Entscheidungsdatum
12.04.2019Norm
AsylG 2005 §9 Abs1Spruch
W204 1432520-4/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin über den Antrag des XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2019, W204 1432520-3/5E, abgeschlossenen Verfahrens auf internationalen Schutz:
A)
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
I.1. Der Antragsteller (im Folgenden: ASt), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.07.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, dem nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens mit Bescheid des Bundesasylamtes in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben, dem ASt der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde.
I.2. Nachdem die befristete Aufenthaltsberechtigung mehrmals bescheidmäßig verlängert worden war, wurde ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 09.11.2018 der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt, die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen, der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen, kein Aufenthaltstitel erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des ASt nach Afghanistan zulässig sei, und eine Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt.
I.3. Dagegen erhob der ASt fristgerecht Beschwerde, die vom Bundesverwaltungsgericht mit dem im Rubrum genannten Erkenntnis als unbegründet abgewiesen wurde.
Diesem Erkenntnis liegt zugrunde, dass sich die Situation in Kabul seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gebessert hat und der ASt dort über zahlreiche Familienangehörige verfügt, die ihn - zumindest finanziell - unterstützen könnten, weshalb dem ASt eine Rückkehr dorthin zumutbar ist. Der ASt sei gesund und arbeitsfähig, zumal er für seine angeblichen psychischen Beschwerden keine Belege vorlegen konnte. Allfällige psychische Krankheiten, wie sie der ASt geltend machte, wären zudem in Kabul behandelbar.
I.4. Am 05.04.2019 stellte der ASt einen Antrag auf Wiederaufnahme und brachte im Wesentlichen vor, es habe sich herausgestellt, dass der ASt nicht gesund und arbeitsfähig sei. Er befinde sich seit 06.03.2019 in fachärztlicher Behandlung und es sei ihm am 22.03.2019 ein fachärztlicher Befundbericht mit der Diagnose F 32.1 mittelgradig depressive Episode, F 43.2 Anpassungsstörung und F 51.0 Insomnie ausgestellt worden. Er nehme jetzt regelmäßig Medikamente und es gehe ihm langsam besser, er sei jedoch auf die Unterstützung seiner psychosozialen Betreuerin angewiesen.
Dem Antrag beigelegt waren ein fachärztlicher Befundbericht vom 22.03.2019 und ein Sozialbericht von seiner psychosozialen Betreuerin vom 01.04.2019.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).
II.2. Zu Spruchpunkt A)
II.2.1. Der hier relevante § 32 VwGVG lautet soweit wesentlich:
"(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen."
In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) wurde festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen aufgrund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind beziehungsweise die bisherigen Judikaturlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.
In diesem Sinne sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 28.06.2016, Ra 2015/10/0136, aus, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet sind und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden kann.
II.2.2. Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens ist, dass die das seinerzeitige Verfahren abschließende Entscheidung mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar, also formell rechtskräftig ist. Die Zulässigkeit und auch die Erhebung von Rechtsmitteln bei den Höchstgerichten hindern, selbst wenn der Beschwerde oder der Revision aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft (VwGH 16.09.1980, 1079/79; 23.02.2012, 2010/07/0067; 28.02.2012, 2012/05/0026).
Entscheidungen eines Verwaltungsgerichtes werden mit ihrer Erlassung rechtskräftig. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.03.2019 wurde mit Hinterlegung in den elektronischen Verfügungsbereich des Vertreters am 13.03.2019 gemäß § 21 Abs. 8 BVwGG am 14.03.2019 rechtskräftig. Es liegt daher ein abgeschlossenes Verfahren vor, sodass die erste Voraussetzung des § 32 Abs. 1 VwGVG erfüllt ist.
Der Befund datiert vom 22.03.2019 und der Bericht seiner Betreuerin vom 01.04.2019, der Antrag auf Wiederaufnahme wurde am 05.04.2019 eingebracht, sodass auch die zweiwöchige Frist des § 32 Abs. 2 VwGVG eingehalten wurde. Der Antrag wurde daher fristgerecht gestellt, er ist jedoch nicht begründet:
Nach ständiger - auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG übertragbarer - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen d.h. Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. VwGH 15.12.1994, 93/09/0434; 04.09.2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, d.h. Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen (vgl. VwGH 16.11.2004, 2000/17/0022; 24.04.2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.
Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" beziehungsweise "nova causa superveniens").
Sowohl der Befundbericht als auch der Bericht seiner Betreuerin waren beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens noch nicht vorhanden, sondern sie sind vielmehr erst nach rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens entstanden. Es handelt sich somit grundsätzlich um nova producta, die eine Wiederaufnahme nicht rechtfertigen können.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können jedoch auch neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - das heißt nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen. Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (VwGH 25.02.2019, Ra 2018/19/0611). Aus dem Befund geht zwar hervor, dass sich der ASt seit 06.03.2019 und somit vor Erlassung des Erkenntnisses in fachärztlicher Behandlung befindet, es geht daraus jedoch nicht hervor, dass der ASt auch bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses an den nunmehr diagnostizierten psychischen Beschwerden litt. Vielmehr führt der ASt in seinem Antrag auf Wiederaufnahme selbst aus, dass sich sein Zustand stetig verschlechterte. Auch wenn man jedoch davon ausgeht, dass der ASt bereits zum Zeitpunkt des mittlerweile abgeschlossenen Verfahrens an diesen psychischen Beschwerden litt, wird mit diesem Vorbringen kein Grund geltend gemacht, der eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen könnte:
Nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG setzt die Wiederaufnahme des Verfahrens voraus, dass die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweise ohne Verschulden der Partei unbekannt geblieben sind und daher von ihr nicht geltend gemacht werden konnten. Unter Verschulden im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ist nach der Rechtsprechung des VwGH, die wie oben ausgeführt auch auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG übertragbar ist, Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB zu verstehen. Es kommt nicht auf den Grad des Verschuldens an, auch leichte Fahrlässigkeit genügt (VwGH 17.10.2012, 2010/08/0110; 19.03.2003, 2000/08/0105). Der Oberste Gerichtshof spricht in seiner ständigen Rechtsprechung von bloß leichter Fahrlässigkeit, wenn ein Verhalten gesetzt wurde, das gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft. Grob fahrlässig handelt, wer im täglichen Leben die erforderliche Sorgfalt gröblich, im hohen Grad aus Unbekümmertheit oder Leichtfertigkeit außer Acht lässt, wenn er also nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müsste (OGH 21.11.2018, 7 Ob 159/18k mwN).
Im gegenständlichen Fall musste der ASt wissen, dass in seiner Beschwerde geltend gemacht wurde, dass er unter psychischen Problemen leidet. Er musste daher auch davon wissen, dass Verschlechterungen seines psychischen Gesundheitszustandes möglicherweise von Bedeutung für die Entscheidung sein könnten und sie daher seinem damaligen Vertreter mitzuteilen wären, der diese Informationen dem Gericht weiterzuleiten gehabt hätte. Allenfalls hätte der ASt auch selbst dem Gericht mitteilen können, dass er sich nunmehr in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung befindet. Dies unterließ der ASt jedoch zumindest leicht fahrlässig, sodass auch daran eine Wiederaufnahme scheitert.
Darüber hinaus hätten auch die nunmehr vorgelegten Berichte in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens kein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeiführen können. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159). Das Verwaltungsgericht hat im Wiederaufnahmeverfahren nicht abschließend darüber zu entscheiden, ob es tatsächlich im wiederaufzunehmenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu einer anderslautenden Entscheidung kommen wird. Ist für das Verwaltungsgericht aber erkennbar, dass es zu keiner anderslautenden Entscheidung kommen wird (kommen kann), dann ist die Wiederaufnahme nicht zu bewilligen (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte2, 2017, § 32 VwGVG K 17).
Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses des Neu-hervorgekommen-Seins) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das Bundesverwaltungsgericht entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159).
Wie oben ausgeführt, war für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich, dass sich die Lage in Kabul gebessert hat und dass der ASt dort über zahlreiche Familienmitglieder verfügt, die ihn unterstützen können. Zudem hielt das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich fest, dass allfällige vom ASt geltend gemachte psychische Beschwerden in Kabul behandelbar sind. Dagegen wendet sich der ASt jedoch in seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht substantiiert. Er führt lediglich aus, dass es durchaus möglich sei, dass die in Kabul lebenden Familienangehörigen ihn aufgrund seines Verhaltens als verrückt bezeichnen und er keine Unterstützung erhalte. Für diese Spekulationen legt der ASt jedoch keinerlei Nachweise oder Berichte vor, die derartiges nahelegen würden. Nach den Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts stellt die Großfamilie dagegen vielmehr die zentrale soziale Institution in Afghanistan dar und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei (S. 50). Zur nicht möglichen Behandelbarkeit seiner psychischen Beschwerden in Kabul sind dem Antrag auf Wiederaufnahme keinerlei Ausführungen zu entnehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht wäre daher selbst bei Zugrundelegung der nunmehr durch einen ärztlichen Bericht diagnostizierten psychischen Beschwerden zu keinem anderen Ergebnis gekommen, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland (einer Abschiebung oder Überstellung) nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH 23.03.2017, Ra 2017/20/0038; 21.02.2017, Ra 2017/18/0008, jeweils mwN). Da das Bundesverwaltungsgericht feststellte, dass die Beschwerden in Kabul behandelbar sind und der ASt über ein unterstützungsfähiges und -williges familiäres Netzwerk ebendort verfügt, hätte auch die Berücksichtigung der psychischen Beschwerden weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt (vgl. im Übrigen zur Bejahung einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul bei psychischen Beschwerden VwGH 19.06.2018, Ra 2018/20/0262; 30.05.2018, Ra 2018/18/0284, mit Verweis auf VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0271, im Fall eines an einer Depression Erkrankten).
Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben und wurde zudem auch nicht beantragt.
II.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
mangelnder Anknüpfungspunkt, nova producta, Voraussetzungen,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W204.1432520.4.00Zuletzt aktualisiert am
25.05.2020