TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/25 W208 2186136-2

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Veröffentlicht am 25.04.2019
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Entscheidungsdatum

25.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W208 2186136-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER im Verfahren über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit AFGHANISTAN, gegen den Bescheid des BUNDESAMTES FÜR FREMDENWESEN UND ASYL, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 06.03.2019, Zl. 1095282304/151806839, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird Folge gegeben und dieser ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist afghanischer Staatsbürger und stellte nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wies den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz zunächst mit Bescheid vom 08.01.2018 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach AFGHANISTAN zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

In Erledigung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid mit Beschluss des BVwG vom 16.02.2018, W208 2186136-1/3E, aufgrund besonders gravierender Ermittlungslücken gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverwiesen.

3. Das BFA hat nunmehr mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 06.03.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach AFGHANISTAN zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

Im Bescheid des BFA wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei festgestellt worden, dass der BF verfälschte Beweismittel in einem behördlichen Verfahren benutzt habe und somit sein Vorbringen nicht den Tatsachen entspreche, andernfalls er diese gefälschten Beweismittel nicht gebraucht hätte.

Die Feststellungen zum Herkunftsland wurden nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (zuletzt aktualisiert am 08.01.2019) getroffen.

Es wurde ausgeführt, der BF habe keine aktuelle, individuelle Bedrohungs- bzw. Gefährdungslage, welcher er in Afghanistan ausgesetzt sein könnte, glaubhaft vorgebracht. Es liege zwar eine allgemeine Gefährdungslage in seiner Heimatprovinz vor, jedoch könne der BF seinen Lebensunterhalt in KABUL/MAZAR-E SHARIF/HERAT bestreiten. Im Fall einer Rückkehr könne auch nicht festgestellt werden, dass für den BF eine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei.

Ein nach § 8 EMRK schützenwertes Privat- und Familienleben in Österreich liege nicht vor.

3. Gegen den am 08.03.2019 zugestellten Bescheid wurde am 02.04.2019 beim BFA Beschwerde eingebracht.

Diese wurde zusammengefasst damit begründet, dass die belangte Behörde ihrem durch Beschluss des BVwG vom 16.02.2018 aufgetragenen konkreten Ermittlungsauftrag nicht nachgekommen sei. Sowohl die Ergebnisse des Strafverfahrens wegen § 293 StGB (Fälschung eines Beweismittels), welches in einem Freispruch geendet habe, sei von der belangten Behörde außer Acht gelassen worden als auch die Beweiswürdigung zum konkreten Fluchtvorbringen sei mangelhaft und seien Beweisanträge des BF ignoriert worden. Dem BF drohe gemäß seinem Vorbringen aufgrund seiner (unterstellten) politischen Gesinnung eine landesweite Verfolgungsgefahr durch die Taliban. Überdies sei ihm auch keine Rückkehr oder Ansiedelung in anderen Teilen Afghanistans aufgrund des dort herrschenden bewaffneten Konfliktes und einer drohenden Verletzung von Art 3 EMRK zumutbar.

Hinsichtlich der begehrten aufschiebenden Wirkung wurde weiters angeführt, dass die belangte Behörde in völlig unbegründeter Weise und ohne den ihr vom BVwG aufgetragenen Ermittlungen nachzukommen darauf beharre, dass er ein gefälschtes Beweismittel vorgelegt hätte. Bereits diese Feststellung sei unbegründet und würde die daran geknüpfte Schlussfolgerung, dass deswegen sein gesamtes Vorbringen nicht den Tatsachen entspreche, an Willkür grenzen.

4. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 17.04.2019 vom BFA vorgelegt. Gleichzeitig teilte das BFA mit, dass sie aus dienstlichen und personellen Gründen auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung verzichte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

Zu Spruchteil A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 18 Abs 5 erster Satz BFA-VG idF vom 01.09.2018 (BGBl I 2018/56) hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebungen oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zu Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. § 18 Abs 7 BFA-VG schließt die Anwendung der §§ 13 Abs 2-5 und 22 VwGVG aus. Ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist in § 18 Abs 5 BFA-VG nicht vorgesehen.

In Folge der Rechtsprechung des VwGH vom 19.06.2017, Fr 2017/19/0023 und 20.09.2017, 2017/19/0284 hat das BVwG über eine Beschwerde, soweit sie jene Aussprüche betrifft mit denen der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde förmlich zu entscheiden und erledigt dies im vorliegenden Fall mit gesondertem (Teil-)Erkenntnis.

Kürzlich hat auch der EuGH in seinem Urteil vom 19.06.2018, C-181/16 festgestellt, dass sichergestellt sein muss, dass alle Rechtwirkungen einer Rückführungsanordnung bis zum Ergebnis der gerichtlichen Überprüfung ausgesetzt werden und sich ein BF während dieses Zeitraumes auf jede Änderung der Umstände stützen kann, die erhebliche Auswirkungen auf die Beurteilung seiner Situation hat.

Dazu hat der VwGH im Erkenntnis vom 13.12.2018, Ro 2018/18/0008 festgestellt: "Nach den unionsrechtlichen Vorgaben müssen die Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung gesetzlich solange ausgesetzt sein, solange der Betroffene gemäß Art 46 Abs 8 der Richtlinie 2013/32/EU im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates verbleiben darf. Im Zusammenhalt mit Art 46 Abs 6 der Richtlinie hat das zur Folge, dass die Aussetzung der Rechtswirkungen jedenfalls bis zur Entscheidung des Gerichtes, ob der Antragsteller (zumindest) während des Rechtsmittelverfahrens im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates verbleiben darf, vorgesehen sein muss. Dem wird im österreichischen Recht grundsätzlich - und zwar jedenfalls im Zusammenhang mit der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme - durch die siebentägige Wartepflicht nach § 16 Abs 4 BFA-VG 2014 entsprochen. Ist bei Ablauf der Frist gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG 2014 aber noch keine gerichtliche Entscheidung über die aufschiebende Wirkung ergangen, muss zur Erzielung eines unionsrechtskonformen Zustandes davon ausgegangen werden, dass sich die gesetzlich angeordnete Wartepflicht bis zur tatsächlichen Entscheidung des Gerichtes über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung verlängert und die Wirkungen der Rückkehrentscheidung jedenfalls bis dahin ausgesetzt sind. Mit dieser Maßgabe entsprechen die nationalen österreichischen Regelungen den Anforderungen des Unionsrechts."

Es kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass durch eine Außerlandesbringung des BF, dieser nicht in seinen in Art 2 EMRK und Art 3 EMRK geschützten Rechten verletzt werden würde.

Hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde bedarf die zur Verfügung stehende Aktenlage einer näheren Überprüfung um eine Gefährdung im Sinne des §§ 18 Abs 5 BFA-VG ausschließen zu können. Insbesondere aufgrund des Vorbringens des BF betreffend eine Verfolgungswahrscheinlichkeit durch die Taliban nicht nur in seiner Herkunftsprovinz, sondern auch in KABUL, MAZAR-E SHARIF und HERAT-Stadt bzw. in ganz Afghanistan, ist es notwendig die Glaubhaftigkeit des Vorbringens in einer mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des BF ehestmöglich zu überprüfen und einen persönlichen Eindruck von dem BF zu bekommen (VfGH 11.10.2017, E 2007/2017).

Das BFA stützt sich in seiner gegenständlichen Entscheidung zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG und somit darauf, dass das Vorbringen des BF zu seiner Bedrohungssituation "offensichtlich" nicht den Tatsachen entspreche. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass es für die Behörde feststehe, dass der BF verfälschte Beweismittel vorgelegt habe und somit sein Fluchtvorbringen nicht den Tatsachen entspreche, andernfalls er diese gefälschten Beweismittel nicht gebraucht hätte.

Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg habe und ihm auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe, sei es ihm zumutbar, den Ausgang seines Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten.

Zur vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 6 AsylG 1997 wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH 06.05.2004, 2002/20/0361) festgehalten, dass nur dann, wenn "unmittelbar einsichtig" sei und sich das Urteil quasi "aufdränge", dass die vom Asylwerber vorgebrachten Schilderungen tatsächlich wahrheitswidrig seien, das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreiche, dass der Tatbestand als erfüllt angesehen werden könne. Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Unrecht erfolgt.

Wie oben ausgeführt bedarf es aus Sicht des BVwG einer näheren Überprüfung in einer Verhandlung, um feststellen zu können, ob das Vorbringen des BF zu seiner Bedrohungssituation den Tatsachen entspricht oder nicht. Die Vorlage eines - allenfalls vom BF - manipulierten Drohvideos (zur Untermauerung seiner Fluchtgeschichte) ist zwar ein gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage sprechendes Indiz, der Schluss, dass das Vorbringen (nur) deshalb nicht den Tatsachen entspricht, ist aber nicht zulässig. Auch eine der Realität entsprechende Fluchtgeschichte wird durch Vorlage von Sachbeweisen noch glaubhafter und besteht immer das Risiko, dass auch einem ehrlichen BF - aufgrund seines Aussageverhaltens - nicht geglaubt wird (vgl zB: Othello-Fehler), sodass er ein Motiv hat Beweismittel zu kreieren, um seine Aussage zu untermauern.

Der Beschwerde ist daher gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG entfallen.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auf die unter Spruchpunkt A) angeführte Rechtsprechung wird verwiesen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W208.2186136.2.00

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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