Entscheidungsdatum
10.09.2019Norm
B-VG Art. 130 Abs1 Z2Spruch
W171 2219378-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA ungeklärt, vertreten durch RA XXXX , gegen eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, beschlossen:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 28 Abs. 6 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2018 wurde das mit Bescheid vom 11.11.2010 gegen den Beschwerdeführer verhängte unbefristete Aufenthaltsverbot von Amts wegen aufgehoben, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 46 FPG sei die Abschiebung nach Moldawien zulässig. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit Schriftsatz vom 10.09.2018 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch RA XXXX , Beschwerde gegen diesen Bescheid. Der Beschwerdeführer hatte im Verfahren bisher kein Vertretungsverhältnis bekannt gegeben. Im Beschwerdeschriftsatz berief sich RA XXXX auf die erteilte Vollmacht.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.10.2018 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid vom 16.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG aufgetragen, zur Einholung eines Ersatzreisedokuments am XXXX bei der Botschaft der Ukraine zu erscheinen und an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken.
Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer, der sich zu diesem Zeitpunkt in einer Justizvollzugsanstalt befand, am 17.05.2019 persönlich ausgehändigt. Er verweigerte jedoch die Unterschrift und Übernahme des Bescheids.
Der Beschwerdeführer wurde am XXXX der Botschaft der Ukraine vorgeführt.
Mit Schriftsatz vom 28.05.2019 erhob der Beschwerdeführer wegen der zwangsweisen Vorführung vor die Botschaft der Ukraine Beschwerde wegen einer Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Darin wird ausgeführt, dass der Behörde am 10.09.2018 mitgeteilt worden sei, dass der Beschwerdeführer von RA XXXX vertreten werde. Der Bescheid vom 16.05.2019 sei dem Rechtvertreter nicht zugestellt und er auch nicht anderweitig informiert worden. Der Ladungsbescheid sei dem Beschwerdeführer daher nicht rechtswirksam zugestellt worden. Das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie zu deren Durchsetzung würden eine Einheit bilden, zumal das Rückkehrentscheidungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei, da ein Revisionsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sei. Die Vorführung vor die Botschaft sei somit ohne Rechtsgrundlage und rechtwidrig erfolgt. Es wurde der Ersatz der Kosten durch die belangte Behörde im gesetzlichen Umfang beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2018 wurde das mit Bescheid vom 11.11.2010 gegen den Beschwerdeführer verhängte unbefristete Aufenthaltsverbot von Amts wegen aufgehoben, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 46 FPG sei die Abschiebung nach Moldawien zulässig. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
In der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 21.08.2018 berief sich RA XXXX auf die vom Beschwerdeführer erteilte Vollmacht.
Mit Bescheid vom 16.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG aufgetragen, zur Einholung eines Ersatzreisedokuments am XXXX bei der Botschaft der Ukraine zu erscheinen und an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken.
Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich zugestellt.
2. Beweiswürdigung:
Die Vollmachterteilung ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akt zu XXXX . Die vom RA XXXX verfasste Beschwerde vom 10.09.2018 trägt den Vermerk "Vollmacht erteilt einschließlich Vollmacht gemäß § 19a
RAO".
Die persönliche Zustellung des Bescheids vom 16.05.2019 an den Beschwerdeführer ergibt sich aus dem Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I.:
3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl; über Beschwerden gegen Entscheidungen der Landespolizeidirektionen entscheiden, soweit nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 9 Abs. 1 FPG die Verwaltungsgerichte der Länder.
Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u. a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG (§§ 34 - 47 BFA-VG) und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z 3).
Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2) oder wenn gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).
Während der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung VwGH 26.1.2001, 2000/02/0340, zu § 72 Abs. 1 FrG 1997 noch davon ausging, dass mit Anhaltung nur die Anhaltung in Schubhaft gemeint war, subsumierte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VwGH 19.5.2011, 2009/21/0214, zu § 82 Abs. 1 FPG aF eine Anhaltung ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides ausdrücklich unter § 82 Abs. 1 Z 2 FPG, weil diese Bestimmung nicht nur für Beschwerden gegen die Anhaltung in Schubhaft, "sondern für jede Beschwerde, die sich gegen eine auf das FPG gestützte Anhaltung richtet," zur Verfügung stand. Gleiches hat auch für die Anfechtungsbefugnis gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG zu gelten, der ausweislich der Erläuterungen (RV 2144 BlgNR 24. GP) § 82 Abs. 1 FPG aF entspricht (vgl. Szymansiki, § 22a BFA-VG Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, 2014).
3.1.2. Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich gegen die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers vor die ukrainische Botschaft; es liegt daher eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 BFA-VG vor.
3.1.2. § 10 AVG lautet:
"(1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.
(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 36a), Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.
(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.
(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, dass der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt."
Im gegenständlichen Fall bringt der Beschwerdeführer vor, dass der Bescheid des BFA vom 16.05.2019, indem die Mitwirkung des Beschwerdeführers bei einer Amtshandlung zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments angeordnet wurde, an den Rechtsvertreter zuzustellen gewesen wäre. Mangels rechtswirksamer Zustellung sei der Bescheid nicht erlassen worden und handle es sich daher bei der Vorführung des Beschwerdeführers vor die ukrainische Botschaft um eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
In der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 21.08.2018, in dem gegen den Beschwerdeführer unter anderem eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen wurden, berief sich RA XXXX auf die vom Beschwerdeführer erteilte Vollmacht. Es ist daher zu prüfen, ob die für dieses Verfahren erteilte Vollmacht auch für das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats galt und der Bescheid vom 16.05.2019 an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zuzustellen gewesen wäre, um Rechtswirksamkeit zu erlangen.
Die Entscheidung, ob von einer schon beigebrachten Vollmacht auch in anderen Verfahren Gebrauch zu machen ist, bleibt der Verfahrenspartei und ihrem Vertreter überlassen und muss in dem jeweiligen anderen Verfahren gegenüber der Behörde unmissverständlich unter Bezugnahme auf das die Vollmacht ausweisende Verfahren zum Ausdruck gebracht werden. Darum ist die Behörde nicht berechtigt oder verpflichtet, auch wenn der Gewalthaber in einer Rechtssache eine allgemeine Vollmacht des Machtgebers vorgelegt hat, diesen im Verfahren über andere, bereits schwebende oder erst später anhängig werdende Rechtsangelegenheiten ebenfalls als durch den einmal ausgewiesenen Gewalthaber vertreten zu behandeln; die Tatsache allein, dass in der einen Rechtssache eine Vollmacht vorgelegt worden ist, die eine Ermächtigung zur Vertretung in allen Angelegenheiten beurkundet, reicht hiezu also nicht aus. Es muss vielmehr in jedem Einzelfall auf das in einem anderen Verfahren bestehende Vertretungsverhältnis gesondert hingewiesen werden (VwGH vom 06.05.1998, 97/21/0341). Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer die Behörde nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass die für das Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid vom 21.08.2018 erteilte Vollmacht auch für weitere Verfahren, insbesondere ein Verfahren zu Erlangung eines Heimreisezertifikats, gelten soll. Es ist daher weiters zu prüfen, ob sich die Relevanz dieser Vollmacht auch auf das gegenständliche Verfahren erstreckt.
Mit dieser Frage hat sich der Verwaltungsgerichtshof unter anderem in der Entscheidung vom 26.02.1998, 95/20/0411, auseinandergesetzt und dazu Folgendes ausgeführt:
"Mit der Frage möglicher Auswirkungen einer in einem Verfahren erfolgten Vollmachtsvorlage auf Zustellvorgänge in einem anderen Verfahren hat sich der Verwaltungsgerichtshof auf der Basis der Rechtslage vor der Änderung des § 10 Abs. 1 AVG durch die Novelle BGBl. Nr. 357/1990 zuletzt im Erkenntnis vom 18.06.1990, Zl. 90/10/0035, Slg. Nr. 13.221/A, ausführlich auseinandergesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei u.a. ausgeführt:
"Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29.4.1955, VwSlg. 3726/A, ausgeführt hat, dient die Vorlage der Vollmachtsurkunde nicht nur zum Nachweis des Inhalts und Umfangs der Vertretungsmacht, sondern sie ist zugleich als eine der Behörde gegenüber abgegebene Erklärung des Vollmachtgebers zu verstehen, dass er in dem betreffenden Verfahren nicht unbedingt persönlich gegenüber der Behörde auftreten wolle. Diese Willensbekundung aber ist, soweit nicht in den Verwaltungsvorschriften die Bestellung eines Bevollmächtigten der Partei zur Pflicht gemacht wird, der Parteidisposition überlassen; das bedeutet, dass die Partei von Fall zu Fall volle Entschlussfreiheit besitzt. Darum ist die Behörde nicht berechtigt, auch wenn der Gewalthaber in einer Rechtssache eine allgemeine Vollmacht des Machtgebers vorgelegt hat, diesen im Verfahren über andere, bereits schwebende oder erst später anhängig werdende Rechtsangelegenheiten ebenfalls als durch den einmal ausgewiesenen Gewalthaber vertreten zu behandeln, es sei denn, dass die Partei ihren Willen, sich auch in allen weiteren Rechtssachen eben dieses Vertreters zu bedienen, unmissverständlich zu erkennen gegeben hat. Die Tatsache allein, dass in der einen Rechtssache eine Vollmacht vorgelegt worden ist, die eine Ermächtigung zur Vertretung "in allen Angelegenheiten" beurkundet, reicht hiezu nicht aus.
In seinem Erkenntnis vom 23.6.1971, VfSlg. Nr. 6474, hat sich auch der Verfassungsgerichtshof dieser Rechtsauffassung angeschlossen.
Auf dem Boden dieser Rechtsanschauung ist somit entscheidend, ob ein so enger Verfahrenszusammenhang besteht, dass von derselben Angelegenheit oder Rechtssache gesprochen werden kann. Ist dies nicht der Fall, dann kommt es darauf an, ob eine Parteienerklärung vorliegt, die so gedeutet werden kann, dass auch das jeweilige weitere oder andere Verfahren von der Vertretungsbefugnis des für das Erstverfahren Bevollmächtigten erfasst sein soll. Ist nach einem dieser beiden Gesichtspunkte die Vertretungsbefugnis zu bejahen, so endet sie mit der Beendigung des betreffenden Verfahrens, sofern die Vollmacht nicht vorher gekündigt wird, wobei die Kündigung der Vollmacht der Behörde mitgeteilt werden muss, um ihr gegenüber wirksam zu sein (vgl. im besonderen zur Kündigung einer Zustellungsvollmacht zB den hg. Beschluß vom 6.4.1951, VwSlg. 2027/A).
Was nun die Zustellung von verwaltungsbehördlichen Erledigungen an den in einem anderen Verfahren ausgewiesenen Prozess- und Zustellungsbevollmächtigten anlangt, so geht die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - ähnlich wie die der ordentlichen Gerichte in derselben Rechtsfrage (vgl. EvBl. 1947/281 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OGH vom 21.10.1913, Slg. 6613, SpR 226, sowie EvBl. 1950/429) - von einem engen Begriff der "selben Angelegenheit" aus. Nur in besonderen Verfahrenskonstellationen wird im gegebenen Zusammenhang auch ein Verfahren als von der Zustellungsvollmacht miterfasst angesehen, das unter dem Gesichtspunkt der § 66 Abs. 4, § 68 Abs. 1 AVG 1950 nicht als dieselbe Sache bezeichnet werden könnte.
So etwa deckt nach der Rechtsprechung eine für das verwaltungsgerichtliche Verfahren erteilte Vollmacht die Zustellung des Klaglosstellungsbescheides der belangten Behörde (insofern geht die Judikatur offenbar über den Begriff der eadem res im eben genannten Sinn des AVG hinaus); die Zustellung weiterer Bescheide der erstinstanzlichen Behörde, "wenn auch im gleichen Gegenstande", wäre hingegen von dieser Vollmacht nicht mitumfasst und hätte an die Partei selbst zu erfolgen (hg. Erkenntnis vom 29.4.1955, VwSlg. 3726/A). Im übrigen hat eine im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ausgewiesene Vollmacht nicht zur Folge, dass die Behörde im fortgesetzten Verfahren ihren Bescheid zuhanden des Beschwerdevertreters zuzustellen hat; diese Verpflichtung besteht nur dann, wenn diese bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren gegenüber der Behörde ausgewiesen war und vom aufrechten Bestand dieses Vollmachtsverhältnisses auszugehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14.2.1983, 83/10/0053 = ZfVB 1983/6/2889). Auch zwischen Säumnisbeschwerdeverfahren und verwaltungsbehördlichen Verfahren zur Nachholung des versäumten Bescheides besteht keine Verfahrenseinheit, die die Zustellung des nachgeholten Bescheides an den nur im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgewiesenen Beschwerdevertreter ermöglichen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25.2.1981, 03/1694/79 = ZfVB 1982/2/605)." (...)
In dem Beschluss vom 27. Juni 1995, Zl. 94/04/0241, über die Einstellung eines Säumnisbeschwerdeverfahrens vertrat der Verwaltungsgerichtshof auch auf der Grundlage der geltenden Fassung des § 10 Abs. 1 AVG (wenngleich unter Verweisung auf einen Beschluss aus dem Jahre 1986) die Auffassung, die Zustellung eines nachgeholten Bescheides zuhanden des im Säumnisbeschwerdeverfahren ausgewiesenen Bevollmächtigten bedeute einen Zustellmangel, "weil die in einem Beschwerdeverfahren dem Verwaltungsgerichtshof gegenüber nachgewiesene Bevollmächtigung des Vertreters des Beschwerdeführers nicht zur Folge hat, dass damit auch für die belangte Behörde die Bevollmächtigung im Verwaltungsverfahren nachgewiesen ist".
Auch in Bezug auf Bescheidbeschwerden hielt der Verwaltungsgerichtshof in Entscheidungen jüngeren Datums daran fest, dass die Zustellung des Ersatzbescheides nicht ohne weiteres an den Verfahrenshelfer (Beschluss vom 19. Dezember 1995, Zlen. 95/20/0318, 0319) bzw. an den ausgewiesenen Rechtsanwalt (Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 95/09/0215) im vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgen könne."
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Relevanz einer in einem anderen Verfahren erteilten Vollmacht auch in einem anderen Verfahren vom Verwaltungsgerichtshof und auch vom Verfassungsgerichtshof sehr eng ausgelegt wird. Eine derartige Relevanz wird regelmäßig verneint, selbst wenn es sich bei der fraglichen Vollmacht um eine "Generalvollmacht" handelt, es sei denn, es bestünde ein so enger Verfahrenszusammenhang, dass von derselben Angelegenheit oder Rechtssache gesprochen werden könne (vgl. etwa VwGH vom 24.09.1999, Zl. 97/19/0104, vom 3.07.2001, Zl. 2000/05/0115 und vom 18.04.2013, 2012/21/0260).
Eine solche Verfahrenseinheit besteht etwa nicht zwischen dem Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels und einem von derselben Behörde eingeleiteten fremdenpolizeilichen Verfahren zur Verhängung eines Aufenthaltsverbots (VwGH 28. 2. 2008, 2007/18/0379); (vgl. zu all dem Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014) § 10 Rz 18ff). Wie aus der oben zitierten Judikatur weiters hervorgeht, hat eine etwa im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ausgewiesene Vollmacht nicht zur Folge, dass die Behörde im fortgesetzten Verfahren ihren Bescheid an den Beschwerdevertreter zuzustellen hat. Auch im Säumnisbeschwerdeverfahren vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, die Zustellung eines nachgeholten Bescheids zuhanden des im Säumnisbeschwerdeverfahrens ausgewiesenen Bevollmächtigten bedeute einen Zustellmangel.
Unter Zugrundelegung dieser Judikatur ist nicht zu ersehen, dass sich die auf das Verfahren über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Aufenthaltsverbotes bezogene Vertretungsbefugnis ohne weiteres auch auf das fremdenrechtliche Verfahren der Feststellung der Staatsangehörigkeit und Erlangung eines Heimreisezertifikats erstreckt, da kein derart enger Verfahrenszusammenhang besteht, dass von "derselben Sache" gesprochen werden könnte. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer daher durch persönliche Übergabe rechtswirksam zugestellt.
Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - dh ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen (vgl etwa VwGH 15.12.2014, 2011/17/0333).
Da jedoch ein rechtswirksam erlassener Bescheid vorliegt, handelt es sich bei der gegenständlichen Vorführung des Beschwerdeführers vor die ukrainische Botschaft nicht um eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II., Kostenentscheidung:
3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegene Partei daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde stellte keinen Antrag auf Kostenersatz.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG im gegenständlichen Fall die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt I. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf Spruchpunkt I. nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Befehls- und Zwangsgewalt, Kostenersatz, mangelnderEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W171.2219378.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.05.2020