Entscheidungsdatum
02.09.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W133 2191408-1/22Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die XXXX , auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung vom 27.08.2019 den Beschluss:
A)
Der Antrag vom 27.08.2019 auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung zur Untersagung der Durchsetzung der Abschiebung des XXXX wird zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Antragsteller XXXX stellte am 22.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Mit Bescheid vom 02.03.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Dem Antragsteller wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Des Weiteren wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Antragstellers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Antragstellers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Im Akt befindet sich eine vom Antragsteller gezeichnete Vollmacht vom 15.03.2018 zugunsten der XXXX .
Mit Schriftsatz vom 21.03.2018 erhob der Antragsteller im Wege seiner Rechtsvertretung gegen den Bescheid vom 02.03.2018 in vollem Umfang fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Am 20.11.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.
Im Akt befindet sich ein Abschluss-Bericht einer näher genannten Polizeiinspektion vom 22.05.2019. Aus diesem Bericht ergibt sich, dass der Antragsteller verdächtigt wird, am 07.05.2019 in seinem Asylheim aus Wut gegen eine Glasscheibe einer Eingangstür geschlagen und diese dabei beschädigt zu haben. In seiner Beschuldigtenvernehmung vom 21.05.2019 gab der Antragsteller zu, dass er die Glasscheibe der Tür aus Wut zerstört habe.
Mit Erkenntnis vom 10.07.2019, hg.GZ. W133 2191408-1/12E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde vom 21.03.2018 gegen den Bescheid vom 02.03.2018 betreffend alle Spruchpunkte als unbegründet ab. Diese Entscheidung erwuchs durch die Zustellungen am 11.07.2019 in Rechtskraft.
Aus dem rechtskräftigen Schubhafterkenntnis des BVwG vom 14.08.2019, hg.GZ. W140 2222259-1, ergibt sich im weiteren Verlauf folgender Verfahrensgang betreffend den Antragsteller:
Dem Antragsteller wurde in der Folge vom BFA eine Wohnsitzauflage erteilt, welcher er nicht nachgekommen ist. Er reiste in weiterer Folge nach Erhalt der verfahrensabschließenden Entscheidung des BVwG vom 10.07.2019 nicht binnen 2 Wochen freiwillig in seinen Herkunftsstaat aus, sondern versuchte am Ende der Frist nach Deutschland zu gelangen. Der Antragsteller unternahm keine Schritte, sich ein Dokument für die Heimreise zu besorgen. Stattdessen besorgte er sich ein Zugticket nach Deutschland. Der Antragsteller wurde am 23.07.2019 von der deutschen Polizei im Zug nach Deutschland kontrolliert. Da er keine Dokumente mit sich führte, wurde er festgenommen und an die österreichischen Behörden rücküberstellt. Nach erfolgter ED-Behandlung wurde der Antragsteller am 23.07.2019 von der zuständigen Landespolizeidirektion niederschriftlich einvernommen. Mit Mandatsbescheid vom 23.07.2019 wurde über den Antragsteller gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm §57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Mit mündlich verkündeter Entscheidung des BVwG vom 14.08.2019, hg.GZ. W140 2222259-1/8Z, wurde die Beschwerde des Antragstellers gegen die Anhaltung in Schubhaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG und § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen. Am 28.08.2019 erging die entsprechende gekürzte Ausfertigung dieser Entscheidung.
Der Antragsteller befindet sich seit 23.07.2019 bis dato in Schubhaft.
Die Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan ist für den 03.09.2019 geplant.
Am 20.08.2019 beantragte der Antragsteller bei beiden Höchstgerichten (VwGH und VfGH) die Gewährung von Verfahrenshilfe für die Abfassung und Einbringung einer ao. Revision bzw Beschwerde gegen das Erkenntnis des BVwG vom 10.07.2019.
Am 27.08.2019 langte beim BVwG ein "Antrag auf einstweilige Anordnung unmittelbar aufgrund des Unionsrechts" ein. Dieser Antrag langte am 28.08.2019 in der zuständigen Gerichtsabteilung ein. Darin beantragt der rechtlich vertretene Antragsteller, das BVwG möge aufgrund der bevorstehenden Abschiebung am 03.09.2019 eine einstweilige Anordnung erlassen, mit der dem BFA vorläufig die Durchsetzung der Abschiebung des Antragstellers untersagt werde. Begründend wird im Schriftsatz zusammengefasst ausgeführt, der Grundsatz der faktischen Effizienz werde im vorliegenden Fall unterlaufen, wenn für eine Person, die auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe angewiesen sei, keine Möglichkeit bestehe, vorläufigen Rechtsschutz vor dem Vollzug der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu erlangen. Auch Art. 47 Abs. 3 GRC sehe ein Recht auf Prozesskostenhilfe vor (mit weiteren Ausführungen im Schriftsatz). Die verwaltungsgerichtliche Entscheidung über die aufenthaltsbeendende Maßnahme werde bereits am 03.09.2019 mittels Abschiebung vollstreckt. Die zeitgerechte Einbringung einer Revision und die Beantragung von aufschiebender Wirkung nach § 30 VwGG seien nicht möglich. Das Verfahrenshilfesystem werde dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz nicht gerecht. Die effektive Überprüfbarkeit der Entscheidung des VwG im Rahmen der rechtsstaatlich gebotenen Kontrolle durch den VwGH sei ohne Gewährung der beantragten einstweiligen Anordnung nicht möglich. Aus den im Verfahrenshilfeantrag dargelegten Gründen sei die zu bekämpfende Entscheidung rechtswidrig. Dem Antragsteller drohe in Afghanistan aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage und der besonderen Vulnerabilität wegen der bestehenden psychischen Erkrankung eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung. Zudem drohe eine maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Dabei handle es sich um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden. Es bestehe die Gefahr einer schweren, raschen und irreversiblen Gesundheitsverschlechterung, welche mit intensivem Leiden und einer signifikanten Verkürzung der Lebenserwartung verbunden sei. Die beantragte Anordnung erweise sich aus diesem Grund als dringlich. Zudem laufe das Recht auf Prozesskostenhilfe ins Leere. Die Zuständigkeit des BVwG ergebe sich auch aus der bisherigen Rechtsprechung des VwGH.
Seitens des BVwG wurde das BFA aufgrund der Dringlichkeit des Anbringens unverzüglich aufgefordert, binnen 2 Tagen zu dem Anbringen des Antragstellers eine Stellungnahme abzugeben. Weiters brachte das BVwG auch beiden Höchstgerichten zu deren Verfahren das Anbringen zur Kenntnis.
Am 28.08.2019 wies der Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Verfahrenshilfe des Antragstellers ab.
Zum Entscheidungszeitpunkt war beim Verfassungsgerichtshof das Verfahren in Bezug auf die Gewährung von Verfahrenshilfe noch anhängig.
Das BFA erstattete am 30.08.2019 eine entsprechende Stellungnahme, worin es zusammengefasst die Zurückweisung des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Antragsteller stellte nach illegaler Einreise nach Österreich am 22.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der volljährige Antragsteller wurde am XXXX in der Provinz XXXX in Afghanistan geboren, er ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Der Beschwerdeführer ist sunnitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er spricht Dari und Paschtu.
Mit Bescheid vom 02.03.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Des Weiteren wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Antragstellers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Antragstellers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Nach Erhebung einer Beschwerde durch den Antragsteller wies das Bundesverwaltungsgericht nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 10.07.2019, hg.GZ. W133 2191408-1/12E, die Beschwerde vom 21.03.2018 gegen den Bescheid vom 02.03.2018 betreffend alle Spruchpunkte als unbegründet ab. In dieser Entscheidung wurde betreffend den Gesundheitszustand des Antragstellers aufgrund der vorliegenden medizinischen Befunde und durchgeführten ehrenamtlichen Tätigkeit festgestellt, dass dieser an keinen schweren Krankheiten leidet und arbeitsfähig ist. Es wurde weiters konkret festgestellt, dass der Antragsteller unter einer Anpassungsstörung mit einer längeren depressiven Reaktion, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und bei ihm eine leichte bis mittelgradige Intelligenzminderung besteht. Es wurde weiters festgestellt, dass er täglich Antipsychotika und Medikamente gegen seine Schlafstörungen einnimmt und sich gelegentlich in psychologischer und psychiatrischer Behandlung befindet. Zu den Fluchtgründen wurde zusammengefasst festgestellt, dass der Antragsteller in seinem Heimatstaat Afghanistan keiner konkret und gezielt gegen seine Person gerichteten Verfolgung, insbesondere durch die Taliban aufgrund seiner angeblichen Weigerung zur Mitarbeit, ausgesetzt war und auch im Fall der Rückkehr nach Afghanistan - auch unter Berücksichtigung der psychischen Beeinträchtigung - mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre. Zu einer möglichen Rückkehr des Antragstellers in den Herkunftsstaat wurde festgestellt, dass dem Antragsteller eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in einer der großen Städte Afghanistans, nämlich Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung steht und es grundsätzliche Behandlungsmöglichkeit für seine psychische Erkrankung gibt.
Diese Feststellungen wurden in der Entscheidung des BVwG vom 10.07.2019 auch durch eine ausführliche Beweiswürdigung untermauert und einer eingehenden rechtlichen Beurteilung unterzogen. Der Entscheidung lag u.a. auch eine mehrstündige öffentliche mündliche Verhandlung zugrunde.
Diese verfahrensabschließende Entscheidung des BVwG vom 10.07.2019 erwuchs durch die Zustellungen am 11.07.2019 in Rechtskraft.
Dem Antragsteller wurde in der Folge vom BFA eine Wohnsitzauflage erteilt, welcher er nicht nachgekommen ist.
Er reiste in weiterer Folge nach Erhalt der verfahrensabschließenden Entscheidung des BVwG vom 10.07.2019 nicht binnen 2 Wochen freiwillig in seinen Herkunftsstaat aus, sondern versuchte am Ende der Frist nach Deutschland zu gelangen.
Der Antragsteller unternahm keine Schritte, sich ein Dokument für die Heimreise zu besorgen. Stattdessen besorgte er sich ein Zugticket nach Deutschland.
Der Antragsteller wurde am 23.07.2019 von der deutschen Polizei im Zug nach Deutschland kontrolliert. Da er keine Dokumente mit sich führte, wurde er festgenommen und an die österreichischen Behörden rücküberstellt. Nach erfolgter ED-Behandlung wurde der Antragsteller am 23.07.2019 von der zuständigen Landespolizeidirektion niederschriftlich einvernommen und mit Mandatsbescheid vom 23.07.2019 in Schubhaft genommen.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 14.08.2019, hg.GZ. W140 2222259-1/8Z, wurde die Beschwerde des Antragstellers gegen die Anhaltung in Schubhaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG und § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen.
Der Antragsteller befindet sich seit 23.07.2019 bis dato in Schubhaft.
Die Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan ist für den 03.09.2019 geplant.
Im Rahmen der Schubhaftverhandlung vor dem BVwG am 14.08.2019 sicherte das BFA zu, dass der Antragsteller im Falle der Abschiebung seine regelmäßig eingenommenen Medikamente ausreichend mitbekommen wird und er im Falle der Rückführung nach Afghanistan in einem entsprechenden und adäquaten Programm einer NGO in Afghanistan untergebracht wird, um ihm entsprechende Behandlungen zukommen zu lassen. Der Rechtsvertreter teilte ebenfalls in dieser Verhandlung mit, dass das BFA sowohl die finanzielle als auch die organisatorische Unterstützung bereits zugesagt hat.
2. Beweiswürdigung
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts, der das Asylverfahren abschließenden Entscheidung des BVwG vom 10.07.2019 und aus der rechtskräftigen Schubhaft-Entscheidung des BVwG vom 14.08.2019, hg.GZ. W140 2222259-1/8Z.
3. Rechtliche Beurteilung
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach der Einführung der mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit das Verwaltungsgericht in unmittelbarer Anwendung von Unionsrecht zur Entscheidung über Anträge auf Erlassung einstweiliger Anordnungen im Revisionsverfahren zuständig; vgl. dazu die diesbezüglichen, umfangreichen und grundsätzlichen rechtlichen Ausführungen in dem Beschluss des VwGH vom 29.10.2014, Ro 2014/04/0069, ab Rz 3 ff.).
Damit wird nach der in dieser Entscheidung vertretenen Rechtsansicht des Höchstgerichts auch den nach der Rechtsprechung des EuGH gebotenen Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität entsprochen.
Der Verwaltungsgerichtshof weist in ständiger Rechtsprechung in Bezug auf einstweilige Anordnungen darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die nationalen Gerichte einstweilige Anordnungen nur unter den Voraussetzungen treffen können, die für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Gerichtshof gelten. Zu diesen Voraussetzungen gehören die Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der Erlassung der einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (fumus boni iuris), das Feststehen der Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens beim Antragsteller und gegebenenfalls die Abwägung aller bestehenden Interessen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, sodass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen ist, wenn eine von ihnen fehlt. Im Rahmen der Gesamtprüfung, die im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorzunehmen ist, verfügt der zuständige Richter über ein weites Ermessen, und er kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der die verschiedenen Voraussetzungen für die Gewährung der genannten einstweiligen Anordnungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (vgl. u. a. neuerlich VwGH vom 29.10.2014, Ro 2014/04/0069, mit weiterem Verweis auch auf die Rechtsprechung des EuGH).
Wesentliche Voraussetzung ist somit u.a. das Feststehen der Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens beim Antragsteller.
Bereits diese Voraussetzung liegt im vorliegend zu beurteilenden Antragsfall aus folgenden Erwägungen nicht vor:
Im Antrag wird diesbezüglich argumentiert, dem Antragsteller drohe in Afghanistan aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage und der besonderen Vulnerabilität wegen der bestehenden psychischen Erkrankung eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung. Zudem drohe eine maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Dabei handle es sich um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden. Es bestehe die Gefahr einer schweren, raschen und irreversiblen Gesundheitsverschlechterung, welche mit intensivem Leiden und einer signifikanten Verkürzung der Lebenserwartung verbunden sei. Die beantragte Anordnung erweise sich aus diesem Grund als dringlich.
Diesem Vorbringen kann aus folgenden Erwägungen zum Entscheidungszeitpunkt nicht gefolgt werden:
Wie bereits oben festgestellt wurde, hat das BVwG bereits in seiner verfahrensabschließenden Entscheidung vom 10.07.2019 die vom Antragsteller selbst vorgebrachte und befundmäßig belegte psychische Erkrankung und Beeinträchtigung festgestellt und war vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte zum Schluss gelangt, dass ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus diesem Grund keine Verfolgung oder unmenschliche Behandlung in Afghanistan droht. Auch ist aktuell nicht zu erkennen, das durch den Vollzug der Abschiebung ein nicht wiedergutzumachender Schaden durch eine maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Antragstellers entsteht, zumal das BFA - wie ebenfalls oben festgestellt wurde - im Rahmen der Schubhaftverhandlung vor dem BVwG am 14.08.2019 zugesichert hat, dass der Antragsteller im Falle der Abschiebung seine regelmäßig eingenommenen Medikamente ausreichend mitbekommen und er im Falle der Rückführung nach Afghanistan in einem entsprechenden und adäquaten Programm einer NGO in Afghanistan untergebracht wird, um ihm entsprechende Behandlungen zukommen zu lassen. Auch der Rechtsvertreter teilte in dieser Verhandlung mit, dass das BFA sowohl die finanzielle als auch die organisatorische Unterstützung bereits zugesagt hat.
Auch haben sich in Bezug auf die Sicherheitslage keine maßgeblichen Veränderungen im Sinne einer Verschlechterung in Bezug auf die Städte Mazar-e Sharif und Herat im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vom 10.07.2019 ergeben. Dies wurde vom Antragsteller auch gar nicht behauptet.
Auch sind von Amts wegen zum Entscheidungszeitpunkt keine Gründe erkennbar, welche "das Feststehen der Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens beim Antragsteller" nahe legen würden. Es ergibt sich somit, dass bereits aufgrund des Nichtvorliegens dieser genannten Voraussetzung der Antrag nach der bisherigen Rechtsprechung des VwGH zurückzuweisen ist.
Darüberhinaus konnte auch dem im Antrag geltend gemachten Vorbringen, in der vorliegenden Verfahrenskonstellation laufe das Recht auf Prozesskostenhilfe in Leere, falls der Antragsteller abgeschoben werde, aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:
Zwar ist es richtig, dass im vorliegenden Fall zwischen dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Verfahrenshilfe zur Abfassung einer Revision beim VwGH bzw Beschwerde bzw VfGH zeitlich weit nach Ablauf der vierzehntägigen Ausreisefrist ein Zeitraum besteht, in welchem die Abschiebung durchsetzbar ist, noch bevor überhaupt eine Revision oder ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt wurde. Es ist jedoch vor dem Hintergrund der vorliegenden Umstände im Antragsfall nicht erkennbar, dass damit der Grundsatz der faktischen Effizienz verletzt würde oder - wie ebenfalls im Antrag vorgebracht wurde - die effektive Überprüfbarkeit der Entscheidung des VwG im Rahmen der rechtsstaatlich gebotenen Kontrolle durch den VwGH ohne Gewährung der beantragten einstweiligen Anordnung nicht möglich sei.
Der gesamte Bescheid des BFA vom 02.03.2018 wurde einer gerichtlichen Überprüfung durch das BVwG unter Einschluss der Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterzogen, somit auch die Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung.
Der Antragsteller wird im bisherigen Verfahren bis dato rechtlich vertreten. Es besteht auch eine Zustellvollmacht.
Da das BFA die Abschiebung nunmehr zeitlich noch vor der Entscheidung des VfGH über die Verfahrenshilfe (seitens des VwGH liegt zum Entscheidungszeitpunkt bereits eine abschlägige Entscheidung vor) und vor der allfälligen Einbringung einer Revision beim VwGH bzw Beschwerde beim VfGH bzw einer allfälligen Entscheidungsmöglichkeit über die aufschiebende Wirkung bei den Höchstgerichten durchführen möchte, wird es im weiteren Verlauf im Falle der tatsächlichen Abschiebung am 03.09.2019 - neben den oben festgestellten Zusicherungen des BFA im Rahmen der Schubhaftverhandlung - auch dafür Sorge zu tragen haben, dass eine zustellfähige Kontaktadresse des Beschwerdeführers in Afghanistan zur Verfügung steht, um im Falle der Gewährung von Verfahrenshilfe durch den VfGH einen effektiven Rechtsschutz zur Kontaktaufnahme mit dem Verfahrenshelfer zu gewährleisten.
Darüberhinaus wird das BFA in Anlehnung an die Bestimmungen zur Wiedereinreise im AsylG (§ 14 AsylG 2005) für den Fall, dass die Entscheidung des BVwG vom 10.07.2019 von einem der beiden Höchstgerichte in weiterer Folge allenfalls behoben werden sollte, dafür Sorge zu tragen haben, dass der Antragsteller zB für eine etwaig durchzuführende Verhandlung zeitnah wiederum nach Österreich einreisen kann.
Es ist weiters festzuhalten, dass zum Entscheidungszeitpunkt auch eine Abwägung der bestehenden Interessen zu einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Ausreise bzw Abschiebung des Antragstellers gegenüber den privaten Interessen an einem Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet führt:
Die verfahrensabschließende Entscheidung des BVwG vom 10.07.2019 erwuchs durch die Zustellungen am 11.07.2019 in Rechtskraft.
Dem Antragsteller wurde in der Folge vom BFA eine Wohnsitzauflage erteilt, welcher er nicht nachgekommen ist.
Er reiste in weiterer Folge nach Erhalt der verfahrensabschließenden Entscheidung des BVwG vom 10.07.2019 nicht binnen 14 Tagen freiwillig in seinen Herkunftsstaat aus, sondern versuchte am Ende der Frist nach Deutschland zu gelangen.
Der Antragsteller unternahm keine Schritte, sich ein Dokument für die Heimreise zu besorgen.
Stattdessen besorgte er sich ein Zugticket nach Deutschland.
Der Antragsteller wurde am 23.07.2019 von der deutschen Polizei im Zug nach Deutschland kontrolliert. Da er keine Dokumente mit sich führte, wurde er festgenommen und an die österreichischen Behörden rücküberstellt und befindet sich seitdem in Schubhaft. In der Entscheidung des BVwG vom 14.08.2019, hg.GZ. W140 2222259-1/8Z, wurde die Beschwerde des Antragstellers gegen die Anhaltung in Schubhaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG und § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen aufgrund begründeter Fluchtgefahr zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen.
Aus diesem dargestellten Verhalten des Antragstellers ergibt sich, dass er nicht gewillt ist, sich an die in Österreich geltenden Normen zur Einreise und zum Aufenthalt zu halten, sodass sein weiterer Verbleib im Bundesgebiet die Einhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährdet.
Es ergibt sich somit, dass die Voraussetzungen für die beantragte Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes nicht vorliegen, sodass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Antrag spruchgemäß zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde oben in der Entscheidung bereits wiedergegeben.
Schlagworte
einstweilige Anordnung, Glaubhaftmachung, mangelnderEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W133.2191408.1.01Zuletzt aktualisiert am
25.05.2020