteldelikten - nicht mehr aus.

Das Bestehen familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet war auch im angefochtenen Bescheid unstrittig. In der Beschwerde konnte allerdings nicht dargelegt werden, dass dem Beschwerdeführer bei diesen Verwandten eine gesicherte Unterkunft zur Verfügung steht; vielmehr wurde derartiges nicht einmal versucht. So gibt es etwa - auch in der Beschwerde - keinerlei Hinweis auf einen nennenswerten Kontakt des Beschwerdeführers mit seinem im Pongau lebenden Bruder in den letzten fünf Jahren.

Die Behörde ging auch richtigerweise von einer aufgrund strafrechtlicher Verurteilungen des Beschwerdeführers abgeleiteten verringerten Vertrauenswürdigkeit und einem besonderen Interesse des Staates an der Sicherstellung der Abschiebung aus.

3.4. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt im Ergebnis zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß bestanden hat.

Dem konnte auch mit dem Verweis auf die grundsätzliche Kooperationswilligkeit des Beschwerdeführers im Zuge von Festnahmen (Ausfüllen der HRZ-Formulare 2017 und 2020) nicht wirkungsvoll entgegengetreten werden. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob eine hinreichende Sicherheit bestanden hat, dass sich der Beschwerdeführer zukünftig dem Zugriff der Behörden nicht entziehen würde. Davon kann angesichts seines Vorverhaltens - insbesondere dem zuletzt mehrjährigen Aufenthalt im Verborgenen in Kenntnis eines Einreiseverbots und der Abschiebebestrebungen des Bundesamtes - jedoch nicht ausgegangen werden.

3.5. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen zudem davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers in die Türkei nicht nur in zumutbarer, sondern sogar binnen relativ kurzer Frist möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft war nicht unverhältnismäßig: Das Bundesamt konnte nach Anordnung der Schubhaft einen Vorführtermin zum türkischen Generalkonsulat für 17.03.2020 organisieren. Da der Beschwerdeführer früher über einen türkischen Pass verfügt hatte und nie Asylwerber war, konnte realistisch von einer Abschiebung zeitnah zu diesem Termin ausgegangen werden. Die restriktiven Maßnahmen der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie ab 13.03.2020 waren zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft für das Bundesamt in keiner Form absehbar. Hinsichtlich der zeitlichen Perspektive der Anhaltung war diese zum Zeitpunkt ihrer Anordnung verhältnismäßig und zumutbar.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet. Die besondere Betreuungsbedürftigkeit des Beschwerdeführers wurde bereits bei der Eingangsuntersuchung erkannt; ihr wurde während der gesamten Anhaltung nachweislich Rechnung getragen.

3.6. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte - zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung - auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da es angesichts des mehrjährigen Aufenthalts im Verborgenen und der Straffälligkeit substanzielle Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers gab - was aber Voraussetzung für die Anordnung des gelinderen Mittels ist. Auf Grund dieser Umstände und der bestehenden Fluchtgefahr, überwogen daher - wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und war diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

3.7. Eine substanzielle Änderung der Situation trat - soweit es das vorgesehene Vorgehen des Bundesamtes betrifft - erst am Nachmittag des 16.03.2020 ein. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Vorführungstermin seitens des türkischen Generalkonsulats storniert. Das Bundesamt hat umgehend - am Vormittag des 17.03.2020 - die Möglichkeit eines Ersatztermins abgeklärt. Nach Gewissheit, dass ein solcher bis auf weiteres nicht absehbar sei, wurde die Entlassung des Beschwerdeführers aus der Schubhaft verfügt.

Es gibt keinen Hinweis, dass das Bundesamt die Anhaltung des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang durch Passivität oder in sonst einer Form in die Länge gezogen hätte. Vielmehr hat das Bundesamt selbst erkannt, dass eine weitere Anhaltung des Beschwerdeführers nicht länger verhältnismäßig wäre. Die Zeit der erforderlichen Abklärungen - hier stark beeinflusst durch die Geschäftszeiten des türkischen Generalkonsulats - kann dem Bundesamt in diesem Zusammenhang nicht zur Last gelegt werden.

3.8. Der Vorwurf einer fehlenden Befassung mit dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers geht vor dem Hintergrund der vor Bescheiderlassung bereits ärztlich festgestellten Haftfähigkeit ins Leere. Detaillierte Ausführungen zum Gesundheitszustand und allfälligen Behandlungen können in einem Mandatsbescheid nicht erwartet werden - auf die im Polizeianhaltezentrum bestehende medizinische Betreuung wurde im Bescheid ausdrücklich verwiesen - diese hat auch nachweislich (und umfassend) stattgefunden. Für schwerwiegende gesundheitliche Probleme gab es jedoch keine Anhaltspunkte - der Beschwerdeführer verbrachte unstrittig (und nach eigenen Angaben) die letzten Jahre fast durchgehend ohne umfassende medizinische Betreuung in der Obdachlosigkeit.

Dass der Beschwerdeführer allenfalls bei einem Antrag 2014 ein Lichtbild vorgelegt hat, ändert nichts daran, dass er sich seit 2015 im Verborgenen aufgehalten hat. Darüber hinaus konnte der Vertreter in der Beschwerde auch nicht nachvollziehbar darlegen, dass sich das türkische Konsulat 2017 mit einem drei Jahre alten Lichtbild hätte abspeisen lassen - derart veraltete Bilder werden von Behörden nicht akzeptiert - was im Übrigen notorisches Wissen ist. Eine diesbezüglich hier abweichende Situation konnte der Vertreter nicht belegen. Dazu kommt, dass sich das Erscheinungsbild des Beschwerdeführers (wie aus dem Akt ersichtlich) im Verlauf der letzten zehn Jahren auch substanziell verändert hat.

Wieso es kein Versäumnis des Beschwerdeführers sein sollte, sich nach der Entlassung aus der Schubhaft 2017 jahrelang im Verborgenen - nicht angemeldet, ohne Kontaktadresse für die Behörde und ohne einen bevollmächtigten Vertreter - aufgehalten zu haben, vermochte der Vertreter angesichts diverser einschlägiger gesetzlicher Verpflichtungen (im Meldegesetz sowie diversen Materiengesetzen) nicht nachvollziehbar darzutun. Umso mehr, als ein HRZ-Verfahren die persönliche Anwesenheit/Beteiligung des Betroffenen erfordert.

3.9. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft bis 17.03.2020 abzuweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung und Anträge auf Einholung ärztlicher Stellungnahmen:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Insbesondere wurden die familiären Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seine gesundheitlichen Probleme (samt der Betreuungserfordernis in der Schubhaft) der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Insbesondere wird auch nicht dargelegt, welche Sachverhaltselemente durch eine mündliche Befragung des Beschwerdeführers geklärt hätten werden sollen. Der "medizinische Akt" (Krankenkartei) des Beschwerdeführers wurde in das Verfahren einbezogen - der Vertreter hatte im Übrigen vor Einbringung der Beschwerde mehr als zwei Wochen Zeit, um in die Krankenkartei Einsicht zu nehmen.

Die Frage, ob den Beschwerdeführer die Schubhaft "stärker trifft als sonstige Häftlinge" ist hingegen kein entscheidungsrelevantes Sachverhaltselement. Vielmehr ist stets individuell zu beurteilen, ob die Anhaltung in Schubhaft einer Person aufgrund ihrer individuellen (nicht nur gesundheitlichen) Umstände und der absehbaren Anhaltedauer zumutbar und insgesamt hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität verhältnismäßig ist. Dabei handelt es sich allerdings um eine rechtliche Abwägung - medizinisch feststellbar ist hingegen das Fehlen der Haftfähigkeit (was hier allerdings nicht behauptet worden ist).

Dementsprechend besteht für das Einholen der beantragten ärztlichen oder psychiatrischen Stellungnahme keine Veranlassung. Das Bestehen gesundheitlicher/psychischer Probleme ist unstrittig und wurde dem Bescheid wie auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Die aufgeworfene Fragestellung legt im Übrigen keinen nachvollziehbaren, objektivierbaren Vergleichsmaßstab für die gewünschte Stellungnahme dar. Die Belastung durch Anhaltung in Schubhaft wird bei einigen Angehaltenen geringer sein, bei anderen höher - und bei vielen (mit gänzlich anderer Begründung) gleichwertig. Für die Annahme, dass Personen mit (selbstverschuldeter) suchtmittelindizierter psychischer Problematik in der Schubhaft schwerer belastet wären als sämtliche andere Personen gibt es jedenfalls keine sachliche Grundlage.

5. Kostenersatz

5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

5.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz.

6. Entfall der Übersetzung:

Entsprechend den glaubhaften Ausführungen seines Vertreters (die Deckung in der Aktenlage finden) verfügt der Beschwerdeführer über sehr gute (laut Beschwerde "ausgezeichnete") Kenntnisse der deutschen Sprache. Auch die Anwesenheit eines Dolmetschers für eine allfällige Verhandlung wurde als nicht erforderlich erachtet.

Vor diesem Hintergrund besteht auch keine Notwendigkeit, den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung in die Muttersprache des Beschwerdeführers zu übersetzen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Berücksichtigung eines unstrittigen oder zweifelsfrei belegten Vorverhaltens entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

aufenthaltsbeendende Maßnahme, Einreiseverbot, Fluchtgefahr,
öffentliche Interessen, Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche
Verurteilung, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2229628.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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