TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/20 W102 2202803-1

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Veröffentlicht am 20.09.2019
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Entscheidungsdatum

20.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W102 2202803-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 10.07.2018, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.10.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG, § 10

Abs. Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9 FPG und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 03.10.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 03.10.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, er habe in einem ISAF Camp gearbeitet und sei drei bis vier Mal bedroht worden. Er sei auch mit dem Auto angefahren worden, weil er sich geweigert habe, etwas in das Essen der ISAF Soldaten zu mischen.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 18.06.2018 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe für die ausländischen Truppen gearbeitet. Die Familie habe Grundstücke und einen Obstgarten in Paghman. Dort seien er und sein Bruder in ihrer Freizeit hingegangen. Eines Tages seien sie gegen Mittag einkaufen gegangen und von vier Personen angehalten worden. Sie seien aufgefordert worden, nicht mehr für die Ausländer zu arbeiten und in den Jihad zu ziehen. Zurück in XXXX sei der Beschwerdeführer etwa eine Woche später auf dem Heimweg von der Arbeit erneut angehalten worden, die ihm gesagt hätten, sie hätten eine Arbeit für ihn und er solle sie unterstützen. Sie seien dann weggegangen, weil sie einen Anruf erhalten hätten. Der Vater des Beschwerdeführers habe daraufhin die Polizei aufgesucht, die gesagt habe, sie könne nicht jeden Einzelnen beschützen. Zwei Tage später seien wieder Personen zum Beschwerdeführer gekommen, die ihm ein Kuvert übergeben hätten, dessen Inhalt er in das Essen der ISAF Soldaten mischen hätte sollen. Das Kuvert habe er wenig später weggeworfen. Zwei Tage später sei er auf dem Weg zur Arbeit von einem Auto angefahren worden, danach sei der Vater angerufen und diesem mitgeteilt worden, sie wüssten, dass der Vater die Polizei verständigt und der Beschwerdeführer den Auftrag nicht erfüllt habe. Nach etwa zehn Tagen im Krankenhaus und weiteren 20 Tagen zuhause, in denen nur der Vater das Haus verlassen habe, sei ein Schlepper organisiert und der Beschwerdeführer und sein Bruder in den Iran gebracht worden.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.07.2018, zugestellt am 13.07.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde aus, das Fluchtvorbringen sei vage und abstrakt und damit nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer könne nach XXXX zurückkehren.

3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2018 richtet sich die am 03.08.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei von vermummten Personen (offensichtlich Taliban) bedroht worden, weil er für ausländische Organisationen gearbeitet habe, Der angefochtene Bescheid bestehe aus Textbausteinen, die Beweiswürdigung sei nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe eine hohe Integrationslleistung.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 23.10.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen einer Bedrohung durch die Taliban im Wesentlichen aufrecht.

Am 27.11.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben vom 31.07.2019 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers langte am 16.08.2019 am Bundesverwaltungsgericht ein.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungangebote

* A2-Zeugnis, Internationales Kulturinstitut, vom 13.04.2017

* Österreichischer Führerschein des Beschwerdeführers

* Vorläufiger Führerschein des Beschwerdeführers

* Mehrere Empfehlungsschreiben

* Studienblatt der Universität Wien

* Kopie der Tazkira des Beschwerdeführers

* Afghanisches Abschlusszeugnis des Beschwerdeführers

* ÖSD Zertifikat B1 vom 20.10.2017

* ÖSD Zertifikat B2 vom 10.07.2018

* Bescheid der Universität Wien vom 14.08.2017 über den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung zum Studium

* Teilnahmebestätigung für Werte- und Orientierungskurs

* Antrag auf Mitgliedschaft in einem Fitnesscenter

* Bestätigung des XXXX über den Einsatz des Beschwerdeführers als "

XXXX "

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX in XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht auch Paschto, Englisch und Hindi.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf im Distrikt Paghman, Provinz XXXX geboren. Mit etwa zehn Jahren zog er nach XXXX Stadt in den Stadtteil XXXX um, wo er bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte.

Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat zwölf Jahre die Schule besucht und nach seinem Schulabschluss zwei Jahre Informationstechnologie studiert. Neben dem Studium arbeitete der Beschwerdeführer als Kellner und Küchenhilfe.

In XXXX leben noch die Eltern des Beschwerdeführers sowie ein minderjähriger Bruder, eine minderjährige Schwester und eine volljährige Schwester des Beschwerdeführers. Zu ihnen besteht Kontakt.

Der Vater des Beschwerdeführers handelt mit Baustoffen. Die Familie verfügt auch über Grundstücke und einen Obstgarten in Paghman.

Ein volljähriger Bruder des Beschwerdeführers ist im Bundesgebiet aufhältig. Sein Asylverfahren ist gegenwärtig am Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Die beiden Brüder der Mutter sind in den USA und in Kanada aufhältig. Zu ihnen besteht sporadischer Kontakt.

Die beiden Brüder des Vaters sind unbekannten Aufenthaltes.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit er am 03.10.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, im Bundesgebiet auf. Er hat zahlreiche Deutschkurse und einen Werte- und Orientierungskurs besucht und verfügt mittlerweile über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Aktuell besucht der Beschwerdeführer als außerordentlicher Studierender einen Vorstudienlehrgang an der Universität Wien, um die Zulassungsvoraussetzungen für das Bachelorstudium Internationale Betriebswirtschaft zu erfüllen. Weiter ist der Beschwerdeführer im Rahmen des Vorstudienlehrganges auch als " XXXX " aktiv und betreut dabei als Peer-Tutor neue Studierende zu Zwecken der Integrationshilfe. In seiner Freizeit spielt der Beschwerdeführer im Fußballverein XXXX und besucht ein Fitnesscenter. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet außerdem soziale Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen. Der Beschwerdeführer lebt in einer Privatwohnung und bezieht Grundversorgung.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Dass der Beschwerdeführer drei Mal von Regierungsgegnern bedroht worden und bei der dritten Bedrohung aufgefordert worden ist, etwas in das Essen eines ISAF-Stützpunktes zu mischen, kann nicht festgestellt werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers deshalb Anzeige erstattet hat und der Beschwerdeführer in der Folge von einem Fahrzeug angefahren worden ist.

Konkrete Gründe für die Ausreise des Beschwerdeführers können nicht festgestellt werden.

Im Fall der Rückkehr drohen dem Beschwerdeführer keine Übergriffe durch regierungsfeindliche Gruppierungen.

1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Hauptstadt Kabul ist von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen. Neben den Taliban ist auch der IS in Kabul (Stadt) aktiv. Das Vorgehen der Aufständischen in Kabul ist von asymmetrischer taktischer Kriegsführung gekennzeichnet, es kommt zu Selbstmordanschlägen und gezielten Tötungen, unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen kommen zum Einsatz. Zu direkten Kampfhandlungen um die territoriale Kontrolle kommt es nicht. Die Stadt steht unter der Kontrolle der afghanischen Regierung, die auf die aktuellen Entwicklungen mit einem neuen Sicherheitsplan reagiert und die Präsenz der Sicherheitskräfte, Personenkontrollen und geheimdienstliche Aktivitäten erhöht, sowie eine "Green Zone" errichtet hat. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen. Die Erreichbarkeit der Stadt ist für den Beschwerdeführer gewährleistet.

Für den Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach XXXX (Stadt) kann nicht festgestellt werden, dass ihm die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach XXXX (Stadt) ist zu erwarten, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen können. Die grundlegende Gesundheitsversorgung sowie die Versorgung mit Lebensmitteln ist in XXXX grundsätzlich gewährleistet.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinen Sprachkenntnissen, seinen Lebensumständen und seinem Lebenswandel im Herkunftsstaat ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Zum Schulbesuch im Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer überdies sein Abschlusszeugnis vorgelegt, an dessen Echtheit zu zweifeln sich im Lauf des Verfahrens keine Gründe ergeben haben.

Zum Geburtsdatum ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer dieses Geburtsdatum in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 18.06.2018 angegeben hat (Einvernahmeprotokoll S. 2, AS 116) und nicht ersichtlich ist, warum dieser Angabe des Beschwerdeführers zum Geburtsdatum nicht gefolgt werden sollte. Insbesondere wäre für den Beschwerdeführer durch die Änderung des Geburtsdatums nichts gewonnen.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Zur Feststellung des Verbleibs von Eltern und Geschwistern des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer zwar angegeben hat, in Afghanistan sei niemand mehr aufhältig (Verhandlungprotokoll S. 3). Allerdings macht der Beschwerdeführer keinerlei Angaben dazu, wo sich seine Familie aufhält, sondern flüchtet sich im Wesentlichen in die Behauptung, er habe seit zwei Jahren keinen Kontakt zu seinen Eltern (Verhandlungprotokoll S. 6). Weder gibt er an, warum er keinen Kontakt hat, noch, wo sich seine Angehörigen aus welchem Grund befinden. In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 18.06.2018 gab der Beschwerdeführer über den Verbleib der Familie lediglich an, diese sei zuletzt im Iran aufhältig gewesen, er habe seit 17 Monaten keinen Kontakt mehr (Einvernahmeprotokoll S. 2, AS 116). Auch hier macht der Beschwerdeführer keine Angaben zu den Gründen des Kontaktabbruches und tätigt auch keinerlei Ausführungen zu den Ausreisegründen der Familie. Zunächst erscheint angesichts moderner Kommunikationstechnologien, die im Iran und in Österreich verfügbar sind, nicht plausibel, dass es ohne spezifische Umstände oder Gründe zu einem Kontaktabbruch kommen könnte. Weiter erscheint dies auch vor dem Hintergrund der Länderinformationen, denen zufolge in Europa aufhältige Afghanen üblicherweise Kontakt zu ihren im Herkunftsstaat aufhältigen Angehörigen haben, was in den Verfahren häufig heruntergespielt werde (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand: 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019 [in der Folge Länderinformationsblatt], Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen), als nicht plausibel. Folglich entsteht der Eindruck, dass der Beschwerdeführer Kontaktabbruch und Ausreise nur angegeben hat, um behaupten zu können, er verfüge nicht mehr über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat, weswegen seine Rückkehr nicht möglich sei. Weiter hat der Beschwerdeführer vermieden anzugeben, warum die Ausreise der Angehörigen erforderlich geworden sein soll, während dies - angesichts der grundsätzlich guten finanziellen Lage der Familie (Erstbefragungsprotokoll S. 4, AS 8) und ihrem langjährigen Wohnsitz in XXXX - nicht ohne weiteres offenkundig erforderlich war. Hinsichtlich einer möglichen Verknüpfung der Ausreise der Familie mit den Fluchtgründen des Beschwerdeführers ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Fluchtvorbringen keinen Glauben schenkt (siehe dazu sogleich unten). Außerdem gab der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung am 03.10.2015 befragt zum Aufenthalt seiner Angehörigen an, diese seien in XXXX aufhältig (Erstbefragungsprotokoll S. 3, AS 7). Nachdem der Beschwerdeführer angegeben hat, er sei Ende Juni angegriffen worden und in der Folge ausgereist, ist ein Zusammenhang der behaupteten Ausreise der Angehörigen irgendwann nach Oktober 2015 und damit erst drei Monate später nicht ersichtlich.

Die Feststellungen zum Berufsfeld des Vaters sowie zum Grundbesitz in Paghman beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Einvernahmeprotokoll S. 3, AS 117 und S. 5, AS 119). Nachdem das Bundesverwaltungsgericht das Fluchtvorbringen sowie die behauptete Ausreise der Familie als nicht glaubhaft erachtet (siehe dazu unter 2.2. sowie oben), war davon auszugehen, dass der Vater des Beschwerdeführers seine Tätigkeit unverändert fortgesetzt hat.

Die Feststellung zu Aufenthalt und Verfahren des volljährigen Bruders in Österreich ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers sowie aus dem aktenkundig anhängigen Verfahren des Bruders am Bundesverwaltungsgericht zur Geschäftszahl W107 2202805-1.

Die Feststellung zu den beiden Brüdern der Mutter sowie den beiden Brüdern des Vaters beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Einvernahmeprotokoll S. 3, AS 117).

Die Feststellungen zu den Lebensverhältnissen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben und den im Akt einliegenden Bestätigungen. Zur Aufenthaltsdauer in Österreich ist auszuführen, dass das Datum der Asylantragstellung aktenkundig ist und Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet zwischenzeitig verlassen hätte, nicht hervorgekommen sind. Zu den Deutschkursen hat der Beschwerdeführer zahlreiche Bestätigungen vorgelegt. Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen beruht auf dem jüngsten vorgelegten Zertifikat, nämlich dem ÖSD-Zertifikat vom 10.07.2018 für das Niveau B2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmes für Sprachen. Auch stellte der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2018 eindrucksvoll unter Beweis, dass er bereits über sehr gute Deutschkenntnisse verfügt. Zum Besuch des Vorbereitungslehrganges hat der Beschwerdeführer diverse Anmeldebestätigungen, ein Studienbuchblatt und einen Bescheid der Universität Wien vorgelegt. Seine Tätigkeit als " XXXX " ergibt sich aus dem vorgelegten Empfehlungsschreiben. Die Feststellungen zu den Freizeitbeschäftigungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Mitgliedsvertrag für ein Fitnesscenter sowie aus dem im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgezeigten Spielerpasses des ÖFB (Verhandlungprotokoll S. 4). Die Feststellung zu den sozialen Kontakten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergibt sich aus seinen Angaben, die vor dem Hintergrund der vom Beschwerdeführer im Bundesgebiet umfassend entfalteten Aktivitäten sowie seinen ausgezeichneten Deutschkenntnissen auch plausibel erscheinen. Die Feststellung zum Grundversorgungsbezug sowie dazu, dass der Beschwerdeführer in einer Privatwohnung wohnt, ergeben sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Zwar bringt der Beschwerdeführer gleichbleibend vor, er sei drei bis vier Mal bedroht und aufgefordert worden, etwas in das Essen der ISAF-Soldaten bzw. Mitarbeiter zu mischen. Allerdings fällt an den Erzählungen des Beschwerdeführers auf, dass diese abstrakt und vage bleiben, der Beschwerdeführer keinerlei Details beschreibt und insgesamt keinen lebendigen, lebensnahen Ereignisablauf nachzeichnet. Auch auf Nachfrage gibt der Beschwerdeführer keine Details preis, sondern wiederholt lediglich allgemeine Aussagen.

Die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien) berichten zwar, dass regierungsfeindliche Kräfte afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte in ziviler Funktion arbeiteten, bedroht und angegriffen haben (Abschnitt Internationaler Schutz, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe d) Zivilisten, die mit den internationalen Streitkräften verbunden sind oder diese vermeintlich unterstützen, S. 49). Hieraus ist allerdings im konkret noch nicht gewonnen, dass tatsächlich der Beschwerdeführer von einer regierungsfeindlichen Gruppierung angegriffen wurde.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung hat das Bundesverwaltungsgericht viel mehr den Eindruck gewonnen, dass der Beschwerdeführer eine weitgehend erfundene Fluchtgeschichte vorträgt.

Zum Aussageverhalten des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2018 ist insbesondere anzumerken, dass der Beschwerdeführer von sich aus, als der erkennende Richter ihn einleitend mit der Frage "Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?" (Verhandlungprotokoll S. 3) keinerlei Informationen zu seinen Fluchtgründen preisgeben wollte. Er hielt seine Antworten stets so kurz wie möglich, flüchtete sich auch auf Nachfrage lediglich in allgemein gehaltene Floskeln und schien keinerlei Interesse daran zu haben, sich über sein Fluchtvorbringen zu verbreitern, obwohl ihm der Verfahrensgegenstand eingangs dargelegt wurde und der Beschwerdeführer als gebildeter Mensch mit bereits im Herkunftsstaat erlangter Universitätsreife und (nicht abgeschlossenem) Studium die Bedeutung der Verhandlung zweifellos erfassen konnte.

Exemplarisch für die Detailarmut und Vagheit der Erzählung sei etwa die Antwort des Beschwerdeführers, warum er nicht mit dem Vater bei der Polizei gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S. 6), herausgegriffen, die der Beschwerdeführer mit einem allgemeinen Verweis auf afghanische Familientraditionen und einer allgemeinen Umschreibung ("Die Väter sprechen meistens ein Machtwort. Mein Vater hat eindeutig gesagt, dass er zur Polizei gehen würde und mich aber nicht mitnehmen würde.") beantwortet, statt - so wie es im Fall der Schilderung realer Ereignisse zu erwarten wäre - ein konkretes Gespräch bzw. einen Gesprächsverlauf zu schildern und etwa Teile daraus wiederzugeben.

Auf Nachfrage gibt der Beschwerdeführer auch an, die Gegner hätten jedes Mal die gleiche Forderung geäußert (Verhandlungsprotokoll S. 4). Damit widerspricht sich allerdings der Beschwerdeführer, gab er doch bisher (und auch in der Folge) an, beim ersten Mal sei er im Wesentlichen aufgefordert worden, seine Tätigkeit für die Ungläubigen einzustellen, beim zweiten Mal sei ein Telefonanruf der eigentlichen Forderung zuvorgekommen und beim dritten Mal sei er aufgefordert worden, den Inhalt eines Pakets (Verhandlungprotokoll S. 5) bzw. Kuverts (Einvernahmeprotokoll S. 6, AS 120) in das Essen zu mischen.

Insgesamt erscheint auch unplausibel, dass die Taliban den Beschwerdeführer in einem Zeitraum von zwei Monaten (wie der Beschwerdeführer selbst angegeben hat; Verhandlungsprotokoll S. 3) zunächst auffordern, er möge seine Tätigkeit einstellen, um dann, obwohl der Beschwerdeführer dieser Aufforderung offenkundig auch nach einem weiteren Zusammentreffen nicht nachgekommen ist, dem Beschwerdeführer Gift oder ähnliches zusammen mit einem Auftrag zu überreichen. Angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers erscheint dieses Vorgehen aus Sicht der "Gegner" völlig unplausibel, konnten sie doch nach zwei fruchtlosen Aufforderungen kaum davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer nunmehr plötzlich ihren Auftrag ausführen werde. Angesichts der offenkundige Aussichtlosigkeit dieses Unterfanges ist es wenig plausibel, dass sie sich dennoch in XXXX exponieren würden.

Zwar geht aus dem EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan: Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 hervor, dass die Taliban über Zugriffsmöglichkeiten in Großstädten verfügen (Kapitel 1.4.3 Die Fähigkeit, Personen in den Großstädten aufzuspüren und anzugreifen, S. 69 ff.) und dort auch gezielte Angriffe durchführen. Es werden aber auch Quellen zitiert, denen zufolge etwa die Taliban den Ressourcen- und Planungsaufwand nur auf wenige Personen verwenden würden. Damit erscheint auch vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer derart oft, nämlich seinen Angaben zufolge drei Mal in der Stadt XXXX und einmal in Paghman, von den "Gegnern" aufgesucht worden sein will, obwohl er lediglich als Küchenhilfe bzw. Kellner gearbeitet haben will und auch selbst angibt, es habe selbst in seinem Bereich ranghöhere Leute als ihn gegeben (Einvernahmeptrotokoll S. 7, AS 121).

Auch die Schilderung des Vorfalles, bei dem der Beschwerdeführer angefahren worden sein will, ist völlig vage und beschränkt sich auf Floskeln. So gab er bei der belangten Behörde hierzu lediglich an:

"Ich war auf der Straße unterwegs, ich wurde von hinten angefahren, ich habe eigentlich nichts gesehen." (Einvernahmeprotokoll S. 8) und wiederholt dies im Wesentlichen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Nachdem aber der Beschwerdeführer nichts gesehen und nichts mitbekommen haben will, bleibt insbesondere auch unklar, warum er diesen Vorfall den "Gegnern" zuordnet, könnte es sich doch auch um einen normalen Verkehrsunfall gehandelt haben.

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer stets von Vermummten, Personen, Unbekannten spricht, die er im Lauf der mündlichen Verhandlung wiederholt als "Gegner" bezeichnet hat und ausführt, mit Gegnern meine er Feinde der Regierung, der Zivilbevölkerung und der afghanischen Gesellschaft im Allgemeinen und angibt, es sei schwer, sie einer Gruppe zuzuordnen. Der Beschwerdeführer will möchte durchgehend, obwohl er drei Mal bedroht und einmal angegriffen worden sein will, nicht auf eine bestimmte ihn bedrohende regierungsfeindliche Gruppierung festlegen und weicht jeder Nachfrage, wer diese Gegner seien, aus (etwa Verhandlungsprotokoll S. 3: "Ich kenne sie nicht."). Nachdem aber der Beschwerdeführer seine Gegner nicht kennt, bleibt auch unklar, wie er zu der Mutmaßung kommt, sie hätten auf dem gesamten afghanischen Staatsgebiet Netzwerke und Kontakte (Verhandlungprotokoll S. 4). Entgegen seiner vorgeblichen Ahnungslosigkeit weist der Beschwerdeführer wiederum am Ende seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde auf die mediale Berichterstattung, der zufolge die Taliban klar gesagt hätten, sie würden jeden Afghanen töten, wenn dieser mit den Ausländern arbeitet (Einvernahmeprotokoll S. 8, AS 123).

In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer noch an, seine Familie sei in der Folge, während er im Krankenhaus gewesen wäre, noch angerufen worden (Einvernahmeprotokoll S. 6, AS 120). Dieser Anruf fand in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht dagegen keine Erwähnung. Gleiches gilt für die Angaben des Beschwerdeführers, er und seine Familie hätten nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus vor Angst 20 Tage das Haus nicht verlassen, nur der Vater sei hinausgegangen. Dass der Beschwerdeführer, wenn diese Phase tiefgreifender Verängstigung tatsächlich stattgefunden hätte, vergessen haben könnte, sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch nur kurz zu erwähnen, erscheint vor dem Hintergrund der Eindrücklichkeit eines (wenn auch nur vorrübergehenden) Lebens in Todesangst höchst unwahrscheinlich. Insbesondere auch in Zusammenschau mit der bereits zitierten Angabe des Beschwerdeführers im Zuge der Erstbefragung am 03.10.2015, der zufolge die Angehörigen des Beschwerdeführers unverändert in XXXX leben würden (Erstbefragungsprotokoll S. 3, AS 7), obwohl der Angriff auf den Beschwerdeführer im Juni stattgefunden haben soll (Verhandlungsprotokoll S. 3), erscheint angesichts der behaupteten großen Bedrohung für die ganze Familie inkonsistent. Hinzu kommt, dass die finanzielle Situation der Familie - der Beschwerdeführer bezeichnet diese wie bereits erwähnt als gut - wohl die Ausreise der gesamten Familie erlaubt hätte.

Insgesamt ergibt sich unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Aspekte kein konsistent und konkret geschildertes Bedrohungsszenario, sondern viel mehr der Eindruck, dass der Beschwerdeführer eine tatsachenunanhängige Fluchtgeschichte auf einigen wenigen realen Fakten aufbaut, um seinen Verfahrensausgang nach Möglichkeit günstig zu beeinflussen.

Folglich wurden entsprechende Feststellungen getroffen. Mangels Angaben des Beschwerdeführers zu sonstigen Ausreisegründen konnte ein solcher nicht festgestellt werden.

2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf der UNHCR-Richtlinie (siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel

2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019 (In der Folge: Länderinformationsblatt), Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul (Stadt) beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul, der EASO Country Guidance: Afghanstian von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance), Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Artikel 15 (c) QD, Unterabschnitt Kabul, S. 101-102), sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 2. Regional description of the security situation in Afghanistan, Unterkapitel 2.1. Kabul city, S. 67 ff. und 2.15 Kabul Province, S. 162 ff.). Alle drei Quellen berichten übereinstimmend von öffentlichkeitswirksamen Angriffen in Kabul, wobei die Feststellungen über die Art der Kriegsführung insbesondere dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019 entnommen sind, wo im Detail berichtet wird, dass es nicht zu direkten Kampfhandlungen kommt, sondern zu asymmetrischer taktischer Kriegsführung, Selbstmordanschlägen, Einsatz von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielten Tötungen (Kapitel

2.1.2. Conflict background and actors in Kabul city, S. 68 und 2.1.3 Recent security trends and impact on the civilian population, S. 69 ff.). Dass die Stadt unter Kontrolle der afghanischen Regierung steht und diese mit einem neuen Sicherheitsplan auf die Vermehrten Aktivitäten Aufständischer in der Hauptstadt reagiert, ist ebenso allen drei Quellen entnommen, wobei der EASO COI Report:

Afghanistan. Security situation von Juni 2019 in seiner Übersicht zur territorialen Kontrolle der Akteure in der Provinz Kabul die Stadt als nach den meisten Angeführten Quellen als unter Kontrolle der Regierung stehend ausweise (Tabelle S. 164-165). Zum Sicherheitsplan berichtet das Länderinformationsblatt von 52 Maßnahmen und zählt unter anderem die Erhöhung der Präsenz der Sicherheitskräfte, von Personenkontrollen und der geheimdienstlichen Aktivitäten sowie die Errichtung einer "Green Zone" auf (Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel

3.1. Kabul, Abschnitt Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul). Die Feststellung zum Flughafen basiert auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.35. Erreichbarkeit) und ergibt sich daraus, dass die Erreichbarkeit der Stadt für den Beschwerdeführer gewährleistet ist.

Die EASO Country Guidance schätzt die willkürliche Gewalt in Kabul Stadt nicht auf einem so hohen Niveau ein, dass bei jedem Rückkehrer davon ausgegangen werden müsste, dass er in Kampfhandlungen oder Angriffe verwickelt würde und ernsthaften Schaden nehmen würde, weswegen im Fall der Rückkehr von Zivilisten individuelle Elemente für eine substantiierte Gefährdungseinschätzung großen Ausschlage geben (Kabul, der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel

Artikel 15 (c) QD, Unterabschnitt Kabul, S. 102). Die UNHCR-Richtlinien sehen Gefährdungspotenzial insbesondere für Antragsteller, die aus vom Konflikt besonders betroffenen Gebieten stammen oder dort aufhältig waren und fordern eine Berücksichtigung der einzelfallbezogenen Umstände zur Abschätzung der individuellen Gefährdung im Fall einer Rückkehr (UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel

2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU (Richtlinie 2011/95/EU), S. 117 ff.). Insbesondere relevante Faktoren für die Bedrohung eines Antragstellers durch willkürliche Gewalt im Kontext des bewaffneten Konfliktes in Afghanistan sind nach Einschätzung des UNHCR die Kontrolle über die Zivilbevölkerung durch regierungsfeindliche Kräfte (sowie der damit einhergehenden Risiken, z.B. parallele Justizstrukturen, Bedrohung und Einschüchterung etc.), Zwangsrekrutierung, Auswirkung von Gewalt und Unsicherheit auf die humanitäre Situation (Ernährungsunsicherheit, Armut, Vernichtung von Lebensgrundlagen und Verlust von Eigentum), organisierte Kriminalität, straflose Tätigkeit von lokalen Machthabern, Warlords, etc., systematische Zugangsbeschränkung zu grundlegender Gesundheitsversorgung und Bildung sowie die systematische Beschränkung der Teilhabe am öffentlichen Leben, insbesondere für Frauen.

Nachdem Kabul unter Regierungskontrolle steht und Aufständische in der Hauptstadt keine territoriale Kontrolle ausüben, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den von UNHCR genannten, Gebiete unter Aufständischen-Kontrolle betreffenden Risiken im Fall seiner Rückkehr nicht ausgesetzt wäre. Hinsichtlich einer möglichen Zwangsrekrutierungsgefahr ist auszuführen, dass den UNHCR-Richtlinien auch zu entnehmen ist, dass Rekrutierungen durch regierungsfeindliche Kräfte im Wesentlichen auf jene Gebiete beschränkt sind, die unter deren tatsächlicher Kontrolle stehen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, Buchstabe a) Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs), S. 59 f.), während hinsichtlich Zwangsrekrutierungen durch regierungsnahe Kräfte zwar von Fällen berichtet wird, dass Familien von regierungsnahen bewaffneten Gruppen gezwungen worden seien, junge Männer für den Kampf gegen die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte bereitzustellen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, Buchstabe b) Zwangsrekrutierung und Rekrutierung Minderjähriger durch regierungsnahe Kräfte , S. 61 f.). Allerdings hat der Beschwerdeführer ein spezifisches diesbezügliches Risiko seine Person betreffend nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich, warum gerade der Beschwerdeführer - nachdem in Kabul direkte Kampfhandlungen nicht stattfinden - zum Kampf gegen die Taliban rekrutiert werden sollte.

Hinsichtlich der allgemeinen Menschenrechtslage in von der Regierung kontrollierten Gebieten berichtet UNHCR, dass auch in diesen Gebieten regelmäßig Menschenrechtsverletzungen durch staatliche und staatsnahe Akteure stattfinden, die straflos bleiben. Insbesondere Misshandlung und Folter gegenüber Inhaftierten sei verbreitet und erfolge durch alle afghanischen Sicherheitskräfte. Tatsächlicher Zugang zu Rechtsschutzmechanismen bestehe für Inhaftierte nicht (UNHCR-Richtlinien, Abschnitt II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Kapitel C. Die Menschenrechtssituation, S. 26 ff.). Auch das Länderinformationsblatt berichtet von regelmäßigen Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan durch private und staatliche Akteure insbesondere durch die Sicherheitskräfte. Der Beschwerdeführer hat allerdings nicht dargetan, dass ihm im Fall der Rückkehr strafrechtliche Verfolgung bzw. Inhaftierung droht und kehrt er auch nicht in ein von direkten Kampfhandlungen betroffenes Gebiet zurück. Folglich ist die Verwirklichung eines dieser Risiken für den Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach XXXX nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Die UNHCR-Richtlinien berichten hinsichtlich der humanitären Situation von kritischen Zuständen (Abschnitt II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Kapitel D. Die humanitäre Situation, S. 35 ff.). Zu den konkret zu berücksichtigenden Themenkreisen ist dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019 zu entnehmen ist zum Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung zu entnehmen, dass, dass dieser für die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung grundsätzlich gewährleistet ist. Von problematischen Zugangsbeschränkungen wird nur für ländliche Gebiete berichtet (Kapitel 8. Health care, Unterkapitel 8.2 Access and availability, S. 45 f.). Demnach ist in diesem Bereich für den gesunden Beschwerdeführer keine spezifische Gefahr ersichtlich. Zur Ernährungssicherheit in Kabul berichtet der EASO COI Report:

Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019, dass die Lebensmittelversorgung grundsätzlich gewährleistet ist. Von einer akut angespannten Situation wird nicht berichtet (Kapitel 6.3. Food security in the three cities, S. 37 f.).

Im Fall des Beschwerdeführers ist weiter individuell zu berücksichtigen, dass er seit seinem zehnten Lebensjahr in XXXX aufgewachsen ist und folglich mit den infrastrukturellen Gegebenheiten und örtlichen Gepflogenheiten bestens vertraut ist. Er kann auf einen in genau dieser Stadt erworbenen Lebenserfahrungsschatz zurückgreifen. Spezifische Hinweise auf eine zu erwartende besondere Betroffenheit des Beschwerdeführers von Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte sind im Lauf des Verfahrens nicht hervorgekommen (siehe dazu auch die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen). Insbesondere gehört er als sunnitischer Muslim der im Herkunftsstaat überwiegend vertretenen Glaubensgemeinschaft an (Länderinformationsblatt, Kapitel 15. Religionsfreiheit) und ist auch aus der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Tadschiken nicht mit spezifischen Gefährdungsmomenten zu rechnen (Länderinformationsblatt, Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.3. Tadschiken). Weiter sind für den Beschwerdeführer als Mann auch geschlechtsspezifische Gefährdungsmomente nicht zu erwarten und ist angesichts dessen, dass er volljährig und gesund ist, auch sonst keine konkrete und individuelle Vulnerabilität ersichtlich.

Weiter lebt die Familie des Beschwerdeführers - wie bereits beweiswürdigend unter 2.1. ausgeführt - unverändert in XXXX , sodass eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Haushalt seiner Familie gesichert erscheint. Damit ist zu erwarten, dass der Beschwerdeführer Aufnahme und Versorgung finden kann, bis er sich erfolgreich im Berufsleben im Herkunftsstaat reetablieren und seine Lebensgrundlage selbst erwirtschaften kann.

Weiter kann der Beschwerdeführer bedingt durch sein langjähriges leben in XXXX neben seinen bestehenden familiären Anknüpfungspunkten auf das bis dahin geknüpfte soziale Netzwerk - etwa bestehend aus Freunden, Studien- und Arbeitskollegen etc. - zurückgreifen. Damit verfügt der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach XXXX über die für die Anpassung und Reintegration in Afghanistan besonders ausschlaggebenden positiven Voraussetzungen (Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen). Auch verfügt der Beschwerdeführer mit zwölf Jahren Schulbildung, Universitätsreife und zwei Jahren (noch nicht abgeschlossenem) universitärem Studium im Herkunftsstaat, sowie dem daran anschließend in Österreich wahrgenommenen Bildungsangebot über eine relativ umfassende und gute Schulbildung, sodass es unter Rückgriff auf seine sozialen Netzwerke und die seines Vaters gesichert erscheint, dass er ein angemessenes Beschäftigungsverhältnis wird finden und seine Lebensgrundlage wird erwirtschaften können, mag er auch zunächst mit anfänglichen Startschwierigkeiten konfrontiert sein. Sohin ist im Fall des Beschwerdeführers, wenn er nach XXXX zurückkehrt, von einer spezifisch geringeren Betroffenheit von der angespannten humanitären Lage auszugehen, als im Fall von Rückkehrern, die nicht in XXXX aufgewachsen sind und dort nicht über ein soziales Netzwerk verfügen. Dementsprechend wurde festgestellt, dass im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach XXXX (Stadt) zu erwarten ist, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen können.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114), wobei auch EASO in den vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Normen durch explizite Nennung als Quelle für Herkunftslandinformationen besonders hervorgehoben wird. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

"Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (zuletzt VwGH 31.07.2018 mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes reicht für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung aus, dass eine solche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird (vgl. etwa VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156).

Der Verwaltungsgerichtshof differenziert in ständiger Judikatur zwischen der per se nicht asylrelevanten Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei von der Verfolgung, die an die tatsächliche oder unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist daher, mit welcher Reaktion durch die Milizen aufgrund einer Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, gerechten werden muss und ob in ihrem Verhalten eine (unterstellte) politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (19.04.2016, VwGH Ra 2015/01/0079 mwN).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer weder glaubhaft machen, dass er von regierungsfeindlichen Gruppierungen bedroht wurde, noch, dass er zur Mitarbeit aufgefordert wurde oder ihm sonst eine konkrete und individuelle Bedrohung von Seiten regierungsfeindlicher Gruppierungen droht. Folglich konnte er nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr nach der oben zierten Judikatur Verfolgung im Sinne der GFK droht und war seine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides spruchgemäß abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei - obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt - nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens - den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet - nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf viel mehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109 m.w.N.). Es obliegt dabei der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines solchen Risikos nachzuweisen. Es reicht nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/20/0191).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/14/0196).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt kommt es in Kabul zwar zu öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban (und anderer aufständischer Gruppierungen), die Stadt ist jedoch nicht Schauplatz direkter Kampfhandlungen und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung. Auch konnte der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit seiner Person nicht glaubhaft machen. Auch besondere Umstände oder Gefährdungsmomente im Sinne der oben zitierten Judikatur, die dazu führen, dass für ihn ein spezifisch hohes Risiko konkreter Betroffenheit besteht, sind - wie festgestellt und umfassend beweiswürdigend ausgeführt - im Lauf des Verfahrens nicht hervorgekommen.

Nach der auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bezugnehmenden ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307 mwN).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt ist im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsstadt damit zu rechnen, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen können. Weiter sind auch die grundlegende Gesundheitsversorgung sowie die Versorgung mit Lebensmitteln grundsätzlich gewährleistet, weswegen der Beschwerdeführer auch eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK im Sinne der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weil er keine Lebensgrundlage vorfindet, nicht glaubhaft machen konnte. Viel mehr lebt die Familie des Beschwerdeführers unverändert in XXXX , weswegen der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr einen intakten Haushalt sowie intakte soziale Netzwerke vorfinden wird, weswegen seine Lebensgrundlage gesichert erscheint.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der auf die Entscheidungen des EGMR Bezug nimmt, hat ein Fremder im Allgemeinen kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VfGH 06.03.2008, B2400/07 mwN).

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR bereits ausgesprochen, dass die nach der oben zitierten geforderten außergewöhnlichen Umstände, die zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen können, vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (zuletzt VwGH 30.06.2017, Ra 2017/18/0086).

Nachdem der Beschwerdeführer gesund ist und die grundlegende Gesundheitsversorgung in Kabul gewährleistet ist, sind auch außergewöhnliche Umstände hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers im Sinne der oben zitierten Judikatur nicht hervorgekommen.

Auch hat der Verwaltungsgerichtshof speziell zu einer möglichen Wiederansiedelung in Kabul bereits ausgesprochen, dass sich aus den UNHCR-Richtlinien nicht ergibt, dass diese jedenfalls ausgeschlossen sei, sondern er verlangt viel mehr eine sorgfältige, auf die Umstände des Einzelfalles Bedacht nehmende Überprüfung (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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