TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/27 98/21/0035

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Veröffentlicht am 27.03.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
B-VG Art8;
FrG 1993 §54;
VwGG §46 Abs1 impl;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/21/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,

Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des HH in B, geboren am 10. Dezember 1974, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. Oktober 1997, Zl. Fr 4355/97, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 2. Juli 1997 über den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung, und vom 17. November 1997, Zl. Fr 4355/97, betreffend Zurückweisung der Berufung gegen den vorgenannten Bescheid, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 24. Oktober 1997 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist mit der Begründung ab, die Zustellung eines in deutscher Sprache gehaltenen Bescheides bzw. die Unkenntnis der deutschen Sprache stelle kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG dar. In dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (Zl. 94/19/0519) sei die Sachlage anders geartet, weil es sich beim diesbezüglichen Beschwerdeführer um einen Schubhäftling gehandelt habe, der aufgrund seiner Gefangennahme nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich eines Rechtsbeistandes zu bedienen. Weder das AVG noch das Fremdengesetz enthielten Bestimmungen, die einen (gemeint wohl: nicht nur) deutschsprachigen oder teilweise deutschsprachigen Bescheid vorsehen. Auch das restliche Vorbringen des Beschwerdeführers (Rechtsunsicherheit, Fehlen eines Rechtsbeistandes, wodurch die Konsequenz des angefochtenen Bescheides nicht bewußt gewesen sei) stelle keinesfalls ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne die subjektive Beurteilung einer bestimmten Rechtslage einen Wiedereinsetzungswerber niemals hindern, sich über die Wirkung eines Bescheides vorsorglich bei Rechtskundigen zu informieren. Darüber hinaus sei der fragliche Bescheid nicht das erste Geschäftsstück gewesen, das der Beschwerdeführer im Zuge von asyl- bzw. fremdenrechtlichen Verfahren bekommen habe. Auch im Heimatstaat des Beschwerdeführers seien bestimmte verwaltungsbehördliche Vorgangsweisen an Fristen gebunden. Es zeige sich somit ein auffallend sorgloses Verhalten des Beschwerdeführers im Umgang mit dem erhaltenen und in Frage stehenden Bescheid.

Mit dem weiters angefochtenen Bescheid vom 17. November 1997 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung mit der Begründung zurück, der Erstbescheid sei am 2. Juli 1997 zugestellt, die Berufung jedoch erst am 29. Juli 1997 eingebracht worden. Mangels Bewilligung der Wiedereinsetzung trete das Verfahren nicht in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden habe.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 71 Abs. 1 Z. 1 AVG lautet auszugsweise:

"Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag ... die Wiedereinsetzung zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft."

Der Beschwerdeführer bringt vor, seinen Wiedereinsetzungsantrag nicht alleine auf mangelnde Deutschkenntnisse gestützt zu haben. Eine derartige Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hätte auch nicht zum Erfolg führen können, weil kein Anspruch eines Fremden auf Erlassung eines Bescheides nach dem Fremdengesetz in einer ihm verständlichen Sprache besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1995, Zl. 95/18/0210). Der Beschwerdeführer bezieht sich auf seine "gesamten konkreten Lebensumstände im Zeitpunkt der Zustellung des in Rede stehenden Bescheides". Er sei damals im Flüchtlingslager Traiskirchen aufhältig, nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten und mit einer Vielzahl von Bescheiden konfrontiert gewesen, hinsichtlich derer er den Überblick verloren habe. Er habe über keine Kontaktperson verfügt, die es ihm ermöglicht hätte, rechtzeitig die Berufung einzubringen. Erst durch einen Kontakt mit seinem Bruder habe er die Möglichkeit erlangt, wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung des in Rede stehenden Bescheides zu ergreifen.

Dieses Vorbringen ist schon aus folgenden Gründen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen. Der Aufenthalt in einem Flüchtlingslager ist - auch für einen noch unvertretenen Fremden - für sich allein kein Grund, der die Unterlassung einer rechtzeitigen Berufungseinbringung als unverschuldet oder als ein über den minderen Grad des Versehens nicht hinausgehendes Verschulden werten ließe. Selbst die Verhängung einer Schubhaft über den Fremden stellt für sich allein keine taugliche Begründung für einen Wiedereinsetzungsantrag dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0180). Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, warum es ihm im Flüchtlingslager Traiskirchen unmöglich gewesen wäre, eine dort befindliche Kontaktperson aufzusuchen oder außerhalb des Flüchtlingslagers Informationen einzuholen und sich mit deren Hilfe um die Zuziehung eines geeigneten Dolmetschers zu kümmern. Der Erhalt anderer Bescheide vor dem gegenständlichen darf entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht dazu führen, auf spätere behördliche Schriftstücke weniger Augenmerk zu legen. Die allgemeine Situation eines Fremden in einem Flüchtlingslager macht die Versäumung einer Rechtsmittelfrist nicht unabwendbar im Sinne des § 71 AVG.

Die Beschwerdeausführungen sind somit nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der Versagung der Wiedereinsetzung aufzuzeigen. Weder dem Bescheid auf Abweisung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch folglich jenem auf Zurückweisung der - unbestritten nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebrachten - Berufung haftet eine Rechtsverletzung an, weshalb die Beschwerde bereits ausgehend von dem Beschwerdevorbringen gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998210035.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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